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Veröffentlicht am 16.09.2023

"Spukerscheinungen sind derzeit in Mode."

Der Totengräber und der Mord in der Krypta (Die Totengräber-Serie 3)
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Als jüdischer „Piefke“ hat es der Ermittler Leopold „Leo“ von Herzfeldt in Wien nicht leicht, auch sein Hochdeutsch (seine Mutter stammt aus Hannover) macht ihn zum Außenseiter. Seine Beziehung zur Tatortfotografin ...

Als jüdischer „Piefke“ hat es der Ermittler Leopold „Leo“ von Herzfeldt in Wien nicht leicht, auch sein Hochdeutsch (seine Mutter stammt aus Hannover) macht ihn zum Außenseiter. Seine Beziehung zur Tatortfotografin Julia muss er geheim halten – die beiden sind Kollegen bei der Polizei.
Spiritismus und Séancen sind im 19. Jahrhundert in Wien der letzte Schrei (sogar Kaiserin Elisabeth nimmt an Geisterbeschwörungen teil), und auch die (bereits wissenschaftlich widerlegte) Phrenologie spukt noch in den Köpfen herum. Der technische Fortschritt kurbelt die Wirtschaft an (die Armen fristen dennoch ein Leben am Rande der Gesellschaft), in der High Society nimmt indes der Aberglaube zu. Als ein Naturwissenschaftler, der dem okkulten Humbug ein Ende setzen wollte, tot aufgefunden wird und mehrere Kinder aus einem Wiener Waisenhaus verschwinden, sind neben dem Inspektor auch der Totengräber Augustin Rothmayer und sein Mündel Anna (das Mädchen kannte einen ermordeten Jungen, der vor seinem Tod vor dem „Nachtkrapp“ warnte!) gefordert. Gespenstergeschichten sorgen für hohe Auflagen und Leo ist nicht glücklich, als ein Journalist geheime Informationen veröffentlicht, und es fuchst den Inspektor, dass Julia den vermeintlichen Rivalen gut kennt. Als auch noch Mama Herzfeldt nach Wien kommt und einem Schriftsteller namens Arthur Conan Doyle nicht mehr von der Seite weicht ist das Chaos perfekt, und es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, als die Polizei den Hauptverdächtigen tot aus der Donau fischt…
„Der Totengräber und der Mord in der Krypta“ ist ein interessanter historischer Kriminalroman, der ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann (obwohl es sich bei dem Buch um den dritten Teil einer Reihe handelt). Der Totengräber ist meine Lieblingsfigur, und ich mag es, dass der Autor die Sozial- und Medizingeschichte Wiens tangiert. Trotz kleiner Schwächen hat mich der Roman prima unterhalten - die Sprache klang in meinen Ohren stellenweise zu modern, ich hätte mir mehr Austriazismen gewünscht & man hätte den plot straffen können; manchmal hätte ich mir ein wenig mehr ‚Feinschliff‘ gewünscht. Müsste nicht eine Figur namens „Nikolai Trevic“ eher „Nikola Trević“ heißen? Ich fand die Story insgesamt spannend – auch wenn es erst im letzten Drittel der Erzählung Schlag auf Schlag geht.

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Veröffentlicht am 02.07.2023

(Un)schöne neue Welt

I’m a Fan
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„I’m a Fan“ der britischen Autorin Sheena Patel (sie hat indische Wurzeln, gehört aber nicht zur Gen Z) ist im Kern eine Gesellschafts- und Medienkritik. Die junge Filmschaffende aus London kommentiert ...

