Cover-Bild Meine langen Nächte
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Steidl Verlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 07.07.2023
  • ISBN: 9783969991985
Ilva Fabiani

Meine langen Nächte

Birgit Ulmer (Übersetzer)

Anna Alrutz ist ein beliebiges blondes Mädchen, wie sie selbst findet. Als älteste Tochter einer wohlhabenden Familie verbringt sie glückliche Sommer im kleinen Kurort Salzgitter. Hier zankt sie sich mit ihrem Bruder Willi, streift mit ihrer besten Freundin Helene durch die Wälder, trifft ihre erste große Liebe. Dass Anna sich schon früh für den Nationalsozialismus begeistert, können die liberalen Eltern nicht verhindern. Auch nicht, dass sie ihr Medizinstudium abbricht und eine »NS-Schwester« wird. An der Universitätsklinik Göttingen praktiziert sie, was Hitler per Gesetz angeordnet hat: die Zwangssterilisation »erbkranker« Frauen und Männer. Anna meint, das Richtige zu tun. Doch als sie sich in den französischen Medizinstudenten Thierry verliebt, und Helene in die Klinik eingeliefert wird, gerät ihre Überzeugung ins Wanken. Sie schließt sich einer Gruppe an, die Patientinnen zur Flucht verhilft, und muss bald eine folgenschwere Entscheidung treffen.
Meine langen Nächte ist die Geschichte einer ideologischen Verirrung, aber auch eine Geschichte des Mitgefühls und der späten Einsicht: die anrührende literarische Lebensbeichte einer jungen Frau.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.02.2024

Ein sehr aktuelles buch

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Sprachlos, bedrückt und wütend hinterlässt mich dieser Roman. @ilvafabiani hat hier einen wichtigen Roman geschrieben, den ich grade aktuell vielen Menschen in die Hand drücken möchte.
Es ist eine fiktive ...

Sprachlos, bedrückt und wütend hinterlässt mich dieser Roman. @ilvafabiani hat hier einen wichtigen Roman geschrieben, den ich grade aktuell vielen Menschen in die Hand drücken möchte.
Es ist eine fiktive Geschichte, die allerdings sehr realistisch eine ideologische Verirrung zeigt, gleichzeitig aber auch eine Geschichte des Mitgefühls und eine sehr späte Einsicht.
Es geht hier um Anna Alrutz, ein beliebiges blondes Mädchen, welches sich von den Nationalsozialisten begeistern lässt, trotz liberaler Eltern, die nicht verhindern können dass diese nach einem gescheiterten Medizinstudium eine braune Krankenschwester wird. Hitler ordnet per Gesetz Zwangssterilisationen " erbkranker" Frauen und Männer an. Anna ist von ihrem Tun überzeugt und der Ideologie völlig verschrieben.
Doch sie verliebt sich in den französischen Medizinstudenten Thierry und ihre enge Freundin wird in die Klinik eingeliefert. Wird Anna damit umgehen können?
Ich habe schon viel über die NS Zeit gelesen und immer wieder bin sehr erschüttert. Furchtbar zu lesen wie aus einem " normalen" Mädchen eine Täterin wurde.
Dieser Roman ähnelt einer Beichte, gleich zu Beginn erfahren wir, dass Anna 1935 stirbt. Ihr toter Geist blickt zurück und erzählt. Due Autorin schafft eine sehr interessante Perspektive, gleichzeitig haben wir die Sicht verschiedener Charaktere und ich habe mir viele Stellen mit Post IT markiert.

" Betrachte die Sterilisation nicht als Strafe oder gegen die Ehre deiner Sippe gerichtet. " Erbkrank zu sein, sei nur ein bedauernswertes Unglück, habe der Führer in Mein Kampf geschrieben. Es sei jedoch, so ging es weiter, ein Verbrechen, aber auch zugleich Schande, dieses Unglück einem unschuldigen Wesen wieder aufzubürden. Ein Akt des puren Egoismus. Der Leibesfrucht dieses Unglück jedoch zu ersparen, sei ein Gebot wahrer Menschlichkeit, niemals Strafe." ( Zitat Seite 197)

Ich könnte noch viele Zitate hier erwähnen. Sie verdeutlichen wie unaussprechlich diese furchtbare Ideologie war.

