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Veröffentlicht am 13.08.2023

Einen wie Federer wird es nie mehr geben (Zitat S. 153)

Inspiration Federer
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Das Buch „Inspiration Federer“, verfasst von zwei Sportjournalisten, dem Schweizer Simon Graf und dem Briten Simon Cambers, erzählt nicht nur von seinen zahlreichen Erfolgen, sondern es geht primär um ...

Das Buch „Inspiration Federer“, verfasst von zwei Sportjournalisten, dem Schweizer Simon Graf und dem Briten Simon Cambers, erzählt nicht nur von seinen zahlreichen Erfolgen, sondern es geht primär um den Menschen Roger Federer – wie ihn sein Umfeld sah und erlebte. In vierzig exklusiven Interviews mit Freunden, Rivalen, Coaches, Fans und Kulturschaffenden versuchten die beiden Autoren zu ergründen, was die Faszination dieses Tennispielers ausmacht, was ihn so einzigartig macht.

Sympathisch lächelt Roger Federer einem bereits vom Cover entgegen und im Buch befinden sich noch zahlreiche Fotos von ihm, seinen Werdegang zeigend, Zusammentreffen mit Gegnern, Fans und vielen bedeutenden Persönlichkeiten. Je nach dem Personenkreis, der von den Journalisten befragt wurde, ist das Buch in Abschnitte geteilt: Roger, der Freund, der Schüler, der Rivale, die Inspiration, der Konkurrent, der Held, der Gamechanger, der Profi.

Obwohl ich nicht zu jenen Tennisfans gehöre, die kein einziges im TV übertragenes Tennisturnier ausgelassen haben, so waren mir die Größen dieses Sports doch stets ein Begriff, wie Boris Becker, Jimmy Connors, Ivan Lendl, Andre Agassi, John McEnroe, Andy Roddick, Pete Sampras, Mats Wilander, Novak Djokovic, Andy Murray, Rafael Nadal, und natürlich Roger Federer. Ihn mochte ich immer besonders, er wirkte stets wie ein Sir am Platz. Nie gab es ausufernde Emotionen. So interessierte es mich nun sehr, ob mein Eindruck in diesen Zeilen wohl Bestätigung findet.

Und all jene Menschen, die hier zu Wort kommen, die über ihre Begegnungen mit ihm berichten, erklären unisono, wenn auch mit unterschiedlichen Worten und mehr oder weniger ausführlich, dasselbe. Nämlich, nicht nur, dass er über ein Ausnahmetalent verfügte, sondern dass er auch stets geerdet blieb, trotz seiner Erfolge, trotz seines Reichtums. Er blieb menschlich und nahbar, auch für seine Fans, und er war ein Familienmensch. Dieser Gleichklang der Kernaussage führt unweigerlich zu gewissen Wiederholungen, wobei ich die Anfänge seiner Karriere, die Jugendjahre am interessantesten fand. Die Berichte decken rund 20 Jahre ab, vom Beginn bis zum letzten Profimatch. Obwohl auch sein Spielstil und besondere Matches analysiert werden bzw. beschrieben wird, wie sich seit den 90er Jahren der Tennissport verändert hat, aus Amateuren Profis wurden und inwieweit Federer zu dieser Entwicklung beitrug, liegt dennoch der Fokus auf seinen persönlichen Stärken und kaum vorhandenen Schwächen, auf seinem Charakter, seinem Charisma. „Er hat es geschafft, während seiner gesamten Karriere derselbe zu bleiben, bescheiden, bodenständig – ein ganz normaler Mensch, in guten wie in schlechten Zeiten.“ (S. 188).

Etwas vermisst habe ich mehr privatere Einblicke, Familiäres wird nur kurz gestreift. Auch die eine oder andere auflockernde Anekdote hätte dem Buch gut getan. Manche Schilderungen von Spielverläufen und Analysen seines Spielstils waren mir etwas zu langatmig, zu detailliert, die habe ich dann überflogen.

„Inspiration Federer“ ist keine Biografie im landläufigen Sinn, denn Roger Federer selbst kommt nicht zu Wort. Das Buch liest sich flüssig und ist durchaus auch für nicht eingefleischte Tennisfans (wie ich) interessant, eröffnet einem Einblicke in die Tenniswelt, die man vorher nicht kannte.

