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Veröffentlicht am 06.06.2023

Zwei Leben, ein schicksalhaftes Jahr

Zwischen Himmel und Erde
2

Die britisch-brasilianische Schriftstellerin Yara Rodrigues Fowler nimmt ihre Leser mit ihrem Buch „Zwischen Himmel und Erde“ mit ins Jahr 2016. Es ist die Zeit, als der Brexit in aller Munde war und in ...

Die britisch-brasilianische Schriftstellerin Yara Rodrigues Fowler nimmt ihre Leser mit ihrem Buch „Zwischen Himmel und Erde“ mit ins Jahr 2016. Es ist die Zeit, als der Brexit in aller Munde war und in Brasilien es Tausende auf die Straßen treibt. Jedes Leben wird beeinflusst von den gesellschaftlichen und den politischen Ereignissen, ein profundes Wissen darum ist allemal von Vorteil, will man dieses Buch genießen.

Der fordernde Schreibstil erschwert das Lesen, wobei die fehlenden Satzzeichen nicht weiter tragisch sind, der Lesefluss leidet hier eher marginal. So manches kommt wie abgehackt daher und die immer wieder auftauchenden Listen mit Wörtern wie etwa „…in der Schule nannte man sie Mel – Honig – meleca – meloso“ sind auch bald gut einzuordnen. Portugiesische Textpassagen, Rezepte oder Songtexte, Wortwiederholungen, teilweise seitenlang, habe ich dagegen als störend empfunden. Es sind nur einige dieser Lese-Stolpersteine, wie ich diese Ausdrucksform mal benenne, aufgeben sollte man deswegen jedoch nicht. Ein einfach-so-mal-Weglesen geht gar nicht, der ganze Roman fordert seine Leser.

„Zwei Leben verflechten sich in einer weltumspannenden Geschichte.“ Das Buch erzählt von Catarina, die es von Brasilien nach London zieht, hin zu Melissa, die beiden leben in einer WG. In Rückblicken erfahre ich von Baby Melissa und ihrem Umfeld, ihrer Schulzeit, ihrem Erwachsenwerden. Ebenso erlebe ich Catarinas Geburt, zwischendurch wird von ihrer Tante Laura berichtet, die während der Militärdiktatur verschwunden ist. An ihrem Beispiel wird die ganze Tragik um sie, um die ganze Familie, erlebbar. Es kristallisiert sich heraus, dass die beiden jungen Frauen tiefer verbunden sind, als es zunächst den Anschein hat. Sie sind jung, probieren sich aus, die Fernbeziehung zu Pedro hält Catarina per Skype aufrecht, auch gehören Diana, Britney und Amy Winehouse neben Prince und George Michael und vielen und vielem anderen in diese Zeit, es ist viel passiert. Yara Rodrigues Fowler lässt dies alles neben dem politischen Hintergrund gekonnt mit einfließen.

Ja, es ist „ein fulminanter Roman über eine tiefe Freundschaft, über Familie, Liebe, Revolution und das politische Erwachen in einer Zeit der radikalen globalen Umbrüche“. Bildgewaltig in Szene gesetzt anhand zweier junger Frauen mit brasilianischen Wurzeln. Eine unkonventionelle Erzählweise, ein ungewöhnliches Buch, für das es Zeit braucht, auf das man sich ganz einlassen sollte.

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Veröffentlicht am 01.06.2023

Die erste Leica

Das Licht im Rücken
2

Wer kennt sie nicht, die Leica. Sandra Lüpkes erzählt von ihren Anfängen. Von Oskar Barnack, der in den Leitz-Werken arbeitet. Der geniale Feinmechaniker ist es leid, beim Fotografieren stets einen klobigen ...

Wer kennt sie nicht, die Leica. Sandra Lüpkes erzählt von ihren Anfängen. Von Oskar Barnack, der in den Leitz-Werken arbeitet. Der geniale Feinmechaniker ist es leid, beim Fotografieren stets einen klobigen Apparat mit schweren Glasplatten zu schleppen. Er entwickelt einen kleinen, handlichen Apparat, mit dem leichtes Zelluloid belichtet wird: die Leica. Eine Idee, die nicht nur sein Leben, sondern die Sicht auf die ganze Welt verändert. Er stellt seinem Chef seine Erfindung vor, dieser ist davon überzeugt und will ihn unterstützen. Wir schreiben das Jahr 1914.

