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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.11.2023

Neuer Blickwinkel

Mit kalter Präzision
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Faszinierend war für mich, dass alle erzählten Begebenheiten und Tötungsdelikte tatsächlich so stattgefunden haben und es wundert mich nicht, dass Prof. Dr. Tsokos als Leiter der Rechtsmedizin der Berliner ...

Faszinierend war für mich, dass alle erzählten Begebenheiten und Tötungsdelikte tatsächlich so stattgefunden haben und es wundert mich nicht, dass Prof. Dr. Tsokos als Leiter der Rechtsmedizin der Berliner Charité über viel Wissen verfügt und die realen Fälle in eine fiktionale Geschichte transferieren konnte.

Als die Frau des renommierten Schönheitschirurgen Roderich Kracht stranguliert in ihrer Villa aufgefunden wird, wird die Rechtsmedizinerin Dr. Sabine Yao zum Tatort gerufen. Bei ihrer Untersuchung fällt ihr auf, dass der errechnete Todeszeitpunkt nicht mit dem Stadium der Totenstarre übereinstimmt, und das lässt ihr keine Ruhe.

Die Erzählweise ist einzigartig: sehr ruhig, sachlich, detailverliebt und anspruchsvoll - und damit äußerst intensiv. Nachdem ich mich an den Stil gewöhnt hatte, war ich regelrecht gefesselt und konnte das Buch nicht mehr zur Seite legen. Dabei war es nicht die Frage, wer der Mörder war, denn das kristallisierte sich recht früh heraus. Nein, es war das „Wie“, was die ganze Geschichte so spannend machte und zum Schluss zu meiner Zufriedenheit auch aufgedeckt wurde.

Zu der Protagonistin Sabine Yao konnte ich von Anfang an eine Verbindung aufbauen, die mit Wissensdurst, Besonnenheit und Klugheit auffällt und es mit ihrer familiären Situation nicht leicht hat.

Ich mochte es sehr, mit diesem Buch einen Einblick in die Rechtsmedizin zu bekommen und so auch mal einen anderen Blickwinkel in die Aufklärung von Kriminalfällen zu bekommen.

Für diesen gelungenen Auftakt vergebe ich 4,5/5 Sternen und freue mich auf die Fortsetzung.

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Veröffentlicht am 05.09.2023

Old but gold

Adrenalin
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Warum ich ein inzwischen 19 Jahre altes Buch rezensiere? Michael Robotham wurde mir von Nadine vom Blog „Pepperlikesleeping“ empfohlen und da ich gerne den Anfang der Reihe lesen wollte, statt erst später ...

Warum ich ein inzwischen 19 Jahre altes Buch rezensiere? Michael Robotham wurde mir von Nadine vom Blog „Pepperlikesleeping“ empfohlen und da ich gerne den Anfang der Reihe lesen wollte, statt erst später einzusteigen, griff ich zu Adrenalin. Sein Thrillerdebüt, das direkt ein Bestseller wurde und die O’Loughlin/Ruiz-Reihe begründete, die insgesamt elf Bücher umfasst.

Joe O’Loughlin ist Psychologe (sehr zum Verdruss seines Vaters, der es lieber gesehen hätte, wenn sein Sohn ein „richtiger“ Arzt geworden wäre), mit einer wunderschönen Frau verheiratet (wichtiges Erfolgsmerkmal von Männern - gutaussehende Frau, alles andere ist zweitrangig; da ist das Buch wirklich nicht mehr aktuell), aber natürlich als versehrter Held vom Schicksal vor eine schwere gesundheitliche Herausforderung gestellt.

O’Loughlin wird in einen Mordfall hineingezogen, zunächst scheinbar zufällig, doch dann wird klar, dass er auf verschiedenen Ebenen persönlich und professionell betroffen ist. War es sein aktueller Patient, der seine Phantasien in die Tat umgesetzt hat? Ist er zunächst noch als Experte Ansprechpartner des ermitteltenden Detective Inspector Vincent Ruiz, gerät er plötzlich selbst in dessen Visier.

Eine komplexe Story, die nach und nach aufdeckt wird und nur selten vorhersehbar ist, inklusive einer dramatischen Jagd und einem Showdown am Ende - handwerklich ist Michael Robotham schon bei seinem Erstlingswerk ein starker Thriller mit einer gewissen Raffinesse gelungen. Fans haben mir versichert, dass er sogar noch besser wird im Laufe der Reihe! Darauf bin ich sehr gespannt.

Mein Sohn und mein Mann haben das Buch auch gelesen und waren beide begeistert - im Urlaub legten sie „Adrenalin“ jeweils kaum aus der Hand, noch bevor mein Buddyread mit der lieben Jeanette von „Buchklatsch“ und Nadine von „Pepperlikesleeping“ anstand. Spoiler waren streng verboten, aber die Sucht der beiden nach dem Buch hat meine Erwartung natürlich nicht gerade verringert. Gleichzeitig zwang mich der Buddyread dazu, das Buch immer wieder zu unterbrechen - keine leichte Übung!

