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LindaRabbit

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Veröffentlicht am 28.07.2023

Ungeahntes, was zuerst harmlos daher kommt...

Nachts erzähle ich dir alles
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Nach 18 Jahren wieder einmal Urlaub an der Côte d‘Azur. In der alten Villa der Familie, wo Léa als Kind, als Heranwachsende öfters war und dann nicht mehr (oh, hätten wir eine Villa am Meer, ich wäre schon ...

Nach 18 Jahren wieder einmal Urlaub an der Côte d‘Azur. In der alten Villa der Familie, wo Léa als Kind, als Heranwachsende öfters war und dann nicht mehr (oh, hätten wir eine Villa am Meer, ich wäre schon öfters hingefahren…). Ihre Mutter empfiehlt das dringend, damit sich die Tochter vom Stress in ihrem kleinen Unternehmen erholt.

Es sind eindringliche Worte, von der Autorin gewählt, gleich zu Beginn mit dem ‚Alpenglühen‘ im Zug und den Augen, die endlich zufallen…Der Bewusstseinsstrom, die Gedanken ziehen vorbei, lassen zuerst nicht einschlafen und dann doch träumen… dazwischen noch Gedanken an die Buchhaltung.
Und dann: Vom Ankommen und dem, Schritt für Schritt, Wiedererkennen. Sich einen Wein auf der Terrasse gönnen und dann dieses Rascheln der jungen Frau, die plötzlich auftaucht. Damit beginnt ein Abenteuer, das zu sich selbst führt. Statt Erholung und Entspannung tief schürfende Gedanken… vor allem zu der jungen Frau. Denn es taucht Emile auf, dessen Schwester die junge Frau war. Damit beginnen Gespräche, die – man mag es kaum glauben – diese Idylle um einiges erschweren. Es geht um eine Abtreibung, um das Leben der jungen Menschen in Saint Martin. Um zerplatzende Seifenblasen, um das was Léa als Kind so angenehm empfunden hat.

Der Titel hätte mich nicht abgeholt. Könnte auch ein Krimi sein, wo nachts das Schlimme passiert. Das Umschlagsbild hat mich auch zuerst nicht interessiert. Schönes Mittelmeerambiente, nur die skeptisch blickende junge Frau wirft offene Fragen auf, warum schaut sie so skeptisch? Doch der Roman ist vielmehr als ein Wohlfühlroman, oder ein Krimi, zumindest der Klappentext gibt bereits Hinweise. Als interessierte Leserin lese ich mich in die ersten Seiten ein und merke, das ist wirklich Hochkarätiger als mir Titel und Titelbild suggerieren…
Doch selbst eine Prise Humor ist – trotz der Strenge der Gespräche – zu finden. Ganz zu Beginn, Léa, erschöpft von der Arbeit im Cafe und von einer Trennung, fällt in einen Sekundenschlaf, rammt ein anderes Auto. Der Arzt im Krankenhaus sieht ihr die Erschöpfung an, sagt ‚Sie müssen dringend auf die Bremse treten‘, Léa schlagfertig, ‚dafür ist es jetzt wohl zu spät...'

Seit einiger Zeit sehe ich immer eine 'play list' in Büchern. Wie im Abspann von Filmen. Muss das jetzt so sein? Ist das ein Hinweis darauf, dass vielleicht schon ein Film ansteht oder bitte, bitte die Verfilmung erfolgen soll?

Doch allem in allem – der Roman ist es wert gelesen zu werden!

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Veröffentlicht am 24.07.2023

Das wilde Mädchen, der Wald und die wilde Stadt

October, October
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Katya Balen, October October. Die weite, wilde Welt wartet auf mich

Wildes Leben: October lebt im Wald mit ihrem Vater, eins mit der Natur. Es folgen sehr schöne Naturbeschreibungen, jedoch mystisch durchsetzt ...

Katya Balen, October October. Die weite, wilde Welt wartet auf mich

Wildes Leben: October lebt im Wald mit ihrem Vater, eins mit der Natur. Es folgen sehr schöne Naturbeschreibungen, jedoch mystisch durchsetzt durch die Ich – Erzählerin (October).

