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Veröffentlicht am 19.03.2024

Grand Theft Duster

Blacktop Wasteland
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Eine staubige Landschaft im Nirgendwo. Trailerparks. Schnelle Autos. Abgewrackte Rednecks. Die Welt von Blacktop Wasteland erinnert nicht nur ein bisschen an Grand Theft Auto V. Auch die Hauptfigur – Beauregard ...

Eine staubige Landschaft im Nirgendwo. Trailerparks. Schnelle Autos. Abgewrackte Rednecks. Die Welt von Blacktop Wasteland erinnert nicht nur ein bisschen an Grand Theft Auto V. Auch die Hauptfigur – Beauregard Montage – ist der typische Antiheld der erfolgreichen Videospielreihe. Er war mal im Knast. Er möchte das Beste für seine Familie. Er macht noch diesen einen Job. Und dann? Ja dann …

S. A. Cosby nimmt die Leser:innen mit in seine Heimat, in seine Vergangenheit. Aufgewachsen in Virginia, in einem Trailerpark, die Toilette im Hof, der Rassismus allgegenwärtig, alltäglich. Das Literaturstudium musste er abbrechen, um seine Mutter zu pflegen. Und dennoch: Zwischen der Betreuung und den Nebenjobs las er, schrieb er und veröffentlichte nach einer gefeierten Kurzgeschichte und zwei Romanen seinen Durchbruch: Blacktop Wasteland.

Beauregard Montage, genannt Bug, hat ein paar Jahre Jugendknast abgesessen, als Fluchtwagenfahrer Geld verdient und führt jetzt ein recht zurückgezogenes Leben mit eigener Werkstatt im verdammten Hinterland Virginias. Doch dann fehlt das Geld. Der eine Sohn braucht eine Brille, der andere eine Zahnspange, das Pflegeheim seiner Mutter fordert über 30.000 Dollar nach und die Konkurrenz hat seiner Werkstatt hat einen lukrativen Deal vor der Nase weggeschnappt. Da taucht ein alter Bekannter auf. Mit dem Plan für einen letzten Coup, der eigentlich nicht schiefgehen kann. Und natürlich schiefgeht.

Klingt nicht unbedingt neu, ist aber wahnsinnig gut erzählt. Cosby nimmt die Leser:innen mit auf eine oft schonungslose Reise in ein Land voller Konföderierten-Flaggen, Trumpismus, einem kaputten Gesundheitssystem, Gewalt, Medikamenten- und Drogensucht. Aber auch in eine Welt voller Familienbande, Hoffnung, actionreichen Verfolgungsjagden und fein aufblitzendem schwarzen Humor.

Der Dreh und Angelpunkt: Die Hauptfigur mit den zwei Gesichtern. Der Vater, Sohn und Ehemann Beauregard auf der einen Seite, der seine Werkstatt, seine Familie retten und schützen möchte. Und der Fahrer Bug, der seine spektakulären Fähigkeiten zu wilden Autofahrten und schonungsloser Selbstzerstörung von seinem Vater geerbt hat, eine weitere Geschichte, die diesen dichten Roman schnell vorantreibt.

Blacktop Wasteland liest sich wie ein Videospiel, wie eine Netflix Serie, wie ein rasant geschnittener Kinofilm. Kein Wunder, dass die Filmrechte schon verkauft sind. Genau wie die von Cosbys nächstem Roman. Und der ist nicht mal erschienen. Sieht schon ganz gut aus, die Zukunft von S. A. Cosby. Und das nach einer staubigen Jugend im Trailerpark.

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Platsch!

Unterwasserflimmern
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Fünf Meter Anlauf, ein Sprung, ein Aufprall - PLATSCH - und dann ... dieser kurze Moment der Schwerelosigkeit unter Wasser, das Funkeln von gebrochenem Licht über einem, krachend laute Stille, bevor es ...

Fünf Meter Anlauf, ein Sprung, ein Aufprall - PLATSCH - und dann ... dieser kurze Moment der Schwerelosigkeit unter Wasser, das Funkeln von gebrochenem Licht über einem, krachend laute Stille, bevor es wieder hoch an die Oberfläche geht.

Unterwasserflimmern eben. Ein Gefühl, das jeden erwischen kann. Auch an Land. Wenn die langjährige Beziehung plötzlich implodiert. Wenn da etwas Unbestimmtes ist, das die Zukunft, das ganze Leben auf den Kopf stellen kann. Wie bei der Protagonistin in Katharina Schallers Debütroman.

