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Veröffentlicht am 16.08.2023

Geniale Grundidee, aber man hätte so viel mehr daraus machen können!

Die Gabe
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Auf der ganzen Welt entwickeln Mädchen und Frauen plötzlich die „Gabe“, sie können mit ihren Händen starke Stromstöße abgeben und sind auf einmal das körperlich stärkere ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Auf der ganzen Welt entwickeln Mädchen und Frauen plötzlich die „Gabe“, sie können mit ihren Händen starke Stromstöße abgeben und sind auf einmal das körperlich stärkere Geschlecht. Wie wird das die Welt, die Gesellschaften und die Machtverhältnisse verändern?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, explizite Gewalt, Blut, Drogenmissbrauch, sexualisierte Gewalt (bis Vergew+ltigung, Missbrauch von Minderjährigen), Tod von Tieren, Tierversuche, Tierquälerei, Menschenhandel, Sexismus, Misogynie, Operationen
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schl+mpe, Fo+++ (mehrmals), H+re,

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- Feminismus
- Gesellschaftskritik
- historical fiction (= fiktive Geschichte)
- Gedankenexperimente
- viele verschiedene POVs (dt. Perspektiven / Sicht)
- schonungslose Brutalität
- nüchterner Schreibstil

Meine Rezension

„Abertausende von Lichtpunkten senden eine neue Botschaft aus. Wenn sich die Menschen verändern, kann der Palast nicht standhalten. Denn so steht es geschrieben: ‚Der Blitz ruht in ihrer Hand, und sie befiehlt ihm einzuschlagen.‘“ Seite 7

Als ich vor vielen Jahren den Klappentext von „Die Gabe“ gesehen habe, wusste ich sofort, dass ich es lesen musste. Beim ersten Versuch habe ich das Buch schon nach wenigen Seiten weggelegt, weil ich einfach nicht reingekommen bin. Doch da es mir immer wieder mit einem gewissen Nachdruck empfohlen wurde und auch vor kurzem die dazugehörige Serie auf Prime erschienen ist, war diesen Sommer der perfekte Zeitpunkt für eine zweite Chance. Dieses Mal habe ich es dann auch wirklich durchgezogen. Doch hat sich das denn gelohnt? Von mir gibt es ein klares… JEIN.

Was hat mir denn gefallen? Begeistert haben mich hier die kreative Grundidee, das Worldbuilding und die philosophischen Fragen, die immer wieder gestellt werden und mich zum Nachdenken gebracht haben: Wie würde es Gesellschaften auf der ganzen Welt verändern, wenn plötzlich Frauen durch die Gabe, starke Stromstöße abgeben zu können, das körperlich stärkere Geschlecht wären? Wenn Frauen plötzlich Rache nehmen könnten für all das, was ihnen angetan wird? Wenn sie es plötzlich wären, die herrschen würden? Wäre die Welt eine bessere, eine friedlichere – oder wäre sie genau wie die heutige, nur mit umgekehrten Geschlechterrollen? Autorin Naomi Alderman, die in Margaret Adwood eine Mentorin gefunden hat, zeichnet jedenfalls ein düsteres, dystopisches Bild dieser neuen Weltordnung. Themen wie Macht und ihr Missbrauch, Rache, Ungerechtigkeiten, Fraussein, Sexismus, Gewalt gegen Frauen (und Männer), Religion und Politik werden tiefgründig behandelt.