Ich dachte der Teil zu ihrer Arbeit als braune Schwester macht einen größeren Anteil des Romans aus. Erst auf Seite 194 ca. fängt dieses an. Es geht vorher inhaltlich viel über die Kindheit und Jugend. So erfährt der Leser/in jedoch gut wie Annas Persönlichkeitsentwicklung und wie sich ihr Charakter gebildet hat. Sehr gut dargestellt. Ich kann diesen sehr wichtigen Roman sehr empfehlen, es ist jedoch keine leichte Kost und wünsche mir dennoch, dass diesen Roman viele lesen.
Sowas darf nie wieder passieren. Es muss Warnung sein!!!

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Ohne Makel

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Anna kommt aus gutem Hause, wächst behütet und privilegiert auf, und lässt sich, sehr zum Leidwesen ihrer Familie, von der nationalsozialistischen Ideologie blenden. Sie wird eine NS-Schwester und führt ...

Anna kommt aus gutem Hause, wächst behütet und privilegiert auf, und lässt sich, sehr zum Leidwesen ihrer Familie, von der nationalsozialistischen Ideologie blenden. Sie wird eine NS-Schwester und führt in der Universitätsklinik Göttingen aus, was Hitler angeordnet hat, nämlich die Zwangssterilisation von sogenannten erbkranken Frauen und Männern. Ihren Dienst verrichtet sie pflichtbewusst und dient treu dem Vaterland. Als sie dem französischen Medizinstudenten Thierry begegnet und sich verliebt, wird ihre Überzeugung auf den Prüfstand gestellt.

„Ich war noch keine dreißig Jahre alt, als ich starb, in einer Dezembernacht. Graupel fiel aus bleiernen Wolken in den Schneematsch am Boden. Und wenn ich mich jetzt, nach all den Jahren, umschaue, erkenne ich die Klinik, in der ich gearbeitet habe, kaum noch wieder.“ (Seite 8)

Die Autorin hat eine ungewöhnliche Weise gewählt, um die Geschichte von Anna, die stellvertretend für so viele andere Frauen der damaligen Zeit steht, zu erzählen, denn Anna ist tot, sie starb in einer kalten Dezembernacht des Jahres 1935, was sie uns Lesenden bereits am Anfang verrät. Körperlos schwebt sie über der Erde, besucht Stationen ihres kurzen Lebens und teilt diese Eindrücke mit uns. Anfangs tat ich mich schwer mit dem eher nüchternen Schreibstil, lernte diesen aber im Laufe der Geschichte mehr und mehr zu schätzen.

Anna war mir nicht sympathisch, aber sie war unglaublich authentisch. Besonders ihre Launen und ihre Wut als siebzehnjähriges Mädchen konnte ich fühlen und meistens nachvollziehen. Der Beginn ihres Lebens als junge Frau gestaltete sich holprig, was zum einen den Hormonen, zum anderen aber natürlich der schwierigen und turbulenten Zeit geschuldet war. Die äußeren Eindrücke drängten sie in eine Richtung, die sie als junger Mensch noch überhaupt nicht hätte einordnen, geschweige denn, die Konsequenzen auch nur annähernd einschätzen können. Manchmal war ich versucht, ihr zuzurufen, dieses oder jenes zu unterlassen, oder aber etwas unbedingt zu tun.

„Erwartung, Wut und Hoffnung liegen in der Luft: Haben wir wirklich geglaubt, dass dieser Mann uns würde retten können? Ja, das haben wir geglaubt. Ich wollte ihn sprechen hören, ihn mit eigenen Augen sehen.“ (Seite 104)

Langsam und schleichend kam der Nationalsozialismus in Annas leben, fast unmerklich schlich sich das Grauen in die Geschichte ein. Mit dem Wissen von heute schilderte Anna ihren Lebensweg, kommentierte und resümierte, verglich und suchte nach Gründen, die ihr Verhalten von damals erklären würden. Wenn es doch nur so einfach wäre!

„Muss man denn erst sterben, um den Strudel zu erkennen, der uns verschlang?“ (Seite 159)

Je mehr ich erfuhr, desto größer wurde mein Unbehagen, auch meine Sympathie schwand mehr und mehr, machte einer Abneigung Platz, die von Mitleid unterbrochen wurde. Mitgefühl aber war keines da, dieses war aufgebraucht. Aus Gründen. Je weiter die Erzählung voranschritt, desto mehr wühlte sie mich auf. Das letzte Drittel fand ich stellenweise unerträglich, meine Nerven wurden strapaziert und nun war doch großes Mitgefühl da. Keinen Ausweg zu haben ist schlimm, aber zu realisieren, dass man sich selbst in eine Situation gebracht hat, die katastrophale Folgen auch für andere hat, ist hart und entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn man bedenkt, dass dies alles auf freiwilliger Basis geschah.

