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Veröffentlicht am 12.06.2023

Zwischen Himmel und Verwirrung

Zwischen Himmel und Erde
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"Zwischen Himmel und Erde" ist ein moderner, gegenwartsliterarischer Roman einer jungen Autorin, die auf ungewöhnliche Stilmittel zurückgreift, um die Geschichte zweier Frauen zu erzählen. Melissa und ...

"Zwischen Himmel und Erde" ist ein moderner, gegenwartsliterarischer Roman einer jungen Autorin, die auf ungewöhnliche Stilmittel zurückgreift, um die Geschichte zweier Frauen zu erzählen. Melissa und Catarina lernen sich im Jahr 2016 in ihrer Londoner WG kennen. Beide haben sie brasilianische Wurzeln. Ihre jeweiligen Geschichten werden eng verbunden mit dem politischen und soziokulturellen Hintergrund in Brasilien und dem Vereinigten Königreich wiedergegeben. Das prägende Element dabei sind die diversen, teils ungewöhnlichen Erzähltechniken, die sich im Text abwechseln. Neben Passagen, in denen klassisch erzählt wird, findet man Lyrik-ähnliche oder Liedzeilen-artige Abschnitte, Sinneseindrücke, Stream of consciousness oder einzelne Ein-Wort-Zeilen. Das klingt faszinierend, ist es auch, verwirrt aber gleichermaßen ziemlich schnell, vor allem in Kombination mit den politischen Ideen und Informationen, die verarbeitet werden sollen. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, auch wenn es mir nicht immer leicht gefallen ist. Es ist mutige, andersartige, junge, bunte Literatur. Die Covergestaltung der deutschen Ausgabe möchte ich außerdem hervorheben. Sie ist wirklich wunderschön, ebenso laut wie farbenfroh, und das spiegelt sich im Inhalt wieder. "Zwischen Himmel und Erde" ist ein Buch, das man als Leser*in mit allen Sinnen erfassen sollte. Das Zeit braucht, um sich zu entfalten, und das man nur schwer mit einer halben Gehirnhälfte wegsnacken kann. Es benötigt eine gewisse Konzentration und die Kapazität, sich mit dem Text auseinandersetzen zu wollen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann sich die Geschichte am besten entfalten.

Das Buch empfehle ich schon allein deswegen, weil es weibliche Stimmen in einem politischen Kontext zeigt und sich so sehr bemüht, eine andersartige Form des Ausdrucks in der Literatur zu finden. Manchmal ist es allerdings schwer dem Text zu folgen. Manche Aussagen werden von der laut schreienden Stilistik übertönt, bzw. der große Gesamtbild geht verloren. Das Zusammenspiel aus Form und Inhalt hätte etwas nuancierter sein können.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Monde, Sterne, Väter, Küche

Margherita und der Mond
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Margheritas Vater ist ein ehemaliger Maestro der italienischen Küche und das herrische Oberhaupt der eigenen Familie. Auch mit über achtzig Jahren und nach dem Niedergang seines geliebten Restaurants ist ...

Margheritas Vater ist ein ehemaliger Maestro der italienischen Küche und das herrische Oberhaupt der eigenen Familie. Auch mit über achtzig Jahren und nach dem Niedergang seines geliebten Restaurants ist er noch nicht altersmilde geworden. Obwohl sie mittlerweile selbst eine gestandene Köchin ist, bringt der Vater seiner Tochter kaum Respekt entgegen. Als er als Gast in eine Fernseh-Kochshow eingeladen wird, begleitet Margherita ihn dennoch. Diese Reise wird unverhofft zum ersten Stein in einer Reihe von Ereignissen, die ihr Leben verändern.

