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Veröffentlicht am 28.08.2023

Ein ergreifender Debütroman, voller Liebe und Verlangen

Cleopatra und Frankenstein
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Eine kleine Erbschaft hat es der 24-jährigen Britin Cleo ermöglicht nach New York zu ziehen, um dort Kunst zu studieren. Am Silvestertag begegnet sie dem zwanzig Jahre älteren Frank im Aufzug, nachdem ...

Eine kleine Erbschaft hat es der 24-jährigen Britin Cleo ermöglicht nach New York zu ziehen, um dort Kunst zu studieren. Am Silvestertag begegnet sie dem zwanzig Jahre älteren Frank im Aufzug, nachdem beide eine Party vor Mitternacht verlassen haben. Während sie sich in der Stadt mühsam über Wasser hält und noch nicht weiß, wie es für sie weitergehen soll, wenn ihr Studienvisum in absehbarer Zeit abläuft, betätigt Frank sich erfolgreich als Werbetexter mit eigener Agentur. Die ungleichen Charaktere sind die titelgebenden Figuren und Protagonisten des Romans Cleopatra und Frankenstein – als Verballhornung der Vornamen gedacht - von Coco Mellors in einer gelungenen Übersetzung von Lisa Kögeböhn.

Bereits bei ihrem ersten Zusammentreffen springt ein Funken bei Cleo und Frank über, den ich auch als Leserin wahrnehmen konnte. Die beiden liefern sich zu Beginn ihrer neuen Freundschaft einen amüsanten Schlagabtausch, bei dem sie zugibt, dass sie sich gefühlsmäßig in Liebesdingen zurückhält, vermutlich um sich nicht zu binden und bald nicht nur das Land, sondern auch jemand Geliebtes zurückzulassen. Auch später war es für mich als Lesende nicht immer einfach, Cleos Gefühle nachzuvollziehen.

Die Protagonistin versteht es, sich mit wenigen Mitteln passend und auffallend zu kleiden, jedoch zurückhaltend aufzutreten. Aufgrund ihrer Heirat mit Frank nach nur einem halben Jahr Beziehung erhält sie eine Greencard. Sie genießt es, sich ganz ihrer Kunst hingeben zu können, Beziehungen sind für sie nachrangig. Cleo und Frank haben schwachen Seiten, respektieren aber einander. Jedoch beginnt Cleo an ihrer Liebe zu zweifeln, als Frank immer wieder über die Strenge schlägt, obwohl beide sich gerne einem ausschweifenden Lebensstil hingeben.

Coco Mellors erzählt in der zeitlichen Abfolge der Ereignisse über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren hinweg. In den Kapiteln stellt sie jeweils eine andere Person in den Fokus, einerseits Verwandte, andererseits auch Freunde, was die Geschichte abwechslungsreich gestaltet. Beispielsweise gerät Quentin, der seit langer Zeit Cleos bester Freund ist, in die Gefahr, sich mit mehr als einem Joint zu berauschen. Einige Kapitel gehören dem Koch Santiago mit dem beide Protagonisten befreundet sind und der noch nach Jahren seiner verstorbenen Frau nachtrauert. Auch Franks deutlich jünger Halbschwester Zoe steht hin und wieder im Mittelpunkt, vor allem wenn sie erneut Mittel für ihren Lebensunterhalt benötigt, den er größtenteils bezahlt.

Die Kapitel werden aus einer auktorialen Erzählperspektive heraus geschildert. Eine Ausnahme macht die Autorin bei Eleanor, der neuen Angestellten im Büro von Frank. In einer Art Flash Fiktion erzählt sie in der Ich-Form. In schneller Abfolge der geschilderten Szenen entstand bei mir beim Lesen ihr Leben, aus dem sie viele Details preisgibt.

