Herfried Münkeler beschreibt in seinem Buch „Welt in Aufruhr“ Theorien der Weltordnung und Ursachen für Aufruhr in der Welt. Seine Ausführungen reichen von Thukydides bis in die Neuzeit. Er erklärt die ...
Herfried Münkeler beschreibt in seinem Buch „Welt in Aufruhr“ Theorien der Weltordnung und Ursachen für Aufruhr in der Welt. Seine Ausführungen reichen von Thukydides bis in die Neuzeit. Er erklärt die Konflikte der jüngeren und jüngsten Gegenwart bis hin zum Krieg in der Ukraine mit Hilfe der Theorien und der aus ihnen resultierenden Deutungen und Narrative. Dabei geht es auch um die Rolle der jeweiligen Großmächte und um geopolitische Faktoren. Ein breit gefasst Blick auf Vergangenheit und Zukunft mit dem Ziel, sich der Frage anzunähern, wie eine künftige Weltordnung aussehen könnte, wer Akteur und Garant dieser sein könnte, welche Chancen und Gefahren in ihr liegen.
„Gedankenfunkelnd“ bewertet der Klappentext Münkelers Analyse. Dem kann der Leser nur zustimmen. Beeindruckend sind die breite und weit zurückreichende Kenntnis historischer, globaler Entwicklungen und die Zusammenhänge, die der Autor herzustellen weiß. Dabei reicht sein Blick nicht nur weit zurück, sondern erweist sich auch im Blick auf die Zukunft als sehr weitsichtig.
Einzig hemmend ist der bisweilen etwas aufgeblähte Satzbau und der Hang zum exaltierten Fremdwort, das gut und gerne auch hätte durch einen einfacheren Begriff zum Ausdruck gebracht werden können. Die funkelnden Gedanken des Autors hätten dieses äußeren Scheins nicht bedurft.
Das ist die Helden des Jugendbuches „Grüne Gurken“. Lotte ist mit ihren Eltern nach Berlin gezogen und findet dort alles sch… . Als sie durch Zufall an einen Job im Kiosk gegenüber kommt, lernt sie aber ...
Das ist die Helden des Jugendbuches „Grüne Gurken“. Lotte ist mit ihren Eltern nach Berlin gezogen und findet dort alles sch… . Als sie durch Zufall an einen Job im Kiosk gegenüber kommt, lernt sie aber nette Leute kennen, Yunus, den Kiosbesitzer, Miri, seine Freundin und einen Jungen, der einmal wöchentlich grüne saure Gurken im Kios kauft und ein Geheimnis zu haben scheint. Aber nicht nur das macht ihn anziehend. Wäre da nur nicht Lottes Talent, jede peinliche Situation mitzunehmen.
Lotte ist klug, wenn auch für ihre Eltern manchmal nicht klug genug, sie kann Leute zum Lachen bringen, manchmal eben auch durch ihre kleinen Missgeschicke. Somit wächst sie dem Leser gleich ans Herz. Der Erzählton passt ganz zur Heldin der Geschichte, aus deren Perspektive erzählt wird: locker, witzig, intelligent. Und so bringt Lotte auch ihre Leser immer wieder dazu, laut loszulachen. Aber der Roman hat auch ernste Seiten, es geht um das Selbstbild, um das Gefühl, anders zu sein, um Verantwortung, um Festhalten und Loslassen, um das Erwachsenwerden und natürlich um die Liebe.
Ein besonderes Highlight sind die Graphiken, ein Faible von Lotte, lustige und pointierte Untermalungen ihrer Erfahrungen und Stimmungslagen.
Ein Roman, der gut unterhält, ein wenig nachdenklich und viel Spaß zum Lesen macht, nicht nur für Berlinliebhaber, Jugendliche, Verliebte oder Fans von sauren Gurken.
ermittelt die Kriminalpolizeianwärterin Lucia Sprecht im Fall des Todes eines Blumenmädchens, wie der erste Titel der Reihe „Die Kriminalistinnen“ von Matthias Berg lautet.
Lucia Specht ist eigentlich ...
ermittelt die Kriminalpolizeianwärterin Lucia Sprecht im Fall des Todes eines Blumenmädchens, wie der erste Titel der Reihe „Die Kriminalistinnen“ von Matthias Berg lautet.
Lucia Specht ist eigentlich gelernte Sekretärin und kommt aus dem Zechenmilieu des Ruhrpotts. Doch sie will mehr aus ihrem Leben machen und ergreift die Chance, als erstmals 1969 in Düsseldorf Frauen bei der Kripo in Düsseldorf ausgebildet werden. Zusammen mit ihren 5 Kolleginnen, die unterschiedlicher nicht sein können, doch alle dasselbe Ziel verfolgen, steht Lucia ihre Frau in einer männerdominierten Domäne. Dabei hat sie nicht nur mit den Vorurteilen der Kollegen zu kämpfen. Doch in dem Fall des toten Hippiemädchens, der zunächst wie ein Unfall aussieht, sich dann aber schnell als ein Mord im Milieu von Drogenkriminalität und Pornographie erweist, ist weibliche Intuition nicht immer fehl am Platz.