„‘Jetzt werden sie wissen‘, brüllt eine Frau in Tundes Kamera, ‚dass sie nachts nicht mehr allein aus dem Haus gehen sollten. Dass sie es jetzt sind, die Angst haben sollten.“ Seite 195

Plötzlich sind es Burschen und Männer, die abends nicht mehr alleine das Haus verlassen sollen, plötzlich werden sie vergewaltigt, überfallen, getötet, plötzlich werden ihre Genitalien verstümmelt. Nicht nur einmal habe ich mir hier beim Lesen gedacht: „Wie grausam, wie schrecklich, wie krank, wie gestört wäre das, wenn wir als Gesellschaft DAS mit Männern machen würden?“ – bis mir dann wieder eingefallen ist, dass ja GENAU das bereits gemacht wird. Nur halt mit Frauen. Nur, dass wir so daran gewöhnt sind, dass wir so abgestumpft sind, dass es für uns traurigerweise in gewisser Weise NORMAL geworden ist und wir gar nicht mehr sehen, was für ein Wahnsinn das eigentlich ist. Immer wieder hält Naomi Alderman so unserer Gesellschaft auf oft schmerzhafte Weise den Spiegel vor. Stellenweise fühlte es sich aber ehrlicherweise auch wie eine Form von Katharsis an, zu lesen, wie sich Zwangsprostituierte an ihren Tätern rächen, wie Frauen sich gegen das Unrecht, das ihnen widerfährt, endlich wehren.

„Man streitet darüber, ob dieses neue Organ schon immer im menschlichen Genom versteckt war und jetzt zum Leben erweckt wurde, oder ob es sich hier um eine Mutation handelt, eine schreckliche Deformierung.“ Seite 26

Stellenweise war ich aber auch schockiert und entsetzt von der Grausamkeit, mit der manche Frauen im Buch agieren, mit der sie ihre neu gewonnene Macht missbrauchen. Ob ein weltweites Matriarchat wirklich genauso schlimm wie das aktuell vorherrschende Patriarchat wäre, können wir zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, wohl aber zeichnen Berichte von Menschen, die matriarchalische Dörfer oder Städte besucht haben, ein anderes, friedlicheres Bild. (Hier ist aber natürlich auch wieder die Frage zu stellen, wie sich Frauen verändern würden, wenn die Machtverhältnisse über Generationen vertauscht wären, wenn sie eine ganz andere Erziehung bekämen.) Deshalb gehe ich bei Aldermans Zukunftsvision voller brutaler Schilderungen und Gewaltexzesse (bitte nicht unterschätzen!) nicht ganz mit, was mich aber nicht weiter gestört hat, weil ich mich gerne auf ihren Weltenentwurf eingelassen habe. Großartig fand ich übrigens die aus Briefen bestehende Rahmenhandlung (die in einer matriarchalischen Zukunft spielt) und das Ende, bei dem dann alle vier Handlungsstränge meisterhaft und spannend und mit einem großen Knall zusammengeführt werden. Das hat mich für vieles entschädigt!

Denn leider habe ich auch einige Kritikpunkte. Das größte Problem hatte ich von Anfang an mit dem sehr nüchternen, distanzierten Schreibstil – der wohl auch dazu geführt hat, dass ich wie beim ersten Versuch wieder sehr schwer ins Buch gefunden habe. Stellenweise finden sich im Text wirklich schöne Sätze und tiefgründige Passagen, aber die meiste Zeit blieben für mich leider die Gefühle vollkommen auf der Strecke. Und ein Buch, das mich emotional kaltlässt, kann niemals ein Lieblingsbuch sein. Das führte auch zu meinem nächsten Problem: den Figuren. Meiner Meinung nach blieben sie zu farblos, ich konnte zu ihnen einfach keine Verbindung aufbauen, nicht mit ihnen mitfühlen und mitfiebern, habe ihr Handeln eher neutral von einem Beobachtungsposten aus verfolgt. Dazu kommt, dass das Buch aus so vielen verschiedenen Perspektiven geschrieben ist, dass es irgendwann unübersichtlich wird. Der Gedanke dahinter ist mir klar, man wollte besonders viele Einzelschicksale zeigen und einen Überblick geben, was überall auf der Welt passiert, aber mir war es hier einfach irgendwann zu viel.

