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Veröffentlicht am 10.08.2023

Eine Familiengeschichte in literarischen Bildern erzählt

Das Pferd im Brunnen
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Eine Wohnung mit 70 m2 im russischen Kurort Kasan ist der Dreh- und Angelpunkt dieses besonderen Romans, für den die Autorin und bekannten Schauspielerin Valery Tscheplanowa aus dem großen Topf der eigenen ...

Eine Wohnung mit 70 m2 im russischen Kurort Kasan ist der Dreh- und Angelpunkt dieses besonderen Romans, für den die Autorin und bekannten Schauspielerin Valery Tscheplanowa aus dem großen Topf der eigenen Familiengeschichte gegriffen hat. In „Das Pferd im Brunnen“ schreibt sie von ihrer Urgroßmutter Tania, ihrer Großmutter Nina, ihrer Mutter Lena, ihrem Onkel Mischa und von der Abwesenheit der Väter. Es ist die Erzählung einer in Stücke geschlagene Familie, verstreut auf Europa.
Dieser Roman ist eine Familienaufzeichnung von Walja, der Enkeltochter Ninas, die vom harten Leben ihrer Groß- und Urgroßmutter erfährt, und die in Deutschland aufwächst und ihre Wurzeln in der Weite Russlands sucht.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Einfach ist das Buch „Das Pferd im Brunnen“ nicht! Ab und an muss ich mich sortieren und anstrengen, damit ich die Buchfährte wiederfinde, die ich zwischendurch zu verlieren glaube. Das dauert ein paar Kapitel, bis ich verstehe, dass es sich hier nicht um einen klassischen Roman handelt, sondern vielmehr um literarische Bilder einer russischen Familie, die bunt zusammengewürfelt irgendwann ein Gesamtgebilde abgeben. Mit dieser Erkenntnis ändere ich mein Leseverhalten und schließe gedanklich jedes einzelne Kapital ab, bevor ich mich der neuen Geschichte widme. Jetzt passt es auch, dass die Handlungen keiner zeitlichen und räumlicher Logik folgen. So konfus anfänglich der Roman auch scheint, bei Nina laufen die verschiedenen Handlungsstränge zusammen und daran kann sich der Leser orientieren.
Tanja und Nina sind die großen Frauen dieses Romans, beide vom harten Schicksal wenig verschont, und auf deren Spur sich die in Deutschland aufgewachsene Walja macht. Es ist keine einfache Suche, die aber mit einer wunderbaren und einnehmenden Sprache sofort auf sich aufmerksam macht und die mich von den ersten Seiten an schon einfängt. Ich scheue deshalb nicht die Mühe, die Eigenartigkeit des Romans anzunehmen.
„Das Pferd im Brunnen“ ist aber nicht nur eine Familiengeschichte, sondern erlaubt auch einen Einblick in die russische Gesellschaft der letzten Jahrzehnte. Ganz nebenbei taucht man ein in die russische Realität, mit einer Intensität, die nur jemand erzählen kann, der sie tatsächlich erlebt hat.

Fazit
„Das Pferd im Brunnen“ ist die autobiographisch inspirierte Familiengeschichte der Autorin Valery Tscheplanowa. Der Roman mutet an wie eine Wortsymphonie in Moll, in dem jedes Kapitel einen Titel trägt und ein Puzzlestück eines großen Ganzen ist.

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Veröffentlicht am 14.07.2023

Ein toller neuer Fall für Commissario Grauner

In tiefen Seen
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Am Rande eines Waldes stehen Commissario Grauner und sein neapolitanischer Kollege Saltapepe vor der grausam zugerichteten Leiche eines Mannes. Im nahegelegenen Dorf hüllen sich die Bewohner in Schweigen. ...

