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Veröffentlicht am 29.06.2023

kluge Schriftsteller-Biographie

Als wär's ein Stück von mir
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Eine kluge Schriftsteller-Biographie, zum Jahreswechsel gelesen, als sich der Fake-News-Mob mal wieder an Hassorgien delektierte. Alles schon mal dagewesen, wie Carl Zuckmayer in seinem wunderbaren Buch ...

Eine kluge Schriftsteller-Biographie, zum Jahreswechsel gelesen, als sich der Fake-News-Mob mal wieder an Hassorgien delektierte. Alles schon mal dagewesen, wie Carl Zuckmayer in seinem wunderbaren Buch beschreibt. Der Titel ist das Zitat aus einer Passage, in der er seine abenteuerliche Flucht in der NS-Zeit beschreibt.

"Denke ich an die hellsten und an die schwärzesten Stunden in meinem Leben und im Leben derer, die mir nahestanden, so ist die Freundschaft wie ein festes, sichtbarliches, unzerreißbares Band hindurchgeschlungen. In den guten Zeiten war sie eine Steigerung im gegenseitigen Geben und Empfangen. In de Zeiten der Not wurde sie zu einem Anker, dem letzten, an den man sich hielt, zur Lotsenschaft, manchmal zum Rettungsring, und immer, auch in der Niederbrüchen, auch im Geschlagensein, blieb sie ein irdisches Fanal, ein Feuerschiff, ein Signal im Nebel. Selbst wenn der Tod die Freunde von meiner Seite riß - ich habe das allzu früh erleben müssen, und es geschieht immer wieder -, so war und ist es jedes mal, als wär's ein Stück von mir."

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Veröffentlicht am 29.06.2023

Grandios verfasste Asylanten-Autobiografie!

Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten
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Ein witziger Buchtitel, das neugierig macht, und ein Cover, das gute Unterhaltung verspricht, anstatt moralinsaurer Belehrung, wie man sich gegenüber Asylanten gemäß Political Correctness gefälligst zu ...

Ein witziger Buchtitel, das neugierig macht, und ein Cover, das gute Unterhaltung verspricht, anstatt moralinsaurer Belehrung, wie man sich gegenüber Asylanten gemäß Political Correctness gefälligst zu verhalten habe und dergleichen. Einzig zu bemängeln die Leseprobe auf der Umschlagrückseite. Wie altbacken, die literarische Qualität des Autors anhand einer Naturmetapher hervorzuheben, wie sie von allgewaltigen LektorInnen des deutschsprachigen Verlagsbusiness heutzutage verlangt wird wird, wenn sie Jungautoren die Gnade der Veröffentlichung erweisen. Jamalzadeh und Hepp leisten viel mehr, sie haben in ihrem Erstlingswerk Genre-übergreifend neuen Standards gesetzt.

Schon auf Seite 7 ein wirklich witziges Dialog-Gemisch aus Deutsch und Arabisch, wobei man Leser spätestens auf Seite 12 nicht mehr aus dem Lachen herauskommt, wenn es heißt: „Stell dir vor, du gehst in die Schule, und plötzlich dürfte niemand mehr Deutsch sprechen, sondern nur noch irgendein Chinesisch. Den darauf folgenden Dialog kann ich hier nicht wiedergeben, da meinem Laptop die sinologischen Piktogramme fehlen. Ich schwöre jedoch als sorgsamer Rezensent, dass man sich spätestens ab hier beruhigt im Caféhaus-Sessel zurücklehnen kann und das genießen, war nur wirklich gute Autoren zu leisten vermögen: Den Leser ernst nehmen, ihn angenehm unterhalten und in eine fremde Welt hineintragen!

Jene Welt, die des frauenverachtenden Taliban-Islamismus Afghanistans, ist hart und brutal. Man wird auf den folgenden Seiten mit viel Leid konfrontiert, das dort herrscht. Und zur Flucht gen Westeuropa steht Elyas in seinem autobiografischen Roman auch kein fliegender Teppich wie in Tausendundeiner Nacht zur Verfügung. Sein Buch ist voll Fakten und Erlebnisberichten. Die Gefahr von langweilendem Infodumping ist groß, zumal es in den letzten Jahrzehnten genug Fernsehberichte die so genannte Flüchtlingskrise medial eigentlich schon über die Maßen ausgewalzt ist.

