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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.08.2023

Etwas weniger actionreich und spannend

Vergissmeinnicht - Was bisher verloren war
0

Nachdem wir schon "Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann" zusammen gelesen haben, musste ich auch den zweiten Teil von "Vergissmeinnicht" mit Sofia (ihr wisst schon, von @SofiasworldofBooks😊) ...

Nachdem wir schon "Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann" zusammen gelesen haben, musste ich auch den zweiten Teil von "Vergissmeinnicht" mit Sofia (ihr wisst schon, von @SofiasworldofBooks😊) zusammen im Buddyread lesen. Und das war wieder eine gute Idee, denn auch "Vergissmeinnicht - Was bisher verloren war" ist ein abwechslungsreicher, humorvoller YA-Roman, mit dem ich trotz kleiner Kritikpunkte wahnsinnig viel Spaß hatte!

Nach einem Blick auf das neue Cover konnte ich dazu überredet werden, mir das Hardcover zu kaufen, statt auf das Hörbuch bei Bookbeat zu warten. Genau wie bei Band 1 ist auch die Gestaltung von Band 2 über jeden Zweifel erhaben. Das bunte, verspielte Cover mit den vielen kleinen Details vor einem dunkelblauen Sternenhimmel gefällt mir schon sehr gut. Wirklich toll ist, dass das Buch auch unter dem Schutzumschlag ausgestaltet ist und selbst die Buchinnenseiten mit bunten Mustern und Sprüchen bedruckt sind. Hübsch gestaltete Kapitelanfänge, ein knalliger Farbschnitt, ein lustiges Nachwort, ein hilfreiches Glossar am Ende und eine recht große Schrift runden den Gesamteindruck ab. Super finde ich auch, dass in dieser Fortsetzung endlich eine Verbindung zum Reihentitel "Vergissmeinnicht" hergestellt wird und dieser nach der Erläuterung der geheimnisvollen Macht der Erinnerung nicht mehr so willkürlich wirkt. Nur die Bedeutung des Untertitels erschließt sich mir wieder nicht wirklich. Aber man muss ja nicht alles verstehen... Irgendwas wird sich der Fischer Verlag schon dabei gedacht haben...

Erster Satz: "Es ging alles so schnell, dass Jeanne d´Arc nicht mal Zeit für einen Gedanken hatte, außer vielleicht für ein nicht sehr einfallsreiches "Verdammt!"

Nach einem kurzen Prolog, der direkt nach dem Showdown von Band 1 ansetzt, machen wir einen Zeitsprung von einigen Wochen und steigen nach den Sommerferien wieder in das Leben von Quinn und Mathilda ein. Während Quinn weiter den Saum erkundet und versucht, Mathilda von allen Gefahren fernzuhalten, langweilt sie sich im Bibelcamp und ärgert sich, dass er ihr aus dem Weg geht. Als die Schule wieder losgeht und mit Johanna von Bogen (Jeanne d´Arc - ihr wisst schon...) eine neue Schülerin auftaucht, müssen sich die beiden aber wieder zusammenraufen und sich neuen Herausforderungen stellen...

Kerstin Gier erzählt auch hier wieder abwechselnd aus der Sicht der beiden Hauptfiguren Quinn und Mathilda, wie sie sich ihrem alltäglichen Wahnsinn, aber auch den neuen Kontakten dem sogenannten Saum stellen. Ähnlich wie in ihren anderen Reihen offenbart sich den Figuren mitten in ihrem bekannten Alltag eine magische Welt, mit der sie stärker verbunden sind als gedacht. Realität und Fantasy halten sich hier also wieder etwa die Waage und es geht genauso viel um Tatortabende, Kirchenbesuche, nervige Verwandtschaft und erste Liebe wie um magische Portale, Prophezeiungen und phantastische Kreaturen. Das Konzept des "Saums", der als Geisteswelt jenseits der greifbaren, körperlichen Realität existiert und Heimat von Saumwesen, Geistern und Arkadiern ist, erschien mir dabei wieder sehr gut durchdacht und vereint ein bisschen von allem, was das Fantasy Genre so zu bieten hat. Feen, Drachen, Kobolde, Einhörner, Werwölfe, Geister, Wasserspeier - you name it und es lebt bestimmt irgendwo im Saum. In dieser Fortsetzung nimmt sich die Autorin Zeit, ihr Worldbuilding weiter auszubauen und so erkunden wir beispielsweise die Schattenstadt, lernen den Chaosnebel kennen, fahren endlich einmal mit einer Walgondel und treffen neben mauerschnabligen Flachpiper (oder flachschnabligen Mauerpiepern?!?) auch neue magische Figuren wie zum Beispiel Sphinxe und Himären. Wie universal das Worldbuilding wirklich ist, kann man auch an den vielen kleinen Crossovers und Anspielungen auf bestimmt 20 andere Buchreihen und Fantasywelten - darunter auch Silber und die Edelsteintrilogie - erkennen. Besonders gefreut habe ich mich über das Auftauchen eines gewissen kleinen Wasserspeiers, aber auch die Anspielung auf eine gewisse Geheimloge in London hat mir ein breites Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Trotz des tollen Worldbuildings sind allerdings noch einige Fragen offengeblieben. Was die Saumwesen genau von Quinn wollen, was es mit der rätselhaften Prophezeiung wirklich auf sich hat, ob Matilda wirklich nur durch Zufall eingeweiht wurde, wer Quinns Saumgroßvater ist und unter welchen genauen Umständen sein Vater Yuri zu Tode gekommen ist und wem die beiden nun wirklich vertrauen können, erfahren wir auch hier noch nicht abschließend. Für meinen Geschmack hätte die Autorin hier gerne schon mehr Fragen beantworten können, denn eigentlich sind wir am Ende der 528 Seiten wieder fast genauso schlau wie zu Beginn was in Anbetracht der Tatsache, dass wir hier schon im zweiten Band einer Trilogie sind, ein wenig dürftig ist. Apropos dürftig - auch die Handlungsdichte und das Erzähltempo sind hier wieder nicht wahnsinnig hoch. Bevor die Handlung im letzten Drittel des Buches richtig an Fahrt aufnimmt, müssen die Einführung einer neuen Geheimorganisation, ein Angriff auf die Schule und das Treffen mit dem ultimativen Bösewicht (alias Frey-Schnuckiputzi oder Großkotz mit Yogurette) in London ausreichen, um die Handlung zu tragen.

"Und zwischen all den unterschiedlichen Emotionen, die meinen Körper fluteten, hob sich eine deutlich ab: das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Das Gefühl von purem Glück."

