„Man muss um seine Träume kämpfen…“
Der Freiheit entgegen (Die Gutsherrin-Saga 3)…und Clara, Sanni und auch Maria haben sie, ihre Träume. Nicht immer werden sie erfüllt, aber wenn man etwas wirklich will, sollte man sich nicht davon abhalten lassen. Zielstrebig, wenn auch mit so manchen ...
…und Clara, Sanni und auch Maria haben sie, ihre Träume. Nicht immer werden sie erfüllt, aber wenn man etwas wirklich will, sollte man sich nicht davon abhalten lassen. Zielstrebig, wenn auch mit so manchen Abweichungen und so etlichen Abzweigungen, daran festhalten.
Es ist der dritte Band der Gutsherrin-Saga, für mich jedoch war es die erste Begegnung mit Clara und ihren Eltern. Auch wenn ich die Vorgängerbände nicht kenne, so habe ich doch nichts vermisst. „Der Freiheit entgegen“ ist in sich abgeschlossen.
Die 1960er Jahre waren geprägt von Aufbruch, von Neubeginn. Die jungen Leute wollten ein Leben ohne Zwänge, sie hatten Ziele, eigene Ideen und doch mussten sie sich dem Diktat ihres Elternhauses unterwerfen. „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, tust du, was ich dir sage, mein Kind.“ Wer kennt ihn nicht, diesen Satz.
Auch für Sannis Eltern gibt es keine Diskussion, ihre Tochter wird in der familieneigenen Bäckerei arbeiten. Sie aber träumt von einer Schauspielkarriere, ihr großes Vorbild ist Marilyn Monroe. Ihre Freundin Clara ist schon besser dran, ihre Eltern unterstützen sie auf ihrem Weg hin zur Fotografin. Und doch läuft auch bei ihr nicht alles rund, so mancher Stolperstein bringt sie immer wieder zum straucheln. Sie lernt den äußerst charismatischen Freddy kennen, gemeinsam geraten direkt hinein in die Schwabinger Krawalle, es ist in vielerlei Hinsicht „der Sommer der geplatzten Träume.“
Sanni will weg, weg aus München, sie ist endlich 21 und somit volljährig und überredet Clara, mit ihr nach Hamburg zu trampen. Gesagt, getan. Dino und seine Schwester Maria nehmen die beiden in ihrem klapprigen Gefährt mit, der Freiheit entgegen.
Mit der Italienerin Maria ist das Freundinnen-Trio komplett, sie will nur ein Jahr in Hamburg bleiben, ihrem Bruder Dino im Lokal helfen und dann zurück, heiraten, Kinder kriegen, alles ist geplant. Nachdem sie einige Bocken deutsch gelernt hat, wird auch sie mutiger, hat ihre eigenen Pläne, gerät mit Dino aneinander „…weil Maria hat verrückte Flusen im Kopf…“ Des Öfteren habe ich geschmunzelt über diese so authentischen „deutsch-italienischen“ Brocken, so kennen und lieben wir unsere italienischen Freunde und nicht immer haben sie Flausen im Kopf.
Die 18jährige Clara nimmt mich mit auf ihren mitunter steinigen Weg. Sie ist jung, sie ist naiv und gutgläubig. Freddy ist ihre erste Liebe, von ihm lässt sie sich nur zu gerne ablenken. Er will Spaß, sie vernachlässigt ihr Studium und nicht nur einmal gerät sie durch seinen Einfluss in Schwierigkeiten. Der selbstherrliche, selbstgerechte Freddy sagt ihr auf die ihm eigene charmante Weise, wo es lang geht. Hier spürt man sehr deutlich die noch immer vorherrschende, von Männern geprägte Domäne, sie setzen sich durch und Frau dackelt brav hinter ihnen her. Nicht nur einmal hätte ich Clara zurufen wollen, ihre Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Theresia Graw zeigt die Diskrepanz der Geschlechter deutlich auf. Verpackt dies alles sehr geschickt, lässt sie stimmig in ihre Geschichte mit einfließen.
Claras erster Job in Hamburg bei einer Zeitung ist eher der einer Schreibkraft, erst nach einem Wechsel kann sie ihr journalistisches Talent unter Beweis stellen. Beim Kennedy-Besuch in Berlin ist sie dabei, ihre Reportage in Wort und Bild ist gelungen, wenngleich auch hier sich ein Mann in den Vordergrund drängt. Im Frankfurter Römer beginnen 1963 die Auschwitz-Prozesse, Claras Jugendfreud Leo ist als einer der Staatsanwälte dabei und sie berichtet als Journalistin davon. Die Autorin hat den Spagat zwischen ihrer fiktiven Story und den historisch belegten Tatsachen hervorragend gemeistert. Sie bindet ihre weit verzweigten Zeugen von damals bestens mit ein. Bei diesen Kapiteln sind nicht nur bei ihnen Tränen geflossen, ich habe hier tief durchatmen müssen, bevor ich weiterlesen konnte.
„Wenn die Zeiten stürmisch sind, darfst du deinen inneren Kompass nicht verlieren!“ Einst hat Leo ihr dies mitgegeben und nun ist es Clara, die ihn daran erinnert.
Immer mit dabei ist ihre Kamera, Claras wertvollster Besitz. Mit Sanni ist sie live dabei, als die Beatles in Hamburg auftreten, ihre launigen Bilder, auch mit den Pilzköpfen, sind der Beginn von Sannis Modelkarriere. In London läuft sie bald darauf in den legendären Miniröcken für Mary Quant.
Theresia Graw lässt neben dem Kennedy-Besuch auch das Attentat wenig später auf ihn und auch den Mauerbau mit einfließen. Die schon erwähnten Frankfurter Prozesse und die noch immerwährende braune Gesinnung in der Gesellschaft („Der Geist der Vergangenheit spukt noch immer in ihren Köpfen“) sind ebenso Thema wie auch die revolutionäre Erfindung der Antibabypille, die Musik mit all den Schlagern, allen voran John, Paul, George und Ringo. Sie hat den Zeitgeist gut eingefangen, die Röcke werden kürzer, der Alltag wird bunter, das Fernsehen hält Einzug in die Wohnzimmer. Die jungen Mädchen geben sich nicht mehr mit der traditionellen Rolle der Hausfrau zufrieden, sie drängen in einen Beruf, der ihnen Unabhängigkeit und neues Selbstvertrauen beschert. Diese fast 600 Seiten waren ein kurzweiliges Lesevergnügen, eine Zeitreise zurück in turbulente Jahre, die Aufbruchsstimmung ist gut eingefangen.