Das Ende traf mich mitten ins Herz, obwohl ich eigentlich wusste, was später geschah. Mir gefiel es, dass die Autorin alle offenen Fragen beantwortet hat, wodurch die letzten Seiten aufwühlend und sehr emotional für mich waren. Ich hätte zu Beginn nicht gedacht, wie erschüttert ich nach dem Zuklappen des Buches sein würde. Zuletzt war mir die verhasste Anna unglaublich nah. Ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte, ein Zeugnis der bestialischen Ereignisse der damaligen Zeit. Gegen das Vergessen und besonders wichtig, das ist hoffentlich jedem klar. Volle Punktzahl mit extra Sternchen und eine Leseempfehlung gibt es von mir.

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Veröffentlicht am 29.10.2023

Absolute Leseempfehlung!

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Klappentext:

„Anna Alrutz ist ein beliebiges blondes Mädchen, wie sie selbst findet. Als älteste Tochter einer wohlhabenden Familie verbringt sie glückliche Sommer im kleinen Kurort Salzgitter. Hier zankt ...

Klappentext:

„Anna Alrutz ist ein beliebiges blondes Mädchen, wie sie selbst findet. Als älteste Tochter einer wohlhabenden Familie verbringt sie glückliche Sommer im kleinen Kurort Salzgitter. Hier zankt sie sich mit ihrem Bruder Willi, streift mit ihrer besten Freundin Helene durch die Wälder, trifft ihre erste große Liebe. Dass Anna sich schon früh für den Nationalsozialismus begeistert, können die liberalen Eltern nicht verhindern. Auch nicht, dass sie ihr Medizinstudium abbricht und eine »NS-Schwester« wird. An der Universitätsklinik Göttingen praktiziert sie, was Hitler per Gesetz angeordnet hat: die Zwangssterilisation »erbkranker« Frauen und Männer. Anna meint, das Richtige zu tun. Doch als sie sich in den französischen Medizinstudenten Thierry verliebt, und Helene in die Klinik eingeliefert wird, gerät ihre Überzeugung ins Wanken. Sie schließt sich einer Gruppe an, die Patientinnen zur Flucht verhilft, und muss bald eine folgenschwere Entscheidung treffen.

„Meine langen Nächte“ ist die Geschichte einer ideologischen Verirrung, aber auch eine Geschichte des Mitgefühls und der späten Einsicht: die anrührende literarische Lebensbeichte einer jungen Frau.“



Autorin Iilva Fabiani greift mit “Meine langen Nächte“ ein Thema auf, welches wohl bei vielen älteren Menschen die die verschiedensten Kriege erlebt haben wohl ein Tabu-Thema darstellt. Was ist wenn man merkt sich mit seiner politischen Meinung und Einstellung auf der falschen Seite wiedergefunden zu haben? Zu sehen was für ein Unheil die vermeintliche „eigene“ Partei anrichtet? Wie entscheiden bevor man sich selbst verrät? In Fabianis Buch lernen wir Anna Alrutz kennen. Ihre politische Einstellung ist recht schnell erkannt und nicht nur für ihre Eltern unerklärlich. Der Nationalsozialismus soll es bei Anna sein. Man möchte sie gern als Leser warnen aber nicht nur das es nicht möglich ist, Anna muss ihre eigenen Erfahrungen machen. Ohne diese geht es nicht im Leben. Fabianis Protagonistin darf sich dann aber verlieben und wir Leser beobachten eine wahrliche Liebesgeschichte zwischen Anna und dem Franzosen Thierry. Gott sei Dank ist die Liebe stärker als die politische Ideologie - Anna entdeckt hier und da und dann immer tiefer was das NS-Regime eigentlich wirklich mit den Menschen in ihrem Krankenhaus macht. Alleine diese ganzen Beschreibungen und bewegenden Szenen sind Fabiani mehr als vortrefflich gelungen. Es lässt einen das Blut in den Adern beim lesen gefrieren und man mag Anna da am liebsten nur rausholen. Kann man Anna ihren „Fehler“ irgendwie verzeihen? Kann man sie irgendwie verstehen? Dazu wird jeder Leser eine andere Meinung entwickeln und genau das macht das Buch so interessant und spannend! Die Einen werden Mitleid und Mitgefühl für ihr Tun und Handeln haben, die Anderen werden sie genau dafür verachten und würden sie am liebsten teeren und federn. Aber wer sagt einem was richtig und falsch ist? Vor allem: Was tun wenn man seine Erkenntnis dann gewonnen hat? Anna gewinnt diese und es ist ein Kampf mit ihrer Seele selbst. Man hat das Gefühl, Anna sitzt in diesem Buch auf der Büßerbank und erzählt uns ihre Geschichte mit all dem Leid, der Pein und Not. Aber auch die schönen Momente sind dabei und erhellen immer wieder die Geschichte. Ebenso wichtig ist die Frage: Kann sich Anna selbst verzeihen? Kann sie sich ihre Fehler eingestehen und wieder selber glücklich werden trotz dieses „Fehltritts“? Lesen Sie diese bewegende Geschichte die so viel zwischen den Zeilen bietet und scheinbar nie an Aktualität verlieren wird. 5 Sterne hierfür!