Am Rande eines Waldes stehen Commissario Grauner und sein neapolitanischer Kollege Saltapepe vor der grausam zugerichteten Leiche eines Mannes. Im nahegelegenen Dorf hüllen sich die Bewohner in Schweigen. Niemand will den Toten, einen verarmten Maler, näher gekannt haben. Erst ein Kunstexperte liefert den entscheidenden Hinweis: Die Inszenierung der Leiche ist dem Gemälde Botticellis Venere nei boschi - Venus im Wald nachempfunden, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als verschollen gilt. Während Saltapepe bis nach Florenz fährt, um mehr über die Geschichte des Gemäldes herauszufinden, ermittelt Grauner in den Tiefen eines Bergwerks. Als ein dunkles Grollen ertönt, ahnt er, dass er dieses Mal zu viel riskiert hat.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Dieser Band fängt mit einem Paukenschlag an! Ein grausamer Mord, grotesk inszeniert wie ein Gemälde, und ein Tal, das schweigt, bringen Commissario Grauner durch seine Ermittlungen in Gefahr. Die Kunstszene, die in Südtirol eher ein Schattendasein fristet, rückt ins Rampenlicht und mit ihr Verbrechen längst vergangener Tage. Wer den Schneeberg kennt, der das hinterste Passeiertal mit dem Ridnauntal verbindet, und auch das ein oder andere Museum besucht oder eine Bergwerkbesichtigung erleben durfte, kann sich hier im 8. Südtiroler Kriminalfall örtlich sehr gut zurechtfinden. Lenz Koppelstätter ist mit der Verbindung von Kunst und Geologie ein durchaus cleverer Schachzug gelungen, der die Ermittlungen in zwei interessanten Fachgebiete führt. Da passen die kurzen Kapitel mit wechselnden Schauplätzen und Handlungssträngen und die zeitliche Einteilung. Das Tempo ist durchwegs hoch und das Buch liest sich ausgenommen gut und schnell.
Anders als in den vorherigen Büchern scheint Commissario Grauner in diesem Fall eine eher zurückhaltende Rolle einzunehmen. Grauners Assistenten Ispettore Saltapepe und Silvia Tappeiner sowie Staatsanwalt Belli treten hingegen eindeutig in den Vordergrund. Wenngleich die Krimis bis jetzt auf Grauners Charakter zugeschnitten waren, hat das Trio die __ toll übernommen und überzeugt. Wie es mit dem Commissario weitergeht und ob sich das flippige Bauernhofprojekt von Grauners Tochter bald umsetzen lässt bleibt momentan noch offen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht: der 9. Fall erscheint im Januar 2024.

Fazit
Im bisher 8. Fall des Commissario Grauner und seinem Team geht es um Kunstschätze, die während des 2. Weltkrieges in den Südtiroler Bergen versteckt wurden. Nachdem Grauner mit seinen Ermittlungen in Gefahr gerät, übernehmen Ispettore Saltapepe mit seiner Kollegin Silvia Tappeiner und Staatsanwalt Belli die Aufklärung. Ein toller neuer Fall!

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Veröffentlicht am 04.07.2023

Eine radikale Darstellung eines selbstzerstörerischen Psychogramms eines modernen Antihelden

Knut Hamsun: Hunger (Deutsche Ausgabe)
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Klappentext der Anaconda Ausgabe von 2023:
Es war in jener Zeit, als ich in Kristiania umherging und hungerte, in dieser seltsamen Stadt, die keiner verlässt, eher er von ihr gezeichnet worden ist ….
Mit ...