Da ist der Freund, der mal eben für beide vor Freunden beschließt, dass es auch bei ihnen langsam Zeit für ein Kind wird. Und ein Grundstück gekauft hat für das gemeinsame Leben auf dem Land, raus aus der Stadt. Da ist die Affäre, verheiratet, Kinder, Zweitwohnung für Außereheliches. Da ist die Unbestimmtheit, wohin es im Leben gehen soll. Die Bestimmtheit, wo es nicht hin sollte. Und da ist ein Zug nach Italien, eine Mitfahrgelegenheit nach, vermutlich, Portugal. Und ein Mofatrip weiter ans Meer. Innehalten. Sortieren. Einen neuen Schock verdauen. Weiter sortieren. Zurück müssen. Nicht zurück wollen. Am liebsten immer unter Wasser bleiben, in diesem Zwischenmoment nach dem Platsch.

Eine Geschichte für alle um die oder über 30. Nicht jeder wird sie lieben, nicht jeder wird sie nachvollziehen können. Aber Unterwasserflimern ist ein Roman, der ein gewisses Maß an Empathie fordert, vielleicht sogar Empathie fördert. Der dafür sorgt, dass die ein oder andere übergriffige Frage nach Kindern, Ehe und Eigenheim nicht gestellt wird, auch wenn es nicht dem eigenen Lebensmodell entspricht.

Angenehm direkt geschrieben, entwickelt die Geschichte schnell einen Sog, der Leser:innen mit auf die Reise nimmt, mit unter Wasser zieht und rechtzeitig vor dem Auftauchen abbricht. Denn wie die Protagonistin ihr Leben weiterführt, geht nur eine Person etwas an. Sie selbst.

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Veröffentlicht am 05.03.2024

Glaubenskrise

Yellowface
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Unzuverlässiges Erzählen hat mich schon immer fasziniert. Ob in literarischer Form von Max Frischs Stiller bis zu Gillian Flynns Gone Girl oder in Filmen wie Mulholland Drive, The Sixth Sense und Die üblichen ...

Unzuverlässiges Erzählen hat mich schon immer fasziniert. Ob in literarischer Form von Max Frischs Stiller bis zu Gillian Flynns Gone Girl oder in Filmen wie Mulholland Drive, The Sixth Sense und Die üblichen Verdächtigen. Jetzt ist Yellowface keine klassische unzuverlässige Erzählung – die Handlung wird am Ende nicht auf den Kopf gestellt – aber ihrer Hauptfigur mag man dennoch nicht alles glauben. Zu oft verheddert sie sich in Widersprüchen, Ausflüchten und Ausreden, um nicht als die Böse abgestempelt zu werden. Und das funktioniert großartig: Als Leser:in weiß man nicht, ob June nun liebens- oder verachtenswert ist. Oder beides.

Der Plot: June ist dabei, als ihre Freundin, die erfolgreiche Autorin Athena, an einem Pancake erstickt. Noch in derselben Nacht landet das fertige Manuskript ihres neuen Buchs in Junes Tasche. Und da ihr eigenes literarisches Debüt gefloppt ist, überarbeitet sie nun Athenas Werk über chinesische Zwangsarbeiter im ersten Weltkrieg. Ihre Agentur und sich überbietende Verlage sind begeistert, drängen aber darauf, Junes Namen so anzupassen, damit dieser chinesischer klingt. June kostet den Erfolg aus, aber es kommen erste Zweifel auf, ob das Buch überhaupt von einer nicht-chinesischen Schriftstellerin kommen kann.

Yellowface ist einer der Buch-Hypes des noch jungen Lesejahres. Hochdekoriert, unter anderem als Gewinner des Goodreads Choice Awards in der Kategorie Best Fiction – also das beste Buch des Jahres auf der größten Buchplattform im Internet mit fast dreimal so vielen Stimmen wie Platz 2. Eine oft bitterböse Satire auf das Verlagswesen, in der offengelegt wird, dass Verlage sich mit einzelnen „exotischen Stimmen“ schmücken, aber dann doch bitte nicht viel mehr als eine pro Kontinent. In der Filmproduzenten die Geschichte weiß waschen, während die Verleger June Hayward als Juniper Song promoten, um deren vermeintlich asiatische Herkunft zu suggerieren. In der junge Autor:innen sich gegenseitig abfeiern, um so den größtmöglichen Push für ihre Publikationen zu erlangen.

