Nichts ist immer "schwarz" oder "weiß"
Seltsam, wie sich Worte mit Bedeutung aufluden, sobald man sie laut ausgesprochen hatte. Drinnen im Kopf waren sie sicher und ruhig, aber kaum waren sie raus, ergriffen die Leute Besitz davon.
Inhalt:
Mikey ...
Seltsam, wie sich Worte mit Bedeutung aufluden, sobald man sie laut ausgesprochen hatte. Drinnen im Kopf waren sie sicher und ruhig, aber kaum waren sie raus, ergriffen die Leute Besitz davon.
Inhalt:
Mikey und Ellie kommen aus zwei, völligen verschiedenen Welten. Mikey wohnt mit seiner trinkenden Mutter und zwei jüngeren Schwestern in einer Sozialbausiedlung und kämpft Tag täglich ums Überleben. Seine Mutter trinkt viel Alkohol und verschwindet manchmal, für ein paar Tage, spurlos von der Bildfläche. Er muss sich nicht nur um die jüngste Schwester Holly kümmern, sondern zudem auch darum, dass genug Essen im Kühlschrank ist. Ellie hingegen lebt das Leben, von dem Andere nur träumen können: In einem großen Haus, von reichen Eltern, verbringt sie ihre Tage mit Lesen, im Garten liegen und lernen. Elli und Mikey wären sich nie begegnet, hätte das Schicksal sie nicht grob zusammengestoßen. Denn Mikeys Schwester Karyn, beschuldigt den großen Bruder, namens Tom, von Elli, sie vergewaltigt zu haben. Doch es scheint als könne sich Tom, durch das viele Geld seiner Familie, als unschuldig beweisen und sich durch Star-Anwälte durch die Verhandlung boxen. Dies macht Mikey rasend. Er hat nur einen Gedanken: Er will Rache. Rache für Karyn, die sich nicht mehr traut die Wohnung zu verlassen. Also fasst er einen Plan: Er will sich an Elli ranschmeißen, ihr Informationen über ihren Bruder entlocken und Tom fertig machen.
Doch er hat die Rechnung ohne das Schicksal gemacht, denn wider allen Erwartungen, wider jeder Vernuft, verliebt er sich, das erste Mal in seinem Leben richtig... Doch der Spalt zwischen den Beiden Jugendlichen, scheint unumwindbar, denn am Ende wird eine Familie in Scherben liegen.
Idee/Umsetzung:
Jeder war schon einmal in einem Zwiespalt. Dabei war er für den einen, von großer Bedeutung, etwa nach dem Motto: "Verzeih ich ihm, verzeih ich ihm nicht", oder etwa nur eine Kleinigkeit, wie welche Eissorte wohl am Besten zu Schokolade passt. Jeder kennt diese Situtaion wenn man hin und her gerissen ist und nicht weiß, in welche Richtung man den entscheidenen Schritt wagen soll. Jener Schritt, der einen vor der Welt, vor sich selbst, positioniert. "Ich gegen dich", reißt massenhaft Zwiespalte auf und bedrängt den Leser förmlich, sich für eine Seite zu entscheiden. Das ganze Buch ist ein fortwährender Prozess, bei dem man durch neue Ansichten, immer wieder neu entscheiden muss.
Hauptthema des Werkes ist die Vergewaltigungsgeschichte der Geschwister von Elli und Mikey: Tom und Karyn. Schon zu beginn gleicht das Buch einem Krimi, bei dem es gilt, den Täter zu finden. Dachte ich am Anfang also noch, dass direkt zu beginn klar ist, wer lügt und wer nicht, so hatte ich mich regelrecht getäuscht. Man bekommt soviele Eindrücke geliefert, dass man zunächst gar nicht weiß, wo oben und unten ist. Man tappt völlig im Dunkeln und deshalb empfindet man die "Racheaktion" von Mikey auch als sehr verbittert und, zunächst, unangemessen.
Aus der geplanten Rache von Mikey, entwickelt sich nach und nach, ganz authentisch, ganz sachte eine pulsierende Liebesgeschichte, die jenen Plot um die Vergewaltigung, einen ganz neuen Charakterzug verleiht. Durch Elli und Mikey wird klar, wie verfahren die ganze Situation ist. Denn am Ende wird eine Familie, völlig am Ende, in Scherben liegen. Der Umstand, dass sich die Beiden ineinander verlieben zeigt immer wieder deutlich, welche Kontraste und welche Probleme den Verlauf beherrschen.