Trotz der wenigen beantworteten Fragen und des eher locker gestrickten Handlungsmusters konnte mich "Vergissmeinnicht - Was bisher verloren war" aber wieder von Anfang bis Ende gut unterhalten. Einer der Hauptgründe, weshalb nichts, was die Autorin jemals schreiben könnte, langweilig sein könnte, ist ihr Schreibstil. Kerstin Gier schreibt einfach unverwechselbar lockerleicht, jugendlich und humorvoll, dass man auf jeder Seite großen Spaß hat. Egal ob kreative Wortneuschöpfungen, kuriose Begegnungen mit Leopold und Luise (den "wandelnden Überwachungskameras"), originelle Liebeserklärungen ("du bist meine Badewanne"), mies gedichtete Geburtstagshymnen oder haarsträubende Spitznamen ("halbmenschliche Plustergurke") - ich habe beim Lesen durchgängig vor mich hin geschmunzelt und teilweise schallend gelacht. Klar, ihre Witze sind manchmal ein wenig auf die Spitze getrieben und es werden auch viele Klischees verarbeitet, die nicht wirklich entkräftet werden, unterm Strich bleibt jedoch ein sehr positiver Eindruck von ihrem Schreibstil zurück.

Ein zweiter Grund sind die Figuren, die mal wieder total sympathisch, greifbar und lebendig sind. Besonders unsere beiden Hauptfiguren haben mir sehr gut gefallen, auch wenn sich die beiden und ihre Liebesgeschichte hier nicht substanziell weiterentwickeln. Während Matilda mit ihrer neugierigen, aufgeklärten Art immer noch das schwarze Schaf in ihrer bibeltreuen, engstirnigen Familie ist, muss Quinn, der bis zu dem Unfall wohl behütet und allseits beliebt war, immer noch mit den Folgen seiner Verletzungen klarkommen und sich gleichzeitig als Auserwählter einer Fantasy-Prophezeiung einleben. Auf den ersten Blick scheinen die beiden nicht besonders gut zusammenzupassen, entwickeln im Laufe der Geschichte aufgrund der sich gegenseitig verhassten Familien (die "Teufelsbraten" gegen die "biblischen Plagen") aber eine unterhaltsame Romeo-und-Julia-Dynamik. Die Romanze bleibt auch hier eher im Hintergrund und ist sehr jugendlich geschrieben. Das passt gut zu den Figuren, die zwar knapp 18 Jahre alt sind, auf mich aber deutlich jünger wirkten, und lässt genügend Raum für weitere Entwicklungen in Band 3.

Die Nebenfiguren wirken weiterhin zwar manchmal etwas klischeehaft - besonders die strengkatholischen Martins sind wie lebendige Memes - die meisten muss man aber einfach gernhaben. Besonders Mathildas beste Freundin und Cousine Julie, der Feenmann Hyazinth, Quinns schrullige Eltern und natürlich der superniedliche (Entschuldigung, ich meinte natürlich "superfurchteinflößende" - denn man weiß ja: "Die niedlichsten sind immer die gefährlichsten") Wasserspeier Bax sind mir sehr ans Herz gewachsen. Mit den Mitgliedern der neuen Geheimorganisation Pandinus Imperator bekommen wir außerdem einen Set neue Nebenfigur dazu, die für eine interessante Dynamik sorgen (die Autorin hätte das gefährliche Flatlining, das Faris, Nadim und Eric betreiben, etwas mehr verurteilen können, aber sonst fand ich die Idee super). Außerdem lernen wir hier mit Frey endlich mal den Antagonisten der Geschichte persönlich kennen. Ob er tatsächlich so böse ist wie gedacht - da müssen wir wohl auf Band 3 warten. Dieser ist leider noch nicht angekündigt und wird, wie ich Kerstin Gier kenne, wohl auch noch ein bisschen auf sich warten lassen. Gut, dass uns wenigsten ein neues Anagramm über den fiesen und durchaus vermeidbaren Cliffhanger hinwegtröstet, mit dem das letzte Kapitel endet...


Fazit:

In "Vergissmeinnicht - Was bisher verloren war" geht die Geschichte von Quinn und Mathilda etwas weniger actionreich und spannend weiter. Dennoch überzeugte mich auch die Fortsetzung wieder mit einer tollen äußeren Gestaltung, einem gut durchdachten Worldbuilding, herzerweichenden Eastereggs, einem humorvollen Schreibstil und lebendigen Figuren!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.08.2023

Etwas weniger actionreich und spannend

Vergissmeinnicht – Was bisher verloren war
0

Nachdem wir schon "Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann" zusammen gelesen haben, musste ich auch den zweiten Teil von "Vergissmeinnicht" mit Sofia (ihr wisst schon, von @SofiasworldofBooks😊) ...

Nachdem wir schon "Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann" zusammen gelesen haben, musste ich auch den zweiten Teil von "Vergissmeinnicht" mit Sofia (ihr wisst schon, von @SofiasworldofBooks😊) zusammen im Buddyread lesen. Und das war wieder eine gute Idee, denn auch "Vergissmeinnicht - Was bisher verloren war" ist ein abwechslungsreicher, humorvoller YA-Roman, mit dem ich trotz kleiner Kritikpunkte wahnsinnig viel Spaß hatte!

Nach einem Blick auf das neue Cover konnte ich dazu überredet werden, mir das Hardcover zu kaufen, statt auf das Hörbuch bei Bookbeat zu warten. Genau wie bei Band 1 ist auch die Gestaltung von Band 2 über jeden Zweifel erhaben. Das bunte, verspielte Cover mit den vielen kleinen Details vor einem dunkelblauen Sternenhimmel gefällt mir schon sehr gut. Wirklich toll ist, dass das Buch auch unter dem Schutzumschlag ausgestaltet ist und selbst die Buchinnenseiten mit bunten Mustern und Sprüchen bedruckt sind. Hübsch gestaltete Kapitelanfänge, ein knalliger Farbschnitt, ein lustiges Nachwort, ein hilfreiches Glossar am Ende und eine recht große Schrift runden den Gesamteindruck ab. Super finde ich auch, dass in dieser Fortsetzung endlich eine Verbindung zum Reihentitel "Vergissmeinnicht" hergestellt wird und dieser nach der Erläuterung der geheimnisvollen Macht der Erinnerung nicht mehr so willkürlich wirkt. Nur die Bedeutung des Untertitels erschließt sich mir wieder nicht wirklich. Aber man muss ja nicht alles verstehen... Irgendwas wird sich der Fischer Verlag schon dabei gedacht haben...

Erster Satz: "Es ging alles so schnell, dass Jeanne d´Arc nicht mal Zeit für einen Gedanken hatte, außer vielleicht für ein nicht sehr einfallsreiches "Verdammt!"

