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Veröffentlicht am 20.08.2023

Wenn Gewalten aufeinandertreffen

Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Die Poesie der Liebe
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Die feinsinnige, intellektuelle Lyrikerin Ingeborg Bachmann und der bodenständige schweizerische Dramatiker Max Frisch – die Biographie dieser Beziehung hat mich vom ersten bis zum letzten Satz begeistert. ...

Die feinsinnige, intellektuelle Lyrikerin Ingeborg Bachmann und der bodenständige schweizerische Dramatiker Max Frisch – die Biographie dieser Beziehung hat mich vom ersten bis zum letzten Satz begeistert. Vor allem weil es sich keineswegs um eine nüchterne Erzählung handelt, sondern das Überschäumende, das Aufsprudelnde, die Veränderung im Fluss die Beziehung der beiden so unterschiedlichen Charaktere so lebendig macht. Ingeborg und Max sind wie zwei Flüsse, die rauschend zusammenströmen, um Verwirbelungen zu bilden, Strömungen auszulösen – und sich am Ende wieder in getrennte (Fluss-)Bette zu teilen.

Schon von Beginn an ist der Unterschied zwischen den beiden Persönlichkeiten spürbar, aber da überwiegt deren Wille, sich durch gemeinsame Schöpferkraft als Paar zu finden und zu erfinden. Doch nachdem sich der erste Rausch allmählich legt, brechen die Gräben hervor und im Grunde ist das Scheitern schon angelegt, wie es im Roman heißt: „Wir scheitern an uns selbst. Ich an dir und du an mir.“ Da ist nicht nur die unterschiedliche Herangehensweise der beiden Literaten. Ingeborg ist eine Künstlerin durch und durch, feilt an jedem Wort, an jedem Klang, zeichnet sich vor allem durch Feinsinn aus. Max hingegen ist Pragmatiker, im Herzen immer noch Architekt und geht daher seine literarischen Projekte beinahe technisch an. Es ist auch Frischs rasende Eifersucht. Wahnsinnig aufschlussreich auch die Ausführungen zu Paul Celan, der als Dritter nicht nur im Buch, sondern auch stets in der Beziehung an Bord ist. Unvergessen die Bergwanderung von Frisch und Celan, die in Dramatik und Symbolik geradeweg einem Roman von Max Frisch entsprungen sein könnte!

Vor der Lektüre des Romans waren mir vor allem das Werk und die Biographie von Max Frisch vertraut und ich mochte die zahlreichen Anspielungen auf Stiller, Homo Faber etc., während mir Ingeborg Bachmann zwar ein Begriff, jedoch nicht wirklich näher bekannt war. Die Romanbiographie hat es geschafft, das Bild beider Personen für mich zu verändern. So habe ich „die Bachmann“ nähergebracht bekommen, während mein Bild von Max Frisch wesentlich differenzierter wurde.
Für mich war es beim Lesen vor allem diese Kraft, die sich im Zusammenspiel der beiden Literaten ergibt: „Er brachte Dinge sprachlich auf den Schmerzpunkt, sie gab ihnen Raum, Weite, verlieh ihnen Flügel“. Genau dieses Spannungsfeld macht den Reiz der wunderbaren Romanbiographie aus!

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Veröffentlicht am 19.08.2023

Tauwetter im Herzen

Herr Winter taut auf
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Ja, man dürfte Herrn Winter durchaus als „grumpy“ bezeichnen. Der Finanzbeamte kann und will eigentlich nicht mit anderen Menschen, und sein Humor ist so trocken, dass es rieselt. Zum Glück hat er mit ...

Ja, man dürfte Herrn Winter durchaus als „grumpy“ bezeichnen. Der Finanzbeamte kann und will eigentlich nicht mit anderen Menschen, und sein Humor ist so trocken, dass es rieselt. Zum Glück hat er mit seiner Sophia einen wahren Sonnenschein an seiner Seite, und gemeinsam wollen sie nun die Zeit nach seiner Pensionierung genießen. Soweit der Plan. Doch dann stirbt Sophia plötzlich bei einem Unfall, und Herr Winter steht ganz alleine da. Das Verhältnis zur Tochter schwierig, das zum Enkel quasi nicht vorhanden, keine Freunde – Sophia war einfach Robert Winters Bindeglied zur Welt und reißt nun eine riesige Lücke in aller Leben.