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Veröffentlicht am 31.07.2023

Spannendes, vor allem unterhaltsames Eishockey-Flair

Tote Trainer pfeifen nicht
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„Tote Trainer pfeifen nicht“ von Vera Nentwich ist ein unterhaltsamer Cosy-Krimi.

Worum geht es?
Der Eishockeystar Toby steht unter Verdacht, den Trainer erschlagen zu haben. Seine Freundin bittet Sabine ...

„Tote Trainer pfeifen nicht“ von Vera Nentwich ist ein unterhaltsamer Cosy-Krimi.

Worum geht es?
Der Eishockeystar Toby steht unter Verdacht, den Trainer erschlagen zu haben. Seine Freundin bittet Sabine (Biene) Hagen um Hilfe. Die Detektivin vertieft sich in das Umfeld des Eishockeyvereins und fragt sich u.a., wie sich der kleine Verein so einen Top-Trainer leisten konnte bzw. wieso der überhaupt bereit dazu war? Weshalb hat der Vereinsvorsitzende ausgerechnet ihn engagiert und worüber gab es Streit mit dem Trainer?

Der Schreibstil ist flüssig, dialogreich und humorvoll. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Das Buch erschien 2023. Das Cover passt nicht nur zum Thema, sondern auch optisch zu den anderen Bänden. Die Handlung spielt in der nicht näher bestimmbaren Gegenwart in Grefrath, Nordrhein-Westfalen. Obwohl dies bereits der siebente Band der Reihe ist, hatte ich als Quereinsteigerin kein Problem, in den Fall und Bienes Umfeld hineinzukommen, obwohl mir natürlich der rote Faden, also Sabines Werdegang, fehlte. Das Ambiente rund ums Eishockey ist anschaulich beschrieben, wie es im Training zugeht und die Stimmung bei einem Match. War erstaunt, wie sehr sich auch Frauen für diesen Sport begeistern können.

Die Spannung liegt, wie bei jedem Whodunit-Krimi primär in der Frage, wer die Tat beging. Die Ermittlungen gehen nur langsam voran, stützen sich zunächst auf fadenscheinige Informationen und Gerüchte. Zudem kommt Biene parallel zum Mordfall auch noch in einem Überwachungsauftrag zum Einsatz, was so einige Turbulenzen mit sich bringt und auf falsche Spuren führt. Der Kreis der Verdächtigen ist zwar überschaubar, dennoch kristallisiert sich erst nach einigen Flops der wahre Täter sowie das Motiv heraus.

Eigentlich besteht die Detektei aus zwei Personen, Jago und Sabine. Doch im Mittelpunkt des Romans steht eindeutig Sabine, aus deren Perspektive auch in Ich-Form erzählt wird. Man befindet sich somit mitten im Fall bzw. eigentlich in zwei Fällen und erlebt sämtliche Befragungen und Aktionen mit ihr mit – und kann miträtseln. Man kann all ihre Gedankengänge mit verfolgen, auch ihre Fehleinschätzungen und Hoppalas, was erfrischend wirkt und oftmals einen zum Schmunzeln bringt. Denn Biene spricht und handelt vorrangig ohne viel nachzudenken und gerät durch ihre Impulsivität immer wieder in prekäre bis gefährliche Situationen.

Sehr im Vordergrund steht auch Sabines Privatleben. Neben den Ermittlungen liegt der Fokus des Romans nämlich auf den zwischenmenschlichen Beziehungen, auf Sabines wunderbarer, verständnisvoller Großmutter, ihrem Freundeskreis und ihrer langjährigen, nicht ganz konfliktfreien Beziehung zu ihrem Freund Jochen.

„Tote Trainer pfeifen nicht“ ist ein Wohlfühl-Krimi mit liebenswürdigen Charakteren, spannend und vor allem vergnüglich zu lesen.

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Veröffentlicht am 13.07.2023

Der Kampf um Gerechtigkeit

Bodenloser Fall
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„Bodenloser Fall“ von Georg Brun ist der Auftakt zur Trilogie rund um die Strafverteidigerin Olga Swatschuk. Ein unblutiger Wohlfühlkrimi, aber thematisch interessant und nachdenklich stimmend.

Worum ...

„Bodenloser Fall“ von Georg Brun ist der Auftakt zur Trilogie rund um die Strafverteidigerin Olga Swatschuk. Ein unblutiger Wohlfühlkrimi, aber thematisch interessant und nachdenklich stimmend.