Was soll ich sagen: Die Erwartungen wurden erfüllt, ein starker Thriller, der 4,5 / 5 Punkten verdient.

Epilog: Bei der Recherche nach der Lektüre habe ich nun erfahren, dass das Buch sogar verfilmt wurde - in Deutschland, und wohl damit das deutsche Publikum sich besser mit der Handlung identifizieren kann, wurde die Handlung kurzerhand aus London nach Hamburg und Lübeck verlegt. Aus Joe O’Loughlin wurde Dr. Johannes „Joe“ Jessen (verkörpert von Ulrich Noethen), während man Vincent Ruiz offensichtlich als hinreichend kompatibel befand, ihn nicht „einzudeutschen“. Der Film „Neben der Spur - Adrenalin“ erhielt sehr gute Kritiken, vielleicht schaue ich ihn mir mal an…

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Veröffentlicht am 05.09.2023

Ruhrpott meets Burgenland

Tod am Neusiedler See
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Ruhrpott meets Burgenland - genau mein Ding! Ich hatte es ja hin und wieder mal erwähnt, ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Zu meinen liebsten Urlaubszielen gehört Österreich, so ist es wenig überraschend, ...

Ruhrpott meets Burgenland - genau mein Ding! Ich hatte es ja hin und wieder mal erwähnt, ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Zu meinen liebsten Urlaubszielen gehört Österreich, so ist es wenig überraschend, dass ich schnell Gefallen an diesem Krimi gefunden habe.

Nikolaus Lauda, der aus nachvollziehbaren Gründen nicht Niki genannt werden will, ist ein österreichischer Polizist, der viele Jahre im Ruhrgebiet gearbeitet und die Mafia verfolgt hat. Die hat den Spieß nun umgedreht und trachtet ihm nach dem Leben. Seine Frau ist dem Ruhrpott-Clan schon zum Opfer gefallen und trotzdem oder gerade deswegen hat er ihr Elternhaus in Rust (nein, nicht das mit dem Europapark) am Neusiedler See, nahe der Grenze zu Ungarn im Burgenland, als temporäres Versteck auserkoren.

Dort angekommen findet er sich in einem Mordfall wieder, gehört als „Zuagraster“ (Zugereister) zu den ersten Verdächtigen und wird dann, gewissermaßen als Privatdetektiv, vom Bruder des Opfers mit privaten Ermittlungen beauftragt. Schnell ist er mittendrin in der Dorfgemeinschaft und sucht nach dem Täter - nicht zuletzt, um selbst aus dem Fokus der Ermittlungen zu gelangen. Die Geschehnisse um den Mordfall sorgen allerdings auch dafür, dass die Mafia seine Spur wieder aufnimmt…

Die kleinen Reminiszenzen an Essen und Umgebung (Ruhrschnellweg, Baldeneysee, etc.) geben dem eigentlich tief im „Castle Land“ verorteten Geschehen eine besondere Note, die zumindest mich Ruhrpottkind sehr erfreut hat.

Der Schreibstil ist erfrischend und eigenständig, leicht und oft ironisch. Mir hat der Sprachwitz sehr gefallen. Mit spitzer Feder kommentiert Lukas Pellmann über seinen in der Ich-Perspektive durch die Geschichte führenden Protagonisten das Geschehen - humorvoll, ohne albern, übertrieben oder gar unangenehm gewollt komisch zu sein.

Die Kriminalgeschichte selbst trat bei meinem Leseerlebnis etwas in den Hintergrund - wirklich interessiert hat es mich ehrlicherweise nicht, wer nun genau hinter dem Mord steckte. Irgendwie blieb dieser Part der Story für mich seltsam irrelevant, weit spannender waren die Entwicklung und die Erlebnisse von Nikolaus Lauda selbst.

Ich vergebe für ein rundes, unterhaltsames, kurzweiliges und empfehlenswertes Leseerlebnis vor allem, aber nicht nur für Ruhrpott- und Austria-Afficionados 4,5 von 5 Punkten. Ich bin auf den nächsten Band gespannt: „Rache am Neusiedler See“ (erschienen am 24.08.2023).

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Lesenswerter Thriller

Wenn sie wüsste
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„Wenn sie wüsste“ gehört zu den Hype-Büchern des Sommers 2023 und wie üblich löst das in mir eine ambivalente Mischung aus Skepsis und Erwartung aus. Fazit: Hype berechtigt, das Buch ist wirklich sehr ...

„Wenn sie wüsste“ gehört zu den Hype-Büchern des Sommers 2023 und wie üblich löst das in mir eine ambivalente Mischung aus Skepsis und Erwartung aus. Fazit: Hype berechtigt, das Buch ist wirklich sehr gut und hat mich von Beginn an gefesselt.

Als Thriller deklariert, ist es dabei ein eher ruhiger Vertreter dieses Genres. Es ist durch die zahlreichen Andeutungen, subtilen Bedrohungen und undurchsichtigen Situationen dauerhaft mit einem spürbaren Spannungslevel geladen, ohne jedoch atemberaubend zu werden. Das meine ich durchweg positiv, auch Nicht-Thriller-Fans können diesem Buch etwas abgewinnen.