Der dritte Punkt, der mich gestört hat, waren das zu langsame Tempo mit den ungünstig platzierten Zeitsprüngen und der (einzelne Szenen sind ausgenommen) absolute Mangel an Spannung. Die Ereignisse an sich wären hochspannend und dramatisch gewesen, aber hier passieren sie eben so unspektakulär „vor sich hin“ – hier ein bisschen was, dort ein bisschen was –, dass einen das Buch einfach nicht fesselt. Stellenweise habe ich mich wirklich durchgequält und war dann auch froh, als ich das Ende erreicht hatte. Jetzt kann ich zumindest mitreden, wenn es um dieses immerhin oft als feministisch gefeierte, hochgelobte und auch prämierte Werk geht. Meiner Meinung nach hätte man SO viel mehr aus dieser grandiosen Grundidee machen können – hier wurde so viel Potential verschenkt, was ich unglaublich schade finde. Da fand ich „The Handmaid’s Tale“ (dt. Der Report der Magd) von Atwood, mit dem „Die Gabe“ ja immer wieder verglichen wird, schon deutlich stärker und überzeugender.

Mein Fazit

„Die Gabe“ ist ein Buch, über das ich im Vorfeld unglaublich viel Gutes gehört hatte. Mit dementsprechend hohen Erwartungen bin ich an die Lektüre herangegangen. Leider konnten diese trotz vieler guter Ansätze und einer grandiosen Grundidee nicht erfüllt werden, dafür sind mir die Emotionen einfach zu sehr auf der Strecke geblieben. Froh bin ich trotzdem, diese tiefgründige feministische Dystopie gelesen zu haben, weil sie mich stellenweise doch zum Nachdenken bringen konnte und ich jetzt endlich mitreden kann. Eine klare Leseempfehlung gibt es von mir dieses Mal nicht, ich verweise stattdessen auf die Leseprobe. Wenn die euch überzeugt, dann go for it!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 3 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonist:innen: 3 Sterne
Figuren: 2,5 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.07.2023

Knisternde Slow-Burn-Liebesgeschichte, aber zu wenig Handlung…

A Crown of Fangs and Fury
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Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Prinzessin Élèntine wird von ihrem Vater nach einem langen Krieg mit dem König der Werwölfe verheiratet, um den Frieden zu sichern. Für Élèntine, die als Kind schwer ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Prinzessin Élèntine wird von ihrem Vater nach einem langen Krieg mit dem König der Werwölfe verheiratet, um den Frieden zu sichern. Für Élèntine, die als Kind schwer von einer solchen Kreatur verletzt wurde, ist es nicht leicht, sich in ihrem neuen Leben mit ihrem unterkühlten, abweisenden Ehemann und einem Volk, das sie nicht will, zurechtzufinden…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Blut, Gewalt, sexualisierte Gewalt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schl+mpe (1x)

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- Werwölfe
- Slow-Burn-Liebesgeschichten (= dt. sich langsam entwickelnde Liebesgeschichte)
- Enemies-to-Lovers (= dt. Feindschaft verwandelt sich in Liebe)
- zartes Love Triangle (dt. Liebesdreieck)
- Arranged Marriage (= dt. arrangierte Heirat)
- starke weibliche Hauptfigur
- Liebesgeschichte im Fokus, Handlung als Beiwerk
- mittelalterlich angehauchte Fantasy-Welt

Meine Rezension

„Seine Stimme war tief und samtig weich, wie ein Kissen, auf das ich mich fallen lassen wollte.“ Seite 136

„A Crown of Fangs and Fury” wurde mir von einer Bookstagram-Kollegin empfohlen und mit einigen geschickt platzierten Sätzen wärmstens ans Herz gelegt. Obwohl mich die letzten Geschichten, die im Selfpublishing erschienen sind, alle auf die eine oder andere Weise enttäuscht hatten, war ich mal wieder bereit, der Sparte eine neue Chance zu geben. So zog das Buch mit dem wunderschönen Cover auch schnell bei mir ein.

