Der neue Thriller „Der Nebelmann“ von Donato Carrisi ist am 04.08.2017 in Deutschland im Atrium Verlag erschienen.
Sonderermittler Vogel irrt im Februar mit blutbesudeltem Hemd durch die nebelverhangenen Wälder . Er war vor einigen Wochen von Rom in die italienischen Alpen gereist, um den Verbleib eines vermissten Mädchens zu klären. Dreißig Jahre zuvor waren mehrere Kinder in den umliegenden Wäldern verschwunden, und es besteht der dringende Verdacht, dass der Mörder von damals – der im Dorf nur »Der Nebelmann« genannt wird – wieder aktiv geworden ist. Als Vogel aufgegriffen wird, gibt er an, einen Unfall gehabt zu haben. Um auszuschließen, das die Ermittlungen behindert werden, weil Vogel aufgrund psychischer Instabilität nicht als Zeuge vernommen werden kann, wird er dem Psychiater Flores vorgestellt. Flores soll „auf die Schnelle“ eine erste Beurteilung zum psychischen Zustand Vogels abgeben. Der Sonderermittler fängt an zu erzählen….
Kurz vor Weihnachten verschwindet in dem abgelegenen italienischen Bergdorf Avechot die 16-jährige Anna Lou Kastner. Sie war auf dem Weg in die Kirche, kam dort aber nie an. Sonderermittler Vogel, immer sehr gut und elegant gekleidet, ist ein Eigenbrötler, der sich ungern in die Karten sehen läßt und gerne im Mittelpunkt der Medien steht. So ist es nicht verwunderlich, dass er seinem Assistenten Kommissar Borghi so wenig wie möglich über seine geplanten Ermittlungen mitteilt, immer wieder mit der Staatsanwältin Rebecca Mayer aneinander gerät und die Presse in die Ermittlungen mit einbezieht. Durch die landesweite Aufmerksamkeit wird das Dorf zum Anziehungspunkt für sensationslustige Privatpersonen. Als Vogel dann eine Spur zur vermissten Anna Lou findet steht der Lehrer Loris Martini der örtlichen Schule im Mittelpunkt. Er kann kein Alibi für den Zeitpunkt des Verschwindens aufweisen und passt ins Täterprofil. Doch was war geschehen? Wo ist Anna Lou? Ist sie noch am Leben?
Der Anfang des Buches war eher unspektakulär. Das änderte sich jedoch mit jeder gelesenen Seite. Ich wunderte mich über Sonderermittler Vogel und seine seltsamen Ermittlungsmethoden. Vogel war ich anfangs neutral eingestellt. Das änderte sich allerdings relativ schnell und er wurde mir sehr unsympathisch. Seine mediengeile Art ging mir einfach zu weit, auch wenn es taktisch vielleicht klug war. Seinen Assistenten Kommissar Borghi fand ich auf Anhieb sympathisch und nicht so unerfahren, wie der überhebliche Vogel es immer dargestellt hat. Er hätte durchaus eine etwas größere Rolle im Buch besetzen können. Insgesamt hat der Autor einige sehr gute Charaktere geschaffen, die das ganze Buch über nachvollziehbar gehandelt haben und auch nicht aus ihrer Rolle gefallen sind.
Der Schreibstil ist eher etwas nüchtern, ohne viel gedöns. Das passt gut zur Story, er transportiert gut die düstere, kalte Winterzeit im Buch und das bedrückende Thema. Dabei wechselt er immer wieder von der Gegenwart in die Vergangenheit: mal kurz vor das Verschwinden, mal an den Tag des Verschwindens oder eben ein paar Tage nach dem Verschwinden von Anna Lou. Diese Wechsel behindern das Lesen und die Verständlichkeit der Geschichte nicht im geringsten. Man kann der Handlung ohne Probleme folgen. Einziger Kritikpunkt: was genau mit Anna Lou passiert ist und wie das Blut auf Vogels Kleidung kam wurde offen gelassen. Mitnehmen kann man eine große Vielzahl von Zitaten wie z.B. „Meiner Erfahrung nach hat man die Wahl zwischen zwei Zeitpunkten, um zu handeln. Dem Jetzt und dem Später.“ Oder „Die Medien sind des Teufels. […] Dabei könnten wir sie jederzeit mit einem Tastendruck ausschalten – aber das tun wir nicht, wir sind viel zu neugierig“
Das Cover ist sehr schön gestaltet, zusammengesetzt aus zwei oder drei Fotos, die die Winterlandschaft in den Bergen, das Mädchen und eine männliche Person zeigen. Auf Fotos kommt es bei weitem nicht zur Geltung.
Fazit:
Das Buch hat bei mir Spuren hinterlassen. Es ist eines dieser Bücher über dessen Inhalt man stundenlang diskutieren kann: Wie weit darf ein Ermittler gehen? Welche Rolle spielen die Medien? Ist es richtig die Presse mit einzubeziehen? Kann ein Verdächtiger unvoreingenommen befragt werden? Gilt „im Zweifel für den Angeklagten“ wirklich? Kann es jeden treffen (sowohl Opfer, als auch Beschuldigter? Wie geht es der Familie des Opfers dabei? Handelt es sich tatsächlich um Freunde oder nur um mediengeile, sensationslustige Personen die ihre Meinung ändern wie es gerade passt? Wie umgehen mit solchen Situationen? Ist das in der Realität auch so? Donato Carrisi ist ein sehr guter Thriller gelungen, mit einem Ende, das ich so nicht gesehen habe. Es kam für mich in dieser Art und Weise vollkommen überraschend! Es gibt Einblick in die abartigen Gründe warum jemand ein solches Verbrechen begeht. Deshalb bekommt das Buch von mir 5 von 5 Sternen. Zugreifen!!!