Auszug aus dem Klappentext: „Wenn ich dieses Haus verlasse, dann nur in Handschellen. Ich hätte weglaufen sollen, als ich noch die Möglichkeit hatte. Jetzt habe ich keine Chance mehr. Jetzt, da die Polizisten schon im Haus sind und entdeckt haben, was oben ist, gibt es kein Zurück.“

Worum geht es: Millie, aus deren Ich-Perspektive das Buch in Teil I geschrieben ist, versucht nach einem Gefängnisaufenthalt einen Neuanfang und wähnt sich mit einem Sechser im Lotto gesegnet, als sie als Hausmädchen bei der reichen Nina anfangen darf. Ein luxuriöses Haus, ein attraktiver Gärtner und ein noch attraktiverer Ehemann lassen sie über die launische Hausherrin und ihr verzogenes Kind hinwegsehen - zumal Millies Alternativen äußerst überschaubar sind. Verliert oder verlässt sie diesen Job, muss sie wieder in ihrem Auto schlafen. Da sind selbst die karge Dachkammer, die nur von außen abgeschlossen werden kann, und die Ausraster ihrer Chefin kein Grund zu gehen.

Nach und nach verdichten sich die Anzeichen, dass im Leben dieser Familie einiges im Argen liegt - doch die Plottwists, die dann kamen, habe ich so absolut nicht erwartet. Ich liebe Bücher, die mich überraschen - und das hat „Wenn sie wüsste“ definitiv geschafft. Deswegen will ich auch gar nicht zu viel verraten - lest selbst!‚

Ein spannendes, lesenswertes Buch, dem ich 4,5/5 Sternen gebe.

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Veröffentlicht am 14.06.2023

Goosens bestes Buch

Spiel ab!
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Natürlich bin ich bei der Bewertung eines Buches befangen, das von einem Autor stammt, dessen künstlerisches und literarisches Werk bereits seit Jahrzehnten zu meinen Favoriten zählt. Angefangen bei Tresenlesen ...

Natürlich bin ich bei der Bewertung eines Buches befangen, das von einem Autor stammt, dessen künstlerisches und literarisches Werk bereits seit Jahrzehnten zu meinen Favoriten zählt. Angefangen bei Tresenlesen (ich besitze Kassetten, jawohl, Kassetten der Liveprogramme der 90er Jahre) und später als Solokünstler habe ich Frank Goosen unzählige Male live gesehen (bzw. vor allem gehört) und zahlreiche seiner Bücher gelesen. Er war im Aufsichtsrat meines Lieblingsfußballvereins und vermag es wie kein anderer, die Schönheit des Ruhrpotts und insbesondere meiner Heimatstadt Bochum auf den Punkt zu bringen. Schön is’ dat nich’, aber meins - und woanders is’ auch scheiße!

„Spiel ab!“ Dreht sich wieder um die Kumpels Förster, Fränge und Brocki. Wir kennen sie bereits aus „Förster, mein Förster“, ihrem Roadtrip an die Ostsee, und „Kein Wunder“, dem Rückblick ins Berlin der Wendezeit. Diesmal werden die drei Trainer einer Jugendfußballmannschaft und wer auch nur minimal fußballinteressiert ist oder gar selbst Nachwuchs in einer solchen Mannschaft hat, wird seine Freude haben an den Erlebnissen der Quereinsteiger mit ihrem Team.

Goosen versteht es auf wunderbare Weise, Sprachwitz und eine ganz besondere Art Humor in die Geschichte einzubauen. Die Charaktere entwickeln eine ganz eigene Dynamik in den Dialogen, die ich in dieser Form von wenigen Autoren kenne. Es kommt das ganz spezielle Ruhrpott-Feeling rüber - authentisch, ohne anbiedernd zu sein. Goosen schafft es, Alltägliches besonders werden zu lassen. Es sind nicht die Begebenheiten selbst, die besonders spektakulär wären - durch den Blickwinkel der Protagonisten, die Würdigung der Details wird es erst ein Leseerlebnis.

Ich habe viel gelacht bei der Lektüre, oft gedacht „ja, so isses!“ und habe das Buch praktisch in einem Zug durchgelesen. Ich habe mir ausgemalt, welche Freude Fußballexperte Goosen bei der Entwicklung der Figur Förster gehabt haben muss - der hat nämlich mit Fußball gar nicht viel am Hut und wird nach und nach zum Insider, zitiert berühmte Trainer und wird von der Faszination des Amateur- und Jugendfußballs gepackt. Hier, wo das Herz noch zählt…

Musik spielt in Goosens Romanen stets auch eine wichtige Rolle und während ich im Fußball durchaus auf einem gewissen Level mitreden kann, lese ich staunend über die Fülle der musikalischen Anspielungen und Verweise hinweg - bis hin zum Mick Jagger-Fluch (den ich natürlich kannte), der den Brückenschlag zwischen Musik und Fußball vollendet.

Für mich ist „Spiel ab!“ eines der besten Bücher von Frank Goosen, das in der hier üblichen Sternebewertung eine 4,5/5 verdient.

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