Nach einem kurzen Prolog, der direkt nach dem Showdown von Band 1 ansetzt, machen wir einen Zeitsprung von einigen Wochen und steigen nach den Sommerferien wieder in das Leben von Quinn und Mathilda ein. Während Quinn weiter den Saum erkundet und versucht, Mathilda von allen Gefahren fernzuhalten, langweilt sie sich im Bibelcamp und ärgert sich, dass er ihr aus dem Weg geht. Als die Schule wieder losgeht und mit Johanna von Bogen (Jeanne d´Arc - ihr wisst schon...) eine neue Schülerin auftaucht, müssen sich die beiden aber wieder zusammenraufen und sich neuen Herausforderungen stellen...

Kerstin Gier erzählt auch hier wieder abwechselnd aus der Sicht der beiden Hauptfiguren Quinn und Mathilda, wie sie sich ihrem alltäglichen Wahnsinn, aber auch den neuen Kontakten dem sogenannten Saum stellen. Ähnlich wie in ihren anderen Reihen offenbart sich den Figuren mitten in ihrem bekannten Alltag eine magische Welt, mit der sie stärker verbunden sind als gedacht. Realität und Fantasy halten sich hier also wieder etwa die Waage und es geht genauso viel um Tatortabende, Kirchenbesuche, nervige Verwandtschaft und erste Liebe wie um magische Portale, Prophezeiungen und phantastische Kreaturen. Das Konzept des "Saums", der als Geisteswelt jenseits der greifbaren, körperlichen Realität existiert und Heimat von Saumwesen, Geistern und Arkadiern ist, erschien mir dabei wieder sehr gut durchdacht und vereint ein bisschen von allem, was das Fantasy Genre so zu bieten hat. Feen, Drachen, Kobolde, Einhörner, Werwölfe, Geister, Wasserspeier - you name it und es lebt bestimmt irgendwo im Saum. In dieser Fortsetzung nimmt sich die Autorin Zeit, ihr Worldbuilding weiter auszubauen und so erkunden wir beispielsweise die Schattenstadt, lernen den Chaosnebel kennen, fahren endlich einmal mit einer Walgondel und treffen neben mauerschnabligen Flachpiper (oder flachschnabligen Mauerpiepern?!?) auch neue magische Figuren wie zum Beispiel Sphinxe und Himären. Wie universal das Worldbuilding wirklich ist, kann man auch an den vielen kleinen Crossovers und Anspielungen auf bestimmt 20 andere Buchreihen und Fantasywelten - darunter auch Silber und die Edelsteintrilogie - erkennen. Besonders gefreut habe ich mich über das Auftauchen eines gewissen kleinen Wasserspeiers, aber auch die Anspielung auf eine gewisse Geheimloge in London hat mir ein breites Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Trotz des tollen Worldbuildings sind allerdings noch einige Fragen offengeblieben. Was die Saumwesen genau von Quinn wollen, was es mit der rätselhaften Prophezeiung wirklich auf sich hat, ob Matilda wirklich nur durch Zufall eingeweiht wurde, wer Quinns Saumgroßvater ist und unter welchen genauen Umständen sein Vater Yuri zu Tode gekommen ist und wem die beiden nun wirklich vertrauen können, erfahren wir auch hier noch nicht abschließend. Für meinen Geschmack hätte die Autorin hier gerne schon mehr Fragen beantworten können, denn eigentlich sind wir am Ende der 528 Seiten wieder fast genauso schlau wie zu Beginn was in Anbetracht der Tatsache, dass wir hier schon im zweiten Band einer Trilogie sind, ein wenig dürftig ist. Apropos dürftig - auch die Handlungsdichte und das Erzähltempo sind hier wieder nicht wahnsinnig hoch. Bevor die Handlung im letzten Drittel des Buches richtig an Fahrt aufnimmt, müssen die Einführung einer neuen Geheimorganisation, ein Angriff auf die Schule und das Treffen mit dem ultimativen Bösewicht (alias Frey-Schnuckiputzi oder Großkotz mit Yogurette) in London ausreichen, um die Handlung zu tragen.

"Und zwischen all den unterschiedlichen Emotionen, die meinen Körper fluteten, hob sich eine deutlich ab: das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Das Gefühl von purem Glück."

Trotz der wenigen beantworteten Fragen und des eher locker gestrickten Handlungsmusters konnte mich "Vergissmeinnicht - Was bisher verloren war" aber wieder von Anfang bis Ende gut unterhalten. Einer der Hauptgründe, weshalb nichts, was die Autorin jemals schreiben könnte, langweilig sein könnte, ist ihr Schreibstil. Kerstin Gier schreibt einfach unverwechselbar lockerleicht, jugendlich und humorvoll, dass man auf jeder Seite großen Spaß hat. Egal ob kreative Wortneuschöpfungen, kuriose Begegnungen mit Leopold und Luise (den "wandelnden Überwachungskameras"), originelle Liebeserklärungen ("du bist meine Badewanne"), mies gedichtete Geburtstagshymnen oder haarsträubende Spitznamen ("halbmenschliche Plustergurke") - ich habe beim Lesen durchgängig vor mich hin geschmunzelt und teilweise schallend gelacht. Klar, ihre Witze sind manchmal ein wenig auf die Spitze getrieben und es werden auch viele Klischees verarbeitet, die nicht wirklich entkräftet werden, unterm Strich bleibt jedoch ein sehr positiver Eindruck von ihrem Schreibstil zurück.

Ein zweiter Grund sind die Figuren, die mal wieder total sympathisch, greifbar und lebendig sind. Besonders unsere beiden Hauptfiguren haben mir sehr gut gefallen, auch wenn sich die beiden und ihre Liebesgeschichte hier nicht substanziell weiterentwickeln. Während Matilda mit ihrer neugierigen, aufgeklärten Art immer noch das schwarze Schaf in ihrer bibeltreuen, engstirnigen Familie ist, muss Quinn, der bis zu dem Unfall wohl behütet und allseits beliebt war, immer noch mit den Folgen seiner Verletzungen klarkommen und sich gleichzeitig als Auserwählter einer Fantasy-Prophezeiung einleben. Auf den ersten Blick scheinen die beiden nicht besonders gut zusammenzupassen, entwickeln im Laufe der Geschichte aufgrund der sich gegenseitig verhassten Familien (die "Teufelsbraten" gegen die "biblischen Plagen") aber eine unterhaltsame Romeo-und-Julia-Dynamik. Die Romanze bleibt auch hier eher im Hintergrund und ist sehr jugendlich geschrieben. Das passt gut zu den Figuren, die zwar knapp 18 Jahre alt sind, auf mich aber deutlich jünger wirkten, und lässt genügend Raum für weitere Entwicklungen in Band 3.