Ein Blick auf die Danksagungen Seite 253ff verrät, dass Elyas Jamalzadeh durch Andreas Hepp, den ich an dieser Stelle Co-Autor nennen möchte, Unterstützung erhielt, zudem von professionellen LektorInnen – was jedoch nicht unbedingt zu einen guten Buch führen muss (siehe Privater Hinweis des Rezensenten). Ausschlaggebend ist für mich jedoch, dass der Autor ist in literarische Weise assimiliert hat, ohne seine Herkunft zu verleugnen. Natürlich mag ich Wien und die Österreicher habe Freunde dort und verliebte mich einst unsterblich in eine Burgenländerin namens Lisl – aber bittschön Herrschaften, das ist nun wirklich privat!

Was den Clash of Cultures betrifft, so fühle ich mich an des Hollywood-nominierten Spielfilm „I Love Vienna“ von 1991 erinnert, wo auf erfrischend witzige Weise die positiven Multikulti-Nachwirkungen der Österreichisch-Ungarischen Donaumonarchie wiederauferstehen. Übrigens war der im Iran geborene Afghane Elyas Jamalzadeh vor seiner Flucht über die Türkei und das Mittelmeer nicht nur Kinderarbeiter, Straßenhändler, Mitglied einer Jugendband und Boutiquebesitzer, sondern auch Hauptdarsteller eines iranischen Spielfilms, bevor schließlich im Oberösterreichischen Linz das Friseurhandwerk erlernte. Vielleicht rührt daher jener irrwitzige Humor, mit dem er seinen autobiografischen Abenteuerroman vorantreibt.

Man denkt beim Lesen unwillkürlich an Mark Twains "Tom Sawyer", Robert Louis Stevensons "Schatzinsel", Karl Mays "Durchs wilde Kurdistan", Jack Londons "Lockruf des Goldes", Ernest Hemingways "Fiesta", Jack Kerouaks "Unterwegs", Salman Rushdies "Mitternachtskinder" und Sven Regeners "Magical Mistery",
allesamt authentische Heldenerzählungen in Ich-Form, jedoch mit einem großen Unterschied: Elyas Jamalzadeh übernahm schon in frühester Jugend, gezwungenermaßen, die Rolle des Familienernährers, ähnlich wie es momentan, wenn die Rezensent diese Zeilen schreibt, bei Millionen junger Menschen im Ukraine-Kriegs sein wird. Es ist kein Spiel, auf dass er sich erlässt, sonder blutiger Ernst – ein Ernst, den er gegenüber uns Lesern auf heitere Weise vermittelt, gleich jenes jüdischem TV-Komiker, der jetzt in Kiew als Ziel von Mordkommandos sein Volk zum Durchhalten motiviert.

Dieses so genannte"Genre-Problem" wird die großen deutschsprachigen Verlagskonzerne, die in Zeiten von Corona auf bewährtes setzen, auf sadistische Thiller der üblichen Art, auf schon längst erschlaffte ehemalige Bestsellerautoren und Übersetzungen von Literatur, die sich auf dem englischsprachigen Buchmarkt durchgesetzt hat, davon abgehalten haben, das Buch in ihr Programm aufzunehmen und mit den üblichen Lektoratsvorgaben zu verhunzen. Mit Unterstützung der österreichischen Kulturforderung konnte es im kleinen Wiener Paul Zsolnay Verlag herauskommen, einst einverleibt aber nicht glattgebügelt von Münchner Carl Hanser Verlag.

Kommen wir zum eingangs kritisierten Leseprobe auf Umschlagseite 4. Das Autorenteam Jamalzadeh/Hepp hat weit mehr zu bieten als Naturmetapher, wie sie von Großrezensenten in TV-Literaturclubs stets gähnend langweilig vorgetragen werden. Anstatt auf den ersten Seiten uns Wohlstandsbürger beim Lesen von Flüchtlingsbiografien ein schlechtes Gewissen zu machen, verführen sie mit Allerwelts-Jugenderlebnisse, wenn sie auf Seite 19 schreiben:

"Ich liebte es, rauszulaufen vors Haus und mit den anderen Jungs auf den weiß-schwarzen Lederball einzudreschen, der mit dem Älterwerden nur noch ein Drittel so groß, dann nur mehr ein Viertel so groß, dann schließlich nur noch ein Fünftel so groß war wie ich."

Das erinnert mich sofort an Wolfgang Tilgners großartige Poesie im "Lied der Generationen" von den Puhdys:

"Als ich klein war, schien die Welt riesig groß, ziemlich groß..."