Ich mochte den abwechslungsreich gestalteten Schreibstil gern und verfolgte gespannt die Entwicklung jeden Charakters über die Zeit hinweg. Coco Mellors schildert Liebe in vielen Variationen und lässt ihre Figuren dabei emotionale Höhen und Tiefen überwinden, die deren Handeln meist nachvollziehbar machen. Die Autorin verschweigt nicht die Schattenseiten, die ein Leben mit Rauschmitteln verschiedener Art nach sich zieht. Ich fragte mich beim Lesen, wie viel von dem Geschilderten sie selbst erlebt hat.

Im Buch „Cleopatra und Frankenstein“ lässt Coco Mellors die Lesenden hinter die Fassade einer Gesellschaftsschicht New Yorks schauen, die sich gerne selbst verwöhnt. Die Geschichte ist dialoglastig, wodurch genauso traurig stimmende, berührende wie auch humorvolle Szenen kreiert werden, die die Figuren mit all ihren Facetten offenbaren. Ein ergreifender Debütroman, voller Liebe und Verlangen, den ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 22.08.2023

Eine Restauratorin findet bei der Suche nach einer alten Landkarte das, was wichtig im Leben ist

Die Bücherjägerin
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Die Suche nach dem verschwundenen wertvollen Teil einer alten kartografischen Darstellung wirbelt das Leben von Sarah von Richtershofen, der Protagonistin des Romans „Die Bücherjägerin“ von Elisabeth Beer, ...

Die Suche nach dem verschwundenen wertvollen Teil einer alten kartografischen Darstellung wirbelt das Leben von Sarah von Richtershofen, der Protagonistin des Romans „Die Bücherjägerin“ von Elisabeth Beer, ordentlich durcheinander. Sie restauriert Bücher und handelt mit Antiquitäten, genauso wie ihre Tante Amalia es immer gemacht hat. Mit zehn Jahren wurden sie und ihre jüngere Schwester Milena zu Waisen. Amalia nahm beide damals bei sich auf und wurde ihnen zur Mutter.

Sarah trat später beruflich in die Fußstapfen ihrer Tante. Für sie wird es zu einer emotionalen Herausforderung als Amalia plötzlich stirbt. Einerseits waren die beiden ein eingespieltes Team, persönlich wie auch beim An- und Verkauf der Antiquitäten. Andererseits wirkte Amalia beruhigend auf Sarah ein, wenn dieser mal wieder in ihrem Umfeld alles zu viel wurde. Die Protagonistin hat ihre Eigenarten, vor allem bereiten ihr soziale Interaktionen Schwierigkeiten. Als der englische Bibliothekar Benjamin Ballantyne sie aufsucht und ihr davon erzählt, dass Amalia ihn wegen einer alten Karte kontaktiert hat, lässt sie sich darauf ein, ihm beim Auffinden derselben behilflich zu sein.

Die Autorin hat ihrer Protagonistin einen interessanten, weniger üblichen Beruf gegeben und mich auf die Tabula Peutingeriana, um die es im Buch immer wieder geht, aufmerksam gemacht. Dazu vermittelte sie mir einiges an Hintergrundwissen zu dieser Karte. Doch die Suche an sich drängt sich bei der Geschichte nicht in den Vordergrund, sondern das bisherige Leben von Sarah und ihr Umgang mit dem Tod ihrer Tante.

Die Hauptfigur erzählt das Geschehen in der Ich-Form. Um einen Eindruck von ihren besonderen Wesenszügen zu erhalten, fügt Elisabeth Beer mehrfach Kapitel ein, in denen die Handlung nicht fortgesetzt wird, sondern Sarah beispielsweise Listen aufführt, in denen sie ihre Gedanken zu einem bestimmten Thema festhält oder ihre Arbeitsweise erklärt. Immer wieder lässt die Autorin die Protagonistin zurückschauen und dadurch erfuhr ich zunehmend mehr über die Probleme, mit denen Sarah bereits in der Schule mit den MitschülerInnen zurechtkommen musste. Auch in Liebesdingen entwickelte sie eine eigene Art, um Nähe zu erfahren. Nachdem ihr Benjamin immer sympathischer wird, nutzt sie ihre bisher gewonnenen Erfahrungen, um sein Verhalten ihr gegenüber zu deuten.

