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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2024

Nichts auf der Welt bricht einfach so

So ist das nie passiert
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"Man kann alles heil machen, solange man das richtige Werkzeug hat." Ist das wirklich so? Die Antwort auf diese Frage liefert das Debüt von Sarah Easter Collins auf den folgenden 400 Seiten...

Gelegentlich ...

"Man kann alles heil machen, solange man das richtige Werkzeug hat." Ist das wirklich so? Die Antwort auf diese Frage liefert das Debüt von Sarah Easter Collins auf den folgenden 400 Seiten...

Gelegentlich lasse ich mich von geschenkten oder geliehenen Büchern überraschen und stürze mich ohne einen Blick auf den Klappentext ins Geschehen. Das zu empfehlen um z.B. unvoreingenommen neue AutorInnen kennenzulernen. Diesen Roman hätte ich wohl selbst nicht gewählt.

Da ich aufgrund des Titels keinerlei Vorstellung vom Inhalt hatte, fühlte ich mich zu Beginn unorientiert, einer unbehaglichen Atmosphäre ausgesetzt. Trotz der Ich-Erzähler-Perspektiven, den unterschiedlichen Blickwinkeln und obwohl bin etwa im Alter der Hauptprotagonisten bin, ist der Funke erst in der zweiten Hälfte des Buches übergesprungen. Ich mache das u.a. an bedrückenden Stimmung und den Geheimnissen fest. Selbst nach mehreren Kapiteln wirkte z.B. Protagonistin Robyn noch distanziert. Die Perspektivwechsel zu Willa und später Claudette sprachen mich hingegen mehr an.

Als besonderes Highlight möchte ich den Ansatz der
"Korrumpierung des Gedächtnisses" hervorheben. Dabei geht um die Fehlbarkeit unserer Erinnerungen, dass unser Verstand Dinge umarbeitet und selbst Schlüsselerlebnisse aus unserer Kindheit womöglich Einbildung sind. Ein faszinierendes Motiv, welches treffen gewählt und umgesetzt wurde und außerdem zum Nachdenken angeregt. Auch die Verbindung zum japanischem Kintsugi ist gelungen und die Rückblenden auf die Geschehnisse vor 20 Jahren sorgen für Spannung.

Die unerwarteten Misshandlungen von Mensch und Tier sind in Kombination mit dem Thema Missbrauch sicher nicht ungewöhnlich, aber für zartbesaitetere Lesende eventuell ungeeignet.

Ob sich mit dem richtigen Werkzeug wirklich alles heilmachen lässt, können die Lesenden nach der Lektüre für sich selbst entscheiden...

PS Bei dem Titel meiner Bewertung handelt es sich um die übersetzte Bezeichnung des englischen Originals. Diese sowie den dazugehörigen Klappentext finde ich im Nachhinein passender als die deutschen Versionen.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Seltsame Zufälle und seltsame Fährten

Die Hausboot-Detektei - Tödlicher Stoff
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Die Leseprobe von "Die Hausbootdetektei: Tödlicher Stoff" entführt die Lesenden auf ein charmantes Hausboot im regnerischen Amsterdam. Passend zum derzeitigen Frühlingswetter hatte ich spontan Lust auf ...

Die Leseprobe von "Die Hausbootdetektei: Tödlicher Stoff" entführt die Lesenden auf ein charmantes Hausboot im regnerischen Amsterdam. Passend zum derzeitigen Frühlingswetter hatte ich spontan Lust auf die gedankliche Reise in die Niederlande...

Die Gestaltung der Cover der Reihe hinsichtlich Farbwahl und Details gefällt mir ausgesprochen gut. Der Plot vom dritten Teil ist ebenfalls gelungen: kurzweilig und ansprechend, eine nicht alltägliche Geschichte mit niederländischem Flair und Lokalkolorit. Die Beschreibungen vermitteln das Gefühl die Stadt zu kennen. Das sorgt für Glaubwürdigkeit. Stilistisch ist das Buch leicht lesbar und atmosphärisch.

Die Ermittlungen zum im Klappentext erwähnten Unfall starten zügig. Nach 3 Kapiteln sind die wichtigsten Protagonisten eingeführt. Mir persönlich haben auch keine Vorkenntnisse aus den vorherigen Bänden gefehlt.