„I’m a Fan“ der britischen Autorin Sheena Patel (sie hat indische Wurzeln, gehört aber nicht zur Gen Z) ist im Kern eine Gesellschafts- und Medienkritik. Die junge Filmschaffende aus London kommentiert und spiegelt darin den Zeitgeist. Bestehende Machtstrukturen werden hinterfragt, Marginalisierung, Rassismus & Klassismus spielen eine Rolle, aber auch die allgegenwärtige Nabelschau und das bequeme virtue signalling der Eliten.
Worum geht’s?
Die namenlose nicht-weiße Erzählerin (die selbst in einer Beziehung ist) stalkt eine Frau auf Instagram, außerdem gibt es da den Mann, mit dem sie „zusammen sein will“. Für ihn ist die Erzählerin nur eine Nummer, und wenn die beiden irgendwo sind, wo jemand seine „Frau […] kennt“, ist es schnell vorbei mit dem Date. Hier werden selbst die Betrüger (bzw. Seitenspringer) betrogen. Hängt das soziale Kapital davon ab, wen man kennt? Die Erzählerin ist den Objekten ihrer Begierde in einer Art Hassliebe verbunden. Im Roman verschwimmt teilweise die Grenze zwischen Sozialneid und valider Kritik. Die Erzählerin beklagt, dass sie „Türen einschlagen“ müsse, während diese sich für die weiße Influencerin (die die neue Gespielin des Mannes ist, mit dem die Erzählerin zusammen sein will) wie selbstverständlich öffneten. Ich bin mir nicht sicher, ob der Roman eine Persiflage auf identitätspolitische Forderungen ist, oder eine Art marxistisches Manifest. Ich selbst bin überhaupt kein Fan der dogmatischen Critical Race Theory. (Ist die Tatsache, dass die Autorin dem Kollektiv „4 Brown Girls Who Write“ angehört, ein Hinweis? Andererseits soll ja das lyrische Ich nicht mit dem Autor (m/f) verwechselt werden, laut Literaturtheorie). Wenn im Text vom „lebendigen Puls des Faschismus“ die Rede ist, ist das meines Erachtens aber arg dick aufgetragen.
Handwerklich gibt’s aber nicht viel zu Meckern. Wörtliche Rede wird nicht als solche gekennzeichnet, dieses Stilmittel mag ich sehr. Die kurzen Kapitel mit den catchy Überschriften passen zur Grundstimmung der Geschichte. Ich mag auch die These, dass selbst menschliche Beziehungen mittlerweile einem kapitalistischen Prinzip folgen, und nicht etwa einem humanistisch-christlichen Menschenbild (was ich schade finde). Der feministische Aspekt des Romans ist auch stark, da ist einerseits von „ungefragt geschickten Schwanzbildern“ die Rede, andererseits scheint eine Frau, wenn der (Alpha)Mann nicht mehr mit ihr schlafen will, regelrecht unsichtbar zu sein, als sei sie nicht existent. Die Ich - Erzählerin glaubt, mit dem richtigen Mann ihr „richtiges Leben“ anfangen zu können, sie scheint mit ihrem Freund und mit ihrem Leben& ihrem Job (vor allem, wenn sie sich die in den sozialen Medien propagierte glamouröse Welt ansieht) unglücklich zu sein. Sie fühlt sich wie ein Niemand, und so gibt es auch kein Entkommen aus der mehr als dreijährigen Abhängigkeitsbeziehung zum Mann, mit dem sie eigentlich zusammen sein will. Der Mann, den sie will, wird nie „nur allein“ ihr gehören, und sie wird (auch durch eigenes Zutun) stets ein Objekt sein. Das offene Ende des Romans ist nur konsequent!

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Veröffentlicht am 22.05.2023

„wenig Hefe – lange Teigführung“

Kastenbrote
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Unter dem Motto „wenig Hefe – lange Teigführung“ präsentiert die erfahrene Brotbackbloggerin Valesa Schell das Sachbuch „Kastenbrote“.
Laut Verlag soll es für Anfänger & Fortgeschrittene geeignet sein. ...

