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Veröffentlicht am 23.07.2023

Enttäuschend uninspiriert

1989 - Wahrheit oder Tod
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Die Pressekonzentration hat Ende der achtziger Jahre rasant zugenommen, fast alle Printmedien befinden sich mittlerweile in den Händen zweier einflussreicher Mogule. Einer ist Ace Lockhart, Allie Burns‘ ...

Die Pressekonzentration hat Ende der achtziger Jahre rasant zugenommen, fast alle Printmedien befinden sich mittlerweile in den Händen zweier einflussreicher Mogule. Einer ist Ace Lockhart, Allie Burns‘ neuer Chef. Skrupellos, nur den Verkaufszahlen und dem Profit verpflichtet. Auch das Nachrichtenmagazin, für das sie arbeitete, ist im Besitz Lockharts und zu dem typischen Tabloid mit den reißerischen Schlagzeilen verkommen. Investigativer Journalismus ist nicht mehr gefragt, was die mittlerweile in Manchester lebende Allie schmerzhaft feststellen muss. Eine ihrer Reportagen, die die unhaltbaren Zustände in der (Nicht-)Behandlung von HInfizierten in Schottland, deren Übersiedlung nach England und den Machenschaften der Pharmaindustrie schildert, erscheint zwar, wurde allerdings auf Anweisung des Herausgebers stark modifiziert und hat nichts mehr mit Allies eigentlichem Artikel zu tun.

Es hätte dem Roman mit Sicherheit nicht geschadet, wenn McDermid tiefer in diese Themen eingestiegen wäre. Ob das nun die Pressekonzentration und ihre Auswirkungen, die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen in den überwiegend männlich geprägten Redaktionen, die verheerenden Auswirkungen, die Thatchers Politik für GB hatte, Aids im Spiegel der Öffentlichkeit, die Katastrophen von Lockerbie und Hillsborough (werden zumindest am Rande erwähnt) und…und…und

Stattdessen schickt McDermid ihre Protagonistin nach Ost-Berlin, wo diese sich in eine mehr als lächerliche Fluchtgeschichte verwickeln lässt, die sie – natürlich – in den Stasiknast bringt. Aber es geht noch wesentlich schlimmer. Die gefakte Entführung von Tycoons Töchterlein.Was sich die Autorin dabei gedacht hat, lässt sich noch nicht einmal vermuten. Für die Handlung war dies jedenfalls meiner Meinung nach überflüssig wie ein Kropf.

Langer Rede, kurzer Sinn:1989“ ist enttäuschend uninspiriert und hält dem Vergleich mit dem Vorgänger leider in keinster Weise stand. Von der gelernten Journalistin Val McDermid erwarte ich mehr als eine Aneinanderreihung uninteressanter Ereignisse und eine Playlist am Ende des Buches.

Veröffentlicht am 20.07.2023

Biedere Hausmannskost ohne Raffinesse

Trügerisches Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 9)
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Urlaubskrimis haben Hochkonjunktur, und es gibt kaum eine Region, die außen vor bleibt. Mit Abstand am beliebtesten bei den Leserinnen und Lesern ist Frankreich, und neben der Bretagne insbesondere die ...

Urlaubskrimis haben Hochkonjunktur, und es gibt kaum eine Region, die außen vor bleibt. Mit Abstand am beliebtesten bei den Leserinnen und Lesern ist Frankreich, und neben der Bretagne insbesondere die sonnige Provence Hier ist Remy Eyssens Lavandou-Reihe verortet, in deren Zentrum der aus Deutschland stammende Gerichtsmediziner Leon Ritter samt seiner Lebensgefährtin Isabelle Morell, stellvertretende Polizeichefin der ortsansässigen Polizei, steht.

Im neunten Band „Trügerisches Lavandou“ hält eine Kindesentführung das Team rund um Isabelle in Atem. Die beiden Kleinkinder Lucas und Luisa sind verschwunden und die Lösegeldforderung des Entführers stellt die verschuldeten Eltern vor große Probleme. Es gibt zahlreiche Hinweise und Verdächtige, aber im Laufe der Ermittlungen erweisen diese sich immer wieder als falsche Fährten. Das Interesse der Medien ist groß, die Zeit drängt und mit jedem Tag, der ergebnislos verstreicht, sinkt die Wahrscheinlichkeit, die Kinder lebend aufzufinden und zu ihrer Familie zurückzubringen.

