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Veröffentlicht am 12.08.2023

Alltagsrassismus

Weiße Tränen
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Wenn man sechzehn ist, hat sich die ganze Welt gegen einen verschworen. Zumindest empfindet das Lenny so. Zum Glück hat er gute Freunde, zum Beispiel Serkan und dessen Schwester Elif, die er schon so lange ...

Wenn man sechzehn ist, hat sich die ganze Welt gegen einen verschworen. Zumindest empfindet das Lenny so. Zum Glück hat er gute Freunde, zum Beispiel Serkan und dessen Schwester Elif, die er schon so lange kennt und die plötzlich neue Gefühle in ihm auslöst. Doch alles ändert sich, als Benjamin neu an die Schule kommt. Der Schwarze Jugendliche spricht Alltagsrassismus knallhart an, lässt sich nicht in Schubladen einsortieren, bringt die Theater-AG zum Kochen und zeigt die Denkweise eines beliebten Lehrers auf, der deutsche und weiße Kinder immer bevorzugt. Und plötzlich weiß Lenny nicht mehr, was er denken soll: Wie kann er ein Rassist sein, wenn doch sein bester Freund Türke ist?

Wow. Dieses Buch hat mich echt mitgenommen, aufgerüttelt, direkt ein bisschen durchgeschüttelt. Ohne erhobenen Zeigefinger und tatsächlich ohne, dass Benjamin überhaupt viel tut in diesem Buch, wird anhand von Lenny und seinem Entwicklungs- und Lernprozess auf kristallklare Weise gezeigt, wie extrem privilegiert wir sind, die wir weiß und deutsch sind. Was es bedeutet, eine andere Hautfarbe zu haben oder auch mit einer anderen (zweiten) Kultur aufzuwachsen, Anfeindungen ausgesetzt zu sein, benachteiligt zu werden, ohne dass sich jemand Gedanken darüber macht. Ganz besonders auch der positive Rassismus hat etwas in mir zum Klingen gebracht; dessen habe ich mich sicher nicht nur einmal schuldig gemacht. In diesem Buch wird so viel angesprochen, das man durchdenken sollte, macht es meiner Meinung nach zu einer perfekten Schullektüre mit Charakteren, wie sie überall und in jedem Umkreis auftauchen und mit denen man sich identifizieren kann.

Veröffentlicht am 21.07.2023

Ihr Auftritt, Mister Quin!

Der seltsame Mister Quin 1
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Es ist ein Kommen und Gehen, erklärt in einer der Geschichten jemand dem erzählenden Mister Sattisway, und ja, auf den seltsamen und geheimnisvollen Mister Quin trifft das auf jeden Fall zu. Er scheint ...

Es ist ein Kommen und Gehen, erklärt in einer der Geschichten jemand dem erzählenden Mister Sattisway, und ja, auf den seltsamen und geheimnisvollen Mister Quin trifft das auf jeden Fall zu. Er scheint immer dann aufzutauchen, wenn unser kleiner, etwas versnobter, älterer, wohlhabender Mister Sattisway sich in einer seltsamen Situation befindet. Mal ist ein Mord geschehen, mal Einbrüche, mal wird erst etwas geschehen, mal scheint überhaupt nichts zu sein. Und dennoch: Wenn Mister Quin auftaucht, weiß Mister Sattisway, dass etwas im Argen liegt: Aber nicht mehr lange. Denn mit Hilfe von Mister Quins blitzgescheiten Fragen kommen Anwesende und Beteiligte auf die Spur von Verbrechen ...

Hier liegen die ersten vier Kurzgeschichten vor, die Agatha Christie mit diesem skurrilem Paar geschrieben hat. Da ist zum einen der seltsame Mister Quin: ein Sherlock Holmes, ein Richter, ein Gerechter, einer, der den Dingen auf den Grund geht. Immer höflich, zurückhaltend, zuhörend, Fragen stellend. Und sein Gegenstück, Agathas persönlicher Watson, der dank scharfsinniger Fragen scharfsinnige Gedanken wälzt und vom Beobachter zum Akteur wird. Es hat ein paar Minuten gedauert, bis ich mit dem Sprecher klarkam, zu sehr klingt er im ersten Moment wie eine Mischung aus alt, bedächtig, ja, geradezu altmodisch. Aber nicht nur die Geschichten entwickeln ihren eigenen Charme, auch die Stimme des Sprechers tut es und nein, ich kann mir mittlerweile niemanden anders vorstellen, der das noch besser lesen könnte.

Und dann ist da am Ende nicht nur die Befriedigung, interessante Geschichten gehört und mitgerätselt zu haben; da ist auch das leise, feine Amüsement über die Namen der Protagonisten. Mister Harley Quin, der Harlekin, aber kein lächerlicher Geselle, sondern der, der der Gesellschaft den Spiegel vorhält. Und sein Sidekick, der gute alte Mister Sattisway - Set this way, der immer dann außerhalb der Box, außerhalb der gesetzten Wege zu denken vermag, wenn der von ihm so geschätzte Mister Quin auftaucht. Ein rundum gelungenes Kurzgeschichtenvergnügen!

Veröffentlicht am 09.07.2023

Nothing wrong with you

Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*?
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Wir haben hier ein außerordentlich gutes, übersichtliches und kindgerechtes Sachbuch zum Thema LGBTIQ vorliegen, das auch Erwachsene lesen und verinnerlichen sollten. Dabei geht es um die Auseinandersetzung ...

Wir haben hier ein außerordentlich gutes, übersichtliches und kindgerechtes Sachbuch zum Thema LGBTIQ vorliegen, das auch Erwachsene lesen und verinnerlichen sollten. Dabei geht es um die Auseinandersetzung mit einem Thema, das zeitgenössischer und dringender nicht sein könnte. Die AutorInnen nehmen sich hier viel Zeit, um die Begriffe zu erklären. Was LGB bedeutet, wissen die meisten wahrscheinlich, bei T kommen sicherlich schon einige ins Straucheln und selbst viele gebildete Leute zucken mit den Schultern, wenn es um IQ geht.

