Jugendroman über Vorurteile, Freundschaft und Gemeinschaft
„Weiße Tränen“, der Roman der Autorin Kathrin Schrocke, erschienen im Mixtvision Verlag, hat mich sofort angesprochen. Auf dem Cover wächst eine Faust aus dem Wald und schiebt sich vor das Paar, das nur ...
„Weiße Tränen“, der Roman der Autorin Kathrin Schrocke, erschienen im Mixtvision Verlag, hat mich sofort angesprochen. Auf dem Cover wächst eine Faust aus dem Wald und schiebt sich vor das Paar, das nur als Silhouette gezeigt wird: Ein Mädchen mit Kopftuch und ein Junge mit krausem Haar. Lenni und Serkans Schwester Elif finden erst spät im Buch zueinander, denn Lenni muss sich erst entscheiden, auf wessen Seite er steht. King Kong soll das neue Schulstück werden und ausgerechnet Serkan, Lennis bester Freund, der sehr gut singen und schauspielen kann, soll den Affen ohne Textpart mimen. Nicht nur, dass die Story King Kongs, der übergroßen "Monsterkreatur", die absolut nichts mit einem Menschen, aber auch nichts mit einem Gorilla zu tun hat, ein rassistischer Stoff ist, auch dass der Lehrer die Rolle mit einem talentierten Schüler und gleichzeitig dunkelhäutigen Jungen besetzen will, löst bei einigen der Schüler zurecht Empörung aus. Vor allem Benjamin, Lennis neuer schwarzer Mitschüler legt sich deswegen mit dem eigentlich beliebten Theater AG-Lehrer an.
Lenni steht von nun an immer wieder zwischen allen Stühlen, er kann es niemanden recht machen. Der erste Teil liest sich gut und baut die Spannung auf, wie sich der Konflikt zwischen Benjamin und dem Theater-Lehrer, der die Schüler unterschiedlich behandelt, entwickelt. Man kann sich in alle Figuren und Positionen gut hineindenken. Ich finde es gut, dass Lenni als Hauptfigur dazwischen steht. So kommt die Unsicherheit, die wir alle immer wieder verspüren können, gut heraus. Die Konflikte sind vorprogrammiert.
So wie das Buch beginnt, endet es. Der Kreis schließt sich und die Anfangsszene mit einer Urne im Wald wird aufgeklärt. Es gibt überraschende Wendungen und Enthüllungen. Als Leser muss man feststellen. dass Vorurteile schnell entstehen. Vieles ist am Ende anders als es scheint. Die Autorin nutzt die flüssig zu lesende Geschichte, um Fachwissen über Rassismus gekonnt einzubauen. Lenni wandelt sich im Laufe der Geschichte von einem angepassten zu einem eigenständig denkenden, reflektierenden Jungen.
Für mich war eine der Schlüsselszenen, als Lenni den Dienst für den kranken Assistenten seines Vaters, der Bestatter ist, antreten muss und seinem Vater helfen soll. Diese Nacht ist die Wendung im Buch, denn da wird klar, dass sie den Lehrer nicht kannten, fast nichts über ihn wussten und die Dinge auf einmal in einem etwas anderen Licht erscheinen. Das relativiert nicht dessen Verhalten, aber es macht klar, dass jeder Vorurteile hat und dass die wenigsten hinter die jeweiligen Fassaden gucken können. Wo hat man im Alltag selbst Vorurteile?
Die Geschichte klärt über Rassismus auf, lässt einen nachdenklich zurück. Schrocke gelingt ein Jugendroman mit Tiefgang.