Platzhalter für Profilbild

sveso

Lesejury Star
offline

sveso ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit sveso über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.06.2023

Abhängigkeit in hoher Form

Idol in Flammen
0

Akari geht zwar zur Schule, aber in ihrem Alltag dreht sich alles um Masaik - ein Mitglied einer beliebten J-Pop-Gruppe. Masaki ist ihr Idol und Akari ist quasi besessen von ihm. Sie betreibt einen Blog ...

Akari geht zwar zur Schule, aber in ihrem Alltag dreht sich alles um Masaik - ein Mitglied einer beliebten J-Pop-Gruppe. Masaki ist ihr Idol und Akari ist quasi besessen von ihm. Sie betreibt einen Blog über ihn, kauft sämtliche Fanartikel und identifiziert sich ausschließlich über ihr Idol. Als dieser in den sozialen Medien und der Presse harsch kritisiert wird, weil er einen weiblichen Fan angegriffen haben soll, fängt Akaris Welt an zu bröckeln. Sie setzt alles daran, ihr Idol zu beschützen und wird noch besessener von Masaki.

Anscheinend sind Idole in Japan völlig normal und gehören zur Alltagskultur und der Jugend dazu. Bis zu diesem Kurzroman war dieser Lifestyle oder dieses Fantum absolut neu für mich. Gerade bei Akari handelt es sich eher um Fanatismus, Besessenheit und pure Abhängigkeit, was mich schockiert hat. Rin Usami stellt anschaulich und glaubwürdig dar, wie sich Akaris Leben nur um Masaki dreht, wie sie immer mehr die Kontrolle verliert und sich hin hohem Tempo auf den Abgrund zubewegt.

Dabei ist der Schreibstil recht knapp, nüchtern und irgendwie kühl, was gut zur Figur Akari passt. Die Situation spitzt sich spürbar zu und die große Explosion ist absehbar. Die Umsetzung gefällt mir gut, hat mich berührt, schockiert und lässt mich voller Gedanken zurück.

Daher kann ich "Idol in Flammen" allen empfehlen, die etwas Aufrüttelndes lesen möchten.

Veröffentlicht am 29.06.2023

Humorvoller Cosy-Krimi

Die Hausboot-Detektei - Tödlicher Genuss
0

Arie kehrt seinem Beruf des Polizisten den Rücken und widmet sich auf seinem Hausboot einem neuen Berufsfeld: Er gründert dort eine Detektei und findet in Maddie, Jack, Jan und Elin Verbündete, die ebenfalls ...

Arie kehrt seinem Beruf des Polizisten den Rücken und widmet sich auf seinem Hausboot einem neuen Berufsfeld: Er gründert dort eine Detektei und findet in Maddie, Jack, Jan und Elin Verbündete, die ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Aufgabe und einem angenehmen Platz im Leben sind. Während sie das Hausboot herrichten und verschönern, Tomaten anbauen, die Idylle der Amsterdamer Grachten genießen und sich mit Miss Marple-Filmen auf die Detektivarbeit vorbereiten, kommt ihr erster Klient. Die Hobby-Detektive sollen sich in die Gastronomie-/Catering-Szene Amsterdams begeben und ein Rezept ausspionieren. Sie finden sich nicht nur mitten im Wettstreit zweier Sterneköchinnen wieder, sondern parallel dazu taucht eine Wasserleiche auf - der bekannte Sommelier Henk Perenboom ist tot und plötzlich steht die Frage im Raum, ob und welche Verbindung es zwischen den dreien Gastronominnen gibt.

Nach dem Klappentext und dem Cover nach zu urteilen habe ich mich auf einen geütlichen Cosy-Krimi eingestellt und war gespannt, wie der Plot im Setting der Grachten Amsterdams umgesetzt werden. Dass die Detektei auf einem Hausboot ist, fand ich sehr schön und abweichend zu sämtlichen anderen Kriminalromanen, die ich bisher gelesen habe. Amy Achterop beschreibt das Setting und die einzelnen Figuren, ihr Auftreten und - teilweise sehr skurrile - Zusammenspiel sehr anschaulich und humorvoll. Der Spagat zwischen Figurendarstellung/-entwicklung und Ermittlungsfortschritten und Voranschreiten des Plots sind meiner Meinung nach sehr gelungen. Ich hatte Freude beim Lesen, musste häufiger schmunzeln und habe mit der Auflösung auch nicht unbedingt gerechnet.

Ein humorvoller Cosy-Krimi mit sympathischen Hobby-Detektiven, von denen ich gern mehr lesen würde!

Veröffentlicht am 20.06.2023

Das Wert eines Kinderlebens

Die spürst du nicht
0

Die beiden wohlhabenden und privilegierten Familien Binder und Strobl-Marineks verbringen mit ihren Kindern einen exklusiven Urlaub in einer toskanischen Villa. Damit sich Sophie Luise, die 14-jährige ...

Die beiden wohlhabenden und privilegierten Familien Binder und Strobl-Marineks verbringen mit ihren Kindern einen exklusiven Urlaub in einer toskanischen Villa. Damit sich Sophie Luise, die 14-jährige Tochter der Strobl-Marineks, nicht langweilt, nehmen sie ihre Klassenkameradin Aayana, ein Flüchtlingskind aus Somalia mit. Sophie Luise möchte ihr das Schwimmen beibringen. Bereits am ersten Tag, als die Binders und die Strobl-Marineks sich gerade erst in der Villa eingefunden haben, passiert ein tragischer Unfall, der den Urlaub jäh beendet und die Leben der Familien maßgeblich verändert.