Nun gleich zur wichtigsten Frage: Hält meine Pechsträne an? Reiht sich „A Crown of Fangs and Fury” ein in die lange Reihe von SP-Enttäuschungen? Hier kann ich Entwarnung geben: Nein, Ursa Jaumanns Debüt hat mich durchaus positiv überrascht, mir gefallen und mich ein paar Stunden ganz gut unterhalten. Ein Jahreshighlight war es für mich aber auch nicht, dazu gleich mehr.

„Mir blieb nur ein kurzer Blick über die Schulter zu Floréane, die wie eingefroren in ihrem wunderschönen, roten Kleid auf dem eingeschneiten Waldweg stand. Ein Spritzer Blut auf weißem Samt.“ Seite 15

Zuerst möchte ich aber auf die Stärken dieses Romans eingehen. Ganz zentral ist für mich hier die überzeugende Liebesgeschichte, die mich wirklich begeistert und berührt hat. Die Autorin lässt ihren zwei Hauptfiguren viel Zeit, sich gegenseitig kennen- und (nach der anfänglichen Abneigung = enemies to lovers) lieben zu lernen. Ein Werwolfkönig, der langsam auftaut, Gespräche über Consent, knisternde Momente, tiefe Blicke und eine ausgezeichnete Chemie zwischen den beiden machten es mir als Leserin leicht, mit Élèntine und Cayden mitzufühlen und auf den ersten Kuss usw. hinzufiebern. Und wenn die Liebesgeschichte bei einem Romantasy-Buch stimmt (die ja im Mittelpunkt steht), dann stimmt schon einmal sehr viel!

Aus feministischer Sicht haben mir die immer stärker und selbstbewusster werdende Hauptfigur, die unaufgeregte Einbindung von LGBT-Themen und die relativ gleichberechtigte Gesellschaftsform der Werwölfe gefallen. So ist es im (mittelalterlich angehauchten) Königreich Darington im Gegensatz zu Élèntines Heimat üblich, dass Frauen praktische Hosen tragen und dass ein Volk von je einem weiblichen und einem männlichen Werwolf gemeinsam angeführt wird, damit die Interessen aller Geschlechter vertreten werden. Die letzten Seiten und den Schluss fand ich besonders stark, weil alle vorher sorgsam ausgelegte Puzzle-Teile plötzlich an ihren Platz fallen und die Geschichte zu einem sehr gelungenen, runden Ende geführt wird – inklusive Drama, unerwarteter Wendungen, großer Emotionen und eines spannenden Showdowns.

„Die Türme aus dunklem Stein reckten sich wie eine Schattenhand der untergehenden Sonne entgegen, als wollten sie sie vom Horizont reißen.“ Seite 16

Es gab allerdings auch ein paar Dinge, die mir nicht so gut gefallen haben. Insgesamt mochte ich den flüssigen, anschaulichen Schreibstil zwar und das Korrektorat hat sich ohne Zweifel bezahlt gemacht, aber nach einer Weile sind mit doch ein paar Wiederholungen und „Lieblingsformulierungen“ aufgefallen, die mich zunehmend gestört haben. Ich bin mir nicht mehr sicher, wie oft die Protagonistin ihre Fingernägel in irgendetwas gekrallt oder gebohrt hat (oft!), aber zumindest weiß ich dank der Kindle-Suchfunktion, dass ganze 68 Mal im Buch gegrinst wird – das ist einfach zu viel (vor allem, da es auch noch gehäuft bei manchen Figuren oder in manchen Kapiteln auftaucht). Solche Dinge hätte man noch rauslektorieren können – und auch sollen.