Die Nebenfiguren wirken weiterhin zwar manchmal etwas klischeehaft - besonders die strengkatholischen Martins sind wie lebendige Memes - die meisten muss man aber einfach gernhaben. Besonders Mathildas beste Freundin und Cousine Julie, der Feenmann Hyazinth, Quinns schrullige Eltern und natürlich der superniedliche (Entschuldigung, ich meinte natürlich "superfurchteinflößende" - denn man weiß ja: "Die niedlichsten sind immer die gefährlichsten") Wasserspeier Bax sind mir sehr ans Herz gewachsen. Mit den Mitgliedern der neuen Geheimorganisation Pandinus Imperator bekommen wir außerdem einen Set neue Nebenfigur dazu, die für eine interessante Dynamik sorgen (die Autorin hätte das gefährliche Flatlining, das Faris, Nadim und Eric betreiben, etwas mehr verurteilen können, aber sonst fand ich die Idee super). Außerdem lernen wir hier mit Frey endlich mal den Antagonisten der Geschichte persönlich kennen. Ob er tatsächlich so böse ist wie gedacht - da müssen wir wohl auf Band 3 warten. Dieser ist leider noch nicht angekündigt und wird, wie ich Kerstin Gier kenne, wohl auch noch ein bisschen auf sich warten lassen. Gut, dass uns wenigsten ein neues Anagramm über den fiesen und durchaus vermeidbaren Cliffhanger hinwegtröstet, mit dem das letzte Kapitel endet...


Fazit:

In "Vergissmeinnicht - Was bisher verloren war" geht die Geschichte von Quinn und Mathilda etwas weniger actionreich und spannend weiter. Dennoch überzeugte mich auch die Fortsetzung wieder mit einer tollen äußeren Gestaltung, einem gut durchdachten Worldbuilding, herzerweichenden Eastereggs, einem humorvollen Schreibstil und lebendigen Figuren!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.07.2023

Gewohnt bildgewaltig und originell!

Wie Träume bluten
1

Genau wie in die Raven Boys-Reihe habe ich mich im November 2022 auch in den ersten Teil der brandneuen Sequel-Reihe über meinen Lieblingscharakter Ronan Lynch schockverliebt. Auch in Band 2, "Wie Träume ...

Genau wie in die Raven Boys-Reihe habe ich mich im November 2022 auch in den ersten Teil der brandneuen Sequel-Reihe über meinen Lieblingscharakter Ronan Lynch schockverliebt. Auch in Band 2, "Wie Träume bluten", erzählt die Autorin eine mitreißende und atmosphärisch dichte Geschichte über Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Freundschaft, Hoffnung und Liebe! Ganz so sehr wie Band 1 hat mich dieser Mittelteil allerdings nicht überzeugen können - dafür ist die Handlung einfach eine Kleinigkeit zu verwirrend und dünn. Bevor ich erkläre, weshalb ich die Reihe trotzdem nachdrücklich weiterempfehle noch ein kurzes Shoutout an Sofia, mit der ich das Buch mal wieder im Buddyread gelesen habe!!!

Bevor ich mein erneutes Loblied auf Maggie Stiefvaters Fantasie beginne, wie immer ein paar Worte zum Cover. Anders als die kühlblaue Aquarell-Optik der Hauptreihe hat sich der Verlag dieses Mal für eine rot-orangene Farbgebung entschieden, wodurch das Cover weniger verträumt und deutlich dramatischer wirkt. Auf dem Cover von Band 2 kommen nun noch blaue und schwarze Akzente hinzu. Zu sehen sind genau wie auf dem Originalcover die Silhouette von Ronan und Hennessy, die jeweils mit ihren Traumschwertern bewaffnet im Gegenlicht ihrer Autoscheinwerfer stehen, während im Hintergrund eine orangene Sonne über einem Wald aufgeht. Passend dazu sind die 37 Kapitelanfänge jeweils von einem angedeuteten Wald umgeben. Kurzum: das Gesamtkonzept der Gestaltung ist mal wieder wunderbar passend zur Handlung und einfach ein Eye-Catcher!

Erster Satz: "Es war ein herrlicher Tag, als sie kamen, um den Zed zu töten."

"Wie Träume bluten" beginnt wenige Woche nach dem Ende des ersten Bandes. Hennessy und Ronan wurden von dem mysteriösen Träumer Bryde vor den Regulatoren gerettet und sind nun zusammen mit ihm unterwegs, um die Leyline zu retten. Declan und Matthew sind auf dem Weg zu den Schobern, treffen aber schon bald in Boston wieder auf Jordan und Liliana und Carmen versuchen weiterhin mit den Regulatoren den Weltuntergang zu verhindern. Damit haben wir noch mehr Erzählperspektiven als in Band 1 und springen nach wie vor zwischen mehreren Handlungssträngen hin und her. Wie gewohnt setzt Maggie Stiefvater dabei wieder ein sehr geringes Erzähltempo an und auch ihre Handlungsdichte ist zunächst sehr gering. Wie bei ihren Vorgängern lebt auch "Wie Träume bluten" von den Perspektivwechseln zwischen den Figuren und der Frage, wie alles miteinander verbunden ist. Es passiert viel zwischen den Zeilen, wir erhalten zu den wichtigsten Figuren viele Rückblicke und Andeutungen verführen zum Rätselraten. Auch wenn ich mir an einigen Stellen ein bisschen mehr Klarheit, Struktur und Handlung gewünscht hätte, sorgen das surreale Lesegefühl die vielen offenen Fragen wieder für jede Menge Spannung und eine vielschichtige Atmosphäre.

"Warum musste es so sein? Warum musste sie so sein? Sie sehnte sich nach der Hennessy im Auto, der Hennessy, die glaubte, ihr Herz hinge an nichts auf dieser Welt. Was für eine Lügnerin sie doch war. Ihr Herz hing an allem."


Die Atmosphäre ist auch hier wieder von einem deutlich düstereren Einschlag geprägt als die Hauptreihe es war. Wo der Raven Cycle noch humorvoll, spritzig und abenteuerlustig war, ist "Wie Träume bluten" nun melancholisch, blutig, zynisch und apokalyptisch. Die Figuren treffen sehr oft moralisch graue Entscheidungen und müssen mit vielen negativen Emotionen umgehen, während die Grenze zwischen Realität und Traum so stark verwischt wie noch nie zuvor. Trotz all der Unterschiede erkennt man in jeder Zeile der unverwechselbare Schreibstil Maggie Stiefvaters wieder. Mit ruhigen, aber eindringlichen Worten lässt sie die Charaktere und das Setting für einen kurzen Moment wahr werden und schenkt uns einige Stunden voller Fantasie, Magie, Liebe, Freundschaft und düsteren Geheimnissen.