Amy Achterop zeichnet mit Arie Poepjes einen glaubhaften Hauptprotagonist, der zwischen den Grachten der niederländischen Hauptstadt eine Hobby-Detektei gegründet hat. Ihn und Hund habe ich bereits nach dem ersten Kapitel ins Herz geschlossen. Ich mochte auch die differenzierte Darstellung sowie die verschiedenen Blickwinkel der weiteren Charaktere (insbesondere den des Gnadenhof-Besitzers) und die gemütliche Atmosphäre auf der "Lakshmi". Treffend fasst es dieses Zitat zusammen: "Solche Freunde will ich auch haben"

Der Spannungsbogen hat für meinen Geschmack noch ein wenig Luft nach oben. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Regel Nr. 9 und deren kreative Auslegung ("Manchmal ist es unmöglich, sich an das Gesetz zu halten und gleichzeitig das Richtige zu tun. Im Zweifel wählen wir Letzteres.") nicht den Geschmack aller Lesenden trifft - zumindest nicht derjenigen mit ausgeprägtem Realitätssinn und hoher Moralvorstellung Für mich vervollständigt sie die unkonventionelle Hausboot-Detektei.

Fazit: Unterhaltsame Cozy Crime in klassischer Whodunit-Manier im frühlingshaften Amsterdam mit liebenswerten Charakteren. Ich freue mich nach der Trilogie von Britta Bolt eine ähnliche Reihe gefunden zu haben.

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Veröffentlicht am 25.12.2023

Reiseabenteuer 5.0

The Travel Episodes
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Nachdem ich Ende letzten Jahres bereits zwei Bände der Reihe verschlungen habe, war nun ein günstiger Zeitpunkt für eine Fortsetzung. (Tipp: die kurzen Anekdoten eignen sich super als Adventskalender) ...

Nachdem ich Ende letzten Jahres bereits zwei Bände der Reihe verschlungen habe, war nun ein günstiger Zeitpunkt für eine Fortsetzung. (Tipp: die kurzen Anekdoten eignen sich super als Adventskalender) Ich habe zwischenzeitlich auch ein Buch der Reihe verschenkt und kann es guten Gewissens auch Gelegenheitslesern empfehlen.

Alle Ausgaben umfassen überwiegend Erlebnisse in Form von Auszügen erweiterter Reiseliteratur, welche im gleichen Verlag erhältlich sind. Die vielfältigen Anekdoten bieten dabei einen guten Einstieg um die Autor:innen samt deren Schreib- und Erzählstil kennenzulernen. Die Reiseziele werden übersichtlich und zur besseren Orientierung auf Landkarten dargestellt. Band V umfasst 21 Episoden verschiedener Kontinente: Abwechslung und Unterhaltung sind dabei garantiert.

Überaus gelungen fand ich den Fokus dieser Sammlung: nachhaltiges Reisen, ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit vielen Optionen. Neben der Qual der Wahl des nächsten Reiseziels, regt dieser Aspekt auf jeden Fall zum Nachdenken an. Inspiration, Reiselust und gute Unterhaltung sind garantiert.

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Veröffentlicht am 05.07.2023

Fotostudio "Wunder des Lebens"

Die Erinnerungsfotografen
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So lautet die Übersetzung des Originaltitels. Die Geschichte erinnert mich entfernt an "Das Restaurant der verlorenen Rezepte" von Hisashi Kashiwai, welches mir gut gefallen hat.

Da ich gern reise, stimme ...

So lautet die Übersetzung des Originaltitels. Die Geschichte erinnert mich entfernt an "Das Restaurant der verlorenen Rezepte" von Hisashi Kashiwai, welches mir gut gefallen hat.

Da ich gern reise, stimme ich mich bevorzugt mit landestypischer Literatur auf mein kommendes Urlaubsziel ein. In Bezug auf Japan fällt mir das nicht ganz so leicht: wiederholt habe habe ich aufgrund des knappen Stils die Charaktere als distanziert empfunden.

