Profilbild von Havers

Havers

Lesejury Star
offline

Havers ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Havers über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.10.2023

Durchwachsenes "Lesevergnügen"

Holly
0

In seinem neuen Roman rückt Stephen King eine Figur in den Vordergrund, die wir zwar aus verschiedenen anderen Werken kennen, die aber bisher eher im Hintergrund agieren durfte. Zuletzt bewusst wahrgenommen ...

In seinem neuen Roman rückt Stephen King eine Figur in den Vordergrund, die wir zwar aus verschiedenen anderen Werken kennen, die aber bisher eher im Hintergrund agieren durfte. Zuletzt bewusst wahrgenommen habe ich „Holly“ von der Detektei Finders Keepers in „Mr Mercedes“, wo sie allerdings hinter den Kulissen auf Mörderjagd ging. Und sie ist nicht die einzige Bekannte aus dem King‘schen Universum, mit der es ein Wiedersehen gibt

Wir sind mitten in der Pandemie. Pete, Hollys Partner ist an Covid erkrankt und in Quarantäne, was dafür sorgt, dass sie als Einzelkämpferin an dem neuen Fall arbeiten muss. Sie ermittelt im universitären Umfeld und sucht nach einer jungen Frau, die ohne Spuren zu hinterlassen von heute auf morgen verschwunden ist. Dabei gerät ein Professorenpaar in ihren Fokus, dessen Ernährungsgewohnheiten, bedingt durch die gesundheitlichen Einschränkungen des Alters, äußerst ungewöhnlich sind…

Es gab einiges, was mir an diesem Buch missfallen hat. Zum einen ist da die zeitliche Einordnung. Die Handlung ist während der Pandemie angesiedelt, und King macht keinen Hehl daraus, dass dieses Ereignis ihn bis in die Grundfesten erschüttert hat. Das kann ich ja noch nachvollziehen, auch wenn ich diese Thematik in einem Roman ziemlich über habe. Was mich allerdings immens gestört hat, ist das permanente Bashing der Menschen in Holly Umfeld, die sich gegen eine Impfung entschieden haben. Tut mir leid, aber dieses sich ständig wiederholende, fast schon wahnhafte Statement des Autors ist mir ziemlich auf den Keks gegangen. Und wenn wir schon von Wahn sprechen, dann kann natürlich besagtes Professorenpaar nicht unter den Tisch fallen. Die Ausführlichkeit, mit der King deren Besessenheit samt Auswirkungen beschreibt, hat einen dermaßen hohen Ekelfaktor, dass ich mehrmals kurz davor war, das Buch abzubrechen.

Glücklicherweise gibt es aber auch Positives zu berichten. Da gibt es immer wieder Passagen, in denen der Autor glänzt, nämlich dann, wenn er mit wenigen Pinselstrichen bedrohliche Situationen aus ganz banalen, alltäglichen Beobachtungen/Beschreibungen kreiert. Ich kenne keinen Autor, der das so meisterhaft beherrscht wie Stephen King. Atmosphäre schaffen, ja, das kann er definitiv.

Fazit: Diese Mischung aus Horror und Splatter ist ein eher durchwachsenes „Lesevergnügen“, für das eine hohe Ekeltoleranz von Vorteil ist.

Veröffentlicht am 26.08.2023

Nur in Ansätzen gelungen

Verderben
0

Mit Karin Smirnoffs „Verderben“ startet der zweite Versuch, die erfolgreiche Millennium-Trilogie Stieg Larssons fortzuschreiben. Mit der ersten Fortsetzung hatten die Erben David Lagercrantz beauftragt, ...

Mit Karin Smirnoffs „Verderben“ startet der zweite Versuch, die erfolgreiche Millennium-Trilogie Stieg Larssons fortzuschreiben. Mit der ersten Fortsetzung hatten die Erben David Lagercrantz beauftragt, die entsprechende dreiteilige Reihe erschien zwischen 2015 und 2019 in der deutschen Übersetzung. Mittlerweile wurden die Rechte für drei neue Millennium-Romane an den schwedischen Polaris Verlag verkauft, die 2022 diesen ersten Teil der Smirnoff‘schen Millennium-Trilogie auf den Markt brachten.

Der Kontakt zwischen Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander ist abgerissen. Ab und an eine Kurznachricht, das war’s schon. Sie gehen eigene Wege, und die führen sie in diesem Fall unabhängig voneinander ins fiktive Gasskas, ein kleines Kaff in Nordschweden. Blomkvist reist zu Hochzeit seiner Tochter Pernilla mit einem zwielichtigen Lokalpolitiker an, Salander soll Svala, eine ihr unbekannte Nichte mit außergewöhnlichen Fähigkeiten finden und sich um sie kümmern. Aber schneller als ihnen lieb ist sind sie in Ereignisse verwickelt, in denen skrupellose Geschäftemacher alles daran setzen, die Ressourcen Norrbottens zu ihrem Vorteil auszubeuten, was die region unwiderruflich zerstören würde. Und dabei schrecken sie nicht davor zurück, jede/n, der sich ihren Plänen in den Weg stellt zu beseitigen.