Dabei setzt die Autorin Gefühlsbeschreibungen nur ganz dezent und gezielt ein - ganz im Gegensatz zu manch anderen Romanautorinnen wie zum Beispiel Colleen Hoover, deren Gefühlswucht fast erdrückt. Manchen mag das zu spärlich sein, doch ich finde die zarten Andeutungen und leisen Annäherungen sind viel berührender als brodelnde Leidenschaft. Da sich hier sowohl emotional als auch inhaltlich viele auf der Ebene noch An- und Vorausdeutungen abspielt, kann ich allen zukünftigen LeserInnen dieses Buches nur ans Herz legen, es sehr aufmerksam zu lesen und sich dabei viel Zeit zu lassen, denn es gibt im Laufe der komplexen Erzählung so viele Andeutungen, die später nochmal eine tragende Rolle spielen. In ganz eigener Handschrift schreibt sie mal erklärend, mal kurz angebunden, mal emotional, mal kalt, mal melancholisch, mal locker, mal traurig, mal glücklich, mal wütend, mal resigniert - ein kunterbuntes Durcheinander, das vor allem eines ist: magisch. Dann noch ein paar skurrile Wendungen und überraschende Gedanken und fertig ist die unkonventionelle, magische und einzigartige Geschichte.

"Er war die Nacht und die ganze Welt und genauso grenzenlos wie beides. Chainsaw über ihnen stieß erneut einen Schrei aus. Ronan sprang auf und hielt mühelos das Gleichgewicht auf dem Dachfirst. Er erwiderte den Schrei seines geträumten Raben aus voller Kehle, und der Laut hallte von den Dächern dieses traurigen Städtchens wider, sodass es klang wie ein ganzer Schwarm von Raben, ein ganzer Schwarm von Ronans. "Sie ist so stark", flüsterte Hennessy, während die Energie bereits wieder abebbte. Die Welt veränderte sich. Sie wurde langsam, aber sich zu einem Ort, für den jemand wie er, Ronan, gemacht war. "Und das ist erst der Anfang", sagte Bryde."


Teil dieses Gesamtkunstwerks ist hier natürlich wieder das unglaublich magische Setting, welches die kleine Stadt Henrietta im Herzen des ländlichen Virginias mit all seinen magischen Traumorten durch die Großstädte Washington und Boston ergänzt. Der Autorin gelingt es, uns im Laufe der Zeit an verschiedene Handlungsorte innerhalb ihres Settings mitzunehmen, die sich so gegensätzlich gegenüberstehen, dass sie beinahe wie unterschiedliche Dimensionen wirken: Der magische Wald Lindenmere, welcher hier als Nachfolger Cabeswaters eingeführt wird, die träumerischen Schobern der Familie Lynch, in denen sich Ronans und Nialls Traumwesen tummeln, Declans ordentliches Stadthaus in New York, die prunkvolle Künstlervilla von Jordan Hennessy und ihren Mitbewohnerinnen sowie nicht zuletzt eine Vielzahl an Fantasie- und Traumwelten.

Auch die Grundidee von Träumern, die Dinge aus ihren Träumen mitnehmen können, muss ich hier nochmal positiv hervorheben. In Zeiten von überdimensioniert häufig verwendeten Vampirmythen und Zaubermotiven sind eine Ley-Linie, durch deren Magie erwachende magische Kraftorte, eine Riege von Träumern und eine Gesellschaft, welche diese jagt um den Weltuntergang zu verhindern eine herrlich originelle und unverbrauchte Idee. Im Fokus der Geschichte steht jedoch nicht die Grundidee oder etwa ein Abenteuer, sondern die Dynamiken zwischen den Figuren. Am meisten gefreut hat mich, dass wir hier Einblicke in das Familienleben der drei Lynch-Brüder Ronan, Declan und Matthew erhalten. Ronan, welcher mit seinem kultivierten Walls aus Aggressivität und Wut, der das starke Bedürfnis nach Zuneigung und Bestätigung nur schlecht verbergen kann, auf mich in der Hauptreihe wie ein Kind gewirkt hat, ist in Band 1 schon deutlich reifer und erwachsener geworden. Hier wird er allerdings immer wieder von Bryde auf die Probe gestellt und muss schwerwiegende Entscheidungen treffen, die ihn von seiner Familie und seinen Freunden wegdriften lässt. Demnach gibt es nur sehr wenig gemeinsame Szenen von Adam und Ronan und auch von den anderen Mitglieder der Gangsey hätte ich gerne mehr gelesen.

"Es ist erschreckend, wie schnell alles dahinsiecht", sagte Bryde. "Vor ein paar Jahren wirkte es, als hätten wir noch Jahrzehnte. Vor ein paar Monaten wirkte es, als hätten wir noch Jahre. Vor ein paar Tagen wirkte es, als hätten wir noch Monate. Und jetzt wird es mit jeder Stunde, jeder Minute, jeder Sekunde schwerer, ein Träumer zu sein. Überall dieser Lärm. Selbst hier oben in den Bergen- Als würde man von allen Seiten angeschrien. Bald wird es keinen Platz mehr geben für die leisen Dinge, die Dinge, die daran zerbrechen, wenn sie schreien müssen. Bald wird es keinen Platz mehr für Geheimnisse geben, die Geheimnisse, die ihren Reiz verlieren, sobald sie enthüllt werden. Bald wird es keinen Platz mehr für alles Fremde, alles Unbekannte geben, weil die ganze Welt bereits katalogisiert und asphaltiert und synchronisiert ist."


Dafür bekommt hier Declan wieder mehr Raum und ist mittlerweile ein gleichberechtigter Hauptcharakter. Schon in Band 1 ist er mir viel mehr ans Herz gewachsen, da wir zu verstehen lernen, dass er seine Empfindsamkeit genau wie sein Bruder Ronan hinter einer Maske versteckt. Während Ronan auf Krawall gebürstet scheint, hat sich Declan einen Schutzmantel aus Kälte, Professionalität und Langweile angelegt, um sich und seine Brüder zu schützen. Dass er hier die Chance bekommt, sich endlich sein eigenes Leben aufzubauen und mit Jordan eine eigene Liebesgeschichte erhält, hat mich sehr gefreut. Der dritte im Lynch-Bunde, der Sonnenschein Matthew, bringt ebenfalls einen äußerst spannenden Konflikt mit sich, da er immer noch mit den Auswirkungen der Tatsache kämpft, dass er nicht echt, sondern von Ronan geträumt ist...

Neben den Lynch Brüdern spielen noch vier weitere Figuren eine große Rolle. Nach wie vor am spannendsten fand ich Hennessy und Jordan. Als Träumerin und Traum sind die beiden in vielerlei Hinsicht dieselbe Person, wie die Autorin es allerdings doch geschafft hat, zwei unabhängige Figuren aus den beiden zu machen, die einem gleichermaßen ans Herz wachsen, ist wirklich spannend. Während Hennessy mit Ronan und Bryde versucht, das Gespinst in ihren Träumen zu kontrollieren, taucht Jordan in die Kunstwelt von Boston ein und versucht mehr über sogenannte Süßmetalle zu erfahren - Kunstwerke, die es Träumen erlauben, wach zu bleiben, auch wenn ihren Träumern etwas zustößt. Etwas weniger ausführlich widmet sich die Autorin dem dritten Handlungsstrang um die Träumerjägerin Carmen Farooq-Lane und die Visionärin Liliana. Auch wenn die beiden strenggenommen Antagonistinnen sind, macht es uns die Autorin alles andere als leicht, sie nicht zu mögen und spinnt ein kompliziertes Netz aus Gut und Böse zwischen den Figuren auf.