Hier spielt der Roman seine große Stärke aus, denn er stellt sich durchaus der Trauer von Herrn Winter, lässt die traurigen und schmerzhaften Gefühle zu, und schafft es dennoch mit Humor, die Geschichte und die Geschicke umzulenken. Denn nachdem er den tiefsten Punkt erreicht hatte, schafft Robert Winter es tatsächlich mit Hilfe von Sophias Freundin Lilli, zurück ins Leben zu finden. Und zwar nicht einfach zurück in sein altes, grummelndes Dasein, sondern dies tatsächlich als eine Chance für einen Neustart zu begreifen. So wird aus dem ehemaligen Finanzbeamten unverhofft ein AVON-Berater – er übernimmt den Bestand seiner Sophia, um für sie gegen deren ewige Konkurrentin Wilma Sangthong zu gewinnen.

Es war einfach köstlich zu lesen, wie sich Robert in die Welt von Make-up und Mascara einarbeitet! Und vor allem die ersten Kundenbegegnungen waren einfach zum Kaputtlachen, wenn er seinen nicht vorhandenen Charme durch trockene Sprüche ausgleicht! Herrlich! Dabei verkommt Robert Winter jedoch nicht zur stilisierten Komikfigur, sondern wir erleben auch seine zutiefst menschliche Seite, durchleiden mit ihm alle Entwicklungen – nicht nur beruflich, sondern auch im Verhältnis zu seiner Tochter und dem Enkel – und nicht zuletzt zu sich selbst. Selten lagen Schluchzen und Lachen so nah beieinander. Ein wirklich wunderbar warmherziger Roman, den ich sehr gerne gelesen habe und nur weiterempfehlen kann!

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Veröffentlicht am 26.07.2023

Kölsche Lebensart trifft auf kubanische Gelassenheit

Mein Herz in Havanna
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Eigentlich ist es nicht das Fernweh, das Maike nach Kuba zieht, und auch kein Pioniergeist. Eher verletzter Stolz, denn ihre Zwillingsschwester Sarah ist nach einem Aufenthalt in Australien nicht wieder ...

Eigentlich ist es nicht das Fernweh, das Maike nach Kuba zieht, und auch kein Pioniergeist. Eher verletzter Stolz, denn ihre Zwillingsschwester Sarah ist nach einem Aufenthalt in Australien nicht wieder zurückgekommen, sondern bei ihrer großen Liebe Jake geblieben. Als alleingelassene Hälfte muss Maike sich neu finden, und das möchte sie bei der Arbeit bei einer Hilfsorganisation auf Kuba tun. Dort wird sie schon sehnsüchtig erwartet von Mateo, der sich immer ganz besonders „hingebungsvoll“ um die Neuen kümmert. Doch an Maike beißt er sich mit seinem Charme die Zähne aus. Vorerst jedenfalls.

Die Geschichte von Maike und Mat ist mit Humor und sehr viel Gefühl erzählt. Ganz besonders gefielen mir die Entwicklungen, die beide im Verlauf der Handlung durchlaufen. Denn keineswegs sind es glatte Charaktere, sondern Matteo entwickelt sich vom Schwerenöter zum verantwortungsbewussten Teamleiter, und Maike reift in ihrer Persönlichkeit ebenfalls erstaunlich.

Was ich an den Büchern vom Flamingo Tales Verlag jedoch besonders schätze, sind die wahnsinnig spannenden und hochinteressanten Erfahrungen, die weit über touristische Erlebnisse hinausgehen. So waren mir zwar die politische Lage und die angespannte wirtschaftliche Situation in Kuba durchaus bekannt, aber der Roman lässt das Leben vor allem in Havanna ganz lebendig vor den Augen der Lesenden auferstehen. Da wird kreativ Baumaterial organisiert, und man geht niemals ohne Tüte aus dem Haus, denn man könnte ja tatsächlich einem Straßenhändler mit Waren begegnen. Besonders großartig geschildert sind der Zusammenhalt und die entspannte Haltung der Menschen in Kuba. Dabei wird nichts beschönigt, da wird schonungslos von herabstürzenden Balkonen und einstürzenden Wänden berichtet, was der ganzen Geschichte wunderbar viel Authentizität verleiht.

Eines muss aber noch festgehalten werden: Meine absoluten Lieblinge waren die beiden Omas Carmen und Marianne, die mich mit ihrem Auftritt mit kubanischem und kölschem Liedgut Tränen haben lachen lassen! Einfach genial! Ein wunderbares Buch!