Der Einstieg in dieses märchenhafte Jugendbuch (ab 11 Jahren) beginnt im Wald. October ist ein wildes Mädchen, dem viel Freiraum erlaubt wird. Unterrichtet von ihrem Vater, liest sie viel, beschäftigt sich mit der Natur, lebt eben in diesem Wald. Sie lernt vom Wald und sie liebt den Wald.
Sie lebt mit den Zeiten, den Jahreszeiten, den Tieren und dem Wachsen der Bäume. Ihr Vater kümmert sich um die Waldbäume. Er will ebenfalls, so wie sie, nirgendwo anders leben als im Wald, mit seiner Stille, den Waldbegebenheiten und den Waldschönheiten. Die Stadt, selbst das nahe liegende Dorf, verunsichert October. Die dortige Lärmkulisse bringt sie fast um den Verstand. Doch im Wald sind sie sich selbst - so heulen October und ihr Vater den Vollmond wie Wölfe an, einmal im Jahr - im Oktober - springen sie in den eiskalten See, ertragen die Kälte. Sie züchten ihr eigenes Gemüse, sie finden alles was sie brauchen im Wald und dazu findet October auch noch 'Schätze'.

Doch October hat – trotz ihrer Intelligenz, trotz ihrer Liebe zum Wald und ihrer Freiheit tun und lassen zu können, was sie will – auch eine wilde Seite, wie eine Amazonenkriegerin. Sie kann urplötzlich brüllen und dann passieren schlimme Sachen. Als ihre Mutter zu ihrem elften Geburtstag kommt, läuft sie davon und klettert einen hohen Baum hoch. Ihr Vater will ihr hinterher, um sie zurückzuholen, und stürzt dabei ab. Schwerkrank liegt er nun im Krankenhaus und sie muss zu dieser fremden Frau, die sie nur die Frau, die meine Mutter ist, nennt.
October hat einen starken eigenen Willen. Im Wald kann sie das ausleben und ihr Vater lässt ihr alle Freiheiten. Doch in der Gemeinschaft, Schule, in der Stadt, muss sie lernen Teil der Gemeinschaft zu sein. Ein interessanter Lernprozess...

October ist eine Erfinderin von Geschichten, ebenso wie die Autorin Katya Balen. Mit wunderschönen Worten und Beschreibungen berichtet die Autorin von einem Mädchen, was dann auch lernt in der Stadt ihre Wege zu gehen (mudlarking) und selbst in der Schule mit ihrem Freund Yussuf Geschichten zum Besten gibt… Nur gelegentlich, wenn ihr Gehirnsalat zu wild wird, dann dreht October durch… Es zeigt den Lernprozess eines kleinen Mädchens, sich als Teil des Ganzen zu begreifen. Dieses Jugendbuch, wunderschön geschrieben ist wieder ein Mutmacherbuch, sei wie du bist und arrangiere dich mit den anderen… irgendwie wird das dann schon klappen.

Sprachlich interessant geschrieben. Es geht um Neurodiversität. Das Titelbild sieht anregend aus, fast schon märchenhaft, haptisch toll gemacht mit der kleinen Schleiereule Stig und deutet sehr gut auf den Inhalt, das Wilde und das Natürliche. Also passend zum Buch.

Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 15.07.2023

Ricci und Mats, ein ungleiches Paar

Luftmaschentage
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Ein Mädchen, das extrovertiert ist, und das andere, was introvertiert ist... Gegensätze ziehen sich doch an, oder?

Dieses Jugendbuch, als eine authentische Geschichte im Klappentext beschrieben, ist wirklich ...

Ein Mädchen, das extrovertiert ist, und das andere, was introvertiert ist... Gegensätze ziehen sich doch an, oder?