Gegen Ende wird eine der großen Fragen der Reihe aufgelöst: Wer ist Bryde? Die anderen Rätsel - Was ist das Gespinst? Und: Wer wird den Weltuntergang herbeiführen? bleiben allerdings nach wie vor ungewiss, auch wenn ich natürlich jede Menge Theorien habe. Genau wie in Band 1 wirft der Showdown dann mehr Fragen auf, als er beantwortet, aber wir müssen ja zum Glück "nur" noch bis Dezember auf den finalen Band warten.

"Was willst du, Ronan Lynch? (...) Ich will die Welt verändern."




Fazit:


Auch in Band 2 ihres Raven-Cycle-Spinn-Offs erzählt Maggie Stiefvater gewohnt bildgewaltig und originell von Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Freundschaft, Hoffnung und Liebe. In ihre schrägen Figuren, das abwechslungsreiche und magische Setting, den unverwechselbaren Schreibstil und die interessante Grundidee musste ich mich einfach wieder verlieben! Dennoch ist "Wie Träume bluten" ein wenig handlungsärmer und verwirrender als ihre Vorgänger, wofür ich einen Stern abziehe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.07.2023

Gewohnt bildgewaltig und originell!

Wie Träume bluten
0

Genau wie in die Raven Boys-Reihe habe ich mich im November 2022 auch in den ersten Teil der brandneuen Sequel-Reihe über meinen Lieblingscharakter Ronan Lynch schockverliebt. Auch in Band 2, "Wie Träume ...

Genau wie in die Raven Boys-Reihe habe ich mich im November 2022 auch in den ersten Teil der brandneuen Sequel-Reihe über meinen Lieblingscharakter Ronan Lynch schockverliebt. Auch in Band 2, "Wie Träume bluten", erzählt die Autorin eine mitreißende und atmosphärisch dichte Geschichte über Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Freundschaft, Hoffnung und Liebe! Ganz so sehr wie Band 1 hat mich dieser Mittelteil allerdings nicht überzeugen können - dafür ist die Handlung einfach eine Kleinigkeit zu verwirrend und dünn. Bevor ich erkläre, weshalb ich die Reihe trotzdem nachdrücklich weiterempfehle noch ein kurzes Shoutout an Sofia, mit der ich das Buch mal wieder im Buddyread gelesen habe!!!

Bevor ich mein erneutes Loblied auf Maggie Stiefvaters Fantasie beginne, wie immer ein paar Worte zum Cover. Anders als die kühlblaue Aquarell-Optik der Hauptreihe hat sich der Verlag dieses Mal für eine rot-orangene Farbgebung entschieden, wodurch das Cover weniger verträumt und deutlich dramatischer wirkt. Auf dem Cover von Band 2 kommen nun noch blaue und schwarze Akzente hinzu. Zu sehen sind genau wie auf dem Originalcover die Silhouette von Ronan und Hennessy, die jeweils mit ihren Traumschwertern bewaffnet im Gegenlicht ihrer Autoscheinwerfer stehen, während im Hintergrund eine orangene Sonne über einem Wald aufgeht. Passend dazu sind die 37 Kapitelanfänge jeweils von einem angedeuteten Wald umgeben. Kurzum: das Gesamtkonzept der Gestaltung ist mal wieder wunderbar passend zur Handlung und einfach ein Eye-Catcher!

Erster Satz: "Es war ein herrlicher Tag, als sie kamen, um den Zed zu töten."

"Wie Träume bluten" beginnt wenige Woche nach dem Ende des ersten Bandes. Hennessy und Ronan wurden von dem mysteriösen Träumer Bryde vor den Regulatoren gerettet und sind nun zusammen mit ihm unterwegs, um die Leyline zu retten. Declan und Matthew sind auf dem Weg zu den Schobern, treffen aber schon bald in Boston wieder auf Jordan und Liliana und Carmen versuchen weiterhin mit den Regulatoren den Weltuntergang zu verhindern. Damit haben wir noch mehr Erzählperspektiven als in Band 1 und springen nach wie vor zwischen mehreren Handlungssträngen hin und her. Wie gewohnt setzt Maggie Stiefvater dabei wieder ein sehr geringes Erzähltempo an und auch ihre Handlungsdichte ist zunächst sehr gering. Wie bei ihren Vorgängern lebt auch "Wie Träume bluten" von den Perspektivwechseln zwischen den Figuren und der Frage, wie alles miteinander verbunden ist. Es passiert viel zwischen den Zeilen, wir erhalten zu den wichtigsten Figuren viele Rückblicke und Andeutungen verführen zum Rätselraten. Auch wenn ich mir an einigen Stellen ein bisschen mehr Klarheit, Struktur und Handlung gewünscht hätte, sorgen das surreale Lesegefühl die vielen offenen Fragen wieder für jede Menge Spannung und eine vielschichtige Atmosphäre.

"Warum musste es so sein? Warum musste sie so sein? Sie sehnte sich nach der Hennessy im Auto, der Hennessy, die glaubte, ihr Herz hinge an nichts auf dieser Welt. Was für eine Lügnerin sie doch war. Ihr Herz hing an allem."


Die Atmosphäre ist auch hier wieder von einem deutlich düstereren Einschlag geprägt als die Hauptreihe es war. Wo der Raven Cycle noch humorvoll, spritzig und abenteuerlustig war, ist "Wie Träume bluten" nun melancholisch, blutig, zynisch und apokalyptisch. Die Figuren treffen sehr oft moralisch graue Entscheidungen und müssen mit vielen negativen Emotionen umgehen, während die Grenze zwischen Realität und Traum so stark verwischt wie noch nie zuvor. Trotz all der Unterschiede erkennt man in jeder Zeile der unverwechselbare Schreibstil Maggie Stiefvaters wieder. Mit ruhigen, aber eindringlichen Worten lässt sie die Charaktere und das Setting für einen kurzen Moment wahr werden und schenkt uns einige Stunden voller Fantasie, Magie, Liebe, Freundschaft und düsteren Geheimnissen.