Veröffentlicht am 12.08.2023

Ein beeindruckendes Debüt

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»Ich war eine braune Schwester, Dienstnummer 2712207. Ich war die einzige in der gesamten Klinik und die erste in Göttingen.« S.198

»Ich war noch keine dreißig Jahre als, als ich starb, in einer Dezembernacht.« ...

»Ich war eine braune Schwester, Dienstnummer 2712207. Ich war die einzige in der gesamten Klinik und die erste in Göttingen.« S.198

»Ich war noch keine dreißig Jahre als, als ich starb, in einer Dezembernacht.« S.8

Anna Alrutz ist jetzt nur noch ein ruheloser Geist. Nach ihrem frühen Tod wird sie immer wieder vom Wind erfasst, nach oben getragen und in die Bruchteile ihres Lebens fallengelassen. Aus dieser ungewöhnlichen und gelungenen Perspektive erzählt Anna von ihrem Leben, das sie nun wieder und wieder durchleben muss.

Anna entstammt einem liberalen, gut situierten Elternhaus in Braunschweig. Sie selbst sieht in sich ein beliebiges blondes Mädchen. In ihrer Kindheit verbringt sie die Sommerferien mit ihrer Familie in Salzgitter. Hier verliebt sie sich als Jugendliche unglücklich in einen verheirateten Pastor.
Sie ist ein freiheitsliebendes, wissbegieriges Kind, ihren Bruder Willi, der ständig isst, wird sie nie richtig verstehen. Ihre Schwester Hedwin kränkelt von Geburt an und ihr Leben findet nur hinter Stickereien und dem Klavier statt. Wie ihr Vater will Anna Ärztin werden und beginnt als eine von vier Frauen ihr Medizinstudium.
Wie wird aus ihr eine NS-Schwester, die gemeinsam mit einem Arzt Frauen mit Erb- und Geisteskrankheiten zwangssterilisiert? Die aus vollster Überzeugung hinter Hitlers Ideen steht?
Diese Fragen versucht Fabiani in ihrem fiktiven Roman – der dennoch eine gewisse Realitätsnähe spüren lässt – zu beantworten. Es fühlt sich wie eine Beichte Annas an, wenn sie versucht zu zeigen, wie unbedarft sie war, enttäuscht von einer unerfüllten Liebe, zurückgewiesen. Wie schnell Propaganda bei Jugendlichen einen sensiblen Nerv trifft.

»Mach den Wald zu einem Ort voller Menschen verschlingender Ungeheuer und halte den verängstigten Mädchen dann deinen starken Arm hin, und sie werden dir folgen.« S.107

Fabiani gelingt es, den Zeitgeist der Zwischenkriegsjahre einzufangen, die Suche nach Ordnung und Struktur einer jungen Frau, die sich in einer von Männern dominierten Welt behaupten will. Die sich aber genauso nach Aufmerksamkeit und Liebe sehnt. Annas Geist kommentiert und reflektiert ihre Kindheit und Jugend und allmählich begreifen wir, warum die Nazi-Ideologie in ihr auf fruchtbaren Boden fallen konnte. Wäre da nicht Thierry, der französische, jüdische Medizinstudent, in den sie sich verliebt. Wäre da nicht ihre Freundin aus Kindheitstagen, die in die Klinik eingeliefert wird. Denn plötzlich gerät ihre Überzeugung ins Wanken.

