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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.07.2023

Geschichten in leisen Tönen

Das Café ohne Namen
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Robert Simon arbeitet in den 60er Jahren in Wien als Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitermarkt und ist eigentlich zufrieden mit seinem Leben. Nun, zwanzig Jahre nach dem Krieg, hat sich die Stadt wieder ...

Robert Simon arbeitet in den 60er Jahren in Wien als Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitermarkt und ist eigentlich zufrieden mit seinem Leben. Nun, zwanzig Jahre nach dem Krieg, hat sich die Stadt wieder aufgerappelt, aus den Trümmern erblüht ein neues Wien, von dem auch Robert Simon sich mitreißen lässt und beschließt, sein eigenes Café zu eröffnen und so in die Gastwirtschaft einzusteigen. Sein Angebot ist eher einfach gehalten, doch es zieht die Menschen aus dem Viertel an und sie erzählen ihre Geschichten. Sie handeln von Sehnsüchten, von Verlusterfahrungen und vom kleinen und großen Glück. Viele wünschen sich Liebe und sind auf der Suche nach guter Gesellschaft und über die Jahrzehnte verändert sich auch Robert Simons Leben.

Robert Seethaler legt in "Café ohne Namen" den Fokus eindeutig auf die Menschen, die ins Café kommen, und auf ihre Lebensgeschichten. Die Einblicke, die wir Leser*innen bekommen, sind teilweise tiefer, teilweise sehr oberflächlich. Einige Figuren tauchen nur kurz auf, wir erfahren sehr wenig, andere verweilen länger, bleiben etwas hängen und bieten einen tieferen Einblick in ihr Leben und ihre Träume. Generell ist der Erzählstil recht langsam, atmosphärisch und einfach gehalten. Seethaler erzählt in leisen Tönen und es stellt sich der Eindruck ein, als säßen wir selbst mit im Café und beobachteten das stetige Treiben, das Kommen und Gehen.
Ein Buch voller Geschichten, das mich gut im Café mit den Figuren hat verweilen lassen.

Veröffentlicht am 25.07.2023

Weniger Gerichtsszenen als gedacht

Mutterliebe
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Vor Gericht startet ein Prozess, der großes Aufsehen erregt: Sylvia Benz fuhr mit ihren beiden Kindern in den Wald und erstickt dort ihren dreijährigen Sohn. Ihre fünfjährige Tochter überlebt den Mordversuch ...

Vor Gericht startet ein Prozess, der großes Aufsehen erregt: Sylvia Benz fuhr mit ihren beiden Kindern in den Wald und erstickt dort ihren dreijährigen Sohn. Ihre fünfjährige Tochter überlebt den Mordversuch schwerverletzt. Aus der Akte der Staatsanwaltschaft geht klar hervor, dass Sylvia den Mord bzw. versuchten Mord begangen hat. Doch für die Gerichtsreporterin Kiki Holland gibt es einige Ungereimtheiten und sie zweifelt an der Schuld der Mutter, weshalb sie sich selbst auf Spurensuche begibt und auf eigene Faust ermittelt. Sie ahnt nicht, in welche Gefahr sie sich selbst dabei bringt.

Basierend auf dem Klappentext und der Bezeichnung "Justiz-Krimi" bin ich davon ausgegangen, dass das Geschehen hauptsächlich im Gerichtssaal stattfindet. Jedoch spielt der Gerichtssaal nur am Anfang und am Ende eine größere Rolle. Der Hauptteil handelt von Kiki Hollands Recherchen und von Rückblicken in das Leben von Sylvia Benz mit ihrem wohlhabenden Ehemann Stefan.
Kiki Holland ist eine starke Protagonistin, die ehrgeizig ist und sich als Journalistin durchbeißt. Sie schreckt nicht vor Herausforderungen oder schwierigen Situationen zurück, was das Lesen und Mitverfolgen ihrer Ermittlungen spannend gemacht hat. Ab einem gewissen Stand ihrer Recherchen war mir klar, worauf sie hinauslaufen, weshalb ich quasi nur noch auf die Auflösung gewartet habe.
Die Rückblenden in Sylvias Vergangenheit waren nicht chronologisch, wirkten manchmal wirr oder unangebracht, weil sie für den Lesemoment keinen Mehrwert boten, und kamen für mein Empfinden teilweise als Längen daher.

Ein guter Plot mit solider Umsetzung, ich hätte mir mehr Einblicke in die Verhandlung gewünscht, war jedoch alles in allem zufrieden mit dem Justiz-Krimi.

Veröffentlicht am 18.07.2023

Überraschendes Ende

One of the Girls
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Eine Gruppe aus sechs Frauen reist für einen Kurzurlaub auf eine griechische Insel, um Lexis Junggesellinnenabschied zu feiern. Sie kommt in einer abgelegenen Villa mit Meerblick unter und verbringen dort ...