Sehr genervt hat mich auch, dass sich die Heldin (und teilweise auch andere Figuren) immer wieder nicht nachvollziehbar, ja, sogar teilweise richtig dumm verhält und dabei nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Freund:innen praktisch grundlos in Gefahr bringt. Aber dann ist sie am Boden zerstört, wenn eine Mission, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war (und das ist einem als Leser:in so etwas von sonnenklar!), auch wirklich schiefgeht. Tja, mein Mitleid hielt sich da beim Lesen in Grenzen. Versteht mich bitte nicht falsch – ich liebe eigenwillige Frauenfiguren, die sich von der Männerwelt nichts vorschreiben lassen, aber dann bitte doch mit Sinn und Verstand! Nach einer Weile hat mir Cayden, ihr Ehemann, wirklich leidgetan, der alle Hände voll damit zu tun hat, seine scheinbar völlig lebensmüde Gemahlin immer wieder vor sich selbst und ihren „guten“ Ideen zu schützen.

Außerdem war der Plot den Großteil des Buches über doch recht dünn – hier hätte ich mir mehr Handlung, mehr Worldbuilding (Gesellschaftssystem), Spannung und Tiefe gewünscht. Wenn der Plot nur Beiwerk ist, dann reicht mir das nicht – ich bin aber sicher auch nicht die typische Romantasy-Leserin. Und: Auch wenn die zwei Liebenden wunderbar ausgearbeitet sind, so bleiben viele Nebenfiguren doch etwas blass – sie hätten noch mehr Farbe vertragen. Auf manche Formulierungen hätte ich zudem verzichten können – ich weiß, es geht hier um ein Wolfsrudel usw., aber wenn ich Worte wie „er ist der Alpha“ lese, MUSS ich einfach an diese selbsternannten Flirt-Coaches denken und meine Augen verdrehen. Keine Ahnung, warum ich euch das erzähle, das soll nämlich gar keine Kritik am Buch sein – ich schätze, ich wollte es mir einfach nur von der Seele schreiben! ;)

Mein Fazit

Was die Enemies-to-Lovers-Liebesgeschichte angeht, hat Ursa Jaumann bei ihrem Debüt alles richtig gemacht – und das sage ich selten über Liebesgeschichten! Die Schwächen (wenig Handlung, fehlende Spannung, unlogisches Verhalten, Wiederholungen) haben mich zwar gestört, vermiesen konnten sie mir mein Leseerlebnis aber zum Glück nicht. So hat mich „A Crown of Fangs and Fury“ doch einige Stunden lang ganz gut unterhalten und konnte mich emotional abholen. Ich sehe jedenfalls Potential und greife sicher gerne wieder einmal zu einem Buch von dieser Autorin. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung gibt es von mir nicht, aber für Fans von sich langsam entwickelnden Liebesgeschichten mit Fantasy-Setting ist dieser Roman sicher einen Blick wert!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 3 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3,5 Sterne
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 3,5 Sterne
Liebesgeschichte: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 3,5 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Tempo: 3,5 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.05.2023

Roman mit Humor und Tiefe, aber auch Längen!

Die Geschichte von Kat und Easy
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach fast 50 Jahren treffen sich 2 Jugendfreundinnen in Griechenland wieder. Vieles blieb damals ungesagt, ein Unfall hat alles verändert. Werden die 2 Frauen endlich ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach fast 50 Jahren treffen sich 2 Jugendfreundinnen in Griechenland wieder. Vieles blieb damals ungesagt, ein Unfall hat alles verändert. Werden die 2 Frauen endlich den Mut aufbringen, miteinander zu reden und die Geheimnisse von damals offenzulegen?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Ich-Erzählerin, Präteritum und Futur
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Alkohol, Drogen, Tod von Menschen
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- Jugend in den 70er-Jahren
- erste Liebe
- Urlaub in Griechenland
- alte Freund*innen treffen sich nach langer Zeit wieder
- Schilderungen von Drogenkonsum
- Beziehungen und Unausgesprochenes im Fokus
- Geschichten, die langsam ins Rollen kommen