Worum geht es?
Olgas Mandant wird der Veruntreuung beschuldigt. Mit Hilfe eines befreundeten Privatdetektivs und ihrer Freundin Sonja, einer IT-Spezialistin, stellt sie Ermittlungen an. Sie stoßen auf einen Zusammenhang mit einem namhaften Bauvorhaben, der Sanierung des Europäischen Theaters in München, und auf eine heimtückische Intrige.

Der Schreibstil ist teils flüssig, teils liebt der Autor auch lange, verschachtelte Sätze. Die Kapitel sind kurz, lediglich nummeriert, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Das Buch erschien 2021. Die Handlung spielt in der nicht näher beschriebenen Gegenwart, anhand einiger erwähnter Daten vermute ich 2019. Der Fall spielt in München, was durch ein bisschen Dialekt und etwas Lokalkolorit verdeutlicht wird.

Ich bin seinerzeit bei einer Leserunde zu Band 2 „Gewissenlose Wege“ in die Reihe eingestiegen. Da mittlerweile bereits Band 3 erschienen ist, wollte ich nun endlich auch Band 1 nachholen. Für mich war es somit eine Wiederbegegnung mit Bekannten und eine gute Auffrischung hinsichtlich der Background-Informationen zu den Protagonisten.

Denn wie beim Start von Reihen üblich, sind die ersten Seiten primär dem Kennenlernen der Figuren gewidmet. Erst so nach und nach, im Zuge der Ermittlungen, steigt man in den sehr komplexen Wirtschaftskriminalfall ein. Es ist nicht einfach, den verwickelten Beziehungen und Meuscheleien zu folgen. Ebenso sind die computerbezogenen Aktionen für einen Laien undurchschaubar. Es gibt bei diesem Fall keine Option zum Mitraten. Man verfolgt einerseits die Erkenntnisse, die Olga, Alex und Sonja bei ihren Recherchen gewinnen, andererseits auch die Sicht eines der „Opfer“ der Intrigen, und man möchte wie die Protagonisten, dass alle Schuldigen - und wirklich nur die Schuldigen - bestraft werden. Doch Recht und Gerechtigkeit ist nicht dasselbe …

Abgesehen vom Fall empfand ich vor allem die Charakterdarstellungen als sehr eindrucksvoll und in die Tiefe gehend. Es sind nicht nur die Vorgeschichten, die die jeweilige Persönlichkeit der Protagonisten abrunden, sondern ihr Privatleben, ihre Beziehungen, Hobbies, Gedanken und Emotionen machen sie zu lebendigen Wesen. Allerdings muss ich einräumen, dass dadurch der Kriminalfall etwas in den Hintergrund gedrängt wird. Man fühlt sich mit den Glücksmomenten, die Olga und Alex mit ihren neuen Lieben erleben, zwar unsagbar wohl, die romantischen Szenen frischen den eher trockenen Fall auf, doch das geht auf Kosten der Spannung, die eigentlich Hauptkriterium eines Krimis sein sollte. Auch die zwar informativen, aber für den Kriminalfall keineswegs relevanten detaillierten Klettertour-Beschreibungen sind zu ausführlich.

„Bodenloser Fall“ ist ein etwas anderer Krimi, ohne Blut und Action und nicht prickelnd spannend, aber realitätsnah (die Handlung beruht auf einem wahren Fall) und letztlich nachdenklich stimmend im Hinblick auf die Divergenz von Recht und Gerechtigkeit sowie inwieweit die Computertechnologie Segen oder Bedrohung darstellt. Das eher offene Ende und die Andeutung zum nächsten Fall weckt Neugierde auf die Fortsetzung, im Übrigen auch das Interesse, wie sich das Leben der Protagonisten weiterentwickelt. Mir hat das Buch gefallen, doch da es für mich für das Genre Krimi zu wenig fesselnd war, vergebe ich nur 4 von 5 Punkten.

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Veröffentlicht am 07.06.2023

Ein gelungenes Debut

Stallblut
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„Stallblut“ stellt quasi ein Debut dar. Zwar hat die Autorin Gabriele Grausgruber bereits durchwegs schriftstellerische Erfahrung – sie veröffentlichte u.a. Kurzkrimis in Anthologien, etliche Kinderbücher ...

