Marokko nach dem Zweiten Weltkrieg. Mathilde kommt aus dem Elsass und hat während des Krieges Amine in Frankreich kennengelernt, ihren jetzigen Mann. Nun ist sie eine Fremde in dessen Land, kennt die Sitten ...
Marokko nach dem Zweiten Weltkrieg. Mathilde kommt aus dem Elsass und hat während des Krieges Amine in Frankreich kennengelernt, ihren jetzigen Mann. Nun ist sie eine Fremde in dessen Land, kennt die Sitten nicht und hat Heimweh. Das Abenteuer, was sie gesucht hat, stellt sich als Herausforderung dar.
Doch es ist eine Herausforderung, die Mathilde annimmt. Sie zieht mit ihrem Mann auf einen Hof fernab der Stadt, lernt die Sprache, hadert mit der Rolle der Frauen und nimmt sich Freiheiten. Im besetzten Land bewegt sie sich zwischen zwei sozialen Schichten, Kulturen und Traditionen. Dieses Zwischenraum-Dasein gibt sie an ihre Kinder weiter. So kommt die Tochter Aïcha auf ein Pensionat, in dem sie von den französischen Schülerinnen ausgeschlossen wird. Sie ist als Mädchen vom Land, als Tochter einer Französin und eines Marokkaners zu anders, um Teil der Gruppe zu sein.
Leïla Slimani entfaltet diese besondere Familiengeschichte vor dem Hintergrund von politischen Umbrüchen. Sie erzählt von einer Generation, die durch den Krieg Narben und Entwurzelungen davongetragen hat. Sie erzählt von Heimat, von dem Verlust und der Suche nach ihr und vom Kampf um ihre Freiheit. Von einer Gesellschaft, die sich aufteilt, in der Menschen nicht zu beiden Seiten gehören dürfen.
Im Mittelpunkt dieser Themen, dieser Familiengeschichte, stehen die Frauen, die sich gegen Rollenzuweisungen auflehnen müssen, die sich der Gewalt der Männer ausgesetzt sehen. Da ist zum Beispiel Selma, die hübsche Schwester von Amine, die sich über Regeln hinwegsetzt und als Konsequenz von ihrem Bruder Omar verprügelt wird.
Diese Figuren sind in ihrer differenzierten Darstellung bemerkenswert. Besonders Mathilde, die man durch die Jahre hindurch begleitet, die eine weitreichende Entwicklung durchmacht, von der Naivität und dem Drang der Jugend bis zu den Fragen, die sie später beschäftigen: Was wird von diesem Leben bleiben? Was wird sie hinterlassen?
Für mich ist "Das Land der Anderen" eine vielschichtige Gesellschaftsstudie Marokkos während der französischen Besetzung. Als Leser*in kann man nur dazulernen.
Bereichernd, spannend und deshalb: unbedingt lesen!
Die Zigarette schmeckt ihm nicht, das Bier auch nicht und er fühlt sich fett... So lernen wir gleich auf der ersten Seite den Protagonisten aus Frédéric Schwildens Roman "Toxic Man" kennen. Er ist erfolgreicher ...
Die Zigarette schmeckt ihm nicht, das Bier auch nicht und er fühlt sich fett... So lernen wir gleich auf der ersten Seite den Protagonisten aus Frédéric Schwildens Roman "Toxic Man" kennen. Er ist erfolgreicher Fotograf, plant gerade eine große Ausstellung, fotografiert seinen toten Vater auf dessen Sterbebett und erfährt dann, dass er selbst bald Vater wird. Das alles wird begleitet durch Popculture, Drogenexzesse, Selbstverliebtheit und Ich-Bezogenheit, unvorhersehbare Wutanfälle und Depressionen.
Der Protagonist ist ein Antiheld, ein Verlorener, der ausbrechen möchte, sich von vielem abgrenzen möchte, besonders von seiner bürgerlichen Kindheit und seinem Vater. Also bewegt er sich in einer Welt von teuren Restaurants und Hotels, trifft auf Stars wie Billie Eilish und feiert Parties mit Jens Spahn. Weniger kaputt und verloren macht ihn das allerdings nicht. Im Gegenteil. Erst durch die Hilfe seiner Frau schafft er es, sich damit auseinanderzusetzen, was Vaterschaft und Männlichkeit für ihn bedeuten.
Neben diesen Themen, und das ist für mich das Alleinstellungsmerkmal des Romans, ist "Toxic Man" ein schonungsloses Porträt, das der Gesellschaft Masken und Fassaden runterreißt, das das entlarvt, was unter der Oberfläche schwillt. Denn jeder kriegt sein Fett ab: die Nation, das Bürgertum, Künstler und Promis... (Zum Beispiel heißt es da über den "Strafkolonie Look" vom Stuckrad-Barre: "und dass ich das einfach daneben finde. Weil es respektlos seinem Gegenüber ist, wie der Tod auszusehen.").
Kluge, geistreiche, manchmal auch bissige Gedanken und scharfe Beobachtungen reihen sich aneinander. Klar, durch die Stimme des Erzählers rutscht manches in dessen narzisstische Gedankenwelt ab, wird dann allzu giftig. Aber gerade diese Erzählstimme macht schließlich auch den Reiz des Buches aus.