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Veröffentlicht am 25.07.2023

Ich glaub mein Schwein kocht

Chef's Kiss
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Ben Cook hat sein Studium erfolgreich beendet und möchte nun beruflich und schreibend durchstarten, doch die süße Graphic Novel legt den Finger genau in die realitätsnahe Wunde: Als Frischling soll er ...

Ben Cook hat sein Studium erfolgreich beendet und möchte nun beruflich und schreibend durchstarten, doch die süße Graphic Novel legt den Finger genau in die realitätsnahe Wunde: Als Frischling soll er möglichst schon mehrere Jahre Berufserfahrung mitbringen, für die ihm jedoch niemand eine Chance geben will. Scheitern ist nicht, und so sucht Ben Alternativen und macht tatsächlich seinem Namen alle Ehre, als er in einem Restaurant anfangen will. Um diesen Job zu ergattern, braucht er zwar keine Erfahrung, muss aber praktische Prüfungen seines strengen Chefs bestehen. Zum Glück ist Ben nicht allein, denn er lebt in einer tollen WG mit guten Freunden, die hinter ihm stehen, und bei der Arbeit erfährt er ebenfalls viel Unterstützung von seinen neuen Kolleg:innen, allen voran der heiße Liam. Wenn Ben nur sicher sein könnte, dass Liam…

Die wunderschön gezeichnete Graphic Novel erzählt eine queere Lovestory mit viel Herz und Humor. Die WG-Bewohner:innen sind sympathische Charaktere, und die Geschichte ist kurzweilig erzählt.

Mein Highlight war eindeutig Schweinchen Watson, das ich einfach nur hätte knuddeln und knutschen können.

Eine wirklich schöne Geschichte, die auch sehr hochwertig gezeichnet ist, so dass das Lesen viel Freude bereitete!

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Veröffentlicht am 23.07.2023

Die Inventur einer Mutterschaft

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Der Roman gibt sich den Anschein einer banalen Bestandsaufnahme. Die Erzählerin ist alleinerziehend, die Kinder ziehen aus, und nun zieht sie nicht nur in eine kleinere Wohnung um, sondern führt ...

Der Roman gibt sich den Anschein einer banalen Bestandsaufnahme. Die Erzählerin ist alleinerziehend, die Kinder ziehen aus, und nun zieht sie nicht nur in eine kleinere Wohnung um, sondern führt bei dieser Gelegenheit auch eine gründliche Inventur durch. Unaufgeregt blickt sie zurück, listet auf, schmiedet Pläne für eine Zukunft ohne Kinder, plant ihren Umzug. Was wird behalten? Was gibt sie den Kindern mit? Was kommt fort? Praktische Überlegungen, Planungen und Organisatorisches bestimmen vordergründig das Geschehen.

Doch bereits das Vorwort gibt uns die Warnung auf den Weg, dass die Autorin mit uns und der Wahrheit spielt. Es ist ein Zitat aus dem von mir so hoch geschätzten Essay „Ein Zimmer für sich allein“ von Virginia Woolf. Und so eröffnet sich zwischen kotzendem Hund und abgeschliffenen Böden ein Blick auf die Frau dahinter. Die ihre Rolle im Leben sucht. Sich jahrelang definiert hat durch die Mutterrolle und von diesem Engagement gekündigt wird, nun da die Hauptdarsteller eigene Wege gehen. Da werden alte Gegenstände aussortiert und alte Erinnerungen. Und wenn der bisherige Bezugspunkt wegfällt, muss eine neue Definition erschaffen werden. Die Definition einer Frau, die ein halbes Leben lang über andere definiert wurde, und nun völlig bloß dasteht. Der Blick zurück führt zu den eigenen Eltern, der Blick nach vorne in eine Zeit ohne die Kinder.

Wie schwer ist es, sich selbst zu finden, wenn man in der Organisation eines Lebens verloren gegangen ist. Denn es sind nicht nur Gegenstände, die da verloren gehen, auch die Erzählerin hat sich ein Stück weit verloren und muss sich nun wiederfinden und vielleicht sogar neu erfinden.

Ein mit ruhiger Hand erzählter Frauenroman über das ureigenste Frausein, der mich zum Nachdenken angeregt und immer wieder innehalten gelassen hat. Klare Leseempfehlung!

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