„Stallblut“ stellt quasi ein Debut dar. Zwar hat die Autorin Gabriele Grausgruber bereits durchwegs schriftstellerische Erfahrung – sie veröffentlichte u.a. Kurzkrimis in Anthologien, etliche Kinderbücher und auch Mundartbücher – doch dies ist ihr erster Krimi. Dem Genre nach ist es ein Regionalkrimi mit Wohlfühlfaktor.

Worum geht es?
Ein Bauer wird nachts brutal niedergeschlagen und verstirbt schließlich an den schweren Verletzungen. Im Zuge der Mord-Ermittlungen stößt Gruppen-Inspektor Gerber, der Leiter der Polizeistation des fiktiven Dorfes Tutzenbach im Innviertel, auf mehr kriminelle Energie als erwartet.

Das in nebulösem Grau-in-Grau gehaltene Cover passt sehr stimmungsvoll zu der düsteren Szenerie, die den Bauernhof des Mordopfers umgibt. Die Kapitel sind kurz, jeweils mit genauen Datums- und Zeitangaben versehen, was ich sehr schätze, weil man den chronologischen Ablauf, speziell im Hinblick auf diverse Rückblenden, gut verfolgen kann. Die Handlung spielt in der jahresmäßig nicht genau festgelegten Gegenwart; da der 4.6.2020 ein Donnerstag war, möglicherweise in diesem Jahr, allerdings ohne Hinweis auf Corona. Das Buch erschien 2023, gut leserlich mit relativ großer Druckschrift. Störend empfand ich die große Anzahl von Leerseiten. Das Buch enthält zu Beginn ein ausführliches Personenregister, das einem den Überblick über die doch recht zahlreiche Dorfgemeinschaft sehr erleichtert. Des Weiteren befindet sich am Ende ein kurzes, einige Dialektausdrücke erklärendes Glossar.

Die Personen, deren Umfeld und die Geschehnisse sind sehr bildhaft und detailliert beschrieben, wodurch man sehr gut in die dörfliche Atmosphäre hineingezogen wird, in die Schönheit und Weite der Landschaft ebenso wie in das dörfliche Alltagsleben. Olfaktorisch quillt vom Kuhdunggestank bis zum Rosenduft das gesamte ländliche Luftbukett zwischen den Zeilen hervor. Unterstrichen wird das Lokalkolorit nicht nur durch diverse im ländlichen Dialekt abgehaltene Dialoge, sondern auch durch zwischen den Kapiteln eingestreute sogenannte Gstanzln, im Übrigen ebenfalls von der Autorin selbst verfasst.

Bereits nach wenigen Seiten steckt man mitten in den Ermittlungen, tappt wie Gerber im Dunkeln. Die stetigen Perspektiven- und Ortswechsel, auch Rückblenden, halten die Spannung am Köcheln. Es gibt keine eindeutigen Verdächtigen, lange Zeit keine wirklich hilfreichen Spuren. Schließlich überschlagen sich am Hof des Ermordeten die Ereignisse, als ein unehelicher Sohn auftaucht und Erbansprüche stellt. Gerber weitet seinen Ermittlungsradius aus und stößt dabei auf diverse kriminelle Machenschaften, bis ihn letztlich ein entscheidender Hinweis zum wahren Mörder führt.

Abgesehen vom dörflichen Flair fand ich auch die Milieudarstellung sehr einprägsam, die Charakterisierungen der Menschen. Von der verhärmten, abgearbeiteten, vom Ehemann jahrelang drangsalierten und geschundenen Bäuerin, über den einsamen pensionierten Kriminalbeamten und einige klischeehaft dargestellte Bösewichte bis zu jenen tratschsüchtigen, oberflächlichen Frauen, die anstatt einer betrogenen Freundin zur Seite zu stehen, diese fallen lassen. Leider konnte ausgerechnet der Protagonist sich bei mir nicht als Hauptsympathieträger profilieren. Gerber wirkt zwar sympathisch, doch zur Abrundung seines Charakters fehlen ein lebendiges Privatleben, private Aktionen und damit verbundene Emotionen, Kontakte zu Freunden, eine Beziehung. Man erfährt zwar seine Vorgeschichte, dass und warum er noch immer Single ist, wie er über Frauen denkt, dennoch war er mir zu wenig lebendig, zu wenig facettenreich für eine Zentralfigur.