Meine Rezension

„Kat hat die Macht. Sie hat die Macht, Wörter zum Leuchten zu bringen und Räume mit ihrer Wut zu verpesten.“ E-Book, Position 27

Bei diesem Buch haben mich damals tatsächlich die ersten Sätze der Leseprobe so neugierig gemacht, dass ich es unbedingt lesen musste, ohne auch nur eine Rezension dazu gesehen zu haben. Obwohl die Geschichte eher kurz ist, musste ich sie allerdings dreimal beginnen, weil ich davor irgendwie nie über das erste Kapitel hinausgekommen bin. Da aber bekanntlich aller guten Dinge drei sind, kommt nun endlich meine Rezension!

„Easy hat keine Angst, Easy ist sicher, dass immer einer neben ihr stehen wird, um sie aufzufangen.“ E-Book, Position 418

Für mich ist „Die Geschichte von Kat und Easy“ ein Buch, das man durchaus als leichte Sommerlektüre zwischendurch lesen kann, aber sicher nicht gelesen haben MUSS. Gefallen haben mir an diesem Roman der locker-leichte, flüssig lesbare Schreibstil, der Humor, der mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht hat (besonders die Szenen mit Lothar als fünftes Rad am Wagen waren wirklich witzig), und die unausgesprochenen Dinge und Geheimnisse von damals, die in der Gegenwart nach und nach aufgedeckt werden.

Wissen muss man hierbei, dass das letzte Viertel der mit Abstand stärkste Teil des Buches ist, weil sich die zuvor oberflächliche, irgendwie banale Geschichte dort in etwas Besseres, Spannenderes, Tiefgründigeres verwandelt, was ich sehr mochte und mich auf den letzten Seiten auch berührt hat. Das liegt sicher auch daran, dass einem die Figuren zwar erst ganz am Ende (vorher bleiben sie einem zu fern), aber eben doch irgendwie ans Herz wachsen, besonders Fripp. ♥

„Wenn wir gelassen altern wollen, müssen wir gute Verliererinnen werden und das Loslassen lernen.“ E-Book, Position 1230

Leider muss man ziemlich geduldig sein, um es überhaupt so weit zu schaffen, da der Roman immer wieder Längen und Durststrecken bereithält. Ich glaube auch, dass Menschen, die selbst in den 70ern ihre Jugend erlebt haben, aus Nostalgiegründen mehr Freude mit „Kat und Easy“ haben werden – mich aber als Kind der 90er konnten die ziemlich ausführlichen Schilderungen von banalen Jugendsorgen und Drogenkonsum über weite Strecken leider nicht wirklich fesseln. Dafür konnte ich nicht tief genug in diese Zeit eintauchen, dafür waren die Beschreibungen einfach nicht atmosphärisch genug. Da habe ich schon deutlich bessere Bücher über diese Zeit gelesen. Aus feministischer Sicht bin ich leider auch nicht ganz zufrieden, weil doch einige Rollenklischees und Geschlechterstereotype in der Geschichte vorkommen.


Mein Fazit

„Die Geschichte von Kat und Easy“ ist meiner Meinung nach vor allem ein Buch für die ehemaligen (und bestenfalls nostalgischen) Jugendlichen der 70er und für geduldige Leser_innen, die auf der Suche nach einer eher leichten Sommerlektüre für zwischendurch sind, die erst am Ende wirklich in die Tiefe geht. Mich hat die Geschichte stellenweise gut unterhalten, stellenweise sehr berührt (vor allem im letzten Viertel), stellenweise aber auch ziemlich gelangweilt. Für mich ist es deshalb ganz klar ein Roman, den man lesen kann, aber sicher nicht gelesen haben muss.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 3 Sterne
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 3 Stern
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 4 Sterne
Humor: 5 Sterne ♥
Protagonistinnen: 3,5 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.05.2023

Nicht so gut wie die Vorgängerbände, aber macht trotzdem wieder viel richtig!