Dabei setzt die Autorin Gefühlsbeschreibungen nur ganz dezent und gezielt ein - ganz im Gegensatz zu manch anderen Romanautorinnen wie zum Beispiel Colleen Hoover, deren Gefühlswucht fast erdrückt. Manchen mag das zu spärlich sein, doch ich finde die zarten Andeutungen und leisen Annäherungen sind viel berührender als brodelnde Leidenschaft. Da sich hier sowohl emotional als auch inhaltlich viele auf der Ebene noch An- und Vorausdeutungen abspielt, kann ich allen zukünftigen LeserInnen dieses Buches nur ans Herz legen, es sehr aufmerksam zu lesen und sich dabei viel Zeit zu lassen, denn es gibt im Laufe der komplexen Erzählung so viele Andeutungen, die später nochmal eine tragende Rolle spielen. In ganz eigener Handschrift schreibt sie mal erklärend, mal kurz angebunden, mal emotional, mal kalt, mal melancholisch, mal locker, mal traurig, mal glücklich, mal wütend, mal resigniert - ein kunterbuntes Durcheinander, das vor allem eines ist: magisch. Dann noch ein paar skurrile Wendungen und überraschende Gedanken und fertig ist die unkonventionelle, magische und einzigartige Geschichte.

"Er war die Nacht und die ganze Welt und genauso grenzenlos wie beides. Chainsaw über ihnen stieß erneut einen Schrei aus. Ronan sprang auf und hielt mühelos das Gleichgewicht auf dem Dachfirst. Er erwiderte den Schrei seines geträumten Raben aus voller Kehle, und der Laut hallte von den Dächern dieses traurigen Städtchens wider, sodass es klang wie ein ganzer Schwarm von Raben, ein ganzer Schwarm von Ronans. "Sie ist so stark", flüsterte Hennessy, während die Energie bereits wieder abebbte. Die Welt veränderte sich. Sie wurde langsam, aber sich zu einem Ort, für den jemand wie er, Ronan, gemacht war. "Und das ist erst der Anfang", sagte Bryde."


Teil dieses Gesamtkunstwerks ist hier natürlich wieder das unglaublich magische Setting, welches die kleine Stadt Henrietta im Herzen des ländlichen Virginias mit all seinen magischen Traumorten durch die Großstädte Washington und Boston ergänzt. Der Autorin gelingt es, uns im Laufe der Zeit an verschiedene Handlungsorte innerhalb ihres Settings mitzunehmen, die sich so gegensätzlich gegenüberstehen, dass sie beinahe wie unterschiedliche Dimensionen wirken: Der magische Wald Lindenmere, welcher hier als Nachfolger Cabeswaters eingeführt wird, die träumerischen Schobern der Familie Lynch, in denen sich Ronans und Nialls Traumwesen tummeln, Declans ordentliches Stadthaus in New York, die prunkvolle Künstlervilla von Jordan Hennessy und ihren Mitbewohnerinnen sowie nicht zuletzt eine Vielzahl an Fantasie- und Traumwelten.

Auch die Grundidee von Träumern, die Dinge aus ihren Träumen mitnehmen können, muss ich hier nochmal positiv hervorheben. In Zeiten von überdimensioniert häufig verwendeten Vampirmythen und Zaubermotiven sind eine Ley-Linie, durch deren Magie erwachende magische Kraftorte, eine Riege von Träumern und eine Gesellschaft, welche diese jagt um den Weltuntergang zu verhindern eine herrlich originelle und unverbrauchte Idee. Im Fokus der Geschichte steht jedoch nicht die Grundidee oder etwa ein Abenteuer, sondern die Dynamiken zwischen den Figuren. Am meisten gefreut hat mich, dass wir hier Einblicke in das Familienleben der drei Lynch-Brüder Ronan, Declan und Matthew erhalten. Ronan, welcher mit seinem kultivierten Walls aus Aggressivität und Wut, der das starke Bedürfnis nach Zuneigung und Bestätigung nur schlecht verbergen kann, auf mich in der Hauptreihe wie ein Kind gewirkt hat, ist in Band 1 schon deutlich reifer und erwachsener geworden. Hier wird er allerdings immer wieder von Bryde auf die Probe gestellt und muss schwerwiegende Entscheidungen treffen, die ihn von seiner Familie und seinen Freunden wegdriften lässt. Demnach gibt es nur sehr wenig gemeinsame Szenen von Adam und Ronan und auch von den anderen Mitglieder der Gangsey hätte ich gerne mehr gelesen.

"Es ist erschreckend, wie schnell alles dahinsiecht", sagte Bryde. "Vor ein paar Jahren wirkte es, als hätten wir noch Jahrzehnte. Vor ein paar Monaten wirkte es, als hätten wir noch Jahre. Vor ein paar Tagen wirkte es, als hätten wir noch Monate. Und jetzt wird es mit jeder Stunde, jeder Minute, jeder Sekunde schwerer, ein Träumer zu sein. Überall dieser Lärm. Selbst hier oben in den Bergen- Als würde man von allen Seiten angeschrien. Bald wird es keinen Platz mehr geben für die leisen Dinge, die Dinge, die daran zerbrechen, wenn sie schreien müssen. Bald wird es keinen Platz mehr für Geheimnisse geben, die Geheimnisse, die ihren Reiz verlieren, sobald sie enthüllt werden. Bald wird es keinen Platz mehr für alles Fremde, alles Unbekannte geben, weil die ganze Welt bereits katalogisiert und asphaltiert und synchronisiert ist."


Dafür bekommt hier Declan wieder mehr Raum und ist mittlerweile ein gleichberechtigter Hauptcharakter. Schon in Band 1 ist er mir viel mehr ans Herz gewachsen, da wir zu verstehen lernen, dass er seine Empfindsamkeit genau wie sein Bruder Ronan hinter einer Maske versteckt. Während Ronan auf Krawall gebürstet scheint, hat sich Declan einen Schutzmantel aus Kälte, Professionalität und Langweile angelegt, um sich und seine Brüder zu schützen. Dass er hier die Chance bekommt, sich endlich sein eigenes Leben aufzubauen und mit Jordan eine eigene Liebesgeschichte erhält, hat mich sehr gefreut. Der dritte im Lynch-Bunde, der Sonnenschein Matthew, bringt ebenfalls einen äußerst spannenden Konflikt mit sich, da er immer noch mit den Auswirkungen der Tatsache kämpft, dass er nicht echt, sondern von Ronan geträumt ist...

Neben den Lynch Brüdern spielen noch vier weitere Figuren eine große Rolle. Nach wie vor am spannendsten fand ich Hennessy und Jordan. Als Träumerin und Traum sind die beiden in vielerlei Hinsicht dieselbe Person, wie die Autorin es allerdings doch geschafft hat, zwei unabhängige Figuren aus den beiden zu machen, die einem gleichermaßen ans Herz wachsen, ist wirklich spannend. Während Hennessy mit Ronan und Bryde versucht, das Gespinst in ihren Träumen zu kontrollieren, taucht Jordan in die Kunstwelt von Boston ein und versucht mehr über sogenannte Süßmetalle zu erfahren - Kunstwerke, die es Träumen erlauben, wach zu bleiben, auch wenn ihren Träumern etwas zustößt. Etwas weniger ausführlich widmet sich die Autorin dem dritten Handlungsstrang um die Träumerjägerin Carmen Farooq-Lane und die Visionärin Liliana. Auch wenn die beiden strenggenommen Antagonistinnen sind, macht es uns die Autorin alles andere als leicht, sie nicht zu mögen und spinnt ein kompliziertes Netz aus Gut und Böse zwischen den Figuren auf.

