Krieg, Moral, Ehre
FÜNF„...Du, mein Freund, hast durch das, was geschehen ist und vor allem wie es geschehen ist, die Essenz Deiner Überzeugungen vom überflüssigen Rest extrahiert. Ohne dass Dir das bewusst gewesen ist...“
Es ...
„...Du, mein Freund, hast durch das, was geschehen ist und vor allem wie es geschehen ist, die Essenz Deiner Überzeugungen vom überflüssigen Rest extrahiert. Ohne dass Dir das bewusst gewesen ist...“
Es ist ein toter Freund, der ihm in einem Tagtraum zu dieser Erkenntnis verhilft. Zuvor war eine Menge geschehen.
Der Autor hat einen fesselnden und gleichzeitig bedrückenden Roman geschrieben. Er weiß, wovon er schreibt. Das spürt man in jeder Zeile und auch an dem Schriftstil, der stellenweise sehr deutlich das Geschehen wiedergibt. Das Buch ist sicher keine Wohlfühllektüre. Es zeigt, wie grausam Krieg ist und was er aus dem Menschen macht.
Im Jahre 1987 werden zwei Offiziersschüler der NVA zu einem Außenposten der sowjetischen Streitkräfte in Afghanistan geschickt. Sie sollen die Arbeit der Aufklärer in einem Krisengebiet beobachten. Der Offizier, der sie mit seiner Einheit von einem Stützpunkt zum anderen bringen soll, ist alles andere als begeistert. Es handelt sich um eine Eliteeinheit. Er wird deutlich.
„...Vorbereitet, sagen Sie? […] Auf das hier kann Sie nichts und niemand vorbereiten. Was für ein Schwachsinn, das zu glauben! Und wie verantwortungslos, jemanden das glauben zu machen!...“
Als der Hubschrauber beschossen wird und abstürzt, überleben fünf der Männer. Dazu gehört einer der Offiziersschüler. Als Leser erfahre ich, was sein familiärer Hintergrund ist und warum er zur Armee gegangen ist. Über die Handlung möchte ich nicht viele Worte verlieren. Die möge der zukünftige Leser auf sich wirken lassen.
Für mich gehören zu den Höhepunkten des Buches die vielen Gespräche. Sie sind es, die belegen, wie der Krieg den Menschen verändert. Schon im Hubschrauber bekommen sie gesagt:
„...Ich gebe euch beiden Jünglingen einen guten Rat. Solltet Ihr uns abhanden kommen, tötet Euch selbst. […] In diesem Krieg gibt es keine Gefangenen. Keine Gnade und keine Ehre unter Kriegern...“
Der Offiziersschüler, der meist der Blonde genannt wird, ist mit hohen Idealen gekommen. Die werden nach und nach erschüttert. Er erlebt, dass sich die Soldaten nicht so verhalten, wie er erwartet hat. Er begreift aber auch, dass es auf jeden Einzelnen ankommt, wenn sie überleben wollen. Es ist eine besondere Art von Kameradschaft, die die Männer zusammenschweißt.
„...Du hältst uns für Tiere, oder? Für abartige Barbaren. Was bildest Du Dir ein? Was glaubst Du, wer Du bist, über uns urteilen zu können? [...].Du hast noch nie für etwas Verantwortung getragen, Jüngling...“
Und er musste noch nie auf einen Menschen schießen. Das wird sich im Laufe der Handlung ändern und es verändert ihn. Was bleiben wird, sind Alpträume und Schuldgefühle. Er beginnt, seine politischen Überzeugungen zu hinterfragen.
Als besonderes Stilmittel hat der Autor um das eigentliche Geschehen eine Rahmenhandlung gesetzt, die viele Jahre später spielt. Der Blonde besucht einen seiner damaligen Begleiter. Beide haben es als einzige geschafft, im Zivilleben wieder Fuß zu fassen.
Das Buch hat mich sehr bewegt, gerade weil hier schonungslos aufgezeigt wird, was der Kampf ums nackte Überleben bedeutet und wie schnell es zu Grenzüberschreitung kommt.