Tiefgründig mit sehr plötzlichem Ende
TaorminaDa der Klappentext sehr vielversprechend klang und die Literaturkritiken sehr positiv ausfielen, war ich sehr gespannt auf "Taormina" von Yves Ravey.
In der Ehe von Louisa und Melvil Hammet kriselt es, ...
Da der Klappentext sehr vielversprechend klang und die Literaturkritiken sehr positiv ausfielen, war ich sehr gespannt auf "Taormina" von Yves Ravey.
In der Ehe von Louisa und Melvil Hammet kriselt es, ein romantischer Sizilienurlaub soll die Risse kitten. Doch die Reise steht unter keinem guten Stern. Direkt nach der Ankunft stürmt und regnet es, Melvil verfährt sich nachts mit dem Mietwagen auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel, und plötzlich spüren sie einen heftigen Schlag gegen den Wagen. Sie halten an, steigen aber nicht aus, und verlassen so schnell wie möglich den Unfallort. Es wird schon nichts passiert sein, vielleicht ein Tier, nur weg. Doch am nächsten Tag lesen sie in der Zeitung, dass ein Migrantenkind am fraglichen Ort tot am Straßenrand gefunden wurde. Sie suchen Ausflüchte, um sich nicht ihrer Verantwortung stellen zu müssen, Schuld haben andere, jedenfalls nicht sie, eine Werkstatt soll den Schaden gegen Cash reparieren, niemand von ihrem Unfall erfahren. Doch nun wittern andere die Chance auf schnell verdientes Geld, und die Hammets geraten in einen Strudel aus Erpressung und zwielichtigen Geschäften.
Die Geschichte hat mich zunächst sehr angesprochen, die Figuren sind scharf gezeichnet, Melville als ein verantwortungsloses Weichei, das Louisa vergöttert, und die Schuld für eigenes Versagen stets bei andern sucht, sowohl im Hinblick auf seine Arbeitslosigkeit, als auch in Bezug auf den Unfall. Louisa ist eine gutaussehende, beruflich erfolgreiche, aber noch immer von Papa verwöhnte Frau, die gewohnt ist, ihren Willen zu bekommen. Die Paardynamik ist sehr gut beschrieben, auch das Verhalten der beiden nach dem Unfall, die Ausflüchte, Schuldzuweisungen, Diskussionen der beiden. Leider flacht das Buch in den letzten Kapiteln deutlich ab. Plötzlich versteht Melvil, der zwei italienische Polizisten belauscht, jedes Wort ihrer Unterhaltung, obwohl er kein Italienisch spricht. Der Kellner und zwei Streifenpolizisten geraten zu einer Karikatur italienischer Korruption. Enttäuscht lässt mich dann das doch sehr abrupte Ende zurück. Ich habe nichts gegen einen offenen Schluss, aber dieses Buch endet gefühlt mitten in der Geschichte.
Insgesamt eine zunächst starke Geschichte mit viel Potenzial, dicht und erzählerisch stark, deren plötzliches Ende mich ernüchtert zurückließ.