Dieses Buch besticht neben der gelungenen Optik mit einer schönen Vorstellung samt respektvoller Umsetzung eines schwierigen Themas. Ich mag Romane, die in episodenform erzählt werden und verschiedene Personen begleiten. Beginnend mit "Die alte Dame und ihr Bus" begegnet man der 92-Jährigen Hatsue Yagi und entdeckt gemeinsam mit ihr die Abläufe des Studios. Unter dem Titel des Kapitels habe ich mir etwas völlig anderes vorgestellt 😅 Die Auflösung ist in jedem Fall überraschend... Überhaupt ist das gesamte Büchlein unvorhersehbar.

Pro gelebtem Tag wird den Besuchern ein Foto bereitgestellt. Aus diesen wählt der Verstorbene jeweils eines stellvertretend für jedes Lebensjahr - um zurückzublicken... Ohne vom weiteren Verlauf zu viel zu verraten, zieht sich eine Frage durch den Handlungsverlauf: auf wen wartet Hirasaki - und warum?

Der Klappentext vermittelt einen guten Überblick über die Handlung. (Ich habe diesen jedoch erst im Nachhinein gelesen und mir waren die zu erwartenden "Besucher" im Vorfeld nicht bekannt.)

Die Geschichte regt eindeutig zum Nachdenken über die eigene Bilderwahl an. Das passiert mir eher selten. Ich fand diesen Aspekt allerdings sehr ansprechend...das Buch hat mich (vor allem im ersten Teil) wirklich berührt. An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir allerdings etwas mehr Einblick und ein paar zusätzliche Seiten gewünscht. Gerade das Ende wurde sehr knapp gehalten. Der zurückhaltende Umgang mit Informationen lässt wiederum mehr Raum für eigene Gedanken und Interpretationen... Fazit: sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 29.06.2023

"die Vergangenheit zerfällt in Stücke / die Ereignisse verschwimmen" Mina Loy

Ein Geist in der Kehle
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Als kinderlose Mittdreißigerin hätte ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes wohl nicht ausgesucht. Ich mag jedoch literarische Abwechslung und lasse mich gern überraschen. Als Rezensionsexemplar erhalten, ...

Als kinderlose Mittdreißigerin hätte ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes wohl nicht ausgesucht. Ich mag jedoch literarische Abwechslung und lasse mich gern überraschen. Als Rezensionsexemplar erhalten, war ich sowohl gegenüber der Handlung als auch der mir unbekannten Autorin unvoreingenommen. 

Das Caoineadh: die Autorin definiert das Gedicht als "Trauergesang und Klagelied, Hymne, Choral und Totenklage". Wer sich selbst ein Bild machen will, findet es im irischen Original sowie der englischen Übersetzung von Doireann Ní Ghríofa am Ende des Buches. Die deutsche Version ist natürlich ebenfalls beigefügt. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich das Gedicht besser im Vorfeld gelesen, um die Referenzen besser einordnen zu können. In Teilen erinnert das Buch an Gedichtinterpretationen der Oberstufe.

Es ist auf jeden Fall ein interessanter Ansatz anhand des Gedichtes Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu ziehen. Faszinierend ist die detailgetreue Recherche in der heutigen Zeit über Eibhlín Dubh Ní Chonaill, welche immerhin Mitte des 18. Jahrhunderts geboren wurde! Äußerst gelungen finde ich auch die biografischen Einblicke in den Alltag der Mütter.

Den Schreibstil der Autorin kann man tatsächlich als poetisch, aber auch fesselnd bezeichnen - in jedem Fall liest sich das Buch flüssig. Schwierigkeiten bereitete mir teilweise der Inhalt. Die Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit waren nachvollziehbar, kompliziert wurde es jedoch, wenn Nebenschauplätze ins Spiel kamen. Für einen ersten Eindruck empfehle ich Klappentext, Leseprobe und den treffend formulierten Auszug der Einleitung eines Gesprächs von Rhian Sasseen (THE PARIS REVIEW) mit der Autorin: "Im Werk der irischen Schriftstellerin Doireann Ní Ghríofa begegnet man Geschichte als etwas Amorphem, etwas Lebendigem, das immer wieder ins Leben von Menschen in der Gegenwart dringt oder darin für Brüche sorgt. Meine Einführung in Ní Ghríofas Werk geschah durch "Ein Geist in der Kehle", und seitdem habe ich[...]über die Fragen nachgedacht, die es thematisiert: Geschichte, Mutterschaft, Obsession und die Durchlässigkeit von Zeit, Ort und Identität."

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