Donato Carrisi – Der Nebelmann
In einem kleinen Dorf verschwindet die sechzenjährige Lou Ann spurlos, als sie auf dem Weg zur Kirche ist. Das Mädchen wächst unter konservativen Bedingungen auf und dazu sind die Eltern sehr religiös. Könnte das der Grund sein warum das Mädchen ausgerissen ist? Doch so kurz vor Weihnachten will das so recht niemand glauben. Als der Sonderermittler Vogel in dem kleinen Dorf auftaucht, müssen schnell Ermittlungsergebnisse her, nicht zuletzt auch durch die Presse, die eine Hetzjagd veranstaltet. Aus einem Verdächtigen werden viele und Vogel erhöht den Druck. Ihm zur Seite steht Kommissar Borgas, der von seinem Mentor lernen soll. Doch die Ermittlungen beginnen sich zu verselbständigen und schon bald weiß niemand mehr so recht, ist alles nur eine kluge Taktik, ist der „Nebelmann“ tatsächlich zurück, gibt es überhaupt ein Verbrechen oder ist doch alles anders als es scheint?
Ehrlich gesagt, ich weiß nicht ob ich das Buch/Hörbuch verteufeln oder hoch leben lassen soll.
„Der Nebelmann“ ist mein erster Thriller von Donato Carrisi, der bereits mehrere Thriller mit sehr guten Kritiken geschrieben hat, deswegen war ich neugierig und habe mich für die Hörbuchversion, gelesen von Uve Teschner entschieden.
Uve Teschner konnte mich bereits bei Chris Carters "Die Stille Bestie" mit seiner Stimme überzeugen, und auch in diesem Hörbuch erzählt er die streckenweise zähe Handlung voller Elan und Stimmgewalt. Seine Stimme hat Wiedererkennungswert und mir gefällt, die unterschiedliche Intonation, die er bei seinen Charakteren verwendet. So wird dem Hörer schnell klar, um welche Figur es sich handelt, denn durch die Stimmtiefe oder Geschwindigkeit, hat man beim Zuhören das Gefühl, dass es tatsächlich von verschiedenen Personen gesprochen wird. Außerdem wird das Hörbuch mitreißender durch seinen emotionalen Erzählstil, sodass auch die Handlung dadurch spannender und mitreißender wird. Auch die düstere, beklemmende Grundstimmung wird von Uve Teschner hervorragend hervorgehoben.
Es hat lange gedauert bis ich in der Story angekommen bin, der Epilog war spannend und hat mich auf das Buch neugierig gemacht, dann folgte ein enormer Spannungsabfall, was ich sehr schade fand. Der Spannungsbogen war so unbeständig wie eine Achterbahnfahrt und diesem Muster folgte auch die Handlung. Abwechslungsreich, mitreißend, dann wieder eher langatmig, beklemmend und düster, zwischendurch dann Gänsehautfeeling um diese dann kurz darauf wieder im Rückwärtsgang zu erleben. Eins kann man aber ganz sicher behaupten: Überraschungen gibt es am laufenden Band und nichts ist wie es scheint. Hatte ich beim hören so die eine oder andere Vermutung, wurde die wenig später mit angeblichen Tatmotiven, Hintergrundinformationen und passenden Alibis zu Nichte gemacht.
Das mag ich an einem Thriller, und deswegen bekommt dieses Hörbuch auch insgesamt eine gute Bewertung, obwohl mir die verschiedenen Hauptcharaktere nicht wirklich sympathisch werden konnten. Doch auch das hat der Autor gut gelöst, denn die Figuren sind Unikate, sind facettenreich, und obwohl sie alle gewisse Wesenszüge vereinen, könnten die Charaktere nicht unterschiedlicher dargestellt werden. Die Perspektivwechsel und Zeitwechsel führten dazu, die verschiedenen Figuren besser zu verstehen, was sie aber dennoch nicht sympathischer werden ließ.
Der Sonderermittler Vogel war für mich ein Unmensch, unsympathisch, distanziert und ein Egoist. Hier hat mich das Ende des Buches nicht überrascht, und wenn so jemand bei der Polizei ist, hat man schon von Anfang an schlechte Karten. Ohne Rücksicht auf Verluste spannt er die Medien ein, egal wen oder was er zerstört.
Ein Zitat ist mir da besonders im Gedächtnis geblieben: „Der Bösewicht macht die Geschichte aus“
In diesem Buch gibt es niemanden, der nur „gut“ oder nur „böse“ ist, alle kochen ihr eigenes Süppchen, was zu Verwirrungen, Fehlinformationen und Manipulation führt.
Was mich zu einem weiteren Zitat führt: „Die dümmste Sünde des Teufels ist die Eitelkeit“, denn sämtliche Figuren scheinen damit gestraft zu sein, das es in dieser Geschichte ganz sicher nicht nur einen Teufel gibt.
Der Thriller ist erschreckend, denn die Medien manipulieren das Dorf, die Ermittler manipulieren die Medien, die Medien manipulieren die Mitmenschen, die Mitmenschen wollen im Rampenlicht stehen und nicht zuletzt manipuliert der Autor den Leser und ich muss nicht erwähnen, dass auch mir hin und wieder eine Gänsehaut über den Rücken lief.
Was ich schade fand, neben den recht unsympathischen Charakteren, denn streckenweise langatmigen Abschnitten war auch, dass das eigentliche „Opfer“ viel zu kurz in der Geschichte kam. Es blieben einige Fragen offen, es wird nicht alles beantwortet, aber Donato Carrisi hat das so geschickt in seine Story verwoben, das es beim Lesen fast gar nicht auffällt.
Ich denke der Thriller wird im Gedächtnis bleiben.
Ich bin mir sicher, das dieser Thriller polarisieren wird.
Das Cover ist dezent in weiß und Grautönen gehalten, aber detailliert ausgearbeitet. Ein Wald, das Gesicht des Mädchens, und die Rückansicht eines Mannes spiegeln den Inhalt des Thrillers wieder.
Fazit: verstörende, manipulative Story, die polarisiert und die in Abgründe blicken lässt. Knappe 4 Sterne.