Unter dem Motto „wenig Hefe – lange Teigführung“ präsentiert die erfahrene Brotbackbloggerin Valesa Schell das Sachbuch „Kastenbrote“.
Laut Verlag soll es für Anfänger & Fortgeschrittene geeignet sein. Besonders gut gefällt mir die optische Aufmachung des Buches. Es gibt keine affigen Hochglanzbilder. Die schön gestalteten Fotos machen Appetit auf schmackhafte Brote; es gibt leckere Rezepte (‚Orangen-Babka mit Mohnfüllung‘ ist mein persönlicher Favorit!). Auch die klare Gliederung des Buches kann überzeugen, man merkt, wieviel Herzblut in der Publikation steckt. Es gibt einen ausführlichen Theorieteil, auf den Rezepte mit
• Hefe
• Sauerteig
• Lievito Madre
• Vollkorn & Urkorn
folgen.
Dabei wird erklärt, wie Sauerteig und Livieto Madre angesetzt und weitergeführt werden. Überhaupt wird im Buch alles en détail erklärt – einfach klasse!
Aus dem Kasten gibt es auch
• Herzhaftes sowie
• Süßes.
Bezugsquellen und Onlineshops werden ebenso genannt wie weiterführende Literatur.
Die Autorin schwört auf Knetmaschinen und geht auch auf die Unterschiede zwischen Thermomix und anderen Geräten ein, und sie ist bemüht, den Hobbybäcker oder die Hobbybäckerin an die Hand zu nehmen. Keine Angst: Hier wird nicht auf exotischen Ingredienzen bestanden. Bei den Kastenformen gibt der passionierte „Foodie“ Valesa Tipps zum Umrechnen. Keine Zutat ist ein absolutes Muss – Valesa Schell gibt immer Alternativen an, was ich prima finde. Nicht jeder wohnt in einer Großstadt (oder hat Lust, Backutensilien & Backzutaten im Internet zu bestellen). „Beim Backen sollte […] immer geschwadet werden“, betont Valesa Schell. Sie empfiehlt dazu einen „Edelstahlbehälter mit Edelstahlschrauben oder Lavasteinen.“
Die Kombination aus langer Teigführung und wenig Hefe führt zu bekömmlichen Broten – ein großes Plus! Die Herstellung kann jedoch nicht im Schnellverfahren gelingen. Um optimale Ergebnisse zu erzielen, sollte man schon etwas Zeit mitbringen. Daher ist „Kastenbrote“ eher für Fortgeschrittene als für Anfänger geeignet. Demnächst soll das Buch „Brot sucht Aufstrich“ im Ulmer Verlag erscheinen – ich habe es schon auf meine Wunschliste gesetzt!

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Veröffentlicht am 09.05.2023

„Ich werde weiterfließen wie ein Fluss.“

So weit der Fluss uns trägt
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„So weit der Fluss uns trägt“ ist das Debut der amerikanischen Schriftstellerin Shelley Read. Die Handlung beginnt in den späten 1940er Jahren in Colorado, eine Ich-Erzählerin führt durch das Geschehen ...

„So weit der Fluss uns trägt“ ist das Debut der amerikanischen Schriftstellerin Shelley Read. Die Handlung beginnt in den späten 1940er Jahren in Colorado, eine Ich-Erzählerin führt durch das Geschehen (diese Erzählperspektive mag ich besonders gern); die Geschichte ist in fünf Teile gegliedert. Meines Erachtens handelt es sich hier um einen Coming – of – Age Roman; die wildromantischen Naturbeschreibungen in der Story unterstreichen dabei die Figurenentwicklung – wenn man sich ein bisschen mit Literaturgeschichte auskennt, wird man allerdings wissen, dass dieses Stilmittel nichts Neues ist - auch wenn „Der Gesang der Flusskrebse“ dafür gelobt wurde („So weit der Fluss uns trägt“ wird vom Verlag zu Werbezwecken mit Delia Owens‘ Bestseller verglichen).
Worum geht’s?
In der (mittlerweile verschwundenen) Kleinstadt Iola im US – Bundesstaat Colorado führt die siebzehnjährige Victoria (Nomen est Omen!) Nash das harte Leben einer Farmerin, nach dem Tod der Mutter muss das Mädchen früh Verantwortung übernehmen, als einzige Frau unter wortkargen Männern hat es Victoria(“Torie“) nicht leicht. Liebe und Zuneigung kennt sie nicht. Dies ändert sich, als sie dem indigenen Einwohner Wilson „Wil“ Moon begegnet. Er soll Victorias Schicksal entscheidend beeinflussen, ihr Leben wird von Verlusten und Veränderung geprägt sein. Am Ende des Romans hat die Protagonistin trotz Rückschlägen ihren Platz im Leben gefunden…
Als Leser/in sollte man etwas Geduld mitbringen - die Handlung des Romans erstreckt sich von 1948 bis 1971, Shelley Read lässt sich für den Entwurf der eigentlich interessanten Geschichte Zeit. Besonders gefesselt haben mich die wunderbaren Landschaftsbeschreibungen, sie illustrieren die tragischen & glücklichen Momente im Leben der Protagonistin. Stil und Sprache sind solide, über die deutsche Übersetzung bin ich stellenweise aber „gestolpert“, als versucht wurde, die verschiedenen (Bildungs- und) Sprachniveaus abzubilden, die Eigenheiten von verschiedenen Sprechern, „Wörter so zu verstümmeln“ („Ka` ich nich sagen.“, S. 97). Daher möchte ich auch das englische Original lesen. Die Autorin arbeitet mit Tropen und sie bewegt sich stellenweise zu nahe am Klischee – ich war irritiert, als das Idealbild des „Edlen Wilden“ präsentiert wurde, ich bin kein Fan von romantisch verklärten Darstellungen und von „Indianerkitsch“, auch nicht in historischen (Liebes)Romanen.
Fazit:
„So weit der Fluss uns trägt“ lässt sich mit dem Satz ‚Eine Frau geht ihren Weg‘ zusammenfassen. Es ist ein Plädoyer gegen Rassismus und Engstirnigkeit (dabei aber keine ‚Hillbilly – Elegie‘), eine Aufforderung zu weiblicher Solidarität, ein Bildungsroman, in welchem die nordamerikanische Natur der heimliche Star ist. Die Erzählung ist unterhaltsam, insgesamt blieb Reads Debutroman aber leider hinter meinen Erwartungen zurück, daher vergebe ich dreieinhalb von insgesamt fünf möglichen Sternen für „So weit der Fluss uns trägt“.