Gegen Ende wird eine der großen Fragen der Reihe aufgelöst: Wer ist Bryde? Die anderen Rätsel - Was ist das Gespinst? Und: Wer wird den Weltuntergang herbeiführen? bleiben allerdings nach wie vor ungewiss, auch wenn ich natürlich jede Menge Theorien habe. Genau wie in Band 1 wirft der Showdown dann mehr Fragen auf, als er beantwortet, aber wir müssen ja zum Glück "nur" noch bis Dezember auf den finalen Band warten.

"Was willst du, Ronan Lynch? (...) Ich will die Welt verändern."




Fazit:


Auch in Band 2 ihres Raven-Cycle-Spinn-Offs erzählt Maggie Stiefvater gewohnt bildgewaltig und originell von Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Freundschaft, Hoffnung und Liebe. In ihre schrägen Figuren, das abwechslungsreiche und magische Setting, den unverwechselbaren Schreibstil und die interessante Grundidee musste ich mich einfach wieder verlieben! Dennoch ist "Wie Träume bluten" ein wenig handlungsärmer und verwirrender als ihre Vorgänger, wofür ich einen Stern abziehe.

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Veröffentlicht am 21.07.2023

Eine mitreißende, atmosphärische Umsetzung des Fake-Marriage Tropes

Boston Belles - Villain
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Handlung: Vor Band 1 und Band 4 der "Boston Belles"-Reihe von L. J. Shen standen nun Band 2 und 3 ebenfalls noch auf dem Plan (bitte fragt mich nicht, weshalb ich die Reihe in dieser gottlosen Reihenfolge ...

Handlung: Vor Band 1 und Band 4 der "Boston Belles"-Reihe von L. J. Shen standen nun Band 2 und 3 ebenfalls noch auf dem Plan (bitte fragt mich nicht, weshalb ich die Reihe in dieser gottlosen Reihenfolge gelesen habe!). "Boston Belles - Villain" ist eine Fake-Marriage Geschichte vom Feinsten und bringt als solche jede Menge Konflikte, Spannung, Herzschmerz und Chemie zwischen den Figuren mit sich. Der Erzählzeitraum der Geschichte erstreckt sich über etwas mehr als ein Jahr und beschreibt, wie sich Cillian und Persephone auf eine reine Zweckehe einigen, die Grenzen ihrer Abmachung austesten und um die Oberhand ringen, während sie gleichzeitig gegen ihre Gefühle füreinander ankämpfen. Das sorgte für eine trotz einiger Plotholes, überzogenem Drama und unnötigen Missverständnissen für eine abwechslungsreiche und spannende Handlung!

Figuren:
Mit Cillian und Persephone lernen wir hier zwei sehr gegensätzliche Figuren kennen. Während Persephone eine emotionale und mitfühlende Grundschullehrerin ist, die seit Jahren in Cillian verliebt ist und sich ein ruhiges Leben mit Gartenzaun und eigenen Kindern wünscht, ist Cillian ein emotional unerreichbarer Eisklotz, der als Boss eines Ölgiganten Bohrungen in der Arktis vornimmt und für bessere Publicity eine Vorzeigeehefrau braucht. Als ich vor Jahren Band 1 gelesen habe, hatte ich angenommen, dass Persys Schwester Emmabelle Cillians Love Interest werden würde und sie ihn mit Charakterstärke und einer ordentlichen Dosis Feminismus in die Knie zwingen wird. Als ich gesehen habe, dass stattdessen die ruhige Persy Cillian mit "Liebe heilen" würden, war ich erstmal enttäuscht. Die beiden passen rückblickend betrachtet, aber sehr gut zusammen und Persephone entpuppte sich als deutlich störrischer, integrer und selbstbewusster als ich es ihr zugetraut hatte, sodass mir die beiden insgesamt doch gut gefallen haben. Cillian ist ein typischer L.J. Shen-Charakter und hat mich beim Lesen einige Nerven gekostet. Mehr als seine fragwürdigen Allüren hat mich aber die Darstellung seiner mentalen Gesundheit genervt (Spoiler: Tourette und Zwangserkrankung kommen hier in einem sehr fragwürdigen Zusammenhang vor, die zeigen, dass die Autorin nicht wirklich verstanden hat, wie psychische Erkrankungen - besonders die mit neurologischem Ursprung - funktionieren).

Schreibstil:
Wie jedes Buch von L. J. Shen wird auch "Boston Belles - Villain" in erster Linie durch die mitreißende Atmosphäre angetrieben, die hier vor allem auf dem Hin und Her zwischen den Figuren fußt. Dabei kann es sich die Autorin nicht verkneifen, immer mal wieder einige Anspielungen auf Hades und Persephone einzustreuen, die aufgrund Persys Namen und Cillians Wesensart naheliegend sind. Genau wie in Band 1 hat auch Band 2 dabei nur leichte Dark Romance-Vibes. Nichtsdestotrotz muss man sich bei der Autorin immer auf eine derbe und explizite Wortwahl, die ein oder andere verstörende Situation, Unwohlsein durch schwierige Themen und gebrochene Herzen einstellen. Dafür sind ihre Gefühlsbeschreibungen durch reichhaltige Metaphorik sehr lebendig und viele Absätze haben etwas beinahe Lyrisches! Nun bin ich sehr gespannt auf die Geschichte von Sam und Aisling!


Die Zitate:


"The thing is, you can't really rely on love. Which is why I intend to offer you something far more consistent. Commitment, friendship and loyalty. I promise to give you my protection, no matter the price. I will never turn our back on us. We will fall in and out of love many times, but I promise to always find my way back to you. To put us back together even when the temptation to break things off is too much. And when loves feels far away..." He presses his forehead to mine, his lips moving over mine. "I will bring it right back to our doorstep."

“But what are villains, my dear wife, if not misunderstood heroes?"

“Listen to me. The two most important decisions in our lives are not ours to make. Our creation and our death. We don’t choose to be born, and we don’t choose when or how we die. But everything in-between? That’s our jurisdiction. We can fill in the blanks as we please."



Das Urteil:


"Boston Belles - Villain" ist eine mitreißende, atmosphärische Umsetzung des Fake-Marriage Tropes und damit trotz einiger Plotholes, überzogenem Drama und unnötigen Missverständnissen mein bisheriges Highlight der Reihe.

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