Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
online

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.06.2023

Der Bau des Gotthardtunnels

Bergleuchten
2

Wer kennt ihn nicht, den Gotthardtunnel. „Bergleuchten“ erzählt vom Bau des Tunnels unter den Gipfeln des Gotthardmassivs. Die Tunnelröhre auf 1150 m Höhe über dem Meer verbindet Göschenen im Kanton Uri ...

Wer kennt ihn nicht, den Gotthardtunnel. „Bergleuchten“ erzählt vom Bau des Tunnels unter den Gipfeln des Gotthardmassivs. Die Tunnelröhre auf 1150 m Höhe über dem Meer verbindet Göschenen im Kanton Uri mit Airolo im Kanton Tessin.

Die Bauarbeiten beginnen 1872 und hier treffen wir auf Helene, die die Fahrten über den Gotthardpass nur zu gut kennt. Es ist eine gefährliche Strecke und doch waren die Anwohner strickt gegen den Tunnel, sie fürchteten um ihre Existenz. Wenngleich die Einheimischen durch die Zimmervermietung an die italienischen Arbeiter sich etwas dazu verdienten, waren sie ihnen nicht wohlgesonnen.

Die Arbeiten waren nicht nur beschwerlich, sie waren auch gefährlich. Durch die unzureichende Belüftung und die Sprenggase im Tunnel gab es immer wieder Verletzte und Tote zu beklagen. Vorwiegend Italiener aus ärmlichen Gegenden wurden als Mineure und Arbeiter eingesetzt und war einer arbeitsunfähig, kam der nächste, um sich für einen Hungerlohn zu verdingen. Der Bau damals war trotz der eingesetzten Maschinen harte, kräftezehrende, auslaugende Arbeit, die Arbeitsbedingungen katastrophal.

Vor dem historischen Hintergrund entwickelt sich eine Liebe, die nicht geduldet wird. Die Vermengung zwischen dem Geschichtlichen und all den Schicksalen der Familien und auch der Arbeiter, die sich nicht nur oberflächlich begegnen, die miteinander irgendwie auskommen müssen, ist gelungen, die Charaktere allesamt gut gezeichnet.

Mich hat dieses „Bergleuchten“ tief berührt, ich habe mich für das Hörbuch entschieden, vorgelesen von Sophie Hutter. Die in Deutschland lebende Schweizerin ist die perfekte Interpretin, ihr Schwyzerdütsch, das situationsbedingt in die Geschichte mit einfließt, macht das Ganze nochmal ein Stück authentischer. Das gut erzählte Buch gewinnt durch ihren Vortrag nochmal – ich bin begeistert und restlos überzeugt. Sowohl von der Autorin als auch von der Sprecherin.

„Bergleuchten“ ist die gut recherchierte Geschichte um den Bau des Gotthardtunnels, angereichert mit all dem Zwischenmenschlichen, den fiktiven Elementen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.06.2023

Wenn alles schläft ist Showtime

Die Verborgenen
2

Ein „Psychothriller der Extraklasse“, so wird das neueste Werk von Linus Geschke beworben. Diese Aussage kann ich nach der atemlosen Spannung, nach dem Verschlingen der „Verborgenen“, bestätigen. Man ist ...

Ein „Psychothriller der Extraklasse“, so wird das neueste Werk von Linus Geschke beworben. Diese Aussage kann ich nach der atemlosen Spannung, nach dem Verschlingen der „Verborgenen“, bestätigen. Man ist alleine zuhause, es ist mucksmäuschenstill, kein Geräusch stört – und plötzlich knackst es. Wer hat dies nicht schon erlebt? Und doch denkt man sich normalerweise nichts dabei.

Ganz anders bei dem Hoffmanns. Sven, Franziska und ihre 17jährige Tochter Tabea – sie wohnen zu dritt in einem großen Haus mit Keller und Dachboden, beides wird sehr selten betreten. Bis Franziska eines Tages alleine in den Keller geht, ihr sowieso schon mulmiges Gefühl wird noch verstärkt, als sie Fußspuren entdeckt, die sie sich nicht erklären kann. Sven wiegelt ab, er weiß um ihre Angst, den Keller zu betreten. Dennoch geschehen weitere unerklärliche Dinge, sie bezichtigen sich gegenseitig. Dass die heile Welt der Hoffmanns alles andere ist als heil, wird zunehmend sichtbar. Und je näher ich ihnen komme, je mehr ich von ihnen weiß, desto klarer wird, dass hier gefühlt jeder etwas zu verbergen hat.