Bei all ihren Sorgen weiß die Protagonistin jedoch, dass sie sich nicht nur auf Amalia, sondern auch auf ihre Schwester verlassen kann, was ihr Halt im Leben gibt. Amalia hat den Schwestern immer das Gefühl gegeben, dass sich für jedes Problem eine Lösung bieten wird. Routinen erleichtern Sarah den Tagesablauf. Sie denkt eher rational und löst Konflikte gerne dadurch, indem sie ihren Gesprächspartner auf direktem Weg darauf anspricht, was einige Male ihr Gegenüber verwundert, für mich als Leserin aber manchmal erheiternd war.

Die Autorin lässt Sarah in einer Kölner Villa wohnen, die ein passendes Ambiente bietet. Die dort lagernden Antiquitäten in Papierform riefen mir den Duft alter Bücher in die Nase. Auf der Reise nach Frankreich, wohin die Suche die Protagonistin führt, erhält sie Unterkunft bei einem Freund, der in einem schlossartigen Gebäude lebt. Vor meinen Augen entstand eine friedvolle Idylle. Der englische Landsitz, den sie später besucht, fügte sich in das Ensemble markanter Orte gelungen ein.

Der Roman „Die Bücherjägerin“ von Elisabeth Beer erzählt von der Suche nach einem verschwundenen Teil einer alten Landkarte. Die mir sympathische Titelgeberin Sarah, die sich ihrer Einzigartigkeit bewusst ist, und ihre bewegte Vergangenheit stehen dabei im Mittelpunkt. Die Restauratorin entdeckt auf ihrem Weg, das verschollene Stück aufzustöbern, das, was für sie wichtig im Leben ist. Gerne empfehle ich dieses einfühlsam und warmherzig erzählte Buch weiter.

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Veröffentlicht am 16.08.2023

Einfühlsame Erzählung über die nächste Generation vietnamesischer Auswanderer nach Australien

All die ungesagten Dinge
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Der Titel des Romans „All die ungesagten Dinge“ der Australierin Tracey Lien nimmt Bezug darauf, dass alle Zeugen des Mords an dem siebzehnjährigen Denny in einem Restaurant sich über den Hergang der Tötung ...

Der Titel des Romans „All die ungesagten Dinge“ der Australierin Tracey Lien nimmt Bezug darauf, dass alle Zeugen des Mords an dem siebzehnjährigen Denny in einem Restaurant sich über den Hergang der Tötung ausschweigen. Aber unter der Oberfläche der vietnamesischen Gemeinschaft von Cabramatta, einem Ort im Südwesten von Sydney, verbirgt sich noch weitaus mehr, was unausgesprochen bleibt. Dennys Schwester Ky kehrt zur Beerdigung ihres Bruders aus Melbourne heim und hört nicht damit auf, Fragen zu stellen. Während sie unter den bei der Tat Anwesenden nach Antworten sucht, wird sie innerlich von eigener Schuld aufgerieben.

Kys Eltern sind vor dem kommunistischen Regime in Vietnam nach Australien geflüchtet. Dabei haben sie einige Zeit in einem Auffanglager verbracht. Dabei trafen sie Gleichgesinnte, die sich ebenfalls in Cabramatta niedergelassen haben. Der Roman ist weit mehr als die Aufklärung einer kriminellen Handlung. Tracey Lien, deren Namen eigene vietnamesische Vorfahren vermuten lässt und die in Cabramatta aufgewachsen ist, beschreibt die Lebensumstände in der Kleinstadt in den 1990er Jahren als sich das Drogenproblem verschärft hatte.