Daniel Glattauer thematisiert in "Die spürst du nicht" vor allem die Privliegien unserer wohlhabenden Gesellschaft in Relation zu der Ungerechtigkeit und dem zweierlei Maß, mit dem gegenüber Flüchtlingen und Migrantinnen gemessen wird. Ausschlaggebend für das abgebildete Sittenbild ist der tödliche Poolunfall und der anschließende Umgang damit - innerfamiliär, politisch, gesellschaftlich, medial und juristisch. Glattauer lässt sämtliche Perspektiven und Figuren zu Wort kommen, unter anderem Journalistinnen in Form von Zeitungsartikeln und die breite Masse der Bevölkerung in Form von Kommentarspalten. Dass es sich darin um populistische Äußerungen handelt, dürfte niemanden wundern. Über allem schwebt die Frage nach Schuld und nach dem Wert eines (Flüchtlings-)Kinderlebens.

Die gewählten Stilmittel, die sprachliche Umsetzung und die vielfältige und pointierte Figurendarstellung haben mich beeindruckt. Es handelt sich hier um schwere Kost, die ein erschreckendes Abbild unserer Gesellschaft ist. In diesen Spiegel mag sicherlich nicht jede*r (gleich) gern schauen.

Veröffentlicht am 18.06.2023

Sehr ansprechendes türkisches Kochbuch

Meine Süperküche
0

Ich mag die türkische Küche sehr gern und freue mich immer über neue Rezepte - vor allem über vegetarische und vegane Gerichte. Meltem Kaptan hat mit "Meine Süperküche" meine Erwartungen an das Kochbuch ...

Ich mag die türkische Küche sehr gern und freue mich immer über neue Rezepte - vor allem über vegetarische und vegane Gerichte. Meltem Kaptan hat mit "Meine Süperküche" meine Erwartungen an das Kochbuch übertroffen. Das Hardcover verspricht Stabilität, die Seiten sind angenehm dick zum Umblättern und die Fotos der Gerichte regen den Appetit an und wecken Lust, direkt loszukochen.
Die Aufteilung ist recht klassisch - Vorspeisen, Suppen & Eintöpfe, Hauptgerichte und Nachspeisen. Was mir sehr gut gefällt, ist die Symbolik für vegan, vegetarisch und glutenfrei, mit der die einzelnen Rezepte markiert sind. Die Zutatenlisten sind überschaubar, sehr übersichtlich und enthalten in der Regel auch alles, was man eh da hat oder ganz easy im Supermarkt bekommt.
Die Zubereitung ist meist einfach, sehr gut erklärt und die Gerichte gehen recht schnell und sind sehr lecker.
Was mir besonders gut gefällt ist der große Gemüse-Anteil, gerade in Bezug auf Auberginenrezepte. Und die vegetarischen Rezepte lassen sich auch easy in vegane Alternativen umwandeln.

Ich bin begeistert und möchte gern noch mehr von Meltem Kaptan nachkochen!

Veröffentlicht am 18.06.2023

Sehr differenziert und gut recherchiert

Das Ende der Ehe
0

In "Das Ende der Ehe" legt Emilia Roig die (Macht)Strukturen des Patriarchats offen, dessen Sinnbild die Institution Ehe ist. Wichtig voranzustellen: Emilia Roig ist keinesfalls gegen die Ehe und möchte ...

In "Das Ende der Ehe" legt Emilia Roig die (Macht)Strukturen des Patriarchats offen, dessen Sinnbild die Institution Ehe ist. Wichtig voranzustellen: Emilia Roig ist keinesfalls gegen die Ehe und möchte diese auch nicht endgültig für alle abschaffen. Vielmehr zeigt sie Schwachstellen auf, macht deutlich, wie und in welchem Maße die Frau durch die Institution Ehe unterdrückt wird und für wie "normal" das alles erscheint. Außerdem schreibt sie darüber, dass unter Ehe per se erstmal die heterosexuelle Ehe gemeint ist, gibt einen kurzen Abriss über die Entwicklung der queeren Ehe und zeigt auch hier immense Nachteile und Unterdrückungsfaktoren auf, die so auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind, da die gleichgeschlechtliche Ehe ja nun auch möglich ist - allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen und mit anderen Rechten und Pflichten als die heterosexuelle Ehe.
Themen, die Emilia Roig behandelt, sind unter anderem die kostenlose Care Arbeit, die Stellung von Frauen und Männern im Job, Non-Binarität, Queerness, (sexualisierte) Gewalt, die Elternrolle, Geld, finanzielle Abhängigkeit und Machtstrukturen innerhalb von Beziehungen - alles in Relation zum Individuum, zu gesellschaftlichen/politischen/juristischen Strukturen und der Mehrheitsgesellschaft.

Emilia Roig schreibt sachlich, sehr differenziert und unterfüttert die faktischen Schilderungen immer wieder durch eigene Erfahrungen. Ich hatte während der Lektüre so viele "oh ja, stimmt"-Momente, dass ich das Buch definitiv nicht zum letzten Mal gelesen habe. Auch weil der Input so viel ist und ich das ein oder andere Kapitel noch stärker verinnerlichen möchte.

Auch wenn einige Emilia Roigs Buch sicherlich als Angriff, Provokation oder gar als "Hass gegen Männer" abstempeln, kann ich die Lektüre wärmstens empfehlen. Es werden sämtliche Machtstrukturen, Abhängigkeiten und Missstände aufgedeckt, die viel mehr Menschen bewusst werden sollten.