Auch wenn die beiden Protagonisten aus dem Original mit an Bord sind, macht es doch den Eindruck, als hätten sie mittlerweile stumpfe Zähne. Sie bleiben blass, scheinen nur noch Schatten der Personen zu sein, die wir aus dem Original kennen. Agieren merkwürdig zurückhaltend, lediglich zum Ende hin blitzt in der einen oder anderen Aktion ein verhaltenes Erinnern an deren frühere Zusammenarbeit auf.

Smirnoffs Fortsetzung ist in der schwedischen Gegenwart angekommen. An der Wahl der Themen - kriminelle Organisationen, korrupte Behörden plus die üblichen Zutaten wie Migranten, Missbrauch, Motoradgangs, Bandenkriege und Rechtspopulismus - orientiert sie sich zwar an dem Vorbild, ist in deren Umsetzung aber viel direkter, grobschlächtiger als Larsson. Kurze Kapitel aus wechselnden Perspektiven sowie knackige Sätze forcieren zwar das Tempo und generieren Spannung, auch wenn die Handlung ist im Großen und Ganzen sehr vorhersehbar ist. Ein großer Kritikpunkt ist für mich aber neben den vielen, stellenweise grotesken Klischees, die sie in der Charakterisierung der Bösewichte verwendet, die rohe, abstoßende und stellenweise hochgradig ordinäre Sprache, wobei das natürlich auch der Übersetzung geschuldet sein könnte.

Wer damit kein Problem hat, mag der Autorin Beifall klatschen (die Verkaufszahlen sprechen wohl dafür), mich konnte sie als Stieg Larssons Nachfolgerin leider nur in Ansätzen überzeugen.

Veröffentlicht am 22.08.2023

Ein fremdes Leben, und doch so vertraut

Eifelfrauen: Das Haus der Füchsin
0

Es ist eine überraschende Nachricht, die Johanna an ihrem 21. Geburtstag erhält. Lisbeth, eine Tante, von deren Existenz sie bisher nichts wusste, ist gestorben und hat ihr ein Häuschen in der Eifel hinterlassen. ...

Es ist eine überraschende Nachricht, die Johanna an ihrem 21. Geburtstag erhält. Lisbeth, eine Tante, von deren Existenz sie bisher nichts wusste, ist gestorben und hat ihr ein Häuschen in der Eifel hinterlassen. Allerdings mit einer seltsamen Auflage, sie muss dort mindestens sechs Monate leben, bevor sie es veräußern darf. Gegen den Rat ihrer Familie packt sie die Koffer und macht sich auf den Weg nach Altenburg.

Allein auf sich gestellt und mit den Problemen des täglichen Lebens konfrontiert, gestaltet sich der Anfang schwierig für die verwöhnte Fabrikantentochter, zumal jeder ihrer Schritte von den Bewohnern des Dörfchens misstrauisch beobachtet wird. Aber glücklicherweise ist da Kätt, die resolute Nachbarin, die nicht nur immer dann zur Stelle ist, wenn Probleme auftauchen, sondern Johanna auch von der unbekannten Tante erzählen kann. Lisbeth, von den Dörflern „die Füchsin“ genannt. Die Eigenwillige, die konsequent und gegen alle Widerstände ihren Weg gegangen ist, auch wenn sie dafür große persönliche Opfer bringen musste. Noch kann Johanna nicht ahnen, dass sie mehr mit Lisbeth verbindet, als sie sich vorstellen kann.

Familiengeheimnisse und eine Frauenfigur, die nach Selbstverwirklichung strebt, sind Themen, die gerade in historischen Romanen derzeit Hochkonjunktur haben. Ebenso die Verortung in der Eifel, von Autorinnen gerne genommen seit dem Ahrhochwasser 2021, was an der kargen Landschaft, früher auch „Preußisch Sibirien“ genannt, liegen mag, die ihren Bewohnern gerade in früheren Zeit viel abverlangt hat.

Brigitte Riebe ist Historikern, und auch in „Eifelfrauen: Das Haus der Füchsin“ steckt sicher jede Menge Recherchearbeit, da die Handlung im historischen Kontext verankert ist. Leider hält sich dieser aber dezent im Hintergrund. Zwar wird die Separatistenbewegung kurz angerissen, ebenso die allmählichen Veränderungen in Gesellschaft und Familien nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, ein bisschen Weltwirtschaftskrise, aber das war’s auch schon. Dafür darf – natürlich – eine Liebesgeschichte in Form eines attraktiven, französischen Wildhüters nicht fehlen, zu dem Johanna sich hingezogen fühlt. Darauf hätte man gut verzichten können, ist aber wohl in diesem Genre unabdingbar notwendig, will man die Erwartungen der Leserinnen erfüllen. Ich hätte gut darauf verzichten können und mir stattdessen mehr Zeitkolorit gewünscht. Vielleicht erfüllt sich diese Erwartung ja in dem geplanten Nachfolgeband.