Dieser Band der Reihe hat meine Geduld deutlich überstrapaziert. 530 Seiten Ermittlungsarbeit, die sich permanent im Kreis dreht und zu keinen neuen Ergebnissen kommt. Verdächtigungen und Nachforschungen, die sich nach kurzer Zeit als heiße Luft entpuppen. Unnötig aufgeblasene, unglaubwürdige Story. Zäh, langatmig und mit jeder Menge Wiederholungen. Die üblichen Außenseiter mit ihren Macken, die sie natürlich sofort an exponierte Stelle im Kreis der Verdächtigen katapultieren. Konventioneller, altbackener Stil. Dazu dann noch die zahlreichen Passagen aus dem Zettelkasten, die wir fast wortgetreu bereits in den Vorgängern gelesen haben. Das unvermeidliche Boule-Match mit den überheblichen Touristen, „La Mer“ im Radio Nostalgie (haben die nur diesen einen Tonträger?) und die Beschreibung der Vegetation, wobei letzteres noch das Beste an diesem Krimi ist. Zuletzt die Hoppla Hopp-Auflösung mit dem wenig schlüssigen Motiv. Enttäuschend.

Biedere Hausmannskost ohne einen Funken Raffinesse. Schade, denn die Vorgänger habe ich gerne gelesen.

Veröffentlicht am 08.07.2023

Alles Käse...

Bleich wie der Mond
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So schmeckt der Sommer auf Capri: Sonnengereifte Tomaten, aromatisches Basilikum, ein feines Olivenöl und natürlich Mozzarella, am besten aus der Milch von artgerecht gehaltenen Büffeln produziert. Und ...

So schmeckt der Sommer auf Capri: Sonnengereifte Tomaten, aromatisches Basilikum, ein feines Olivenöl und natürlich Mozzarella, am besten aus der Milch von artgerecht gehaltenen Büffeln produziert. Und genau darum geht es in Luca Venturas neuem Capri-Krimi „Bleich wie der Mond“, der Reihe mit den Inselpolizisten Enrico Rizzi und der aus dem Norden nach Capri strafversetzten Antonia Cirillo. Über den Grund dafür lässt uns der Autor selbst nach mittlerweile vier Bänden im Unklaren. Wahrscheinlich ist ihm selbst bisher noch keine schlüssige Begründung eingefallen. Man merkt es, I’m not amused…

Nino Castaldo, Inhaber eines Familienunternehmens in Anacapri, das sich auf die Herstellung von handgezogenem Büffelmozzarella spezialisiert hat, wird frühmorgens tot in einem seiner Milchbottiche aufgefunden. Rizzi wird in die Molkerei beordert und stellt fest, dass dieser ermordet wurde. Gemeinsam mit seiner Kollegin Antonia nimmt er die Ermittlungen auf und stößt in ein Wespennest aus familiären Zwistigkeiten und den erwartungsgemäßen Einlassungen zu Tier- und Umweltschutz.

Es gibt kaum etwas, was an diesem Kriminalroman lobenswert ist. Ein Urlaubskrimi lebt von den Beschreibungen der Orte. Die gibt es zwar, aber leider sind sie weder atmosphärisch noch informativ, so dass sie kaum Lust auf einen Capri-Urlaub machen. Am interessantesten sind noch die Beschreibungen der Mozzarella-Produktion. Was komplett vernachlässigt wird und dem Autor keine Erwähnung wert ist, sind die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Kampaniens, einer Region, die für ihre europaweit höchste Arbeitslosigkeit bekannt ist.

Die Story ist dünn, plätschert vor sich hin, unterbrochen von dem belanglosen Geplapper sowohl der Verdächtigen als auch Rizzis, der im familieneigenen Garten Gemüse erntet und sein Schrottauto fahrtauglich macht. Der Plot ist bieder, bietet weder Spannung noch Tempo, die Personen sind flach gezeichnet und uninteressant.

Aber falls sich jemand dafür interessiert, wie handgezogener Büffelmozzarella hergestellt wird, ist er hier an der richtigen Adresse.

Veröffentlicht am 13.04.2023

Eine herbe Enttäuschung

Kretische Nacht
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Man nehme: Eine Urlaubsinsel samt einem bei Pauschaltouristen beliebten Ausflugsziel, garniere es mit einem Bootsunglück samt dreier Toten, das Fragen aufwirft und die Polizei auf den Plan ruft, würze ...

