Moderne Technik und alte Ressentiments
Der JahrhundertsturmDieser erste Teil der Jahrhundertsturm-Serie umfasst den Zeitraum von 1840 bis 1871, also eine Epoche, in welche viele für den weiteren Verlauf der deutschen Geschichte bedeutsame Ereignisse fallen.
Die ...
Dieser erste Teil der Jahrhundertsturm-Serie umfasst den Zeitraum von 1840 bis 1871, also eine Epoche, in welche viele für den weiteren Verlauf der deutschen Geschichte bedeutsame Ereignisse fallen.
Die Protagonisten erleben diese aus verschiedenen Perspektiven: Alvin von Briest ist in der Tradition des preußischen Junkertums verhaftet. Als er erfährt, dass nach dem Tod des Vaters sein Bruder der Alleinerbe des Familienbesitzes ist, entschließt er sich zu einer Karriere beim Militär.
Weitaus friedlichere Ambitionen hegt der Bayer Paul Baermann. Er ist begeistert von der modernen Technologie der Eisenbahn und sieht in ihrem weiteren Ausbau einen wichtigen Beitrag zu gegenseitigem Verständnis und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ländern.
Alvin und Paul schließen eine langjährige und manche Schicksalsschläge überdauernde Freundschaft, was umso erstaunlicher ist, als beide dieselbe Frau lieben: Louise Ferrand, die in den Armutsvierteln von Paris eine schlimme Zeit überstehen musste und sich dabei gefährliche Feinde gemacht hat.
Eine weitere Gefahr geht von Pauls Schwester Lily aus, die von frühster Kindheit an ständig das Gefühl hatte, benachteiligt zu sein, und nun entschlossen ist, sich zu rächen.
Zu all diesen erfundenen Figuren kommt noch eine wahrhaft historische Persönlichkeit: Otto von Bismarck.
Der Inhalt dürfte sehr gut recherchiert sein, wie auch das ausführliche Nachwort beweist. So sind beispielsweise einige von Bismarcks Aussagen direkt aus seinen Briefen oder Reden entnommen. Die historischen Hintergründe und politischen Prozesse werden nachvollziehbar dargestellt. Auch das Lokalkolorit kommt nicht zu kurz, vor allem die immer wieder eingeschobenen Zitate im Berliner Dialekt sorgen für Authentizität.
Allerdings werden die Auswirkungen der teilweise tiefgreifenden Veränderungen auf die normalen Bürger nur am Rande angesprochen. Die Protagonisten befinden sich doch großteils in eher „privilegierten“ Positionen und wenn sie doch einmal einen Rückschlag erleiden, lässt die Rettung nicht lange auf sich warten.
Auch sonst sind die Figuren nicht wirklich überzeugend gezeichnet, sie wirken teilweise eher flach und machen, obwohl sich die Geschichte über mehr als 30 Jahre erstreckt, kaum eine persönliche Entwicklung durch. Außerdem sind manche Handlungselemente unrealistisch, insbesondere was Louises Hin-und-Her zwischen zwei Männern betrifft.
Dafür ist der Roman flott geschrieben, die relativ kurzen Kapitel und häufigen Perspektivenwechsel animieren immer wieder zum Weiterlesen.
Insgesamt ist dieses Buch für Histo-Fans und an der Bismarck-Ära Interessierte durchaus empfehlenswert, ich habe von dem Autor aber schon bessere Werke gelesen.