Ein Stück weiter auf Seite 36 stellen die Autoren in der Icherzählers-Rolle selbstbewusst klar:

"Ich erzähl nicht alles der Reihe nach. Das ist mein Buch, also darf ich das."

Die Macht der scheinbar allmächtigen Großverlags-Lektor-Zensur ist gebrochen. Auf der nächsten Seite 37 ein Beispiel für schwarzen Humor, wenn von prügelnden Koranlehrern berichtet wird:

"Wir mussten die Hände ausstrecken, und jedem von uns wurde ein paar Mal auf die Hände geschlagen. Einmal, als ich die Hand zurückgezogen hab, hat er sich mit dem Zweig, weil der so biegsam war, selbst in die Eier geschlagen" Das war witzig! Und dann bin ich von ihm verprügelt worden. Und – scheiß drauf - es war trotzdem witzig."

Das ist Literatur, dass hätte auf Umschlagseite 4 stehen müssen anstatt der dort abgedruckten Naturmetapher, die nichts, aber auch gar nicht über den literarischen Stil der Autoren aussagt.

Und weil's so schön ist, trotz all der geschilderten Schrecken, hier die auf den Seiten 52 bis 53 beschriebenen Gesichtsakne eines Geheimdienstmannes, der den kleinen Afghanenjungen in den Folterkeller steckt:

"So viele bunte Formen. Ein Kunstwerk! Rote Pickel, aufgekratzte Pickel, eitrige Pickel, (...) vielleicht sogar ganze Pickelfamilien, wie sich manche richtig zusammenkauerten auf der Hautoberfläche (...) I-don't-need-no-woman-Pickel, kompensierende Pickel, scheinbar zufriedene Pickel, an diesem Tag aufwachende Pickel, auf den Basar gehende Pickel (...) ihm genüsslich ins überraschte Gesicht blickende Pickel."

Verdammt nochmal, so etwas will ich kommenden Juno 2022 bei der Live-Übertragung beim altehrwürdigen Ingeborg-Bachmann-Preis hören, wenn Elyas Jamalzadeh und Andreas Hepp als Gewinner 25.000 Euro einsacken. Ich wette, die üblichen Verdächtigen der Literaturmafia trauen sich nicht!

Noch nicht genug Okay Leute. hier eine allerletzte Leseprobe von den Seiten 60 bis 61. Den Rest könnte ihr selber lesen! Ihr werdet bestens unterhalten und zugleich öffnet sich euer Horizont für die Welt dort draußen jenseits unserer mitteleuropäischen Luxusproblemchen.

"Und wo könnt man Elyas Jamalzadeh das Ende der Welt besser verbringen als in einem Keller nahe Teheran, einige Stunden vor der Abschiebung in das fremde Heimatland, in dem sie deine Familie in die Luft sprengen wollen, und in dem hennafarbene Bärte mit ihren Männern spazieren gehen, und in dem Mädchen ohne Jungs Jungs und Jungs Jungs sind, und in dem Kalaschnikows mit Hochzeitsgästen – echt, schau auf YouTube, da gibt's Videos davon! - tanzen?"

*

Zum Ende des Buches eine überraschende Wendung, die noch einmal deutlich zeigt, welch tödlicher Ernst hinter diesem genial erzählten Flüchtlingsdrama steckt. Ich wünsche dem Autor ein langes Leben. Seine literarisches Qualität erinnert mich in vielem an Wolfgang Herrndorf ...

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Veröffentlicht am 29.06.2023

zeitlos aktuell

Falsche Propheten
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Neuauflage, übersetzt u.a. von meiner Tante Susanne Hoppmann-Löwenthal, die nach dem Krieg in den USA auswanderte. Der bedeutende jüdische Literatursoziologe analysiert die Mechanismen von Demagogen, die ...

Neuauflage, übersetzt u.a. von meiner Tante Susanne Hoppmann-Löwenthal, die nach dem Krieg in den USA auswanderte. Der bedeutende jüdische Literatursoziologe analysiert die Mechanismen von Demagogen, die damals wie heute mit Fake News rassistische Hetze betreiben - hochaktuell!

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Veröffentlicht am 29.06.2023

Esoterik- und Politthriller der Extraklasse

Dr. Siri sieht Gespenster
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Den Briten Colin Cottelill verschlug es nach Aufenthalten in Australien und Südostasien ins post-kommunistische Laos, das in vielem jenen von den "Segnungen" des Kapitalismus von unbeleckten Regionen Osteuropas ...