Rund um die Leica erzählt die Autorin von dem Erfinder und vom Schicksal noch zweier Familien. Sie gewährt tiefe Einblicke in die Industriellenfamilie Leitz und auch in die fiktive jüdische Familie Gabriel - vor dem Hintergrund des ersten Weltkrieges bis hin zu den Nationalsozialisten, historisches und Fiktion sind gekonnt ineinander verwoben.

Was mich jedoch zunächst veranlasst hat, das Buch zur Seite zu legen, waren die vielen Personen, die geballt ihren Auftritt hatten. Da musste ich mich schon zwingen, dranzubleiben. Und ja, ich habe weitergelesen, wobei das Personenregister mit den realen und den fiktiven Charakteren enorm hilfreich war. Ich hab des Öfteren nach hinten geblättert, auch wenn es zunächst aufhalten mag, hatte ich sie später dann einigermaßen verinnerlicht und ich konnte mich auf die Geschichte konzentrieren.

In ihrem Nachwort erzählt sie von der Idee zum Buch, auf ihrer Recherche zu ihrem vorhergehenden Roman ist sie auf Aufnahmen aus dem 1920er und 1930er Jahren gestoßen, diese waren mit einem ganz frühen Leica-Modell vom jüngsten Sohn des Wetzlarer Industriellen Günther Leitz gemacht worden. Und so kamen viele Infos dazu – „Das Licht im Rücken“ war am entstehen.

Unbedingt erwähnenswert ist die Gestaltung des Buches. Angefangen vom Bild auf dem Cover, das schon mal neugierig macht, sind viele Originalaufnahmen mit Bildnachweis (am Ende des Buches)und kurzen Erläuterungen dazu abgedruckt. In sieben Kapiteln lässt die Autorin ihre Leser am weltweiten Siegeszug der Leica teilhaben, eine Abbildung der Kamera mit den technischen Daten und Bildmaterial ist jedem dieser Kapitel vorangestellt.

Fotos sind für uns nicht besonderes, wir knipsen munter drauf los. Die erste Kamera, die in jede Tasche passt, die Geschichte drumherum ist sehr aufschlussreich, die Aufmachung des Buches etwas ganz Besonderes. Die Story dahinter hat mich nicht so sehr gefesselt, auch wenn ich viel über die Anfänge der ersten kleinen Kamera erfahren habe.

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Veröffentlicht am 27.05.2023

Menschliche Abgründe

Die Bosheit
2

Nachdem Mikael und Bianca mit ihren beiden Kindern nach einen Vorfall einen Neuanfang in einem eher überschaubaren Ort wagen wollen, ist von Idylle bald nichts mehr zu spüren – Bianca ist mit dem Fahrrad ...

Nachdem Mikael und Bianca mit ihren beiden Kindern nach einen Vorfall einen Neuanfang in einem eher überschaubaren Ort wagen wollen, ist von Idylle bald nichts mehr zu spüren – Bianca ist mit dem Fahrrad unterwegs und wird von einem Auto angefahren, sie ist schwer verletzt.

Die heile Welt scheint gar nicht so heil zu sein, in kurzen Kapiteln erzählen abwechselnd Mikael, Jacqueline und ihr Sohn Fabian von den Nachbarn in der Wohnanlage, von Vorkommnissen in der Vergangenheit, von ihrer Sicht auf den Unfall, der vielleicht gar keiner war. Jeder hat so seine Probleme und nicht nur das, jeder hat so einiges zu verbergen.

Die ganze Wahrheit – nicht nur die um den Unfall und dessen Folgen – offenbart sich mir lange nicht. Auch wenn ich schon meine, dass dieser „Unfall“ bewusst herbeigeführt wurde, so bin ich doch überrascht, als ich den wahren Hintergrund erfahre.