Eine Gruppe aus sechs Frauen reist für einen Kurzurlaub auf eine griechische Insel, um Lexis Junggesellinnenabschied zu feiern. Sie kommt in einer abgelegenen Villa mit Meerblick unter und verbringen dort eine alkoholgeschwängerte Zeit. Recht schnell wird deutlich, dass sich die Frauen gar nicht so gut kennen, die Freundinnenschaften doch nicht so tief sind, wie zunächst gedacht und vor allem, dass jede von ihnen etwas zu verbergen hat.
Lucy Clarke nimmt sich die Zeit, die jeweiligen Geheimnisse der Frauen zu offenbaren und in Verbindung zueinander zu stellen. Dass es am Ende eine Leiche geben wird, verrät bereits der Klappentext, weshalb der Weg dorthin interessant ist. Während der ersten Hälfte des Buches plätschert die Handlung vor sich hin, durch wechselnde Perspektiven erfahren die Leser
innen mehr über die einzelnen Figuren, aber sie bleiben eher oberflächlich gezeichnet. Schnell spürbar sind die Reibungen und Konflikte der Frauen unter- und miteinander. Worin jedoch die große Eskalation besteht und weshalb es zu dem Tod kommt, wird erst zum Schluss offengelegt. Die Autorin legt bis dahin einige Fährten und mich hat die stetige Frage nach dem späteren Opfer und dem Tatmotiv die gesamte Lektüre über beschäftigt, weshalb ich das Buch innerhalb kürzester Zeit gelesen habe. Abgesehen davon entsteht wenig Spannung, vielmehr werden die Konflikte und Probleme der einzelnen Beziehungen beleuchtet, bei denen ich zwischenzeitlich auch den Überblick verloren habe.
Ein gutes Buch, was mich zum Ende auf jeden Fall überrascht hat.

Veröffentlicht am 16.07.2023

Schöne Liebesgeschichte

Spaces between us
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Jamain ist sehr dankbar, dass er über Kontakte ein WG-Zimmer bekommen hat und erkennt schnell, dass sein Mitbewohner Tyren ganz anders ist als er: sehr genau, strukturiert, kann den ersten Satz jedes Buches, ...

Jamain ist sehr dankbar, dass er über Kontakte ein WG-Zimmer bekommen hat und erkennt schnell, dass sein Mitbewohner Tyren ganz anders ist als er: sehr genau, strukturiert, kann den ersten Satz jedes Buches, das er gelesen hat, rezitieren und lädt Jamain geradezu dazu ein, ihn zu provozieren. Denn Jamain ist chaotisch, spontan und immer für eine Überraschung gut. Trotz ihrer Gegensätze harmoniert das Zusammenleben gut und es funkt zwischen den beiden.

Das Autor*innenduo harmoniert sehr gut zusammen und ich mochte die wechselnden Erzählpassagen von Jamain und Tyren. Selbst wenn ich nicht mehr wusste, in welchem Kapitel ich gerade bin bzw. wer erzählt, habe ich es doch am Stil und der Art des Erzählens erkannt. Das ist mir beim Erzählstil sehr positiv aufgefallen. Außerdem sind sowohl Tyren als auch Jamain tiefgehend gezeichnet, sie sind lebhaft und ich kann sie mir gut vorstellen. Die Entwicklung der beiden, das Tempo der Annäherung und die Beschreibungen der spicy Szenen haben mir ebenfalls sehr gut gefallen.

Was meine Begeisterung minimal gedämpft hat, waren einige Klischees, an denen sich abgearbeitet wurde bzw. die immer wieder reproduziert wurden. Das Ende war natürlich vorhersehbar, aber ich habe den Weg dahin genossen.

Eine schöne Liebesgeschichte im New-Adult-Genre!

Veröffentlicht am 16.07.2023

Verpflanzungsprozess

Elternhaus
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Sanne erlebt hautnah mit, wie ihre Eltern immer älter werden und immer mehr Hilfe in ihrem Alltag brauchen. Da sie, die älteste von drei Schwestern, nur wenige Straßen entfernt von ihrem Elternhaus wohnt, ...

Sanne erlebt hautnah mit, wie ihre Eltern immer älter werden und immer mehr Hilfe in ihrem Alltag brauchen. Da sie, die älteste von drei Schwestern, nur wenige Straßen entfernt von ihrem Elternhaus wohnt, ist sie die erste Ansprechpartnerin und muss immer helfen. Ihre Hilfe wird immer häufiger, bis sie ihr über den Kopf wächst und sie beschließt, dass ihre Eltern umziehen müssen. Sie wünscht sich für beide ein barrierefreies, unterstützendes Leben. Ihre jüngeren Schwestern sind entsetzt. Wie kann Sanne die Eltern denn einfach so verpflanzen, sie aus dem selbst gebauten Haus entfernen und sie so plötzlich entwurzeln?

Ute Mank verdeutlicht anhand der drei Schwestern, von der wir von Sanne am meisten mitbekommen, wie komplex das Geschwisterverhältnis ist und welche Spannungen gerade bei der Frage nach der besten Versorgung der Eltern entstehen können. Auf einmal fühlen sie sich fremder zueinander, haben andere Vorstellungen und müssen sich damit auseinandersetzen, wer die Lage besser beurteilen und richtiger handeln kann. Dazu kommt die Frage, was es mit ihnen selbst macht, wenn das Elternhaus, so wie es bis jetzt immer war, aufgegeben wird.
Ute Mank stellt all diese Fragen, die Mechanismen, Ängste, Sorgen und Selbstreflexionen sehr anschaulich und authentisch dar. Dabei bildet das Haus natürlich den Mittelpunkt, in dem alle Fäden zusammenlaufen.

Ein sehr differenzierter, ehrlicher und reflektierter Blick auf die Frage nach dem Elternhaus und der Entwurzelung der eigenen Eltern.