Zwischendurch wird eine Stimme laut, die zu ihm (dem Phrogger) spricht - wer auch immer das sein mag. „Du – hast gelebt in Amsterdam, das Leben in vollen Zügen ausgekostet. Mit Miriam.“ Warum dies jetzt vorbei ist, warum sich dieser heimliche „Gast“ bei den Hoffmanns verbirgt, sich unbemerkt im Haus umschaut, sie beobachtet, ihr Essen isst, ihre Dusche benutzt, jeden Winkel, jede Schublade inspiziert, sich jedes noch so kleine Detail einprägt, ist unklar. Erst gegen Ende offenbart sich dieser Phrogger, dieser ungebetene Mitbewohner.

Wie so oft gestaltet sich auch hier die ganze Story anders als erwartet. Die wechselnden Perspektiven sorgen für zusätzliche Spannung. Jeder kommt zu Wort. Sven erzählt von sich, von seinen Träumen, seinen Zukunftsplänen. Auch Franziska lässt mich teilhaben an ihrem Leben, ebenso Tabea. Sie sind eine Familie und doch driften sie auseinander. Der Eindringling beobachtet sie, er kennt sie gut, er manipuliert sie.

Es sind Psychospielchen vom Feinsten, die dieser Phrogger anstößt, die Linus Geschke aufs Anschaulichste präsentiert. Der Autor beherrscht das Spiel mit den Urängsten, er zieht seine Leser geschickt in eine geheime, in eine dunkle Welt. Rückblicke auf Vergangenes sind aufschlussreich, wenngleich diese Infos erst spät zugeordnet werden können. Die Akteure sind allesamt gut dargestellt, keiner davon kommt sympathisch rüber, mehr und mehr bröckelt die lange aufrechterhaltene Fassade. Die düstere Grundstimmung zieht sich durchs Buch und zum Ende wird klar, wie und warum die einzelnen Erzählstränge miteinander zu tun haben. Der Autor hat mich damit einmal mehr gefesselt, ich habe nichts anderes von ihm erwartet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.05.2023

Barcelona, ich komme…

Labyrinth Barcelona
2

„Reisen als mentaler Idealzustand hat Jens Wiegand ruhelos durch die Welt getrieben.“ Wenn das nicht ideale Voraussetzungen sind. Er kennt Barcelona wie seine Westentasche, seit nunmehr 25 Jahren erkundet ...

„Reisen als mentaler Idealzustand hat Jens Wiegand ruhelos durch die Welt getrieben.“ Wenn das nicht ideale Voraussetzungen sind. Er kennt Barcelona wie seine Westentasche, seit nunmehr 25 Jahren erkundet er jeden Winkel. Ich begebe mich voller Vorfreude in seine kundigen Hände, in sein „Labyrinth Barcelona“. Schon das erste Durchblättern weckt meine Reiselust. Ich war noch niemals in da, was ich dringend ändern muss. Dass diese katalonische Stadt zu den beliebtesten Zielen bei Städtereisen gehört, kann ich mir lebhaft vorstellen.

Ein erstes Zurechtfinden ermöglicht die Karte auf der vorderen Innenseite, die Struktur Barcelonas ist hier anschaulich dargestellt und die Ziffern führen mich direkt zu den einzelnen Spaziergängen. Diese sind mit km-Angaben versehen und den Tagen, an denen man diese am besten unternimmt. Auch findet man eine übersichtliche Karte mit den hier beschriebenen Stationen. Die Routen sind in wiederum in vier Blöcke unterteilt. Die ersten zehn führen durch die Innenstadt, sie sind alle nicht allzu lang, viele davon nur 1 km. Man schlendert durch die Gassen, bleibt stehen, schaut sich um, betrachtet die Sehenswürdigkeiten… Die Routen 11 bis 19 führen um das Stadtzentrum, die nächsten 6 Routen erkunden eher periphere Zonen und für die letzten 4 Besichtigungen steigt man in öffentliche Verkehrsmittel.