Dieses Jugendbuch, als eine authentische Geschichte im Klappentext beschrieben, ist wirklich sehr authentisch, sensibel und herzergreifend geschrieben. Der Stil ist hervorragend. Aus der Perspektive von Matea (Mats) erzählt, unterlegt mit Textnachrichten (SMS) an Riccarda (Ricci):
Eine völlig schüchterne Mats bringt in der Öffentlichkeit kaum ein Wort über die Lippen. In der Schule akzeptieren die Lehrkräfte diese stumme Mats, denn sie ist eine 1a Schülerin. Die Höchstnoten erhält sie jedoch nie, weil sie eben nicht redet. Zu Hause in der Familie spricht sie schon, aber nicht viel, sie will ihre Ruhe haben und in ihrer Welt leben. Mit manchen Freundinnen, z.B. der alten Loose, tut sie aber schon reden, denn die verstehen sie. Und die alte Loose bringt ihr auch das Stricken und Häkeln bei.
Kommen wir also zum Titel, der einfach genial ist - ‚Luftmaschentage‘… diese Mats hat sich zu einer Guerillastrickerin entwickelt, die mit Wolle der Loose, an sie vererbt, alles bestrickt und behäkelt, ein Baum, Gartenzaun und dann diese Jungenskulptur.
Die anderen in der Schule halten Mats für bekloppt und eine moppt sie massiv. Mats will nur eine Freundin, eine beste Freundin. Die findet sie schließlich in Ricci. Ricci ist das totale Gegenteil von Mats, sie redet viel und aggressiv, geht andere auch körperlich an, vor allem, wenn es um ihre Freundin Mats geht.
Die Mädchen sind talentiert (Mats, die gute Schülerin, die Strickerin mit tollen Ideen zur Verschönerung ihrer Umgebung; Ricci, die großartige Zeichnerin und treue Freundin, die sich auch belehren lässt, trotz ihres misslichen Umfeldes).

Was immer passiert ist, dass Mats nicht redet, wird nicht näher beschrieben, aber wie sie sich fühlt. Riccarda, die Neue in der Klasse ist das genaue Gegenteil von Mats, die Schüchterne (Madame Schüchtern im Bauch, diese breite Tante Krake, die sich sofort meldet, wenn irgendetwas passiert, was Mats nicht verarbeiten kann). Ricci, die Aggro. Ricci ist die Einzige, die von der Krake erfährt und sie sogar zeichnet. Doch auch Ricci hat ihre Geheimnisse, die sie nicht äußert. Und Mats will ihnen auf die Spur kommen, weil sie eben die beste Freundin von Ricci sein will.

Es ist eine unglaublich tolle Geschichte, wie diese Entwicklung zwischen den beiden Mädchen beschrieben wird, dazu kommen noch Yasser und Leon...
Das Titelbild dazu ist einfach super, ein Guerillastrickbaum, sehr bunt, ein bestrickter Baum, auf dem die beiden Mädchen sitzen und mit Wollfäden hantieren. Auffallend und passend zur Geschichte.

Der Beltz - Verlag, bekannt für ausgezeichnete Jugendbücher, hat mit Anne Beckers Roman wieder ein preiswürdiges Buch auf den Markt gebracht. Die Autorin selbst, eine studierte Sonderpädagogin, arbeitet als Förderschullehrin und weiß wovon sie schreibt. Das Buch, was mich total faszinierte und auch für Ältere, jenseits der Pupertät, interessant ist, verdient ein breites Publikum.

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Veröffentlicht am 11.06.2023

Der Wald, der Mensch, Bedeutung & Nutzung

Die Sache mit dem Wald
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Prof. Dr. Dr. Sven Herzog, Autor des Sachbuchs "Die Sache mit dem Wald", leistet mit seinem Buch einen wichtigen und bereichernden Beitrag zur Diskussion ‚Wald‘.

Unterschiedliche Nutzungsgruppen haben ...

Prof. Dr. Dr. Sven Herzog, Autor des Sachbuchs "Die Sache mit dem Wald", leistet mit seinem Buch einen wichtigen und bereichernden Beitrag zur Diskussion ‚Wald‘.