Mit „Stallblut“ ist meiner Ansicht nach der Autorin ein respektables Erstlingswerk gelungen. Der Fall ist zwar nicht sonderlich komplex, doch ist er gut aufgebaut, mit Neben-Handlungssträngen, mit kleinen Hinweisen und nach und nach hinzukommenden Informationen. Ich nehme an, dass es sich um den ersten Band einer Reihe handelt, sich insbesondere die Protagonisten weiterentwickeln werden – vielleicht wird ja auch aus Gerber und Rosa ein Paar?

Grundsätzlich hat mir der Krimi recht gut gefallen, aber es gibt noch etwas Luft nach oben – daher vergebe ich 4 von 5 Punkten.

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Veröffentlicht am 28.04.2023

Der Teufel trägt Soutane

Teufelskreuz
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„Teufelskreuz“ von Joesi Prokopetz ist kein Krimi im langläufigen Sinn, wo die Mörderjagd bzw. die Ermittlungsarbeit im Vordergrund stehen, sondern eine mit Leichen gepflasterte Milieustudie, abgründig, ...

„Teufelskreuz“ von Joesi Prokopetz ist kein Krimi im langläufigen Sinn, wo die Mörderjagd bzw. die Ermittlungsarbeit im Vordergrund stehen, sondern eine mit Leichen gepflasterte Milieustudie, abgründig, schräg und auf eine makabere Art und Weise sowohl spannend als auch unterhaltsam.

Klappentext:
Der Teufel ruft und wen er einmal gerufen hat, den holt er sich auch, der Teufel. Das weiß Pater Mano Urian genau – schließlich kennt er sich aus mit den Kräften zwischen Himmel und Hölle. Daher wenden sich seine Schäfchen der Katastralgemeinde Ursprung auch vertrauensvoll in allen Belangen an den „Gottesmann“. Dass dieser ein seltsam anderes Verständnis von Seelenheil an den Tag legt, stört dabei niemanden. Mit ungeahnten Konsequenzen für das verschlafene Dorf im Dunkelsteinerwald …

Rein optisch ist das Buch sehr ansprechend gestaltet. Das Cover wirkt hell und freundlich. Ein kleines Kirchlein, von Bäumen umgeben, der Pfarrer steht rauchend davor. Doch es lodert auch ein rotes Feuer, aus dem ein Teufel hervor lugt, und ein schwarzer heulender Wolf mit glühendroten Augen stört die Idylle, nicht zu übersehen das Pentagramm, auch Drudenstern genannt, das Symbol des Teufels, das der Lektüre quasi den Stempel aufdrückt. Wie auch der Titel deutlich darauf hinweist. Das auf den Kopf gestellte Kreuz, das Antikreuz bzw. Teufelskreuz, gilt als Zeichen der Satanisten. Schlägt man die beiden Klappen des Umschlags gleichzeitig auf, reitet der Pater hinein ins Buch, ins Dorf, am Ende wieder hinaus.

Der Roman ist – möglicherweise ebenfalls ans Pentagramm angelehnt - in fünf Teile unterteilt, die Titelblätter jeweils mit einer der schon vom Cover bekannten Zeichnungen versehen. Zwischen den einzelnen Szenen und bei Fußnoten wird stets ein verkehrtes Kreuz verwendet.
Das Buch erschien 2023 und spielt in der nicht näher bezeichneten Gegenwart in dem fiktiven niederösterreichischen Dörfchen Ursprung.

Joesi Prokopetz‘ Schreibstil ist sprachlich facettenreich, ironisch, witzig, bildhaft. Er beschreibt sehr anschaulich Menschen wie Szenerie, teils authentisch, teils skurril; natürlich ist da auch manches wie aus dem Leben gegriffen politisch inkorrekt, gruselig oder ekelig, derb und ordinär. Das Amüsement liegt oft im Detail, z.B. welche Musikstücke bei den jeweiligen Begräbnissen gespielt werden. Was ich besonders mag, sind die zahlreichen typisch österreichischen Ausdrücke. Für Nicht-Österreicher wäre wohl ein Glossar recht hilfreich. Recht herausfordernd fand ich diverse kryptische Fremdworte bzw. Fachausdrücke, die in die Kabbala, die jüdische Geheimlehre und Mystik hineinspielen.