Des weiteren erfährt der Leser auch, wie sich eine Familie unter diesem enormen Druck von Problemen, verändern kann. Nicht nur Elli und Mikey, die Beide, wie Pfeiler in ihren Familien sind, sind schwer belastet und tragen ihr ganz eigenes Päckchen mit sich herum. Ich finde der Autorin ist es hier sehr gut gelungen, den Zwiespalt, der die Tat verkörpert, durch Figuren und Klassenschichten der Gesellschaft, noch mehr zu kontrastrieren. Gerade durch den Kontrast zwischen Elli und Mikey, zwischen arm und reich, kommt der Leser immer wieder an Scheidewege, an welchen er selbst nachdenken und reflektieren muss. Dadurch bekommt die Geschichte eine fortwährende Tiefe und brennt sich tief in das Bewusstsein seiner Leser, um dort Spuren zu hinterlassen. Idee und Umsetzung sind demnach wirklich sehr gelungen.
Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm und passt sich Charakteren, sowie Situationen an. Abwechselnd zeigt sie Ausschnitte aus dem Leben von Mikey und Elli. Damit unterstreicht sie erneut die Kontraste zwischen den Beiden und versteckt die Wahrheit zunächst zwischen den Seiten. So lernt man Tom kennen, seine Art wie er mit Elli umdgeht und Karyn, welche sich in ihrer Wohnung verkriecht. Nicht alles ist direkt offensichtlich, denn durch den Perpektivwechsel, werden immer wieder neue Aspekte beleuchtet. Dabei passt die Autorin ihren Schreibstil an den jeweiligen, erzählenden Charakter an, was es dem Leser noch mehr erleichtert, sich in Beide Seite zu verletzen.
Der Anfang der Geschichte erscheint einem jedoch zunächst sehr gezogen, viele Leserstimmen waren auch der Ansicht, dass dies sehr langatmig und langweilig gewesen sei. Ich bin jedoch der Meinung, dass dieser, etwas gezogene Anfang einfach nötig ist. Denn gerade hier, bekommt man eine Übersicht und ein Gefühl für die Beiden Protagonisten und deren Familien. Deshalb konnte ich mit diesem Umstand sehr gut leben. Hingegen hatte ich dann gegen Ende das Gefühl, dass die Autorin zu viel drum herum erzählt, sodass ich gerade im letzten Teil, in meinen Augen unnötige Passagen, fast komplett überflogen habe. Ich finde, gerade gegen Ende, hätte Jenny Downham die Spannung immer weiter hochreißen müssen, um den Leser dann, auf den letzten fünf Seiten ins Leere fallen zu lassen. So waren, gerade die Seiten zwischen den einzelnen, kleinen Höhepunkten, eine langatmige Tour durch, wie ich finde, für das Ende der Geschichte unnötige Ereignisse.
Charakter:
Mikey und Elli sind in dieser Geschichte die absoluten Helden für die Leser. Dabei jeder auf seine Art. Mikey ist ein Held, weil er sich mit soviel Liebe, soviel Hingabe um seine Familie kümmert, sie veruscht am Leben zu erhalten. Er liebt seine kleine Schwester Holly abgöttisch und dies wird auf jeder Seite so bewusst, dass man die liebevolle Hingabe, mit jeder Faser, fast greifen kann. Auch die Liebe von Mikey zu Karyn, wird immer wieder deutlich, nicht zuletzt, als er für sie Rache an Tom schwört und sich nicht nur einmal in brisante Situationen befördert. Dabei hat es Mikey nicht einfach. Er hat große Träume, will in seine Traumstadt London, dort Koch werden und ein besseres Leben führen. Doch als Karyn die Vergewaltigung anzeigt, stellt er all diese Ziele in den Schatten. Er kümmert sich mit ganzem Herzen um seine Familie, übernimmt als großer Bruder alle Verpflichtungen und muss zu allem Übel auch immer wieder, die trunkene Mutter aufpeppeln. Somit kann der Leser gar nicht anders, als Mikey direkt ins Herz zu schließen. Denn es wird klar, dass ein wahrlicher Held ist.