Vorangestellt sind viele Infos über beispielsweise die Barcelona-Card, um nur einen der vielen Tipps herauszugreifen, ein Best-of der Museen, Fotospots, Architektur, Aussichtspunkte und natürlich auch Bars und Restaurants. Am Ende des Buches sind noch allgemeine Tipps für unterwegs zusammengefasst wie etwa das Trinkgeld, das ja in jedem Land anders gehandhabt wird. Jahreskalender und Stichwortverzeichnis runden das Ganze ab.

Wenn ich mir nur mal die Tour 21 stellvertretend für alle anderen herauspicke, die in den Park Güell führt, bekomme ich viele Infos über das Gelände, die Entstehung und über Gaudi, der mit dem Entwurf der Gartenstadt beauftragt wurde. Immer garniert mit Fotos und da der Mensch auch was zum Essen und Trinken braucht, dürfen Bars und Restaurants mit Öffnungszeiten nicht fehlen.

Man merkt dem Buch an, dass hier ein Kenner der Stadt, ein Insider am Werk war. Und nicht nur das, er ist hier verwurzelt, mit seinem Barcelona verwachsen. Durch das „Labyrinth Barcelona“ kann man sich damit schon zurechtfinden, die Gässchen und Winkel wollen alle entdeckt werden. Abseits ausgetretener Touristenpfade, garniert mit Kultur, mit Geschichtlichem, auch mal Kuriosem und so einigen Ausgehtipps freue ich schon jetzt auf Kataloniens Hauptstadt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.05.2023

Rache!

Schmeckst du ihren Tod?
2

Eine wie achtlos weggeworfene Leiche wird gefunden, ihr Brustkorb wurde fachgerecht mit einem Y-Schnitt geöffnet und nicht genug damit, ein Organ wurde entfernt. Und – es bleibt nicht bei dieser einen ...

Eine wie achtlos weggeworfene Leiche wird gefunden, ihr Brustkorb wurde fachgerecht mit einem Y-Schnitt geöffnet und nicht genug damit, ein Organ wurde entfernt. Und – es bleibt nicht bei dieser einen Tat. Als dann ein rotes Paket mit makaberem Inhalt zugestellt wird, auch hier folgen mehrere, fragen sich Marc, der Ermittler und Frieda, die Psychologin, wer hinter diesem grausamen Spiel steckt und warum. Darüber hinaus nimmt der vermeintliche Täter telefonisch Kontakt zu Frieda auf – was will er damit bezwecken? Eine schier ausweglose Situation, das Team tappt lange im Dunkeln und doch bleiben sie nah dran: „Wir! Finden! Ihn!“

Wie von Gunnar Schwarz gewohnt, bleibt die Spannung bis zuletzt erhalten. Neben dem vielschichtig angelegten Fall schimmert auch ein wenig Privates durch. Frieda und Marc mögen sich sehr, sie waren verbandelt, sie sind sich noch immer sehr zugetan. Ihr familiärer Hintergrund fließt mit ein, nicht zu viel, aber doch genug, um beide menschlich gut einschätzen zu können.

Neben Marcs Ermittlungen ist Frieda als Psychologin prädestiniert, hinter die Tötungsphantasien der oder des Täters zu blicken. Wer lebt diese Phantasien aus und warum? Steckt gar etwas ganz anderes dahinter? In akribischer Kleinarbeit tragen sie Puzzleteil für Puzzleteil zusammen, denn irgendetwas müssen die Opfer gemeinsam haben. Grausame Details kommen zum Vorschein, man mag sich so manche Szene gar nicht vorstellen und doch treibt es einen weiter und – viel zu oft endet eine Spur im Nichts. Oder doch nicht? Hängt alles mit allem zusammen? Der Autor versteht es hervorragend, Hochspannung zu erzeugen und diese nicht abebben zu lassen.