„Margherita und der Mond“ ist mein erstes Buch von Andrea De Carlo. Es steht bereits seit Monaten auf meiner Wunschliste, da ich immer wieder gerne italienische Literatur lese. Überrascht hat mich die Geschichte dann trotzdem, auch wenn sie nicht ganz meinen ursprünglichen Erwartungen entspricht. Zum einen, weil Margherita wesentlich älter ist, als ich ursprünglich angenommen habe. Zum anderen weil das Buch einen so starken Fokus, auf die eher problematische Persona des Vaters legt. Die Beziehung zu ihm und die Schatten, die diese auf Margherita Leben wirft, werden detailliert aufgearbeitet. Es ist nicht ganz leicht, über ihn zu lesen. Er hat mich immer wieder wütend gemacht. Gleichzeitig wird der Charakter des Vaters sehr authentisch gezeichnet. Sein Schimpfen klingt direkt in meinem Kopf, wenn ich an ihn denke.
Darüber hinaus geht es aber auch ums Kochen. Der Autor erzählt sehr bildhaft von Margheritas Passion für diese Kunst. Ihre Leidenschaft ist definitiv ansteckend.
Gefallen haben mir vor allem die geistreiche Atmosphäre und die literarisch sinnliche Darstellung der italienischen Küche. Darüber hinaus bietet die Geschichte eine ungewöhnliche Romanze mit einer kleinen Brise Magie, die mich emotional jedoch nicht so vollumfänglich abgeholt hat, wie ich es mir bei diesen unheimlich romantisch klingenden Titel gewünscht hätte.

„Margherita und der Mond“ ist ein sanftes, leises Sommerbuch über Familie, die Küche und das Leben mit all seinen Herausforderungen. Wenn ich es auch nicht in allen Aspekten perfekt finde, habe ich es doch sehr gerne gelesen.

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Veröffentlicht am 17.01.2023

Fränkie mit Äh?

Frankie
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Frank ist vierzehn Jahre alt und teilt sich mit seiner alleinerziehenden Mutter eine kleine Wohnung in Wien. Zwischen Mutter und Sohn besteht eine enge Bindung, richtige Freunde hat er nicht. Als ein Großvater ...

Frank ist vierzehn Jahre alt und teilt sich mit seiner alleinerziehenden Mutter eine kleine Wohnung in Wien. Zwischen Mutter und Sohn besteht eine enge Bindung, richtige Freunde hat er nicht. Als ein Großvater nach achtzehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, gerät Franks geordnetes und behütetes Leben plötzlich aus dem Gleichgewicht - und er auf die schiefe Bahn.

Meine Meinung:
Frankie von Michael Kohlmeier hat mich einerseits UMGEHAUEN. Das schreibe ich in Großbuchstaben, weil es wirklich selten vorkommt, dass ein Plottwist mich so kalt erwischt. Zwei Polttwists waren es um genau zu sein. Und keinen davon hätte ich auch nur ansatzweise vorausahnen können. Also Holla die Waldfee. Eigentlich müsste man allein dafür fünf Sterne geben.
Das Problem ist aber Folgendes: Am Ende sind mir zu viele Fragen offen geblieben und zu wenig, von dem was geschehen ist, hat wirklich Sinn gemacht. Auf Details kann ich an dieser Stelle nicht eingehen, weil das zu viel spoilern würde. Franks Figur ist trotz der geringen Seitenzahl sehr komplex gezeichnet. Aber gleichzeitig wirkt er irgendwie unrund auf mich. Einerseits ist er ein überbehüteter Junge, der geprägt ist von einem Mutter-Sohn-Verhältnis, das mir zumindest in Ansätzen fragwürdig erscheint, und seine Gedanken lesen sich vor allem in der ersten Hälfte der Geschichte eher wie die eines Elfjährigen als wie die eines Vierzehnjährigen. Andererseits wirkt er vor allem in der zweiten Hälfte des Buchs seltsam abgeklärt und gefühlsgedämpft.
Absolut positiv hervorzuheben ist, wie der Autor es schafft, auf so wenigen Seiten so komplexe Beziehungsstrukturen zu erzählen. Frank und die Mutter. Frank und der Vater. Frank und der Großvater. Der Großvater und die Mutter. Das alles hat mir unwahrscheinlich viel zu denken gegeben.
Je weiter man in der Geschichte voranschreitet, desto rasanter liest sie sich. Das Ende war furios, aber ich habe es nicht recht verstanden. Ich will damit nicht sagen, dass ich Franks Handlungen für unrealistisch halte, das tue ich nicht. Es geht mir nur darum, dass ich nicht recht verstanden habe, was ihn antreibt.
Es gibt eine bestimmte Passage innerhalb der Geschichte, einen Monolog des Großvaters, in dem er darüber spricht, dass es gar keine Begründung braucht, warum Menschen etwas tun, und dass es manchmal auch gar keine Begründung gibt. Vielleicht ist das ein Ausblick darauf, dass man als Lesender am Ende auch keine finale Begründung bekommt, warum Frank tut, was er tut, und wieso er die emotionalen Kapazitäten dazu hat.
Ich war nur aber leider schon immer eines dieser nervigen Kinder, die in Endlosschleife "Warum?" gefragt haben.