Doch auch Elli verfügt über diese eine Eigenschaft, die sie auszeichnet und zu einem der Beiden Lieblinge der Geschichte macht. Denn sie ist ein sehr korrekter, ehrlicher und aufrichtiger Mensch. Zwar versucht sie es zunächst immer allen Recht zu machen, doch dann ergreift sie endlich einmal die Initiative und steht für das ein, was ihren moralischen Grundsatz deffiniert: Ehrlichkeit.
Ich denke gerade dadurch, dass Elli und Mikey in ihren Familien wie Anker, wie Pfeiler sind und sich vom Rest durch bestimmt Eigenschaften abgrenzen, passen sie so gut zueinander und verlieben sich. Sie geben sich gegenseitig Halt, weil keiner aus ihrer eigenen Familie mehr dazu in der Lage ist. Gerade jenes hat mir immer wieder gesagt: "Diese Beiden müssen einfach zusammenbleiben, die Autorin darf sie nicht trennen, denn das würde mir das Leserherz brechen...."
Cover:
Ich bin sehr froh, dass es nun endlich ein alternatives Cover zu dem "Butterbrot" gibt. Denn einmal ganz ehrlich: Was soll das Brot? Es steht in keinem Bezug zur Handlung... Also wie kommt man bitte auf die Idee, ein Brot mit Butter auf das Cover zu machen? Dachte der Verlag, dass dies besonders ansprechend wäre? Da muss ich leider gestehen: Ist es nicht. Zwar macht mir das Brot irgendwie immer hunger wenn ich es anstarre, aber eher auf ein Brötchen oder Weißbrot mit Marmelade, als auf die Geschichte. Als ich dann sah, dass endlich, sogar eine sehr schöne und passende Alternative gibt, hab ich auch endlich zugegriffen. Es wird klar, dass dieses Titelbild an die englische Ausgabe mit dem Paar angelehnt ist, doch ich finde es gelungen. Es zeigt, genau wie die englische Ausgabe, den Kontrast zwischen Titel und Inhalt. Eigentlich müssten Elli und Mikey gegeneinander sein, schließlich "kämpfen" ihre Familien für ihr Recht, doch es zieht sie immer wieder zusammen und ein wirkliches "Ich gegen dich", scheint es gar nicht zu geben.
Fazit:
Es gibt diese Bücher, die dich in ihren Zwiespalt ziehen und nicht mehr loslassen, zu einer Entscheidung drängen. "Ich gegen dich" ist eines dieser Bücher und liegt dadurch sehr schwer im Magen. Man wird in eine sehr brisante Geschichte gezogen, bei der nicht alles immer kunterbunt und lustig ist. Das Thema ist sehr schwer und bohrt sich seinen Weg ins Bewusstsein, nur um dort eine Spur, eine Moral zu hinterlassen. Jene Moral besagt, dass nicht alles immer "schwarz" oder "weiß" ist, dass es nicht immer heißen muss "Ich gegen dich". Sondern dass es auch manchmal ein "zusammen" geben kann, wenn man seinem eigenen Herzen folgt und sich der Aufrichtigkeit, sowie Ehrlichkeit verschreibt. Manchmal muss man eben nicht die Seite wählen, auf der man stehen muss, weil es erwartet wird. Sondern man darf sich auch eine neue Seite erschaffen, die auf den eigenen, moralischen Pfeilern erbaut, eine gute Grundlage bietet. Jenny Downham ist hier ein sehr bewegender Roman gelungen, der besonders durch seine Authenzität glänzt. Die Geschichte wird noch lange bei mir nachpochen und jenes macht solche, wie ich sie immer nenne: "Problembücher" aus: Der Inhalt löst etwas im Leser aus und bringt/eröffnet ihm neue Wege. Auch wenn es an einigen Stellen, meiner Meinung nach, manchmal etwas zu ausschweifend wurde, würde ich "Ich gegen dich" in jedem Fall als lesenswert einstufen. Denn dieses Buch eröffnet neue Wege, berührt und hinterlässt Spuren im Bewusstsein.