Wichtige Themen
Fremde FedernAls er einen neuen Job beginnt, zieht Tom in das Haus seiner Großmutter ein: Eine ungewöhnliche Form der WG, die aber zu funktionieren scheint. Bis Tom Rosmarie eines Abends in seinem Zimmer schlafwandeln ...
Als er einen neuen Job beginnt, zieht Tom in das Haus seiner Großmutter ein: Eine ungewöhnliche Form der WG, die aber zu funktionieren scheint. Bis Tom Rosmarie eines Abends in seinem Zimmer schlafwandeln sieht. Kurze Zeit darauf stürzt sie schwer, muss operiert werden und ist vor allem für mehrere Tage stark verwirrt. Es drängt sich eine Diagnose auf: Demenz.
"Und er tauchte mit einem Kopfsprung in das eisige Wasser einer ihm völlig unbekannten Dimension des Lebens ein. Ins unselbstständige Altsein."
Damit beginnt eine Zeit des Unbekannten, der Entscheidungen und der Überforderung. Tom will seine Großmutter nicht ins Pflegeheim bringen, muss aber gleichzeitig einsehen, dass er die Last der neuen Situation alleine nicht tragen kann. Also stellt er eine 24h-Betreuung ein, die fortan mit den beiden im Haus lebt.
"Denn wenn er das Licht ausmachte, fragte [die Stimme in seinem Kopf] ihn ganz leise, was geschähe, wenn er einfach gehen würde."
Der Roman widmet sich wichtigen Themen, die in der Gegenwartsliteratur viel präsenter sein müssten und alleine deshalb verdient er Aufmerksamkeit.
Diese Themen, also die Pflege von Angehörigen, der geistige Verfall eines Familienmitglieds durch Demenz sowie die Arbeit und das Zusammenleben mit Betreuerinnen, hätten meiner Meinung nach sogar noch eindringlicher, noch fokussierter erzählt werden können.
Denn manchmal schweift der Roman ein wenig ab, dann geht es beispielsweise um die Beziehung von Tom, die eigentlich in der Vergangenheit liegt und die in der Geschichte auch nicht richtig fortgeführt wird oder es geht seitenlang um seine Arbeit in einem Start-up, das Mehlwürmer als Nahrungsmittel produziert. Obwohl das generell sicher nicht uninteressant ist und auch nicht schlecht erzählt, lässt es insgesamt weniger Platz für das, worum es eigentlich geht.
Es muss jedoch betont werden: Trotz dieser kleinen Mängel lohnt sich die Lektüre! Es lohnt sich, Menschen, die pflegen oder gepflegt werden, zuzuhören. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen und Empathie zu entwickeln. Die Gesellschaft und die Literatur sind den Betroffenen das Hinschauen und Zuhören schuldig.