In die Geschichte kommt man grundsätzlich leicht hinein. Nach und nach werden die handelnden Personen vorgestellt, wobei der Vielzahl wegen wohl ein Personenverzeichnis angebracht wäre. Die diversen Szenen- und Perspektivenwechsel gestalten die Handlung zwar abwechslungsreich, doch verliert man manchmal die Übersicht über den Personenkreis, die genaue Zusammengehörigkeit. Die Atmosphäre im Ort ist generell trist, freud- und lieblos, die Menschen sind in unglücklichen Beziehungen gefangen. Es scheint, als wüsste jeder alles über jeden, dennoch haben alle so ihre Geheimnisse, die sie dem Pater beichten. Statt sie zu mahnen, animiert der Pater sie, ihre sündigen Gedanken in die Tat umzusetzen, wodurch die Katastrophe ihren Lauf nimmt.

Da es keine übliche Krimihandlung gibt, kreiert sich auch die Spannung auf andere Art und Weise. Man ahnt das kommende Unheil, weiß aber nicht, wie und wann es wen ereilen wird. Und der Variantenreichtum, wie man in diesem Buch zu Tode kommen kann, ist faszinierend. Es häufen sich natürliche Tode, Unfälle, Selbstmorde und Morde. Von dem Moment an, wo jener teuflisch anmutende Pater im Ort eintrifft, sind die Totengräber beinahe im Dauereinsatz. Von Abschnitt zu Abschnitt steigert sich die Dramatik, werden immer mehr Dorfbewohner Opfer ihrer Verfehlungen bzw. der Manipulationen des Paters. Er ist wie ein Trojaner im PC, seit er ins Dorfleben eingeschleust wurde, herrscht das Chaos – Yalbaoth, wie Hildegard ihn nennt, die einzige, die ihn durchschaut, aber nichts gegen ihn ausrichten kann. Es ist letztlich, als hätte ein Hurrikan eine Schneise durch den Ort gezogen, dem eben einige zum Opfer fielen, vor allem die Haute•volee von Ursprung. Sobald der Pater verschwunden ist, nimmt das Leben, der eintönige Alltag wieder seinen Lauf, allerdings trostloser als zuvor, Infrastruktur und Personal ist verloren gegangen. Ein Ende, das mich persönlich ein wenig verloren zurückgelassen hat. Cui bono?
Die Charaktere sind wunderbar detailliert gezeichnet, nicht nur äußerlich markant, sondern es wird jeweils eine Vorgeschichte präsentiert, ein Werdegang, wie diese Menschen so wurden wie sie nun sind, wie sie in die teils ziemlich verfahrene Situation kamen. Die Figuren wirken dadurch lebendig und exzellent vorstellbar. Im Fokus stehen allerdings primär die negativen Angewohnheiten und Eigenschaften. Daher fand ich eigentlich keinen Sympathieträger, niemanden, mit dem ich mich irgendwie verbunden fühlte. Am unheimlichsten ist die Gestalt des Mano Urian, der rein äußerlich modern und weltaufgeschlossen erscheint, in Jeans und mit teurer Markenuhr, sich auf Du und Du mit der Bevölkerung fraternisiert, sie mit scheinbarer Freundlichkeit einlullt und manipuliert; die Männer vertrauen sich ihm an, suchen Rat, und die Frauen verfallen ihm sowieso, weil sie ihn als Mann attraktiv finden; beides nutzt er in bösartiger Weise aus.

Ich mag grundsätzlich den Stil bzw. Humor von Joesi Prokopetz, ob in seinen Liedern, Kabarettabenden oder in seinen Büchern. Daher hatte auch „Teufelskreuz“ so seinen Reiz für mich, sprachlich sowieso, inhaltlich auch weitgehend. Ich habe das Buch letztlich nicht als Krimi betrachtet, sondern als eine mit spitzer Feder verfasste Satire auf die Kirche, ihre Bedeutung gerade in kleinen Dorfgemeinschaften, aber auch als ein Spiegel-Vorhalten, was die Moral der Menschen anbelangt. Und der Teufel steckt, wie man so sagt, im Detail. Er erscheint nicht so offensichtlich als falscher Pfarrer. Und die Menschen verfallen ihm in vieler Hinsicht. Der Stoff kann somit auch nachdenklich machen. Wenn man sich auf dieses Buch einlassen kann, wird man es genießen wie ich.

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