Ungefiltert, direkt, witzig und schräg ist Schwildens Debüt und zwar so sehr, dass er andere dekadente und um Lautstärke und Schrillheit bemühte Texte fast schon harmlos und brav erscheinen lässt.
Diese Portion Gift sollte man sich nicht entgehen lassen.
Eine nicht allzu ferne Zukunft. Der Klimawandel ist fortgeschritten. Überflutungen haben die Landschaften Englands verändert und auch Dürren sind keine Seltenheit.
In dieser Welt wachsen Caro und ihr ...
Eine nicht allzu ferne Zukunft. Der Klimawandel ist fortgeschritten. Überflutungen haben die Landschaften Englands verändert und auch Dürren sind keine Seltenheit.
In dieser Welt wachsen Caro und ihr kleiner Stiefbruder Paul auf. Caros Vater und ihre Stiefmutter sind Wissenschaftler. Als sie bei einem verheerenden Sturm in den USA ums Leben kommen, muss Caro alleine für sich und Paul sorgen.
Sie begibt sich mit ihm zum High House, einem Zufluchtsort, den die Eltern in weiser Voraussicht für sie eingerichtet und ausgestattet hatten. Dort treffen sie auf Sally und deren Großvater. Gemeinsam versuchen die vier, in einer neuen, menschenfeindlichen und von Unwettern und Überflutungen geprägten Welt zu überleben.
Was Jessie Greengrass in "Und dann verschwand die Zeit" eindrucksvoll einfängt, ist der Übergangspunkt vom Leben wie wir es kennen zu einer Welt der absoluten Unsicherheit. Bei ihr wird der Klimawandel greifbar, weil sie ein Szenario entwirft, das sich nicht auf fantastische Elemente stützt, sondern das sich anhand menschlicher Schicksale entfaltet, die real und nachvollziehbar wirken.
Besonders interessant ist dabei natürlich das Alter der Protagonisten. Caro, Sally und vor allem Paul sind jung. Sie verkörpern im Roman das Leiden der nachfolgenden Generationen durch den Klimawandel und berauben es seiner Abstraktion.
Mich hat der Roman überzeugt und ich glaube, es ist genau die Art von Klimaliteratur, die es braucht. Eine Literatur die zeigt, wie zerbrechlich unsere Zivilisation und alles, was sie hervorgebracht hat, ist, wie abhängig und ausgeliefert wir der Natur sind und wie schnell wir auf scheinbar längst überwundene gesellschaftliche Entwicklungsstufen zurückfallen können.
Der Roman hat mich übrigens oft an Megan Hunters Debüt "The End We Start From" erinnert, weil er ebenfalls Themen wie Mutterschaft und eine Kindheit in der Klimakatastrophe behandelt.
Und es muss einfach mehr geben von diesen guten CliFi-Romanen, die eindringlich sind und die vor Augen führen, wie es werden könnte!
Auf einem Spaziergang mit ihren Hund findet Vesta einen Zettel im Wald: "Sie hieß Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie ermordet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche."
Es gibt keine Leiche, ...
Auf einem Spaziergang mit ihren Hund findet Vesta einen Zettel im Wald: "Sie hieß Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie ermordet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche."
Es gibt keine Leiche, keinerlei Anzeichen für einen Mord, nicht einmal Fußspuren. Und doch geht Vesta nicht davon aus, dass es sich um einen Scherz handelt.
Der Zettel nimmt einen immer größeren Raum in ihrem Leben ein. Er lässt sie nicht los, lenkt ihre Gedanken und schürt ihre Fantasie. Schließlich beginnt sie, sich eine Geschichte ausdenken und glaubt bald schon zu wissen, was passiert sein muss.
Was bildet Vesta sich ein? Wie vertrauenswürdig ist sie als Erzählerin und wie sehr steigert sie sich in alles hinein? Hat sie den Zettel beispielsweise selbst geschrieben?
Während der Mord die Geschichte einleitet und sie zunächst wie einen Krimi oder zumindest Thriller erscheinen lässt, zeigt sich zum Ende hin, dass es eigentlich um etwas ganz Anderes geht (und mehr sollte an dieser Stelle nicht verraten werden).
"Der Tod in ihren Händen" ist anders als die bisherigen Romane, die ich von Moshfegh kenne. Anders deshalb, weil er trotz des Mordmotivs weniger brutal, abgründig und dekadent ist. Er ist nach innen gerichtet, spielt sich ganz in der Gedankenwelt und Psyche der Protagonistin ab. Die Außenwelt ist in jeder Hinsicht unsicher, weil sie nur durch ihre Augen wahrgenommen werden kann. Wie Moshfegh es schafft, das zu erzählen, wie sie in ihre Figur eintaucht, ist gelungen, hätte aber besonders im letzten Drittel, wo sich vieles offenbart und zusammensetzt, auf noch intensivere Weise geschehen können.
Trotzdem bin ich wieder einmal begeistert von dieser Autorin, von ihren Figuren und von der psychologischen Tiefe, die sie scheinbar so mühelos herbeischreiben kann. Ein eigener, aber kein eigenwilliger, sondern in seiner Mehrdeutigkeit überzeugender Roman von Moshfegh.
Übersetzt aus dem Englischen von Anke Caroline Burger.