Die Autorin zeigt in verschiedenen Szenen, meist in Auseinandersetzung von Ky mit ihren Eltern, die sich von den Australiern unterscheidenden Lebenseinstellungen der gebürtigen Vietnamesen. Kys Eltern leben zwar bereits seit etwa zwanzig Jahren in der Wahlheimat, verbringen aber fast ihre gesamte Zeit unter Einwanderern aus dem gleichen Kulturkreis. Dabei bleibt für Kys Eltern die Verständigung auf Englisch schwierig. Obwohl sie die Sprache durchaus verstehen, fühlen sie sich beim Sprechen aufgrund ihres Akzents sofort auffällig. Sie fürchten den ihnen immer wieder entgegengebrachten Rassismus in Form von Verulkungen, über die man nicht lachen kann.

Ky versteht es als Journalistin sich gut auszudrücken. Bei ihren seltenen Aufenthalten zuhause fühlt sie sich in ihre Rolle als Kind zurückgedrängt. Immer noch hat sie sich nicht gänzlich von den an sie gestellten Erwartungen und dem dabei entstehenden Druck befreit. Ihre Eltern forderten früher von ihr, sich unter Gleichaltrigen zu integrieren und beste Noten zu erhalten, sonst drohten Strafen. Sie wollten ihr dadurch den besten Start in den Beruf bieten und ein besseres Leben als ihr eigenes. Um die althergebrachte Denkweise der Eltern aufzubrechen, fordert sie diese auf, ihren Bruder nach Feier seiner Schulentlassung mit Freunden ins Restaurant gehen zu lassen, in welchem er den Tod findet. Das bereut sie sehr.

Hauptsächlich nimmt die Geschichte Ky in den Fokus. Mehrere Perspektivenwechsel treiben die Ermittlungen vorwärts und gaben mir als Leserin mit und mit mehr über die Hintergründe des Mords preis. Kys beste Schulfreundin Minnie, die ebenfalls in Vietnam geboren ist, das Zerbrechen der Freundschaft und Minnies darauffolgenden Anschluss an einen neuen Freundeskreis bieten den Schlüssel zu der erschreckenden tödlichen Handlung im Gasthof.

Mit ihrem Roman „All die ungesagten Dinge“ hat Tracey Lien ein bewegendes Debüt geschrieben. Die Handlung wirkt authentisch und nachvollziehbar, denn hier bringt die Autorin eigenes Wissen über das Umfeld ein. Zwar wird im Buch ein Mord geklärt, aber die Erzählung hat ihren Fokus auf der Geschichte der Migration vietnamesischer Auswanderer in den 1970er in Australien und dem Umgang der nächsten Generation mit dem kulturellen Erbe der Eltern. Mich hat die einfühlsame Schilderung der Ereignisse berührt und zum Nachdenken über die Situation heutiger Flüchtlinge gebracht. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 21.07.2023

Wenn das Alltagsleben durch den Klimawandel zur Herausforderung wird

Blue Skies
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Mit seinem Roman „Blue Skies“ unterhält T.C. Boyle den Lesenden mit einem besorgniserregenden Szenarium, das sich an der Ost- beziehungsweise Westküste der USA abspielt. Der Titel wird zum Homonym, wenn ...

Mit seinem Roman „Blue Skies“ unterhält T.C. Boyle den Lesenden mit einem besorgniserregenden Szenarium, das sich an der Ost- beziehungsweise Westküste der USA abspielt. Der Titel wird zum Homonym, wenn die Sonne nicht nur auf die Erde strahlt, sondern ihre gesamte Kraft ununterbrochen wirkt. Die Geschichte spielt irgendwann zwischen heute und der nahen Zukunft. Es ist unverkennbar, dass die Figuren der Geschichte zunehmend die Folgen des Klimawandels spüren und damit lernen müssen umzugehen. Die Umschlaggestaltung reizt durch Gegenfarben, die mich neugierig auf den Inhalt machten.