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Veröffentlicht am 10.08.2022

Solider Reihenauftakt

Fräulein vom Amt – Die Nachricht des Mörders
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Vorab:
Die Umschlaggestaltung ist besonders gelungen & die perfekte Einstimmung auf den Schmöker!
Hinter dem Pseudonym „Charlotte Blum“ verbergen sich die Autorinnen Dorothea Böhme & Regine Bott. Gemeinsam ...

Vorab:
Die Umschlaggestaltung ist besonders gelungen & die perfekte Einstimmung auf den Schmöker!
Hinter dem Pseudonym „Charlotte Blum“ verbergen sich die Autorinnen Dorothea Böhme & Regine Bott. Gemeinsam haben sie den Roman „Fräulein vom Amt – Die Nachricht des Mörders“ geschrieben und das Ganze als Reihe („Alma Täuber ermittelt“) angelegt.

Worum geht’s?

Die Kurstadt Baden – Baden ist der Hauptschauplatz der Geschichte. In den 1920er Jahren gibt es natürlich weder Handy noch Internet, und so vermittelt die Protagonistin Alma Täuber 1922 als ‚Fräulein vom Amt‘ Telefongespräche. Gemeinsam mit ihrer Freundin Emmi lebt sie in einer Wohnung, nach dem Ende der harten Kriegsjahre liegt Aufbruchstimmung in der Luft, doch die beiden haben natürlich eine strenge Vermieterin, die Herrenbesuch nicht gerne sieht & Wert auf Sauberkeit legt.
Eines Tages belauscht Alma (verbotenerweise) ein Telefongespräch mit verdächtigem Inhalt. Als dann ein Mord geschieht, ist ihre Neugier endgültig geweckt. Alma geht zur Polizei, doch nur Kommissaranwärter Ludwig Schiller ist bereit, Alma zu glauben…

Der historische Kriminalroman kann vor allem in Sachen Alltags – und Sozialgeschichte punkten, interessante Einblicke in eine längst vergangene Epoche werden geboten, von gut besuchten Kurhotels und illegalen ,Spielhöllen‘ ist die Rede. Es ist leicht, die story zu verfolgen, sprachlich und stilistisch hatte ich mir allerdings mehr erhofft, und stellenweise hat es dem plot definitiv an Spannung gefehlt, auch ein spezifisch badisches Flair konnte ich nicht erkennen. Die Figuren fand ich jedoch ganz nett, und ich war froh, dass es sich bei diesem Reihenauftakt nicht um einen beinharten Thriller handelt. Manchmal möchte man einfach nur unterhalten werden! Insofern handelt es sich bei der Erzählung um die perfekte (Urlaubs)lektüre für Zwischendurch. Man darf auf Band 2 („Fräulein vom Amt – der Tote im Kurhaus“) gespannt sein, er soll 2023 erscheinen.

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