REZENSION - „Die Musikwelt hat es tatsächlich in sich, aber über echte Morde in der Branche habe ich bisher noch nichts gehört“, versicherte die in Moskau geborene und in der italienischen Schweiz lebende, fünf Sprachen beherrschende Schriftstellerin Natasha Korsakova bei der Premierenlesung aus ihrem wieder auf Deutsch verfassten Kriminalroman „Di Bernardo“, erschienen im Juni beim Septime Verlag (Wien). Sie muss es wissen, ist sie doch neben ihrer literarischen Arbeit eine seit vielen Jahren weltbekannte Violinistin. Wenn auch nicht in der Realität, häufen sich doch in ihrem Krimis die Morde in Künstlerkreisen umso mehr. Nach „Tödliche Sonate“ (2018) und „Römisches Finale“ (2019), beide inzwischen ins Italienische übersetzt und dort bereits doppelt ausgezeichnet, ist „Di Bernardo“ nun ihr dritter in der Klassik-Musikbranche spielender Krimi um den aus Kalabrien nach Rom versetzten Commissario Dionisio Di Bernardo.
Diesmal wird der Commissario zur Basilica di San Giovanni in Laterano gerufen. Dort liegt der bekannte römische Komponist Alessandro Ferro ermordet in einer riesigen Blutlache, eine Pistole in der Hand. Völlig unbekannt ist dagegen die junge Frau, die nur wenige Meter von ihm entfernt, erschossen aufgefunden wird. Eine der ersten Verdächtigen ist Alessandros Ex-Freundin Elisa, eine mit Umweltaktivisten sympathisierende Geigerin. Eine andere Spur führt bald zu einem römischen Bogenbauer. Kaum verfolgen der Commissario und sein engagiertes Team ihre erste heiße Spur, wird Di Bernardo zu einer im Tiber gefundenen Wasserleiche gerufen. Durch diesen dritten Mord lösen sich seine ersten Hypothesen in Luft auf und er muss seine Ermittlungen von vorn beginnen.
Wieder einmal muss Di Bernardo in der Musikwelt ermitteln, obwohl er mit klassischer Musik kaum etwas anfangen kann, ebenso wenig wie mit modernen elektronischen Hilfsmitteln in der Polizeiarbeit. Der Krawatten sammelnde Commissario braucht stattdessen „Raum war für Intuition. Für den Blick auf das Ganze. Das war seine Musik.“ Konservativ wie ihr Protagonist ist auf angenehmste Weise auch Korsakovas Krimi: Logisch aufgebaut, gut strukturiert, unaufgeregt in der Handlung, angenehm in der Sprache, leicht gewürzt mit einer Prise Humor – Unterhaltung vom Feinsten.
Doch neben seinem Unterhaltungswert überzeugt „Di Bernardo“ durch einen weiteren Aspekt: Die Autorin widmet sich diesmal dem Umweltschutz und hier speziell dem illegalen Handel mit Edelhölzern und der weltweit operierenden Holzmafia – allerdings nicht etwa, weil das Thema sich aktuell gut „verkauft“, sondern weil Korsakova seit 2011 als Kulturbotschafterin der italienischen Umweltschutzorganisation „Fondazione Sorella Natura“ in Assisi selbst engagiert ist. Wohltuend ist dabei, dass sie als aktive Umweltschützerin ihren Roman nicht als Medium missbraucht, um mit erhobenem Zeigefinger belehrend auf ihre Leser einzuwirken. Stattdessen vermittelt sie sachlich-informativ eine Reihe von Fakten, die den meisten Menschen außerhalb der Klassik-Szene und des Instrumentenbaus nicht bekannt sein dürften. „Kaum jemand würde denken, dass auch Streichinstrumente ein Umweltproblem darstellen“, lässt sie Alberto seinem Vater, dem Kommissar, berichten. „Doch das wertvolle Ebenholz für das Griffbrett zum Beispiel ist geschützt. Oder die Bögen; man kann mit Carbon ebenso wunderbare Bögen bauen.“ Doch seit 200 Jahren wird für den Bau von Geigenbögen bevorzugt das brasilianische Edelholz Fernambuk genutzt, das längst als „gefährdete Art“ ins Washingtoner Artenschutzabkommen aufgenommen ist. „Dieses Holz gilt als unbestrittenes Nonplusultra im internationalen Bogenbau-Handwerk“, bestätigt die Krimi-Autorin und berühmte Violinistin im Nachwort. Sie selbst nutzt für ihr Geigenspiel zwei alte Bögen aus Fernambuk.
Ungewöhnlich ist die erstmalige Aufnahme von fünf QR-Codes im Buch, mit denen Korsakova ihre Leser zu Internet-Videos führt, in denen sie fünf der im Krimi erwähnten Musikstücke auf ihrer Geige spielt. Nicht zuletzt deshalb ist der Krimi „Di Bernardo“ sowohl gute Unterhaltung für Krimi-Liebhaber als auch eine musikalische und informative Lektüre für Freunde klassischer Musik.