Es sind immer nur Versatzstücke, die nicht auserzählt werden, Wesentliches bleibt außen vor, ich warte vergeblich auf Auflösungen. Und ja, sie werden dann schon präsentiert, aber das dauert. Nicht immer finde ich das gut, denn lange plätschert es so dahin, ihr Zusammenleben mit den Nachbarn, die Hof-Feste und das Getratsche über alles und über jeden ist mir so manches Mal zu langatmig, nicht zielführend. Es geht um Alkoholmissbrauch, um Mobbing und die damit einhergehenden psychischen Probleme, um Lügen und Betrug, um all die menschlichen Unzulänglichkeiten.

„Vertraust du deinen Nachbarn?“ Solchen nicht, wer solche Nachbarn hat, braucht keine Feinde, es waren alle finstere, hinterhältige Typen. Die Charaktere waren allesamt unsympathische Wesen, denen ich nicht nahe gekommen bin.

„Die Bosheit“ ist mein erster Roman von Mattias Edvardsson. Es war schon eine unterschwellige Spannung da, ich habe die 444 Seiten am Stück gelesen, wollte einfach wissen, was es mit den ganzen angesprochenen Geschichten rund um die Nachbarschaft auf sich hat. Und – was hat es mit dem Unfall auf sich, das sollte schon noch zur Gänze geklärt werden. Die Auflösung hat mich dann doch kalt erwischt, die Dramatik dahinter war dank des vorher Erzählten greifbar. Die komplette Grundstimmung jedoch war negativ, heuchlerisch, düster mit ausschließlich kaputten Typen.

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Veröffentlicht am 27.05.2023

Zwei Liebesgeschichten

Die verlorene Tochter
2

Die emotionale Spurensuche um „Die verlorene Tochter“ ist der Auftakt um Familiengeheimnisse, eine Saga in acht Bänden aus der Feder von Soraya Lane. Eine Kanzlei in London verschickt an acht junge Frauen ...

Die emotionale Spurensuche um „Die verlorene Tochter“ ist der Auftakt um Familiengeheimnisse, eine Saga in acht Bänden aus der Feder von Soraya Lane. Eine Kanzlei in London verschickt an acht junge Frauen je ein Schreiben mit der Bitte, sich in einer Nachlasssache bei ihnen einzufinden. In diesem Auftaktband geht es um den Nachlass von Patricia Rhodes. Lily, ihre Enkelin, öffnet den Brief und denkt eher an einen Irrtum, nimmt den Termin dann aber doch wahr und erhält eine kleine Holzschachtel mit rätselhaftem Inhalt.

Die Geschichte wird in zwei wechselnden Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart begleite ich Lily nach Italien in das Weingut der Familie Rossi, die kleine Holzschachtel reist mit. Ihre Spurensuche führt sie in die Mailänder Scala und ein handgeschriebenes Rezept, das die Herstellung einer süßen Verführung beschreibt, bringt sie in die Gegend um Alba. Und – wie könnte es anders sein – es begegnet ihr auch die Liebe.

Die Vergangenheit erzählt von Estée und von Felix als Hauptpersonen. Auch dieser Part mit allem Drum und Dran erzählt von Liebe, von Intrigen und einer großen Lüge.

Große Gefühle ziehen sich durch beide Erzählstränge, schon das Cover lässt viel Romantik und eine heile Welt erkennen. Lilys Geschichte ist eine, die immer und immer wieder zu lesen ist. Junge, bildhübsche Frau trifft Sohn, vom Leben und den Frauen gebeutelt. Er ist gutherzig, er ist schlichtweg ein Mann zum Träumen, der alles für seine Angebetete tut. Zugegeben, es ist eine kurzweilige Story, in der es nur Gutmenschen gibt, flott geschrieben, gut zu lesen – vorhersehbar.

Estées Story, die 1937 beginnt, als sie von der Mutter gedrillt wird, die Großes mit ihr vor hat, hat mich schon eher begeistert. Von ihr, von ihrem Werdegang, von ihrem Schicksal, hätte ich gern mehr gelesen. Sie war eine erstaunliche Person mit einem starken Willen und doch gab es Rückschläge, die sie alle irgendwie verkraften musste.