Unterschiedliche Nutzungsgruppen haben unterschiedliche Einstellungen zum Wald:
Da sind zum einen die Waldbewirtschafterinnen (viele Waldstücke sind im Privatbesitz, was die durchschnittliche Waldbenutzerin nicht weiß), da sind staatliche und städtische Försterinnen, da sind Jagdgesellschaften, da sind einfache Waldlustwandlerinnen, die lediglich Waldbaden machen wollen, die Bergwandern wollen und sich an der Natur erfreuen…
Diese unterschiedlichen Interessen gilt es unter einen Hut zu bekommen.
Und vor allem - Waldstücke sind bei uns frei begehbar und besuchbar. Das ist weltweit nicht die Regel... Lediglich jagen und fischen ist nicht erlaubt, nur mit Ausweis. Alles hat historische Wurzeln...

Herzog betrachtet den Wald nun aus diesen diversen Ecken: Denn der Klimawandel schädigt den Wald (Fichten, Erlen etc. leiden bereits beachtlich)
Was ist dabei die Funktion und die Rolle der Forstwirtschaft? Und was tun die Waldtiere (Wildbestand, auch Neuzuwachs wie Wölfe, Elche, eventuell Bären, Luchs, Wildkatze etc.) dazu? Denn Biodiversität, Klimaschutz und Erholung schließen sich nicht aus im Biotop Wald.

Wissenschaftlich fundiert, doch auch für Laien verständlich beschrieben; mit sehenswerten und interessanten Fotos lockert der Autor den Text auf.
Die Themen sind reichhaltig. Informativ fand ich vor allem die historische Entwicklung von Waldnutzung und den menschlichen Eingriff (Störung, Zerstörung, Wiederaufbau).
Bekannt ist aus vielen Regionen, nicht nur Deutschland, dass 'der Mensch' Waldflächen massiv störte und zerstörte - die Sahara war mal grün... Von diesem Buch kann man lernen, was 'der Mensch' bereits getan hat und was er verursacht, wenn nicht kluge Menschen lenken...

Für mich definitiv ein gutes Buch!

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Veröffentlicht am 06.06.2023

Kingsbridge, 12. Jahrhundert

Die Säulen der Erde
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Ken Follett, der unglaublich großartige Romancier, der historische Romane schreibt, die süchtig machen:

Die Säulen der Erde, ein fast 1300 Seiten umfassendes Epos und Vorgängerbuch zu dem berühmten Roman ...

Ken Follett, der unglaublich großartige Romancier, der historische Romane schreibt, die süchtig machen:

Die Säulen der Erde, ein fast 1300 Seiten umfassendes Epos und Vorgängerbuch zu dem berühmten Roman 'Die Tore der Welt'. Der Roman spielt in Kingsbridge und wiederum mit den gleichen Propagandisten wie im Folgeband. Philip, der junge Prior von Kingsbridge, ehrgeizig, gottesfürchtig und hingebungsvoll bezüglicher seiner Kirche, unnachgiebig gegenüber jenen, die seinen (ehrbaren) Zielen gegenüber treten. Sein Baumeister (für die wunderbare Kathedrale von der Philip träumt) Tom Builder, sein Sohn Jack (das angebliche Findelkind), die Grafentochter Aliena, mit der übel mitgespielt wird, und natürlich die schrecklichen Widersacher adliger und auch kirchlicher Natur.
Aus diesen Helden, Heldinnen und Gegenspieler hat Follett wieder einen wunderbaren Roman gezaubert, der einem mitnimmt in die Jahre 1123 bis 1173 und der die unnachgiebige Zeit des 12. Jahrhunderts erklärt, wo oft noch das Recht des Stärkeren gilt.
Auf den rund 1300 Seiten entwickelt sich eine pralle Lebensgeschichte um die Gemeinde Kingsbridge nach historischem Vorbild mit Erfolgserlebnissen, mit Niederlagen, mit Zerstörungen und mit raffinierten Plänen, um sich den Widersachern zu erwehren...

Wer Mittelalterliches liebt, wer gerne gut recherchierte Historienromane mit nicht einfachen Liebesgeschichten liebt kommt bei diesem Roman - mit einiger Geduld - auf seine Kosten. Es ist ein Buch, was einen sofort in den Sog der Geschichte hineinzieht...man leidet und liebt mit den Hauptgestalten mit...

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