Den Briten Colin Cottelill verschlug es nach Aufenthalten in Australien und Südostasien ins post-kommunistische Laos, das in vielem jenen von den "Segnungen" des Kapitalismus von unbeleckten Regionen Osteuropas abseits der so genannten Leuchtturm-Zentren ähnelt.

Er hat sich mit den Jahren derart in Land und Leute verliebt, dass es ihm, wie er in Interviews erzählt, auf seinen wenigen Besuchen in England immer fremde vorgekommen ist. Als Westdeutscher, der nach dern Wende in die ehemalige DDR rübergemacht hat. kann ich seinen Mentalitätswandel gut verstehen. Auch ich habe durch meine innerdeutsche Emigration Erfahrungen gemacht, die ich nicht mehr missen möchte. Und deshalb bleibe ich auch hier, in der östlichen Stadt Deutschlands.

Mit seinen esoterischen Thriller war es für den Autor anfangs schwer, Herausgeber zu finden. Nach langem Suchen mithilfe eines in der englischsprachigen Welt üblichen Literaturagenten (in Deutschland kaum verbreitet) fand er schließlich einen US-amerikanischen Kleinverlag.

Mit der Zeit wurde seine Dr.-Siri-Reihe derart erfolgreich, dass sie von einem deutschen Verlag übersetzt und ins Programm genommen wurde - auch dies wohl nur, weil sie in der englischsprachigen Buchwelt bereits gut lief.

Ich selbst bin als ostdeutscher Autor mit meinem Thriller "Der Astrologe - eine gänzlich unwahre Geschichte" bei deutschen Verlagen und Literaturagenten auf größtenteils Granit gestoßen, wegen angeblichen Genre-Probleme. Dabei hat der Genre-Mix Eso-Thriller im Grunde doch schon mit der Harry-Potter-Serie angefangen.

Die Dr-Siri-Reihe besticht neben ihren grandiosen Thriller-Mix aus Esoterik und Kommunismus durch prägnante Figuren-Beschreibung, wobei bei den ersten Folgen der Reihe - wie hier mit "Dr. Siri sieht Gespenster" der Plot noch recht gut konstruiert ist, stringent und übersichtlich. Je weiter es in der Reihe geht (ich habe alle Bände gelesen!), um so verstiegener werden die Handlungs-Konstruktionen. Es scheint fast, als ob Colin Cotterill mit seinem Erfolg als Autor an sich selbst zu zweifeln beginnt und meint, immer noch "einen draufsetzen" zu müssen.



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Veröffentlicht am 29.06.2023

Als Schriftsteller ist Boris Johnson wirklich großartig!

72 Jungfrauen
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Ob Boris Johnson den Spagat zwischen Literatur und Politik gelingt, wie manchen Rezensenten es hier schreiben, darf bezweifelt werden.

Was letzteres betrifft, so wird er vielfach als Trottel angesehen, ...

Ob Boris Johnson den Spagat zwischen Literatur und Politik gelingt, wie manchen Rezensenten es hier schreiben, darf bezweifelt werden.

Was letzteres betrifft, so wird er vielfach als Trottel angesehen, der mit Fake-News das Vereinigte Königreich ruiniert und nebenbei fast die gesamte Europäische Gemeinschaft.

Das Erstere stimmt auf jeden Fall: Mit "72 Jungfrauen" hat der in New York mit türkischem Urgroßvater geborenen Brite Alexander Boris de Pfeffel Johnson ein Meisterwerk der Literatur hingelegt, spannend und unterhaltsam, ein mit großartigem Sinn für Humor und Satire geschriebener Thriller.

Manche sagen, mit diesem Roman hätte er insgeheim das Drehbuch für seinen eigenen Aufstieg ins höchste Amt des United Kingdom geschrieben. Dies mag bezweifelt werden.

Doch eines spürt man bei der Lektüre dieses Thriller deutlich: Der Mann hat ein Gespür für das Menschlich-Allzumenschliche der ganz normalen Leute, seien sie nun Polizisten oder Geheimdienstmitarbeiter seines eigenen Landes oder Islamisten aus Fernost, die gekommen sind, um als Selbstmordattentäter einerseits möglichst viel Ungläubige in den Tod zu reißen. und andererseits durch ihren "Heldentod" das zu erreichen, was im Grunde ihr Herzenswunsch ist: mit 72 Jungfrauen an der Seite ins jenseitige Sexparadies einzutauchen.

(Der Rezensent verzichtet, auf die in der Presse skandalisierten Ausschweifungen des Thrillerautors in dessen Etablissement Downing Street No. 10 einzugehen.)



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