Klappentext der Anaconda Ausgabe von 2023:
Es war in jener Zeit, als ich in Kristiania umherging und hungerte, in dieser seltsamen Stadt, die keiner verlässt, eher er von ihr gezeichnet worden ist ….
Mit diesen Worten beginnt der große Roman des norwegischen Literaturnobelpreisträgers Knut Hamsun, mit dem ihm 1880 der Durchbruch gelang. Atemlos verfolgt der Leser, wie ein namenloser, erfolgloser Journalist und Schriftsteller durch Kristiania, das heutige Oslo, treibt und dabei mehr und mehr in Elend gerät. Obdachlos hungert, friert, fantasiert er durch die Straßen. Die Außenwelt, Scham und Stolz verstellen ihm den Weg in ein gesichertes Leben.
Hunger ist ein radikaler Roman und Meilenstein modernen Erzählens, der bis heute seine Leser zeichnet.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Lieblingsbücher sind Bücher, die einen finden. Das sind nicht unbedingt die besten oder Lesehighlights, sondern jene, die für einen geschrieben sind. Ich habe nur wenige Lieblingsbücher: Radetzkymarsch – Deutschstunde – Leinsee und ab nun auch Hunger.
Hamsun, sagt Roger Willemsen, kann etwas, was nur große Schriftsteller zustande bringen: Er hat die große Fähigkeit die Geschichte zu erzählen, die er nicht erzählt. So ist es in „Hunger: Er schreibt über den namenlosen Protagonisten und seine Schwierigkeiten, mit seinem Können Geld zu verdienen und in diese Erzählung schleicht sich eine zweite ein, mit dem Hunger in der Hauptrolle. Wie Hamsun die Veränderung des Protagonisten schonungslos offenlegt, sein Innerstes entblößt und die Anstrengungen, die der Protagonist unternimmt, um den damaligen gesellschaftlichen Regeln zu genügen, ist erschütternd. Der Protagonist verfällt in den Wahnwitz des Hungers, wird leer und schmerzfrei. Sein Wahnsinn wird ein Delirium der Schwäche und der Erschöpfung und die Sorge wahnsinnig zu werden, verstört ihn zutiefst. Zu der geistigen Auswirkung kommt die körperliche hinzu, die ihn entstellt, sodass die Leute auf der Straße bei seinem Anblick erschrecken.
Der Protagonist ist sich seiner Situation durchaus bewusst. Diese Selbstreflexion der Demütigung und Entehrung, die der verarmte Journalist erfährt, wird von Hamsun nicht expressiv erzählt, sondern aus den Zwischenräumen herausgearbeitet. Das macht die Größe aus und das ist das Radikale an Hamsuns Erzählkunst, mit welcher er die Moderne einläutet.
Hamsun gilt in Norwegen noch heute als größter Erzähler. Im deutschen Sprachraum hingegen ist er vergessen worden. Es wäre schön, wenn ich mit diesem Beitrag den einen oder anderen Literaturliebhabenden hiermit wieder auf ihn aufmerksam machen könnte.

Fazit
In seinem großen Roman „Hunger“ beschreibt Hamsun was es bedeutet, nichts zum Essen zu haben und was dieser Zustand mit dem namenlosen Protagonisten macht. Das Buch ist eine radikale Darstellung eines selbstzerstörerischen Psychogramms dieses modernen Antihelden.

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Veröffentlicht am 20.06.2023

Ein bezauberndes Kinderbuch und 2. Band mit Balsa, dem kleinen Kakapo

Der kleine Kakapo sucht die große Liebe
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Der kleine Kakapo Balsa ist in diesem zweiten Band groß geworden. Er wohnt immer noch als einziger Eulenpapagei auf dem Pako und obwohl ihn das zwar traurig stimmt, machte ihm dieser Umstand bis jetzt ...

Der kleine Kakapo Balsa ist in diesem zweiten Band groß geworden. Er wohnt immer noch als einziger Eulenpapagei auf dem Pako und obwohl ihn das zwar traurig stimmt, machte ihm dieser Umstand bis jetzt nicht so viel aus. Doch mit diesem Frühling kommen Veränderungen. Alle Freunde scheinen verrückt geworden zu sein und selbst Pikko streift nicht mehr mit ihm, sondern mit einem Kiwi-Mädchen durch die Nacht.
Da bietet ihm Pelikan Pinkus an, ihn auf den Tutoko zu fliegen, einen hohen Berg der direkt neben dem Pako liegt. Im Makori-Tal hat Pinkus eine Kolonie von Eulenpapageien entdeckt und möchte seinen kleinen Freund dorthin bringen. Was wird Balsa dort erwarten?

Meine persönlichen Leseeindrücke
Wie auch im ersten Buch „Der kleine grüne Kakapo“ muss man Balsa einfach gernhaben. Er ist einfach ein nettes, feines Kerlchen, dem ein liebevolles Miteinander, Fürsorge und Hilfsbereitschaft sehr wichtig sind.
Balsa war im Glück. Zum ersten Mal traf er auf andere Kakapos, und alle waren genau wie er!
Durch die geschickte und feinsinnige Erzählsprache wird dem kleinen Leser erklärt, welche Bedeutung der Frühling für die Tierwelt hat und wie das Paarungsverhalten der Eulenpapageien abläuft. Da muss der kleine Wissbegierige schon einiges aufmerksam lesen, denn wenngleich die Geschichte überaus gelungen ist, gibt es viel Text. Als Belohnung dafür gibt es wieder jede Menge Abenteuer und mit Fanny eine toughe Kakapodame.