„Schmeckst du ihren Tod?“ ist der finale fünfte Teil um Frieda Rubens und Marc Wittmann, dieser letzte Fall ist – wie alle anderen – in sich abgeschlossen. Er hat mich, wie nicht anders erwartet, von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, ich kann ihn jedem Thriller-Fan wärmstens empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.05.2023

Sehr spannend und wendungsreich

Dunkle Wolken über Cannes
2

Bei den Filmfestspielen in Cannes treffen sie sich, die Reichen und die Schönen dieser Welt. Auch die Reisejournalistin Conny von Klarg genießt es, wieder hier zu sein und ist schon ganz aufgeregt, wird ...

Bei den Filmfestspielen in Cannes treffen sie sich, die Reichen und die Schönen dieser Welt. Auch die Reisejournalistin Conny von Klarg genießt es, wieder hier zu sein und ist schon ganz aufgeregt, wird sie doch die berühmte Schauspielerin Margaux Calimard und ihre ebenso erfolgreiche Tochter Juliette interviewen. Daraus wird leider nichts, Margaux liegt erschlagen in ihrer Villa und nicht genug damit, Juliette ist verschwunden.

Die Côte d’Azur mit allen Sinnen genießen inmitten all der Stars und Sternchen, das wär schon was. Da passen dunkle Wolken so gar nicht ins schillernde Ambiente und doch muss dieser Mord, der sich als Raubmord darstellt, aufgeklärt werden. Schon früher, in Saint-Tropez, wird Conny in einen Fall hineingezogen und auch hier stehen die Vorzeichen auf „ermitteln“.

Der Fall gestaltet sich vielschichtig. Je weiter ich lese, je mehr ich weiß, desto mehr Fragen tauchen auf. Und wenn man meint, jetzt aber – jetzt dreht sich die Geschichte, die einzelnen Puzzleteile fügen sich zusammen, kommt ein unerwarteter Aspekt dazu und schon steht man wieder ratlos da. Die einzelnen Charaktere sind schwer bis gar nicht zu durchschauen, sie alle sind nicht sehr nahbar. Und doch meine ich, den Täter ausgemacht zu haben, auch wenn er sich windet und schwer fassbar ist, so deutet vieles auf ihn. Und doch bleiben Zweifel, mehr als genug. Denn es kommen immer mehr Details ans Licht, auch spielt die Vergangenheit eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Es ist das zweite Buch mit Conny, der so liebenswert wie zupackenden Journalistin. Sie ist mit Felix verbandelt, ihre privaten Momente sind eher nicht vorhanden und wenn, dann rar gesät. In ihrer Suite in Nizza wartet sie auf Felix, mit dem sie zu den Festspielen fahren will. Als Fallanalytiker wird er jedoch in Margaux Villa gerufen, die Zweisamkeit wird wieder mal hintangestellt.

Der Mordfall und das Private, dazu das herrliche Ambiente an der Côte d’Azur haben in mir die Reiselust geweckt und durch die eingestreuten französischen Wörter und Sätze wähnt man sich direkt vor Ort. Auch wer kein Wort französisch spricht, wird hier nicht allein gelassen, diese Einwürfe werden gleich danach übersetzt oder umschrieben, der Lesefluss wird keineswegs gestört. Eher im Gegenteil, das französische Flair wird dadurch charmant und reizvoll wiedergegeben. Alle hier agierenden Darsteller kommen authentisch rüber, sowohl die eher zwielichtigen, undurchschaubaren Gestalten als auch die anderen, die nichts zu verbergen haben.

Sabine Vöhringer hat mir mit ihren „Dunklen Wolken über Cannes“ unterhaltsame Lesestunden geschenkt. Sie hat mich lange rätseln lassen, ihr einnehmender Schreibstil hat mich nicht mehr losgelassen. Es war ein verzwickter Fall mit nicht vorhersehbaren Wendungen, das Ende hat mich dann kalt erwischt. Ein anregendes Lesevergnügen mit einer Protagonistin, die sich – so hoffe ich – noch in so manch anderen Fall einmischen wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere