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Veröffentlicht am 25.06.2023

Schwedensommer 1994

Sommersonnenwende (Wolf und Berg ermitteln 1)
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Das Autorenduo Pascal Engman und Johannes Selåker setzt den heißen Sommer 1994 in Schweden neu und packend in Szene: Kriminalkommissar Tomas Wolf, verstört von seinem UN-Einsatz in Bosnien-Herzegowina, ...

Das Autorenduo Pascal Engman und Johannes Selåker setzt den heißen Sommer 1994 in Schweden neu und packend in Szene: Kriminalkommissar Tomas Wolf, verstört von seinem UN-Einsatz in Bosnien-Herzegowina, findet im vermeintlich sicheren Schweden eine Frauenleiche, vergewaltigt und ihres Slips beraubt – Ähnlichkeiten zu anderen Frauenmorden wecken seinen Ermittlungsinstinkt. Und Vera Berg, seit Kurzem getrennt von ihrem Freund, der in kriminellen Kreisen verkehrt, versucht bei einer Stockholmer Zeitung Fuß zu fassen mit einem aufsehenerregenden Leitartikel, wodurch sie sich nicht nur selbst Gefahren aussetzt.

Einen ganz besonderen Sommer beschert das Jahr 1994 den Schweden: Gluthitze, Flüchtlinge aus Jugoslawien, dritter Platz bei der Fußballweltmeisterschaft und den Amokläufer Mattias Flink. All diese realen Ereignisse fließen gekonnt in die fiktive Handlung rund um die Frauenmorde in unterschiedlichen Polizeidistrikten ein und ergeben ein rundes und stimmiges Bild. Die beiden Hauptfiguren, Tomas und Vera, blicken abwechselnd aufs Geschehen und passen mit ihren traumatischen Lebensläufen sehr gut in die eher triste, deprimierende Geschichte. Gerade die Verquickung von Privatem mit den Ermittlungen und dem historischen Hintergrund lässt diesen Kriminalroman hervorstechen aus den vielen Neuerscheinungen, das augenfällige Titelbild tut ein Übriges dazu.

Ein flotter Schreibstil begleitet den Leser durch die etwa 600 Seiten, viele verschiedene Figuren sorgen zuweilen für Irritation, aber der rote Faden um die getöteten Frauen und die beiden belasteten Figuren, die sich unabhängig voneinander auf Mördersuche begeben, zieht sich geradlinig durch sämtliche Kapitel. Interessante Themen wie Rechtsradikalismus, Migration, Drogen, Kriegstraumen und anderes mehr zeigen, dass vieles auch heute noch nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Spannend auf unterschiedlichsten Ebenen ist dieser Kriminalroman auf jeden Fall und sorgt mit seinem offenen Epilog dann noch für Neugierde auf die Fortsetzung. Obwohl die Hauptakteure keineswegs Sympathieträger im klassischen Sinne sind, freue ich mich schon darauf.

Titel Sommersonnenwende
Autoren Pascal Engman, Johannes Selåker
ASIN B0C1JLMC4J
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (592 Seiten)
Erscheinungsdatum 1. Juni 2023
Verlag Ullstein
Originaltitel Till minneav en mördare
Übersetzer Ulla Ackermann

Veröffentlicht am 24.06.2023

Haus Nummer achtzehn

Eifelfrauen: Das Haus der Füchsin
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Das Haus Nummer achtzehn in Altenburg in der Eifel soll Johanna erben. Auch wenn sie viele Fragen stellt, will ihr niemand aus der Familie erklären, warum Tante Lisbeth, die sie selbst nie kennengelernt ...

Das Haus Nummer achtzehn in Altenburg in der Eifel soll Johanna erben. Auch wenn sie viele Fragen stellt, will ihr niemand aus der Familie erklären, warum Tante Lisbeth, die sie selbst nie kennengelernt hat, gerade ihr den Bauernhof überträgt. Allen Warnungen zum Trotz zieht die Tochter des reichen Tabakfabrikanten Fuchs von Trier aufs Land und lernt, wie man mit Haus und Hof zurechtkommt. Eine spannende Zeitreise in die Jahre 1920 bis 1938 beginnt.

Das Dorf Altenburg entspringt der Phantasie der Autorin Brigitte Riebe, würde es tatsächlich existieren, könnte sie es aber nicht lebendiger beschreiben. Die Einheimischen konservativ, gottgläubig und wortkarg, muss man erst ein wenig kennenlernen, bevor sie einem ihr Herz öffnen. Die Jahreszeiten verlangen den Bewohnern der Eifel jeweils viel Arbeit in Feld und Wald ab, dadurch dass jeder jeden kennt, muss man darauf Acht geben, was man sagt und tut. Trotz allem helfen fast alle zusammen, wenn es denn nötig ist und geben schließlich auch Johanna jenen Halt, den sie braucht. Wie anderswo auch, ändert sich die Lage jedoch mit dem aufkommenden Nationalsozialismus, der so manche Familie entzweit.

Bildhaft und detailliert schildert Riebe Johannas Zeit ab deren Volljährigkeit, die damals mit Einundzwanzig festgelegt war. Genaueste Recherchen und eigene Erlebnisse untermauern die interessante Handlung, sodass es nicht an Glaubwürdigkeit mangelt. Die Spanne der gewählten zwanzig Jahre sind sowohl für Johanna, als auch für die politische Entwicklung in Deutschland turbulent und trotzdem in ruhigem Schreibstil verfasst. Obwohl immer wieder weniger ereignisreiche Zeiten übersprungen werden, ist die Geschichte recht ausführlich gestaltet. Während es für mich manchmal fast schon zu viel war, erfreuen sich andere Leser jedoch gerade an den umfassenden Beschreibungen von Arbeit, persönlicher Entwicklung und Politik, die in ihrem Zusammenspiel auch für eine abwechslungsreiche und stimmige Handlung sorgen.

Insgesamt handelt es sich bei den Eifelfrauen um die sehr persönliche Geschichte Johannas, aber auch um die Geschichte der Frau und deren Selbstbestimmtheit generell nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Von der Bevormundung des Vaters in die eines Ehemannes überzugehen, dazu hat Johanna keine Lust und mit ihrem ganz eigenen Weg in die Zukunft ist sie nicht allein. Gerne lese ich im nächsten Band, welches Schicksal Johanna und ihre Lieben noch erwartet.

Titel Eifelfrauen - Das Haus der Füchsin
Autor Brigitte Riebe
ASIN B0BK31PMCS
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Gebundenes Buch (480 Seiten) und Hörbuch
Erscheinungsdatum 13. Juni 2023
Verlag Rowohlt
Reihe Eifelfrauen-Dilogie, Band 1

  • Einzelne Kategorien
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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.06.2023

Ein Klimamärchen zum Aufwachen

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
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Thomas (Tom) Horsmith, ein 20jähriger Student und Klimaaktivist, und Montague (Monty) Causley, ein 40jähriger Politiker und Klimawandelleugner, treffen in einem Pub in St. Piran im englischen Cornwall ...

Thomas (Tom) Horsmith, ein 20jähriger Student und Klimaaktivist, und Montague (Monty) Causley, ein 40jähriger Politiker und Klimawandelleugner, treffen in einem Pub in St. Piran im englischen Cornwall aufeinander. Die beiden schließen eine Wette ab, welche sich sofort per Video über das weltweite Netz verbreitet. Wird der Wasserspiegel innerhalb von fünfzig Jahren so hoch ansteigen, dass Causley in seinem Wohnzimmer ertrinkt? Falls nicht, soll sich Tom selbst im Meer ertränken.

Ruhige und besonnene Worte findet Autor John Ironmonger für dieses ungewöhnliche Märchen, das Achtsamkeit reklamiert. Es dauert ein wenig, bis sich der Leser zurechtfindet, obwohl nur wenige Figuren einen Auftritt haben. Die Wette wird abgeschlossen, als schon etliche Aktivisten auf den Klimawandel und seine schwerwiegenden Folgen für die Menschheit hinweisen und erstreckt sich über insgesamt achtzig Jahre, wobei nur wesentliche Zeitpunkte in Szene gesetzt werden. Jedes Mal passieren tiefgreifende Ereignisse, welche den Leser in Atem halten, dennoch habe ich zuweilen das Gefühl von Langatmigkeit. Liegt es am Schreibstil Ironmongers, an seiner Ruhe, mit der er schlimme Umweltveränderungen darstellt? Unaufgeregt berichtet er über schmelzende Gletscher und ansteigende Meeresspiegel, höhere Kohlendioxidwerte und dadurch weniger Wolken, ein steter Kreislauf, der das Leben auf Mutter Erde immer schwieriger, wenn nicht bald unmöglich macht. Eindringlich, aber gelassen erzählt Ironmonger von Tom und Monty. Wer von den beiden wird Recht behalten, wer wird fünfzig Jahre danach ertrinken? Oder legen sie gar ihren Streit bei und einer erkennt, dass der andere richtig gelegen hat mit seiner Einschätzung? Welche Zukunft erscheint realistisch?

Ein interessanter, sehr ruhiger Roman, welcher wachrütteln soll, soferne wir uns nicht dazu entschließen, den Klimawandel als Märchen abzutun. Lesenswert.


Titel Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
Autor John Ironmonger
ASIN B0BJMZLKNZ
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Gebundenes Buch (416 Seiten) und Hörbuch
Erscheinungsdatum 24. Mai 2023
Verlag Fischer

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.06.2023

Drillinge

Der Frühling bringt den Tod
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Fiona erwartet in ihrem kleinen B&B an der irischen Westküste bekannte Drillingsschwestern aus Amerika, die in Ballinwroe ihren Wurzeln nachspüren wollen. Während die sympathische Vermieterin immer noch ...

Fiona erwartet in ihrem kleinen B&B an der irischen Westküste bekannte Drillingsschwestern aus Amerika, die in Ballinwroe ihren Wurzeln nachspüren wollen. Während die sympathische Vermieterin immer noch mit Anfeindungen gegen ihre Person und aufgeschlitzten Kaninchen auf ihrem Grundstück kämpft, versterben zwei alte Dorfbewohner. Dass es sich um natürliche Tode handelt, bezweifelt Fiona zumindest beim zweiten Fall.

Beschauliche Landschaftsbilder und überwiegend sympathische Einheimische, die seit Jahrzehnten zusammenhalten, lassen einen wunderschönen Eindruck des rauen irischen Westens entstehen. Molly Flanaghan lässt den Leser spüren, dass sie selber eng verbunden ist mit diesem Fleckchen Erde und überzeugt in diesem Punkt vollkommen. Ein Verbrechen viele Jahre zuvor prägt den Beginn dieses bereits dritten Bandes rund um Fiona, dann wird es ruhiger in Ballinwroe. Dennoch lesen sich die Szenen flüssig und bieten detailreiche Informationen. Etliche Querverweise ermöglichen es auch Neueinsteigern, die Figuren zuzuordnen und sich in der Geschichte zurechtzufinden, lediglich der Handlungsstrang in Dublin ist verwirrend und lässt mich insbesondere am Schluss ein wenig ratlos zurück. Es lohnt sich vermutlich, die Reihe von vorne zu beginnen.

Fazit: ein sehr schöner irischer Heimatroman, gewürzt mit Geheimnissen aus der Vergangenheit und einem Schuss Krimi. Der angenehme Schreibstil und die liebevoll beschriebenen Einzelheiten sorgen für gute Unterhaltung.