Fazit:
Wenn auch nicht ganz rund und manchmal unbefriedigend, ist "Frankie" von Michael Kohlmeier allemal ein lesenswertes Buch. Ein kurzes, knackiges "Snackbuch", wie man so schön sagt. Es bietet eine Menge Stoff, zum Nachdenken und Diskutieren. Wer nach einem ausgewachsenen Plottwist sucht, ist hier richtig. Die authentische Wien-Atmosphäre ist außerdem toll (I love Österreich).

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Veröffentlicht am 13.12.2022

Liebe in all ihren Facetten

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben
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Das ist das achte Buch, das Mhairi McFarlane geschrieben hat und das achte, das ich gelesen habe. Manche davon sogar auf englisch und deutsch. "Vielleicht mag ich dich morgen" ist bis heute meine liebste ...

Das ist das achte Buch, das Mhairi McFarlane geschrieben hat und das achte, das ich gelesen habe. Manche davon sogar auf englisch und deutsch. "Vielleicht mag ich dich morgen" ist bis heute meine liebste RomCom aller Zeiten, deswegen möchte ich insofern vorab eine Warnung aussprechen, dass meine Rezensionen zu ihren Büchern immer irgendwie biased sein werden.

In "Fang jetzt bloß nicht an zu lieben" geht es vordergründig um Harriet, eine Hochzeitsfotografin, die ihre eigene Verlobung nur wenige Stunden, nachdem sie ja gesagt hat, wieder löst, und dann in einer Zwangs-WG mit einem ehemaligen Kunden landet, der seinerseits seine Braut vor dem Traualtar stehengelassen hat.
In Wirklichkeit geht es aber über weite Strecken des Romans nicht um die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen Harriet und Cal, sondern um die Beziehung, die Harriet gerade erst beendet hat und um eine weitere Beziehung, die schon viele Jahre zurückliegt und ihr Leben bis dato prägt.
Ich kenne es aus Mhairis anderen Liebesromanen, dass die Backstory der Protagonistinnen immer auch sehr viel Raum einnimmt und dass trotz des allgegenwärtigen britischen Humors immer auch schwierige Themen und Traumata bearbeitet werden. Tatsächlich ist "Fang jetzt bloß nicht an zu lieben" das Buch, in dem dies am intensivsten und weitreichendsten passiert. So sehr, dass die eigentliche Liebesgeschichte eher zur Nebenhandlung wird. Das finde ich an sich nicht schlimm, man sollte es nur wissen. Cal ist in der ersten Hälfte des Romans eine relativ unscheinbare Nebenfigur.
Das Buch spricht wichtige Themen an und setzt sich mit verschiedenen Formen und Farben von toxischen Beziehungen auseinander. Es geht um Frauensolidarität und bestimmte Klischees und Wahrnehmungen werden hinterfragt. "Fang jetzt bloß nicht an zu lieben" ist in diesem Sinne kein einfacher Liebesroman, sondern eine Geschichte, die einen echten Mehrwert bietet.
Trotz alledem muss ich gestehen, dass ich nicht so emotional involviert gewesen bin, wie in manch anderen von Mhairis Romanen. In Harriets Schicksal definitiv ja, aber in die Sache zwischen ihr und Cal nicht ganz so, wie ich es gerne gehabt hätte.