Während die kriminalistische Handlung eher konventionell und frei von unverhofften Wendungen ist, besticht der Roman eher durch sein historisches und lokales Kolorit. Geschickt verflicht der Autor historische Begebenheiten mit der Romanhandlung und lässt den Leser gänzlich eintauchen in das Lebensgefühl der späten 60er Jahre zwischen dem konservativ-spießigen Establishment und den die freie Liebe praktizierenden Hippies, die sich gegen alles Konventionelle verwehren. Die Figuren und ihre Beziehungen sind sehr vielschichtig angelegt und weit entfernt vom Klischee, was es umso interessanter macht, an ihren Leben, ihrer Gefühls- und Gedankenwelt Anteil zu nehmen. Und dabei sind es nicht nur die Frauen, die sich in einer neuen Rolle zwischen Hausfrau, Mutter und selbständiger Berufstätigkeit finden müssen, sondern auch die Männer müssen sich dazu positionieren mit ihren Wünschen von der braven, fürsorgenden Ehefrau und der erotisch verführerischen Geliebten, die sich nicht unbedingt mit Frauen à la Emma Peal vereinbaren lassen, die sich in diese Schubladen nicht fügen wollen.
Wer den actionreichen, psychologisch raffinierten Krimi liebt, wird hier wohl nicht unbedingt ganz so auf seine Kosten kommen. Wer aber die Atmosphäre und die historische Eigenheit an einem Krimi schätzt, der wird sich gut unterhalten finden.
Über vier Generationen erstreckt sich der Roman „Die Reisenden der Nacht“ von Armando Lucas Correa. Schon Ally muss ihre Tochter Lilith, einen „Rheinlandbastard“, die die dunkle Haut von ihrem Vater geerbt ...
Über vier Generationen erstreckt sich der Roman „Die Reisenden der Nacht“ von Armando Lucas Correa. Schon Ally muss ihre Tochter Lilith, einen „Rheinlandbastard“, die die dunkle Haut von ihrem Vater geerbt hat, bei Nacht auf eine Reise ins Unbekannte schicken, um sie vor den Hygienegesetzen der Nazis zu retten. Mit Hilfe eines jüdischen Ehepaares erreicht sie auf der St. Louis Kuba, wo sie bei ihnen aufwächst, sich in einen Mann verliebt und mit ihm eine Tochter bekommt, Nadine. Und zwar genau in der Nacht, als die Kommunisten die Herrschaft über das Land übernehmen und die Anhänger der alten Regierung, wie Lilith Mann, beseitigen. Auch Lilith muss sich von ihrer Tochter trennen, die zu Adoptiveltern kommt. Das Ehepaar zieht sie in New York groß, bis die Frau und Adoptivmutter Nadines als Österreicherin der Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Nazi-Regimes in Deutschland angeklagt wird. Somit schließt sich der Kreis, denn Nadine macht sich mit ihrem Adoptivvater nach Deutschland auf, da er seine Frau in ihrem Prozess unterstützen will. Nadine fasst in Berlin Fuß, studiert, verliebt sich und bekommt eine Tochter, Luna, die vieles von ihrer Urgroßmutter geerbt hat: die Dichtkunst und die Vorliebe für die Dunkelheit.
Correa gibt mit seinem Familienroman ein erschütterndes Zeugnis ab über die Grausamkeit der Menschen und des Schicksals, das die Protagonistinnen immer wieder aus ihrem Leben vertreibt und mit schrecklichen Schlägen dafür straft, das sie anders sind, nicht dazu gehören und dafür verfolgt und ausgegrenzt werden. In einer seltsam anmutenden Verbindung von Poesie und der historisch fundierten Schilderung zweier verschiedener Epochen des Unrechts und der Gewalt in Deutschland und Kuba nimmt er den Leser mit auf diese Reise durch die Nacht, die zeigt, dass der Mensch der Geschichte und auch seiner eigenen Lebensgeschichte nicht entkommen kann. Während das Leben Allys in Deutschland sehr surreal wirkt, weil sie quasi nur bei Nacht lebt, um ihre Tochter zu verstecken, wirkt die Lebensphase Liliths in Kuba dagegen solange recht real und lebendig, bis auch sie sich gänzlich in der Finsternis ihres Haus abschottet vom Leben ohne ihre Tochter. Der letzte Teil, Nadines und Lunas Leben in Berlin, wirkt dagegen wieder sehr realitätsnah. Hier stören ein wenig die großen Zeitsprünge, die den Leser immer wieder aus der Kontinuität der Geschichte reißen. Vielleicht will der Autor hier zu viele Erzählfäden zu ihrem Ende und zusammenführen, ohne sich dafür die Zeit zu nehmen. Auch die Art, wie der ein oder andere Faden sein Ende findet, ist im Angesicht des dramatischen Schicksals dieser Familie dann doch mit zu großem Willen zur Harmonie zu Ende gesponnen.