Während mir die Story um Lily zu seicht und zu vorhersehbar war, hat mich Estée und ihre Geschichte schon aufgewühlt, sie hat mich neugierig weiterlesen lassen. An ihrem Schicksal habe ich Anteil genommen, auch die Charaktere um sie – seien es Felix oder seine Eltern, auch Estées Mutter – waren lebendig geschildert, ich hatte zu ihnen allen Bilder im Kopf. Als Italien-Fan habe ich auch die Landschaftsbeschreibungen, das ganze Ambiente, sehr genossen und das zum Wegträumen schöne Weingut auf dem Cover, das sich auf dessen Innenseite fortsetzt, erweckt die Reiselust in mir.

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Veröffentlicht am 03.05.2023

Die tollkühne Kiki will es wissen

Mutterliebe
2

Eine Mutter soll ihr Kind in den Wald gelockt und es dann erstickt haben. War das wirklich so? Was ist „Mutterliebe“ wert? Kiki Holland verfolgt als Gerichtsreporterin die Verhandlung, sie glaubt nicht ...

Eine Mutter soll ihr Kind in den Wald gelockt und es dann erstickt haben. War das wirklich so? Was ist „Mutterliebe“ wert? Kiki Holland verfolgt als Gerichtsreporterin die Verhandlung, sie glaubt nicht daran, dass die angeklagte Mutter ihr eigenes Kind auf dem Gewissen hat. Es muss sehr viel mehr dahinter stecken.

Nach den ersten Seiten im Gerichtssaal geht es beklemmend weiter. Ich lese Schreckliches und doch zweifle ich, ob es sich denn wirklich so zugetragen hat. Es ist eine beinahe surreale Stimmung, als Sylvia mit ihren beiden Kindern bis an den Waldesrand fährt, um dann mit ihnen zu einem Waldspaziergang aufzubrechen. „Ich zeige euch einen besonderen Platz“ lockt sie die beiden immer tiefer hinein…

Von Sylvia lese ich zwischendurch immer mal wieder. Von ihrem Handeln, von ihren Gedanken, ihren Problemen und auch von ihrer Ehe. Finanziell ist sie gut gestellt, emotional sieht es allerdings ganz anders aus.

Die Hauptakteurin hier ist allerdings Kiki, die tollkühne Reporterin. Sie glaubt nicht an Sylvias Schuld und ermittelt auf eigene Faust. Sie schnüffelt herum was das Zeug hält, überschreitet Grenzen und das nicht nur einmal, es wiederholt sich ständig. Und keiner hält sie auf, sie gefällt sich in dieser Rolle, geriert sich als unverwundbar. Und genau dieses Zuviel schadet der eigentlich gut lesbaren Story. Daneben und dazwischen ist auch die Liebe in Form eines Maulwurfs dabei.

Es sind die Dialoge, die für Auflockerung sorgen. Diese haben mir mehr als einmal ein Schmunzeln abgerungen, die Stimmung an und für sich ist ein auf und ab der Gefühle. Als Justiz-Krimi im herkömmlichen Sinne sehe ich diese „Mutterliebe“ nicht unbedingt, auch wenn die Gerichtsverhandlung voranschreitet. Der Handlung kann ich durchweg gut folgen, das Autorenduo, das sich Kim Selvig nennt, punktet durch Wortwitz in einer lockeren, unterhaltsamen Sprache. Wäre da nicht dem Ende zu ein extremer Patzer passiert, der auch dem etwas zerstreuten Leser sofort unangenehm auffällt.

Es war ein kurzweiliges, vergnügliches Lesen. Kikis „Investigativer Journalismus“ war überzeichnet. Auch wenn ihr Charakter viel Potenzial aufweist, so sollte man nicht ständig in die Vollen gehen. Weniger wäre auch hier sehr viel mehr, die Figur Kiki um einiges glaubhafter gewesen. Gute Unterhaltung war es allemal.

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