Veröffentlicht am 14.08.2023

Die Weyward-Frauen

Die Unbändigen
0

„Unbändig“, Adjektiv, lt. Duden „wild, nicht zu zügeln“. Eine Definition, die wertet. Und mit „Die Unbändigen“, meiner Meinung nach ein unglücklich gewählter, deutscher Titel für den Debütroman von Emilia ...

„Unbändig“, Adjektiv, lt. Duden „wild, nicht zu zügeln“. Eine Definition, die wertet. Und mit „Die Unbändigen“, meiner Meinung nach ein unglücklich gewählter, deutscher Titel für den Debütroman von Emilia Hart, in dem ihre Protagonistinnen gegen Beschränkungen aufbegehren, die ihnen quer durch die Jahrhunderte das Leben schwer machen.

Altha, die Heilkundige, die 1619 der Hexerei beschuldigt und vor Gericht gestellt wird. Violet, fasziniert von der Welt außerhalb ihres Zimmers und allem, was da kreucht und fleucht, Tochter von Elizabeth Weyward, deren Vater sie in den 1940er Jahren einsperrt und überwacht, damit sie nicht wie ihre Mutter endet. Und schließlich Kate, die 1991 nach langem Zögern ihren übergriffigen Lebensgefährten heimlich, still und leise verlässt und in das Cottage ihrer verstorbenen Großmutter Violet zieht. Sie muss zur Ruhe kommen, sich neu sortieren, herausfinden, was wichtig ist. Und sie muss zurück ins Leben finden. Für sich und das Ungeborene.

Drei Epochen, drei Leben. Drei Frauen, die das Erbe der Weyward-Frauen in sich tragen, den Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung. Offenbar ist dies für die englischsprachigen Kritiker*innen schon ausreichend, um einen Roman als feministisch zu klassifizieren. Was das Thema Schwangerschaft angeht, bin ich ohne Einschränkung auf Seiten der Autorin. Es kann nicht angehen, dass sich Männer anmaßen, über den weiblichen Körper, auch per Gesetz, zu bestimmen. Allerdings habe ich so meine Zweifel, ob es magische Elemente sind, die die Frauen im Endeffekt schützen. Dazu bedarf es schon etwas mehr als weiblicher Kontrolle über Vögel, Insekten und sonstige Natur.

Alles in allem der typische historische Frauenroman mit den üblichen Stereotypen. Bewundernswerte Frauen, übergriffige Männer, und am Ende wird alles gut. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie selbstbestimmt und ohne ökonomische Zwänge noch heute im Einklang mit der Natur.

Veröffentlicht am 13.06.2023

Das einsame Grab im Moor

Die Gräber von Inverness
0

Eine handgezeichnete Karte, eine menschenleere Landschaft, ein einsames Grab im Moor. Zutaten, die mit „Die Gräber von Inverness“, Band 3 der DI Kennedy-Reihe, einen spannenden Krimi erwarten lassen.

Als ...

Eine handgezeichnete Karte, eine menschenleere Landschaft, ein einsames Grab im Moor. Zutaten, die mit „Die Gräber von Inverness“, Band 3 der DI Kennedy-Reihe, einen spannenden Krimi erwarten lassen.

Als DI Monica Kennedy eine Nachricht aus Carselang erhält, läuten bei ihr sämtliche Alarmglocken, denn sie kommt von Pauline Tosh, die dort ihre Haftstrafe verbüßt. Tosh ist eine Serienmörderin, die Kennedy zu Beginn ihrer Laufbahn überführte und lebenslang hinter Gitter brachte, obwohl sie keinen der ihr zur Last gelegten Mord gestanden hatte. Ein Ermittlungserfolg, der ihr einige Schulterklopfer eingebracht hat. Aber warum möchte Tosh sie sehen? Ausgerechnet?

Das Versprechen auf Spannung konnte der schottischen Autors G.R. Halliday leider aber nur bedingt einlösen. Warum? Seine Krimis sind lupenreine Police Procedurals, in denen er die Polizeiarbeit der Ermittler bis ins kleinste Detail beschreibt. Das sorgt bei annähernd fünfhundert Seiten für Längen, speziell in diesen Cold Case, der einiges an Geduld und Durchhaltevermögen abverlangt. Glücklicherweise gibt es aber immer wieder Passagen, in denen passend zu der Story die abgeschiedenen Landstrichen der Highlands im schottischen Hinterland rund um Inverness und Black Isle beschrieben werden. Das schafft eine Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann, lässt es aber auch bei Schottland-Kennern die Faszination für diese außergewöhnliche Landschaft wieder aufflammen, besonders dann, wenn man die Gegend kennt. Die Rückblenden ins Jahr 1994 konnten mich leider nicht überzeugen. Der Cold Case, der diesem Fall zugrunde liegt, erzählt die Geschichte des späteren Opfers. Eine junge Frau, hungrig nach einem Leben voller Abenteuer, will die enge Heimat verlassen und hinaus in die Welt, bezahlt dafür aber mit dem Leben…ist nichts Neues, hat man schon oft gelesen, auch wenn diese Ebene zumindest die detaillierten Schilderungen der Ermittlungsarbeit etwas auflockert. Alles in allem aber eher dennoch leider nur Mittelmaß.