Ein Baum mit Orangen und Zitronen
Dieser Baum, den Amine Belhaj auf seinem Hof in Marokko besitzt, steht für das komplizierte Geflecht seiner Familie. Nach dem Krieg hat er seine französische Braut aus dem Elsass mit in seine Heimat gebracht: ...
Dieser Baum, den Amine Belhaj auf seinem Hof in Marokko besitzt, steht für das komplizierte Geflecht seiner Familie. Nach dem Krieg hat er seine französische Braut aus dem Elsass mit in seine Heimat gebracht: Die selbstbewusste, blonde und einen Kopf größere Mathilde, die sich in das Abenteuer dieser Ehe stürzte, um alles das nachzuholen, was der Krieg an Entbehrungen gebracht hatte. Schnell muss sie aber erkennen, dass das Leben in Marokko alles andere als ein Abenteuer ist. Weder die Marokkaner noch die Franzosen heißen diese Ehe gut. Mathilde sieht sich einer von Männern dominierten Welt gegenüber, einem veränderten Ehemann, Schmutz und Elend. Als sich in Marokko nationalistische Gruppen für eine Unabhängigkeit einsetzen, kommt es zu Kämpfen, denen sich auch die Belhajs nicht entziehen können.
Was für ein wuchtiger und kraftvoller Roman. Wahnsinnig gut geschrieben, ich konnte ihn kaum aus der Hand legen. Die Autor schreibt sehr lebendig, bildhaft und eindrucksvoll, wie es der emanzipierten Französin Mathilde in der Heimat ihres Mannes ergeht. Sie reflektiert über das Tragen eines Schleiers ebenso wie über den Sinn ihres Daseins auf dem abgelegenen Hof und die eintönige Arbeit, die sie langsam zermürbt. Es werden so viele Facetten dieser Zeit und in diesem Land ausgeleuchtet, weil Leïla Slimani uns auch die Innenansichten von Amine, seinem politischen Bruder, seiner widerspenstigen Schwester und seiner kleinen hochintelligenten Tochter Aïcha nahebringt.
Der Roman hat mir wahnsinnig gut gefallen. Es ist der erste Teil einer Trilogie, die auf der Familiengeschichte der Autorin beruht.