Robert Simon erfüllt sich einen Traum und eröffnet ein Café am Karmelitermarkt im Wien der 60er Jahre. Es ist ein armes Viertel. Seine Kundschaft sind Arbeiter, Händler vom Markt und die ein oder andere ...
Robert Simon erfüllt sich einen Traum und eröffnet ein Café am Karmelitermarkt im Wien der 60er Jahre. Es ist ein armes Viertel. Seine Kundschaft sind Arbeiter, Händler vom Markt und die ein oder andere Randexistenz der Wiener Gesellschaft. Doch das Café läuft gut an. Es ist ein Ort zum Festhalten in einer Zeit des schnellen Wandels, der die Figuren der Erzählung herumwirbelt und meist nicht vorwärts bringt. Wie das Leben selbst, so ist auch das Glück nicht von Dauer und lässt sich nicht festhalten. Simons Kellnerin Mila findet die Liebe, aber ihr Geliebter ist ein ausgedienter Preisboxer und dem Alkohol nicht abgeneigt. Simons Vermieterin ist eine alte Witwe, die in Simon noch einmal Gesellschaft findet, aber mehr und mehr ihre Erinnerungen an das Leben verliert. Simons Nachbar und Freund, wenn man so sagen will, der Fleischer, hat eine Frau und zwei Kinder, aber es kommt noch ein drittes, das krank ist. Die Milch- und Käsehändlerin Heide hat die Liebe zum Maler Mischa, doch der liebt auch andere Frauen.
Es sind eher die kleinen Schicksale die Robert Seethaler in seinem Roman vom Café ohne Namen porträtiert. Er ist ein Meister der ruhigen Stimmung und ein sanfter Erzähler. Beim Lesen seiner Bücher fällt der Leser ein wenig aus seiner eigenen hektischen Welt. Hier entsteht ein stimmungsvolles Bild eines armen Wiener Viertels. Das wechselnde Wetter, die warmen Sommer und die eisig kalten Winter stehen im Einklang mit der Freude und der Wehmut der Menschen. So steht der Winter häufig für Rückzug, Einkehr, aber auch Stillstand, während der Frühling die Genesung und den Aufbruch bringen. Dieses Wechselspiel findet sich auch in den Gesprächen der beiden Cafébesucherinnen, die nicht genauer benannt oder beschrieben werden, deren Wechselgespräche in der zweiten Hälfte des Romans in jedem zweiten Kapitel das Geschehen kommentieren. Auch hier haben wir eine eher resignierende Stimme und ein optimistisches Gegengewicht, die das Leben und die Menschen mit gnädigerem Blick bedenkt.
Die Hauptfigur Robert Simon wächst dem Leser ans Herz: der bescheidene Mann, der das kleine Glück für sich sucht, der still beobachtet, aber nie urteilt, der allen Gästen Respekt und Interesse entgegenbringt, der anpackt und seinen Laden wie sein Leben in Ordnung hält, der sich kümmert im Kleinen, wie z. B. um seine Vermieterin oder auch um den Besitzer des Hauses, in dem er sein Café gepachtet hat, aber auch im Großen, als er das Haus und den Markt vor einer Katastrophe bewahrt.
Es ist ein kleines, beschauliches Büchlein, das ohne großes Kino und große Gefühle auskommt. Es gibt auch keine durchgängigen Handlungsstränge, zum Festhalten für den Leser gibt es auch „nur“ das „Café ohne Namen“ als Dreh- und Angelpunkt. Neben den leisen Tönen muss man das Episodenhafte mögen. Dabei betreten manche Figuren den Schauplatz genauso unvermutet, wie sie ihn wieder verlassen, und lassen den Leser ein wenig ratlos zurück, wie z. B. die Frau mit der Taube, Jascha, die Simon für kurze Zeit den Kopf verdreht, bevor sich in ihrem Kopf alles zu verdrehen scheint. Aber wer sich einfach von Stimmungen berühren lassen mag und ein Herz für die einfachen, bisweilen aber auch recht verschrobenen Menschen hat und einen Ort zum Fest- oder eher Innehalten sucht, dem sei das kleine Buch ans Herz gelegt.