Spannender ist R. F. Kuangs Roman aber als psychologische Studie: Was macht Neid aus Freundschaften? Wie weit würde man selbst für den Erfolg gehen? Und wie schnell lässt man sich um den Finger wickeln, wenn eine Geschichte möglichst glaubhaft erzählt wird? Als Leser:in ist man schnell auf der Seite der Hauptfigur und stutzt, wenn plötzlich Risse ins Bild kommen, dass die Hauptfigur, in diesem Fall June, aufgebaut hat. Trotzdem lässt man sich wieder einlullen, wenn diese nur Zeilen später es mit einem Winken abtut, bis dann doch der nächste Moment folgt, der irgendwie falsch wirkt.

Kuang schafft es, diesen Widerspruch, dieses Glauben und Hadern bis zur letzten Seite, ja, quasi sogar darüber hinaus aufrecht zu erhalten. Ist diese Geschichte wahr? Oder hat June die Leser:innen über das Ende hinweg an der Nase herumgeführt? Ist es am Ende vielleicht nicht mal ihre Geschichte? Eigentlich meisterhaft, dieses Buch. Einziger Wermutstropfen – und der Grund für die 4-Sterne-Bewertung: Die Auflösung des Plots ist zwar schlüssig, aber auch zu dünn, zu 08/15. Ein Buch, das einem über fast 400 Seiten das Hirn wegbläst, braucht auch ein mindblowing Finale. Das ist ein bisschen schade – aber trotzdem ist Yellowface eine absolute Leseempfehlung. Viel Spaß beim Lieben und Hassen der Juniper Song – und der damit eintretenden Glaubenskrise.

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Veröffentlicht am 28.02.2024

Ausgefuchster Riesenspaß

Grimmwald: Lasst die Felle fliegen! – Band 2
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Zum Beginn ein kleiner Rückblick: Im ersten Band von Grimmwald mussten die beiden Füchse Ted und Nancy aus der vertrauten Stadt fliehen – die fiese Katze Prinzessin Pinöckel war ihnen auf den befellten ...

Zum Beginn ein kleiner Rückblick: Im ersten Band von Grimmwald mussten die beiden Füchse Ted und Nancy aus der vertrauten Stadt fliehen – die fiese Katze Prinzessin Pinöckel war ihnen auf den befellten Fersen. Ihr Ziel war der Grimmwald, doch auch dort waren sie nicht sicher. Erst nach einem elektrisierenden Finale kehrte Ruhe ein. Doch dann … erschien Teil 2 von Nadia Shireens Fuchsgeschichte: „Lasst die Felle fliegen!“

Eigentlich haben sich Ted und Nancy gut eingelebt, baumboinken lustig mit ihren neuen Freund:innen durch den Wald, aber dann, ja dann steht plötzlich Sebastian Silver vor der, naja, Tür. Der Bürgermeister des umliegenden Funkelforsts möchte einen Vergnügungspark bauen und dafür den Grimmwald abholzen. Und das müssen Ted und Nancy natürlich verhindern.

Der zweite Teil der Grimmwald-Reihe punktet vor allem durch absurden Witz. Ein Beispiel? Der kleine Faktenteil auf Seite 5 – die Themen sind der Grimmwald, das lustige Spiel Baumboink und Eulen – endet mit dem Hinweis in Bezug auf Letztere, dass diese „einige Jahrhunderte lang […] ausschließlich in einem kleinen Familienbetrieb in Portugal hergestellt“ wurden. Und allein solche Sätze machen Grimmwald zu einem (sehr) frühen Einstieg in die Humorwelten von Douglas Adams oder Terry Pratchett. Eltern, die das begrüßen, sollten auf jeden Fall zugreifen.

Mein Lieblingssatz allerdings ist die Beschreibung eines geheimnisvollen Fuchses: „Und er hat richtig gut gerochen. Nach alten Büchern und Streuselkuchen.“ Geht’s noch besser? Direkt Wohlfühlatmosphäre geschaffen. Und genau das ist der große Pluspunkt des zweiten Buchs. War das erste noch brachialer, wachsen den Leser:innen hier die Figuren noch mehr ans Herz, es ist heimeliger und natürlich trotzdem weit weg vom Kitsch anderer Kinderbücher. Oder ertrinken da Fliegen in Hirschtränen? Eher nicht, vermutlich.