Die Protagonistin Ottilie hat das Rentenalter bereits erreicht, aber ihr Ehemann wird als Arzt seine Praxis noch eine Weile weiterführen. Die beiden leben in Kalifornien, das von Hitze geplagt wird, unter Wassermangel leidet und infolgedessen Brände drohen. Ihr Sohn Cooper ist Entomologe. Er hat seiner Mutter empfohlen, ihre Ernährung umzustellen und Insekten statt Fleisch zu essen. Während Cooper unweit von zuhause seine Studien betreibt, lebt Ottilies Tochter Cat seit geraumer Zeit in Florida. Der Bundesstaat wird zunehmend von Stürmen und Überschwemmungen heimgesucht. Aus Langeweile und damit ihre Fotos in den Sozialen Medien mehr Aufmerksamkeit erhalten kauft die Influencerin sich einen Tigerpython. Doch sie hat die Gefahr, die von der Schlange ausgeht, unterschätzt. Außerdem hat sie mit dem Kauf das Unverständnis ihres Bruders auf sich gezogen, der sich durch seine Lebensweise für die Natur in jeder Form einsetzt.

Der Klimawandel ist da, in den unterschiedlichsten Formen und bedroht Existenzen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Einkommen. Ottilie und ihre Familie gehören zur oberen Mittelschicht. Der Autor verdeutlicht beispielhaft, dass sie sich von ihrem Geld sicher einen guten Lebensstil leisten, aber sie die Erwärmung der Erde allein mit monetären Mitteln nicht aufhalten können. Wesentlich dafür wäre ein Umdenken. Auch in dieser Hinsicht setzt T.C. Boyle seine Figuren mit Bedacht. Während Cooper seine Arbeit dem Naturschutz widmet, hat seine Schwester zwar einen Hass gegen die extremen Wetterlagen entwickelt, hält aber an ihrem Status quo fest. Der Autor spitzt ihr Schicksal durch zahlreiche Wendungen zu. Insgesamt fließt in Cats Umfeld reichlich Alkohol, mit dem man sich ironischerweise zwar die Welt schön trinken, aber auf keiner Weise ändern kann, im Gegenteil.

Ich spürte beim Lesen, dass dem Autor das Thema Klimaschutz sehr am Herzen liegt. Die Erzählung erfordert Hintergrundwissen, das T.C. Boyle dank seines Interesses und sehr guter Recherche ganz nebenher einflechtet. Es fehlt auch in diesem Roman nicht an Zynismus, der zu seinem Schreibstil gehört. Aus eigener Erfahrung heraus kann ich empfehlen, den Roman an sehr warmen Tagen zu lesen, denn damit intensiviert sich die Vorstellung der fiktiven Geschehnisse.

T.C. Boyle konnte mich in seinem Roman „Blue Skies“ immer wieder neu mit den Handlungen seiner abwechslungsreich gestalteten Figuren überraschen. Er zeigt, dass das alltägliche Leben durch den Klimawandel zur ständigen Herausforderung werden kann. Die Geschichte bleibt auf diese Weise im Gedächtnis und hallt nach, weswegen ich sie gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 13.07.2023

Große Herausforderung für eine behütet aufgewachsene Fabrikantentochter in einem kleinen Eifeldorf

Eifelfrauen: Das Haus der Füchsin
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In einem kleinen abgelegenen Eifelort, dort, wo sich nach dem Sprichwort Fuchs und Hase gute Nacht sagen, steht das Haus, das die Fabrikantentochter Johanna Fuchs 1920 erbt. Bereits bei der ersten Erkundung ...

