Die Faszination des Bösen
Barbara und Christian Schiller versprechen mit Targa, eine neue Reihe um eine etwas andere Ermittlerin aufzubauen – und in meinen Augen ist das tatsächlich gelungen. Ich liebe Bücher, die sich mit dem ...
Barbara und Christian Schiller versprechen mit Targa, eine neue Reihe um eine etwas andere Ermittlerin aufzubauen – und in meinen Augen ist das tatsächlich gelungen. Ich liebe Bücher, die sich mit dem Abgründigen und Abseitigen der menschlichen Psyche beschäftigen, so dass die Prämisse dieses neuen Thrillers mich sofort angesprochen hat.
> Stimmige Charaktere mit spannender Dynamik
Sowohl Falk Sandmann als auch die titelgebende Targa Hendricks werden schnell eingeführt und es ist von Beginn an klar, dass beide besondere Menschen sind. Bei Targa ist es offensichtlicher, sie hat Zwangsstörungen und gibt unumwunden zu, dass sie wenig Emotionen verspürt, insbesondere Liebe ist ihr fremd. In vielen Büchern sind es männliche Charaktere, die diesen speziellen psychischen Defekt erhalten, hier aber haben sich die Autoren eine Frau ausgesucht und es funktioniert wunderbar. Besonders gefällt mir, wie mühelos die Autoren ihre Emotionslosigkeit darstellen, während man gleichzeitig aus dem Subtext heraus liest, dass Targa sehr wohl Gefühle hat und menschlich reagiert. Das macht sie nur noch interessanter, da man ahnt, dass sie früher oder später einen Zusammenbruch erleiden wird. Als Hauptfigur war sie mir von Beginn an sympathisch, auch wenn sie nicht zur Identifikation taugt. Sie ist cool, ohne übermenschlich gut in ihrem Job zu sein. Ich bin mir sicher, dass auch weitere Romane über sie Anklang finden werden.
Auf der anderen Seite steht Sandmann, ein gutaussehender und charismatischer Mann, der genau weiß, wie man Frauen verführt und hörig macht. Seine Faszination mit jenem Moment, in dem ein Mensch stirbt, ist genau jene Art von psychischem Abgrund, die ich bei Serienmördern in Thrillern liebe. Er lebt seine Bösartigkeit aus, ohne sich zu verstellen. Der Tod durch Ersticken ist extrem grausam, gleichzeitig ist Strangulation ein recht klassischen Element von Fetisch-Sex, das zumindest mir schon öfter über den Weg gelaufen ist. Das Gefühl, dem Tod nahe zu kommen, kann in sonst eher apathischen Menschen ungekannte Lebendigkeit auslösen – weswegen sich Targa augenblicklich von ihm angezogen fühlt. Die Dynamik stimmt. Er lässt sie fühlen. Er sieht in ihr eine verwandte Seele. Sie ist interessant, das wichtigste Merkmal an Frauen, wenn es nach Sandmann geht. Ich war beim Lesen begeistert, nicht nur zwei stimmige Charaktere zu haben, sondern auch eine passende Dynamik in ihrer Beziehung vorzufinden.
> Handwerkliche Schwierigkeiten im Schreibstil
Der Plot selbst ist stringent aufgebaut und temporeich erzählt. Ehe man es merkt, sind die 400 Seiten auch schon wieder vorbei. Einige Szenen mit Figuren, die man nicht einordnen kann, sind trotzdem spannend und am Ende versteht man, was man da über wen gelesen hat. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Sandmann und Targa macht Spaß, auch wenn die Auflösung am Ende vergleichsweise zu actionlastig war und ich nicht in jedem Absatz verstanden habe, was genau gerade geschieht.
Was mich auch zu meinem Kritikpunkt führt: So flüssig der Schreibstil sich auch liest, handwerklich ist hier nicht alles im Reinen. Wir haben verschiedene Charaktere, aus deren Perspektive wir die Geschichte verfolgen. In manchen Szenen ist aber überhaupt nicht klar, wessen Perspektive wir gerade verfolgen, was aber gerade bei diesem Thriller wichtig ist, da die Einschätzung kleiner Details je nach Figur verschieden ist und Spannung erzeugen kann. Oft genug dachte ich, dass ich gerade etwas durch die Augen von Sandmann verfolge, weil die Autoren Formulierungen wie „die Frau“ benutzen, wenn sie über Targa sprechen. So würde aber Targa auch in der dritten Person nicht über sich sprechen. Es sind Kleinigkeiten, die anderen Lesern vielleicht gar nicht auffallen, mich aber doch immer wieder massiv gestört haben. Wenn ich von Absatz zu Absatz verwirrt bin, wessen Perspektive ich gerade verfolge und ob ich nervös sein sollte, dass Sandmann gerade intime Einblicke in Targas Leben erhält, reißt mich das aus dem Fluss heraus. Gleichzeitig macht es besonders die Actionszenen unübersichtlich, weil kein richtiger Fokus herrscht und man zwischen Wasser und Blut verloren geht.
> Ein Cliffhanger, der es spannend macht
Trotz der Schwierigkeiten im Schreibstil gerade zum Ende hin hat mir der Abschluss gefallen. Die Geschichte um Sandmann findet ein Ende, insofern ist der Roman abgeschlossen, doch die Hintergrundgeschichte um Targa geht weiter, in der Hinsicht ist das Ende offen. Ich war davon zunächst ein wenig überrascht, weil ich beim Lesen tatsächlich vergessen hatte, dass es nur der Auftakt zu einer Reihe ist, doch wenn man daran denkt, ergibt dieses Ende sehr viel Sinn und ist ein guter Cliffhanger.
Vor dem Hintergrund hoffe ich auch, dass einige der anderen Figuren, die wir hier kennengelernt haben, auch in den künftigen Bänden wieder auftreten werden. Auch, wenn einige davon nur kurze Auftritte hatten, sind sie doch spannend genug, dass ich mehr von ihnen lesen will. Auch das spricht für die Kunst der Autoren, gute Charaktere zu erschaffen.
FAZIT:
Der Thriller „Targa – Der Moment, bevor du stirbst“ von B. C. Schiller ist ein sehr gelungener Auftakt zu einer Reihe rund um die titelgebende Heldin Targa Hendricks. Sowohl sie als auch der Serienmörder Falk Sandmann, um den es in diesem Band geht, sind spannende Charaktere, die in ihrer Andersartigkeit faszinierend zu beobachten sind. Der Schreibstil lässt sich flüssig lesen, auch wenn handwerkliche Schwächen manchmal zu Unübersichtlichkeit führen. Plastische Darstellungen des Erstickens und die funktionierende Dynamik zwischen Ermittlerin und Mörder machen diesen Thriller trotzdem zu einem großen Lesevergnügen.