Fazit:
Ich könnte nie ein Buch dieser Autorin schlecht bewerten. Sie halten in Sprache und Humor alle ihr eigenes Niveau. Nur in Vergleich untereinander halte ich manche höher als andere. Ich finde "Fang jetzt bloß nicht an zu lieben" irrsinnig wichtig. Es ist es Buch, das ins Jahr 2022 gehört.

(Kritikpunkt zum Schluss: Dieses deutsche Cover! Lieber Knaur-Verlag, so sehr ich es auch schätze, dass ihr diese wunderbaren Bücher schon so viele Jahre verlegt! Warum musste es denn dieses Jahr rosa werden? Und warum haben die Leute auf dem Umschlag rein gar nichts mit der Beschreibung von Harriet und Cal (beide blond!) zu tun? Das habt ihr doch in früheren Jahren auch hingekriegt.)

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Veröffentlicht am 22.03.2022

Eine späte Sommerliebe

Leo und Dora
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Inhalt:
Leo Perlstein, ein ehemals erfolgreicher Autor, der im Zuge des 2. Weltkrieges einen tiefreichenden Bruch in seinem Leben erfahren musste, kommt ins ländliche Connecticut um den Sommer im Ferienhaus ...

Inhalt:
Leo Perlstein, ein ehemals erfolgreicher Autor, der im Zuge des 2. Weltkrieges einen tiefreichenden Bruch in seinem Leben erfahren musste, kommt ins ländliche Connecticut um den Sommer im Ferienhaus seiner Agentin zu verbringen, und eine Schreibblockade zu überwinden. Nachdem es im Ferienhaus kurzfristig einen Brand gegeben hat, wird Leo stattdessen in einer benachbarten Pension untergebracht. Diese wird betrieben von Dora, einer herzlichen Wirtin, die es nach und nach schafft, Leos lange schon lange Zeit vereistes Herz zum Tauen zu bringen.

Meine Meinung:
„Leo und Dora“ erzählt auf stille und unaufgeregte Weise eine ganz ungewöhnliche Liebesgeschichte. Zwei Protagonisten stehen im Mittelpunkt, wie sie sonst in Liebesromanen nur wenig Aufmerksamkeit bekommen. Beide sind nicht mehr ganz jung, haben schon viel erlebt und sind durch diese Erlebnisse zu sehr unterschiedlichen Menschen geworden.
Leo ist verbittert, unzufrieden, geht mit der Welt um sich herum hart ins Gericht. Das ist manchmal nicht ganz leicht zu lesen. Weder Dora und die anderen Protagonisten im Buch, noch wir als Leser haben es leicht mit Leo.
Das Buch hat trotzdem einen ganz eigenen feinsinnigen Humor, der an manchen Stellen fast schon bizarr anmutet. Zudem hat es Atmosphäre. Ich liebe Geschichten, die im Sommer spielen oder über einen besonderen Sommer erzählen. Die Liebe zwischen Leo und Dora wird sanft erzählt und kommt ohne große Dramatik aus. Sie ist trotzdem bewegend. Die Lebensläufe der beiden bilden hier die Grundlage. Was zwischen ihnen entsteht, ist eine Art Sommerliebe im Herbst des Lebens. Das habe ich so noch nie gelesen und hat mir allein als Grundlage für ein Buch schon sehr gut gefallen.
Obwohl ich leise Geschichten grundsätzlich sehr mag, hätte ich mir hier jedoch an der ein oder anderen Stelle ein wenig mehr Spannung gewünscht. Oder vielleicht ist Spannung nicht das richtige Wort: Was ich meine, ist vor allem der Impuls unbedingt weiterlesen zu wollen.

Fazit:
„Leo und Dora“ ist als Geschichte ganz ähnlich wie seine Protagonisten selbst: Manchmal lustig, machmal traurig, herzlich, bittersüß, sanft, ein wenig skurril, ein bisschen verschoben. Ein sehr gutes Buch für die warmen Monate im Jahr und für all diejenigen, die gerne über Liebe abseits der in Büchern so oft geltenden Normen lesen wollen.

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