Erstmal vorneweg: Alles ist okay. Du stehst als Frau auf Frauen? Ja, ist okay. Nichts falsch mit dir. Als Mann auf Männer? The same. Gleiches gilt, wenn du bi, pan, trans, inter bist. Niemand außer du selbst entscheidet über deinen Körper. Und das wird hier sehr schön zum Ausdruck gebracht. Aber nicht nur die verschiedenen Begriffe werden erklärt, auch Interviews mit Personen geführt, die aus ihren Erfahrungen zum Thema sprechen. Hier wird richtig gut Anstand und Toleranz vermittelt, aber auch nicht nur über Geschlechteridentität und Sexualität erzählt und erklärt, sondern auch über die Freiheit, das zu tun, was einem gut tut, solange man niemandem anders damit schadet. Eine Frau möchte sich nicht rasieren? Ja, dann ist das gut so! Ein Mann möchte ein Kleid tragen oder Nagellack? Bitte, sein gutes Recht. Das ändert nichts am Geschlecht, an der Sexualität, an der Persönlichkeit. Und wer das anders sieht, hat klar mehr Nachholbedarf in Sachen Intelligenz, Anstand, Moral und Toleranz als jede*r andere.

Ein empfehlenswertes Buch für offene Menschen und solche, die es werden wollen, und wie ich finde, eine sehr gute Schullektüre.

Veröffentlicht am 11.06.2023

Gold & Jade

SOL. Das Spiel der Zehn
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Vor langer Zeit hat sich die Gottheit Sol geopfert, um die bösen Obsidians zu besiegen und zu verbannen. Seitdem müssen alle zehn Jahre zehn junge Halbgötter in fünf Prüfungen gegeneinander antreten. Der ...

Vor langer Zeit hat sich die Gottheit Sol geopfert, um die bösen Obsidians zu besiegen und zu verbannen. Seitdem müssen alle zehn Jahre zehn junge Halbgötter in fünf Prüfungen gegeneinander antreten. Der Verlierer wird das nächste Sonnenopfer, der Gewinner trägt das Licht der Sonne. Überraschenderweise wird Teo als einer der Zehn ausgewählt, obwohl er ein Jade-Halbgott, kein Gold-Halbgott ist und nie auf der Akademie für die Kämpfe trainiert wurde. Zum Glück gibt es noch die Gold-Erwählte Niya, seine beste Freundin, und den ebenfalls Jade-Halbgott Xio, wie Teo ein totaler Außenseiter. Sie beschließen zusammenzuhalten und den arroganten Golds zu zeigen, dass sie keine Opferlämmer sind ...

Ich schicke gleich eine Warnung vorweg, für all die Ewiggestrigen, die Diversität für eine eingehende Trockenblume halten und auf zwei Geschlechtern beharren: Ihr werdet hier nicht glücklich. Sucht euch was anderes zu lesen, es wird gegendert und offen mit allen möglichen Sexualitäten umgegangen. Wer sich darauf jedoch einlassen kann, erhält eine spannende Geschichte über Freundschaft, Ethik, Moral, Zusammenhalt, das Hinterfragen von Althergebrachten und die Fähigkeit, über sich hinauszuwachsen: nicht um der eigenen Person willen, sondern wegen des Wohls anderer. Mir hat es sehr gut gefallen und ich hoffe, der/die Nachfolger der Reihe kommen bald.

Veröffentlicht am 07.04.2023

Die unsportlichste Läuferin der Welt ...

Läuft schon!
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... ist so unsportlich gar nicht. Nicole Staudinger behauptet zwar, mit Sport ihre ersten dreißig Lebensjahre nichts am Hut gehabt zu haben, aber sie besitzt auf jeden Fall das wichtigste Rüstzeug für ...

... ist so unsportlich gar nicht. Nicole Staudinger behauptet zwar, mit Sport ihre ersten dreißig Lebensjahre nichts am Hut gehabt zu haben, aber sie besitzt auf jeden Fall das wichtigste Rüstzeug für einen sportlichen Menschen: Disziplin und Ausdauer. Auf diese Weise hat sie mit dem Laufen angefangen - langsam laufen, langsam steigern ist ihr Motto. Besonders bewundernswert finde ich, dass sie sich auch von Rückschlägen nicht vom Laufen abhalten lässt. So bekam sie mit gerade einmal zweiunddreißig, als junge Mutter, die Diagnose Krebs. Sie hat den Krebs besiegt und sich auch wieder auf ihr Lauflevel zurück gekämpft. Ähnlich verhielt es sich, als sie einen Ski-Unfall und sie sich ihre Schulter gebrochen hatte.

Was mir an diesem Buch so gut gefällt, ist, dass sie auf Augenhöhe auch und gerade mit nicht so sportlichen LeserInnen agiert. Sie erzählt von ihrem inneren Schweinehund, von den Tagen, wo es - und zwar oft - einfach nicht so hinhaut. Ihr Motto ist in diesem Fall trotzdem: Einfach mal machen. Und dann macht sie es. Selbst wenn es über die gesamte Laufstrecke an dem Tag nicht passt - hinterher hat man immer ein gutes Gefühl. Doch sie erzählt auch vom Runner's High, diesem beinahe tranceähnlichen Zustand, in dem man glaubt, die Welt aus den Angeln heben zu können. Ob das zutrifft oder nicht: Als Motivation zum Anfangen und Durchhalten für Laufanfänger ist das Buch auf jeden Fall geeignet.