In einem kleinen abgelegenen Eifelort, dort, wo sich nach dem Sprichwort Fuchs und Hase gute Nacht sagen, steht das Haus, das die Fabrikantentochter Johanna Fuchs 1920 erbt. Bereits bei der ersten Erkundung fühlt sie sich zu dem Anwesen hingezogen. In mondhellen Nächten wird der Garten von einer Fähe besucht, was neben dem Nachnamen der Erblasserin dem Haus den Namen gegeben hat. Aber Verwandte und Freunde sind skeptisch, ob die verwöhnte 21-Jährige dort allein zurechtkommt. Brigitte Riebe wirft in ihrem Roman „Eifelfrauen – Das Haus der Füchsin“ auf den ersten Seiten diese Frage auf, wodurch sich eine gewisse Hintergrundspannung ergibt. Sie führt ihre Protagonistin über etliche Höhen und Tiefen bis zum Jahr 1938. Der Band gehört zu einer Dilogie, daher wird es eine Fortsetzung geben.

Johanna ist die jüngste der fünf Geschwister der Familie Fuchs, die ein präsentables Haus in Trier besitzt. Der erste Weltkrieg hat einen großen Verlust gebracht und die Geschäfte laufen mäßig, aber die Hoffnung auf einen Aufschwung bleibt dem Tabakfabrikanten und das zeigt er auch nach außen hin. Als die Nachricht über das Erbe am Tag ihrer Volljährigkeit eintrifft, ist Johanna sehr erstaunt, denn der Name ihrer Tante Lisbeth ist in ihrer Gegenwart noch nie im Haus gefallen, soweit sie sich erinnern kann.

Es ist eine große Herausforderung für sie, das Erbe anzutreten, die nicht nur in der Anzahl und Schwere der Arbeit auf dem Anwesen liegt, sondern auch darin, sich gegen den Willen der Eltern durchzusetzen, die strikt dagegen sind, dass ihre Tochter allein in das etwa zwei Stunden entfernte Dorf zieht. Dabei lernte ich die Entschlossenheit der Protagonistin kennen, ihre Neugier darauf das Geheimnis, rund um ihre Tante zu lüften und ihre Kraft dazu, sich in einer unbekannten Umgebung zu bewähren und sich unter den oft distanziert wirkenden Einwohnern Respekt zu verschaffen.

Die promovierte Historikerin Brigitte Riebe bettet ihre Erzählung in ein Stück deutscher Geschichte ein, das nicht allgemein bekannt ist. Zu Beginn der 1920er Jahre ist die Zeit der Separatisten, die in den belgisch und französisch besetzten Gebieten des westlichen Deutschen Reichs einen eigenen Staat gründen wollten. Darüber hinaus erlebt Johanna aber auch die Zeit des Aufstrebens der Nationalsozialisten, die ihre Fühler bis in die kleinsten Ortschaften ausstreckten und vor denen es schließlich kein Ausweichen mehr gab.

Was mir am Schreibstil der Autorin besonders gefällt ist die Verknüpfung der Historie mit authentisch gestalteten Figuren. Brigitte Riebe findet genau das richtige Maß an Wissen, dass sie über die Zeitgeschichte dem Lesenden vermittelt, ohne abzuschweifen. Daher fällt es mir beim Lesen leicht, mir die Personen in ihrem Umfeld vorstellen. Das Agieren der Figuren ist begründet und vielfach mit Gefühlen versehen, weswegen ich es gut nachvollziehen konnte.

Der Roman „Eifelfrauen – Das Haus der Füchsin“ von Brigitte Riebe ist eine fesselnde und bewegende Geschichte über eine junge willensstarke Frau, die in Trier, einer der ältesten Städte Deutschlands wohlbehütet in einem betuchten Unternehmerhaushalt aufwächst. Zu Beginn der 1920er Jahre tritt sie in einem kleinen fiktiven Eifeldorf ihr Erbe an und scheut vor keiner machbaren Arbeit zurück. Schließlich findet sie für sich eine eigene besondere Form ihre Empfindungen auszudrücken. Ich fühlte mich bestens unterhalten und daher vergebe ich gerne eine Lesseempfehlung.

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