Manchmal hat Grimmwald ein paar Längen, auf der anderen Seite sind auch die durchaus humorvoll befüllt. Und für gerade einmal 15 Euro bekommt man eine Geschichte mit gut 240 Seiten Lesespaß, witzigen Illustrationen und fantastischen Einschüben. Oh, und ein Rezept für ein Strafmüsli ist auch dabei. Wobei … das ist nur etwas für Fans von Ästen, Kies und Schneckenhäusern. Schwierig, vielleicht. Und eine Zwiebel ist auch noch drin, da würde im Haus natürlich auch sofort geschimpft. Nun gut.

„Lasst die Felle fliegen“ ist in jedem Fall eine würdige Fortsetzung der Grimmwald-Reihe, die aber auch ohne die Vorkenntnisse von Band 1 funktioniert. Könnte Kindern gefallen, die schon „Dachs und Rakete“ mochten, deren Geschichten aber eine Spur zu nett fanden. Am Ende – es ist ein Kinderbuch und daher kein Spoiler – wird natürlich alles gut und der Grimmwald ist bereit für ein drittes Abenteuer. Und so viel sei schon einmal verraten – in England gibt’s das schon. Attack of the Stink Monster heißt es und das wird bestimmt wieder genauso gut. Aber bis dahin wird erstmal eine Runde gebaumboinkt und Streuselkuchen gegessen.

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Veröffentlicht am 17.07.2023

Axolotl Earthkill

Mein Leben als einsamer Axolotl
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Die Welt ist im Wandel. Nicht nur für uns Menschen. Die ganze Erde und alle Lebewesen sind betroffen. Auch ein kleiner Axolotl, der den Klimawandel und Naturkatastrophen aus seiner naiv-tierischen Sicht ...

Die Welt ist im Wandel. Nicht nur für uns Menschen. Die ganze Erde und alle Lebewesen sind betroffen. Auch ein kleiner Axolotl, der den Klimawandel und Naturkatastrophen aus seiner naiv-tierischen Sicht erlebt. Und zeigt, dass es vielleicht Hoffnung für den Planeten gibt, wenn der Mensch nicht mehr da ist.

Linda Bondestam zeichnet in „Mein Leben als einsamer Axolotl – Unten am Grund“ eine wundervolle Geschichte. Von einem kleinen Axolotl, der zunächst einsam ist, dann aber Freunde findet. Der es kurios findet, was alles in seinem See landet, während die Vierjährige beim Vorlesen aus dem Off schon mahnend brüllt, dass dies Umweltverschmutzung sei. Und so nimmt das Unheil seinen Lauf. Der See wird dreckiger, die Freunde verlassen den Axolotl, die Welt steht in Flammen, die Flut kommt – und dann sind die Menschen, die Plumpiane wie es in der Geschichte heißt, auf einmal verschwunden und etwas wunderbares geschieht.

Das Kinderbuch lebt von Bondestams großartigen Illustrationen, in denen Erwachsene und Kinder viel Bekanntes entdecken können, von IKEA über Star Wars bis zur Tomatendose von MUTTI. Und von seiner grandiosen Hauptfigur, dem neugierigen, naiven, meist unerschütterlichen und unfassbar niedlichen Axolotl. Es lebt aber auch von der Message: Es ist 5 vor 12, der Mensch zerstört die Umwelt und letztlich sich selbst.

Was dem Buch vielleicht ein wenig fehlt, ist ein kleines Glossar, das Eltern noch besser hilft, die Umstände zu erklären, auf Rückfragen noch besser vorbereitet zu antworten. Andererseits ist es auch schön, dass eigentlich alles zwischen den Zeilen und in den Bildern passiert und es auch nicht platt auf die 12 geschrieben ist wie andere Klima-Kinderbücher (hallo Herr Rossmann). Ein bisschen kurios: Dieses Buch, das Umweltverschmutzung und Vermüllung zum Thema hat, wurde in Plastikfolie eingeschweißt geliefert. Vielleicht ja eine Ausnahme.

„Mein Leben als einsamer Axolotl – Unten am Grund“ ist ein sehr schönes Kinderbuch für Familien, denen etwas an der Umwelt liegt und die den Klimawandel mit Sorge beobachten. Für Kinder, die gerne tiefsinnigere Geschichten im Stil von Britta Teckentrup vorgelesen bekommen, in denen viel erzählt wird, ohne es zu benennen. Und für alle, die Axolotl lieben. Denn dieses hier ist sehr liebenswert.

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