Fazit
„Der kleine Kakapo sucht die große Liebe“ ist eine äußerst gelungene Fortsetzung des ersten Bandes „Der kleine grüne Kakapo“ und ein bezauberndes Kinderbuch. Die Abenteuer rund um den Frühling regen die Phantasie der kleinen Leser an und erklären, dass es in der Liebe nicht immer nur um Äußerlichkeiten geht. Das Buch eignet sich nicht nur zum Vorlesen, sondern ist auch für Grundschüler ab der 2. Klasse sehr geeignet.

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Veröffentlicht am 13.06.2023

Ein Buch über eine der schönsten Buchhandlungen Italiens

Ein Garten voller Bücher
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Die Buchhandlung der Autorin Alba Donati ist ein besonderer Ort, denn sie ist ein Garten voller Bücher! Dort bekommen „überholte“ Bücher eine Chance, nicht vergessen zu werden und können von lesebegeisterten ...

Die Buchhandlung der Autorin Alba Donati ist ein besonderer Ort, denn sie ist ein Garten voller Bücher! Dort bekommen „überholte“ Bücher eine Chance, nicht vergessen zu werden und können von lesebegeisterten Besuchern wieder entdeckt werden. Bei all dem spielt der Garten eine wichtige Rolle: nicht nur weil Besucher dort verweilen dürfen und sich mit einem Buch zurückziehen können, sondern auch weil die Buchhandlung eine spezielle Abteilung nur für Garten- und Pflanzenliebhaber reserviert hat.
Lucignana liegt 500 Meter über dem Meeresspiegel, in der Toskana, ganz in der Nähe von Lucca. Das Dorf wurde um das Jahr 1000 gegründet, ist ganz aus Naturstein gebaucht und hat heute einhundertachtzig Einwohner. Hier ist die Autorin aufgewachsen und hier leben noch viele Verwandte, eigentlich ist das ganze Dorf irgendwie miteinander verwandt. Und hier hat sie ihren Traum verwirklicht und eine Buchhandlung mit dem zauberhaften Namen Libreria sopra la Penna zusammen mit anderen begeisterten Dorfbewohnern gegründet. Die Finanzierung über das Crowdfunding auf Facebook war entscheidend und am 7. Dezember 2019 konnte die Buchhandlung eröffnen.

Meine persönlichen Leseeindrücke
„Ein Garten voller Bücher“ ist eine Biografie mit Tagebucheintragungen von 6 Monaten, in denen die Autorin die Verwirklichung ihres Herzprojekt der Buchhandlung literarisch verarbeiten, mit all den Höhen und Tiefen, Schwierigkeiten und Erfolgen, die so ein Vorhaben mit sich bringt.
Dinge fallen nicht vom Himmel, sie reifen, gären und beschäftigen – bis der richtige Moment kommt und die Ideen umgesetzt werden können.
Das Buch ist voll von Reflektionen über den italienischen Literaturbetrieb und die Stellung der weiblichen Schriftstellerinnen, das Heimweh, das Alba Donati wieder in ihr Heimartdorf zurückgebracht hat und ihre Idee dort eine Buchhandlung mit Garten zu gründen.
Dies alles ist eingebettet in die Familiengeschichte der Autorin, die gleichzeitig auch die Familiengeschichte des 180-Seelenortes ist und übt einen speziellen Zauber aus, der mir sehr gefällt, mich beruhigt und mir beim Lesen ein Wohlfühlen vermittelt, das ich schon lange nicht mehr hatte.
Als besonderes Schmankerl stehen am Ende jeder Tageseintragung Alba Donati die Bestellungen der Bücher– leider muss ich gestehen, dass ich nicht allzu viele davon kenne. Da muss ich wohl noch viel aufholen!

Fazit
Mit ihrer Biografie „Ein Garten voller Bücher“ gibt Alba Donati einen Einblick in ihre besondere Buchhandlung. Es ist ein Genuss, dieser wunderbar sanften Erzählweise zu folgen.

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