Man nehme: Eine Urlaubsinsel samt einem bei Pauschaltouristen beliebten Ausflugsziel, garniere es mit einem Bootsunglück samt dreier Toten, das Fragen aufwirft und die Polizei auf den Plan ruft, würze in homöopathischen Dosen mit dem einen oder anderen Problem, in diesem Fall Hotelbauten an landschaftlich schützenswerten Stellen sowie die Vorgehensweise der Behörden bei archäologischen Funden, rühre zaghaft um und stäube zur Garnitur noch etwas Privatleben der Ermittler darüber…und voilà, schon hat man die Zutaten für „Kretische Nacht“.

Es ist offensichtlich, dass dieser fünfte Band der Reihe, gerade nach dem gelungenen Vorgänger, für mich eine herbe Enttäuschung war. Das Buch mag ja als Pool-Lektüre taugen, aber alles in allem folgt es doch nur den oberflächlichen und ausgetretenen Pfaden der üblichen Urlaubskrimis. Die Personen bleiben blass, allen voran Michalis, der einerseits permanent über die beruflich bedingte Abwesenheit von Hannah jammert und sie mit SMSsen zutextet, andererseits aber immer wieder betont, dass für ihn dieser „alternative“ Beziehungsentwurf okay ist. Was denn jetzt?

Ein Krimi, der überall verortet hätte sein können, wären da nicht die permanenten Erwähnungen von Frappé, diesmal sogar metrio für Koronaios (Ironie aus) und die Erwähnung von Balos und Falassarna gewesen. Aber selbst diese Beschreibungen beschränken sich auf die Schotterpistenzufahrt, das tiefblaue Wasser und den Sandstrand. Sehr oberflächlich abgehandelt und höchstens geeignet für Pauschaltouristen, die lediglich Sonnen und Meer suchen und sich weder mit der kretischen Vergangenheit noch mit dem Alltag auf der Insel auseinandersetzen wollen. Permanente Wiederholungen….und das Geheimnis des Revierleiters von Kissamos, geschenkt. Die Probleme, die sich durch archäologische Funde und/oder geplanten Bebauungen in schützenswerten Bereichen der Insel ergeben, werden leider auch nur angerissen. Oberflächlich, zäh und nervig durch die permanenten Wiederholungen, dazu ohne Spannung und Atmosphäre. Nicht gelungen!

Veröffentlicht am 29.01.2023

Nicht überzeugend!

Stigma (Milosevic und Frey ermitteln 1)
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Thriller, in denen Gewalt gegen Frauen im Mittelpunkt steht, meide ich üblicherweise wie die Pest, vor allem dann, wenn es um das in diesem Genre gerne genommene Thema Sexualisierte Gewalt geht. Dass ich ...

Thriller, in denen Gewalt gegen Frauen im Mittelpunkt steht, meide ich üblicherweise wie die Pest, vor allem dann, wenn es um das in diesem Genre gerne genommene Thema Sexualisierte Gewalt geht. Dass ich dennoch zu „Stigma“ gegriffen habe, hat zwei Gründe. Zum einen wurde es mit den Aussagen „Für alle, die es leid sind, immer wieder dieselbe Geschichte über ermordete Frauen zu lesen: Dieses Buch ist für Euch.“ und „Auftakt einer feministischen Thriller-Serie“ beworben, zum anderen verbergen sich hinter dem Pseudonym Lea Adam die beiden Autorinnen Regina Denk und Lisa Bitzer, was mich auf das entsprechende Fingerspitzengefühl und den sensiblen Umgang mit dieser Thematik hoffen ließ. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn ich zuerst nach einer Leseprobe geschaut hätte, denn bereits während des Prologs löste sich diese Hoffnung in Luft auf und es war klar, wohin die Reise geht.

„Stigma“ ist ein Thriller über Selbstjustiz, Rache und Schuld, aber ist es auch ein feministischer Thriller? Diese Bezeichnung greift nur dann, wenn man damit zufrieden ist, dass weibliche Opfer von männlicher Gewalt zu Täterinnen werden und somit die Geschlechterrollen umkehren. Natürlich ist diese Selbstjustiz ein nachvollziehbar, aber dennoch sollte, ja muss man sie infrage stellen, wenn man den eigenen moralischen Kompass nicht aus den Augen verlieren will. Stellt sich allerdings die grundlegende Frage, ob es wirklich notwendig ist, eine Vergewaltigung oder einen Mord im Detail zu beschreiben, um Spannung zu erzeugen. Ich bin wirklich nicht zimperlich, aber das war selbst mir über weite Strecken zu viel, zu undifferenziert und konnte mich deshalb nicht überzeugen.