Titel Der Frühling bringt den Tod
Autor Molly Flanaghan
ASIN B0BMM7JMP8
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (240 Seiten) und Hörbuch
Reihe Fiona O´Connor ermittelt
Erscheinungsdatum 18. April 2023
Verlag Aufbau Digital

Veröffentlicht am 12.06.2023

Finale

Die Schokoladenfabrik – Der Traum der Poetin
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Im Köln der 1880er-Jahre geht es weiter mit der erfolgreichen Fabrik der Gebrüder Stollwerck und den geschäftstüchtigen Frauen, die aber nach wie vor nicht in die erste Reihe vordringen dürfen. Umso schöner, ...

Im Köln der 1880er-Jahre geht es weiter mit der erfolgreichen Fabrik der Gebrüder Stollwerck und den geschäftstüchtigen Frauen, die aber nach wie vor nicht in die erste Reihe vordringen dürfen. Umso schöner, dass Autorin Rebekka Eder diesmal weitere Stollwerck-Damen in den Mittelpunkt stellt, allen voran Therese, die ein hervorragendes Gespür für Texte hat.

Der dritte Teil der Stollwerck-Saga umfasst in drei großen Abschnitten die Jahre 1880 bis 1900. Therese trägt ohnehin schon eine schwere Last auf ihren Schultern, fühlt sie sich doch irgendwie als „Ersatz“ für ihre verstorbene ältere Schwester Theresia, die sie nie kennengelernt hat. Als sie jedoch den englischen Geschäftspartner ihrer Brüder, den Seifenfabrikanten Lever heiraten soll, widersetzt sie sich dem Willen der Familie und entflieht den sie einengenden Grenzen.

Auch diesmal wieder hat Rebekka Eder genauestens
recherchiert, um dadurch gekonnt reale Gegebenheiten mit romanhaften Elementen zu einer lesenswerten Geschichte zu verknüpfen. Immer wieder werden wesentliche vergangene Szenen angeführt, dennoch empfehle ich unbedingt, die Bände Eins und Zwei zuerst zu lesen, da sonst wohl zu viele interessante Details und Zusammenhänge verloren gehen. So beispielsweise die Art der Verbundenheit mancher Stollwercks mit Kaspar Rockstroh und Lina, die Hinweise auf Menschen mit einem blauen und einem braunen Auge, auf Gesche, auf die Rolle von Tante Wilhelmine, ganz generell die Entwicklung der Schokoladenfabrik Stollwerck und den nicht geringen Anteil, den Anna-Sophia und Apollonia beigetragen haben. Selbst als Kenner der Vorgängerbände ist es zu Beginn von Teil Drei nicht ganz einfach, die Handlungsstränge und Figuren korrekt einzuordnen (das Namensverzeichnis am Ende ist aber jedenfalls hilfreich).

Therese ist eine imponierende, starke Frau, die ein schweres Schicksal zu tragen hat und in diesem Buch sehr lebendig und absolut glaubhaft dargestellt wird. Unfassbar, dass ihr für dieselbe Arbeit nur die Hälfte von dem bezahlt wird, was ein Mann bekommen hat, grauenvoll die Umstände im Wiener Gebärhaus, schlimm die Tatsache, dass Kranke und Verletzte einfach vor die Tür einer Fabrik gesetzt und ihrem Schicksal überlassen worden sind. Ebenso faszinierend sind die Themen Reklame und Münzautomaten, Gruppierungen für Frauenrechte und gesellschaftliche Konventionen im Allgemeinen, sowie die Ächtung Homosexueller im Speziellen passend und unaufdringlich in die Handlung eingeflochten.
Aufregende Szenen in Köln, Wien, sogar bis hin nach Jerusalem, wechseln mit eher ruhigeren Kapiteln ab, sodass der große Spannungsbogen gut gewahrt bleibt. Mit hat dieses Buch als Finale sehr gut gefallen, empfehlen kann ich es aber wirklich nur als Teil der gesamten Serie.

Titel Die Schokoladenfabrik – Der Traum der Poetin
Autor Rebekka Eder
ASIN B0B16NFRF4
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (574 Seiten) und Hörbuch
Reihe Die Schokoladenfabrik, Teil 3
Erscheinungsdatum 17. Mai 2023
Verlag Aufbau TB