»Ich würde sie hier gerne noch einmal treffen, hinter einer dieser Türen, all diejenigen, die wir nicht retten konnten. Ich würde ihnen gerne sagen, dass ich von einer ungeheuerlichen Idee besessen war, die ich für richtig und nützlich hielt. Dass ich mich verirrt hatte, vollkommen geblendet war …« S.173

Fabiani hat mich mit ihren poetischen Worten durch ihre bewegende Geschichte getragen, mal humorvoll und leicht, doch zunehmend düster und tragisch. Am Ende lastet es schwer auf der Seele, wenn man versteht, wie leicht Menschen zu manipulieren sind. Natürlich geht es auch nicht spurlos an einem vorbei, wenn man die kruden Theorien hinter der Zwangssterilisation liest und die direkten Auswirkungen von Annas Arbeit sieht.
Ein Buch, das berührt, das nicht leicht zu ertragen ist und lange nachhallt. Ein Roman mit Tiefgang, dem ich sehr viele Leser*innen wünsche.

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Veröffentlicht am 01.07.2023

Dienstnummer 271207

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Anna blickt aus dem Reich der Verstorbenen zurück auf die Erde und erinnert sich an viele Szenen aus ihrem knapp 28jährigen Leben. Da sind die Kindheit in Braunschweig mit unbeschwerten Sommern im Kurort ...

Anna blickt aus dem Reich der Verstorbenen zurück auf die Erde und erinnert sich an viele Szenen aus ihrem knapp 28jährigen Leben. Da sind die Kindheit in Braunschweig mit unbeschwerten Sommern im Kurort Salzgitter, ihre Begeisterung für die Visionen Hitlers und ihr Ehrgeiz, als Frau ein Medizinstudium zu absolvieren, das sie jedoch aufgrund eines Schicksalsschlages abbricht, um Krankenschwester zu werden, genauer gesagt, eine „braune Schwester“, die später auch aus Überzeugung bei Zwangssterilisationen erbkranker Frauen assistiert. Als sie den französischen Medizinstudenten Thierry kennenlernt, gerät ihre Weltanschauung jedoch ins Wanken.

Eine fiktive Geschichte erzählt Ilva Fabiani, und doch finden sich hier wesentliche historische Tatsachen wieder: das Gesetz zur Verhütung erbranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 schuf die Grundlage für die Zwangssterilisation von rund 500.000 Menschen, es gab diese Kliniken wahrhaftig, samt den Ärzten und Schwestern, welche Frauen und Männer ohne deren Zustimmung operierten. Anna Alrutz leistet ihren Beitrag im Hitlerregime unter der Dienstnummer 271207, ihrem Geburtsdatum. Für viele Menschen ist es schon zu spät, als die junge Frau ihren Gesinnungsirrtum erkennt; nun, in ihrem Geist im Jenseits gefangen, legt sie in Form dieses Romans eine Beichte ab.

Sachlich und schnörkellos erzählt Anna Episoden aus ihrem Leben und schafft es trotzdem - oder gerade deshalb - den Leser tief zu berühren. Diese ganz persönliche Sichtweise auf die Zwischenkriegszeit und den aufkommenden Nationalsozialismus ermöglicht es Außenstehenden, Gedanken und Handlungsweisen nachzuvollziehen und Anna nicht sofort zu verurteilen. Mit vortrefflich gewählten Worten und einem Blick aufs Wesentliche zieht die Autorin die Leserschaft in ihren Bann, sie überzeugt in jedem Kapitel aufs Neue und schafft eine ganz besondere Atmosphäre, die einen kaum loslässt. Auch nach dem Umblättern der letzten Seite wird dieses Buch noch länger in mir nachhallen.


Titel Meine langen Nächte
Autor Ilva Fabiani
ASIN B0C8Z6P8BL
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Gebundenes Buch (240 Seiten)
Erscheinungsdatum 30. Juni 2023
Verlag Steidl
Originaltitel Le lunghe notti di Anna Alrutz
Übersetzer Birgit Ulmer

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