Go as a river
Der Name des amerikanischen Originals ist in diesem Buch hervorragend gewählt. Go as a river. Fließe dahin wie ein Fluss. Lass dich nicht abbringen von deinem Weg. Egal, welche Steine dir in den Weg gelegt ...
Der Name des amerikanischen Originals ist in diesem Buch hervorragend gewählt. Go as a river. Fließe dahin wie ein Fluss. Lass dich nicht abbringen von deinem Weg. Egal, welche Steine dir in den Weg gelegt werden - umfließe sie und finde dich dann wieder in deinem natürlichen Flussbett, auf deinem Lebensweg, ein. Trotze den Gefahren, lass dich treiben, fließe mit dem Fluss und triff alle Entscheidungen im Einklang mit dir selbst. Es gibt kein Falsch. Es gibt nur: in diesem Moment war das das Beste, was ich tun konnte.
Dies ist die Essenz des Buches, das ist es, was Victoria Nash lernt auf ihrem Weg von der kleinen „Torie“ der 1940er Jahre hin zu der gestandenen Frau Victoria der 1970er Jahre. Doch sie kommt nicht allein zu diesen Einsichten. Jemand zeigt sie ihr, als sie gerade mal 17 Jahre alt ist. Und er ist es, der sie zeit ihres Lebens in ihrem Herzen begleiten wird - auch wenn er als Person nicht kann.
Victorias Geschichte ist eine tragische, aber dennoch wohl keine außergewöhnliche im Kontext ihrer Zeit. Sie wächst mit mehreren Geschwistern auf einer Pfirsich-Farm in Colorado auf, am Gunnison River, in einer Landschaft, die immer irgendwie zu ihr gehört. Sie erlebt in ihrer Kindheit viel Pflicht und wenig kindliche Freude. Früh arbeitet sie auf der Farm, früh muss sie die Mutter ersetzen, als diese bei einem Unfall ums Leben kommt.
Mit 17 Jahren lernt sie die Liebe kennen, als ein Fremder in ihren Ort kommt. Doch diese Liebe endet tragisch und wird ihr gesamtes zukünftiges Leben überschatten. Doch von Wil, dem Jungen aus der indigenen Bevölkerung Colorados, hat sie gelernt: Go as a river. Sie wird es irgendwie schaffen.
Shelley Read erzählt ihre Geschichte immer wieder im Zusammenhang mit der grandiosen Natur Colorados, die vor dem geistigen Auge lebendig wird, wenn man ihre Zeilen liest. Man erkennt ihre tiefe Verwurzelung in dieser Gegend, man liest auch ihre Liebe zu diesen Bergen heraus. Das im Zusammenspiel mit Victorias Geschichte machen das Buch besonders, es liest sich genau wie es der Titel ankündigt: Go as a river - soweit der Fluss uns trägt. Absolut fließend. Es ist sicherlich eine Geschichte, auf die man sich einlassen muss, die nicht geprägt ist von actionreichen Schilderungen, sondern von der Intensität, mit der sie erzählt wird. Alle Figuren kamen mir sehr genau ausgearbeitet vor, keine wirkte einfach klischeehaft, alle hatten ihre ganz eigene Geschichte, die im Kleinen genau so liebevoll dargestellt war wie die von Victoria im Großen. Und das macht den Reiz aus: man hat wirklich das Gefühl, etwas zu lesen, das in sich rund ist.
Auch wenn sich das Buch nach den vielen Vorschusslorbeeren für mich persönlich doch nicht ganz nach einem 5-Sterne-Buch angefühlt hat (aber fast!), ist es doch etwas Besonderes, das man durchaus mit den intensiven Leseerlebnissen und starken Figuren von Delia Owens „Der Gesang der Flusskrebse“ oder Polly Clarks „Tiger“ vergleichen kann.
Ich meine ich habe gespürt, dass dieses Buch ein Herzens-projekt der Autorin ist, das sie mit viel Liebe erzählt, auch wenn die Geschehnisse nicht immer von Liebe unter den Menschen zeugen. Aber es ist ein Buch, in dem viele Menschen Trost finden können, das zeigt, wie viel man durchstehen kann, wenn man bereit ist, loszulassen. Ganz klare Leseempfehlung.