Wir Verratenen
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Endlich haben Smilla und ihre Wahlfamilie den vermeintlich sicheren Hafen Brüssel erreicht. Doch als es dort zu ersten Hinrichtungen durch die mächtige Alleinherrscherin ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Endlich haben Smilla und ihre Wahlfamilie den vermeintlich sicheren Hafen Brüssel erreicht. Doch als es dort zu ersten Hinrichtungen durch die mächtige Alleinherrscherin kommt, holt Smilla ihre dunkle, schmerzhafte Vergangenheit ein. Und schon bald muss sie sich fragen: Was ist wichtiger – Sicherheit oder Freiheit?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 3/3 ("Wir Verlorenen")
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Suizid, Depression, Übelkeit, Erbrechen, Gewalt, Blut, Alkohol- und Drogenmissbrauch
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥


Meine Rezension

„Manchmal glaubte Smilla, dass die Menschen in der Welt nach der Plage nicht mehr wahrhaftig glücklich sein konnten.“ E-Book, Position 700

Als ich 2020, mitten in der Pandemie (stellenweise war das wirklich unheimlich), mit meiner Bookstagram-Kollegin Julia (@seiten_hieb) Band 1 der Reihe („Wir Verlorenen“) gelesen habe, bin ich ganz ohne Erwartungen an die Lektüre herangegangen – und wurde extrem positiv überrascht. Nach dem ersten Band, den ich wirklich gut fand, und dem zweiten, den ich absolut GELIEBT habe ♥, hatte es das Finale natürlich von Anfang an schwerer – die Erwartungshaltung war einfach eine ganz andere! Monatelang habe ich auf die Veröffentlichung hingefiebert und konnte den Erscheinungstermin kaum abwarten.

Doch wie war die Lektüre denn nun für mich? Auch wenn ich für das Buch bloggen und es vorab lesen durfte, gibt es für euch natürlich wie immer eine ehrliche Rezension. Deshalb: Ganz so emotional abholen, fesseln und begeistern wie Band 2 konnte mich das Finale leider nicht – ABER das ist natürlich Kritik auf hohem Niveau. Einige schöne, unterhaltsame Lesestunden konnte ich trotzdem mit der Geschichte verbringen.

„Die Angst erwachte. Dunkel und schuppig stieg sie in Smillas Kehle auf.“ E-Book, Position 2978

Das lag hauptsächlich an zwei Dingen, die für mich auch dieses Mal wieder vollkommen gestimmt haben: Schreibstil und Figuren. Jana Taysen kann eben einfach schreiben und erzählen, das beweist sie auch in Band 3 wieder! Ihr Schreibstil ist klar, mitreißend, bildhaft, eingängig und stellenweise wirklich wunderschön (Vergleiche, Metaphern). Am besten gefallen hat mir aber, wie großartig – wie einfühlsam und nuanciert – sie Smillas Innenleben (Gedanken / Gefühle) und ihre psychischen Probleme und Ängste beschreibt, die erst jetzt, im sicheren Hafen Brüssel, so richtig aufbrechen und zum Vorschein kommen. Alleine deshalb weiß ich schon jetzt, dass ich auch die nächsten Bücher der Autorin lesen werden – ich bin so gespannt, was da in der Zukunft noch kommt! ♥

„Wie verpuppte Schattenwesen hatten sie [die Erinnerungen] sich dort versammelt, auf der Schwelle zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein, nie ganz da, aber auch nie ganz vergessen.“ E-Book, Position 1603

Auch die Figurenzeichnung stellte sich wieder als sehr liebevoll und gelungen heraus. Beim Lesen hat man wirklich das Gefühl, dass man es mit echten Menschen mit einer Vergangenheit, mit Stärken und Schwächen, aber auch mit Fehlern zu tun hat – und das liebe ich an dieser Reihe! Es war so schön, die liebgewonnenen Charaktere wiederzutreffen, deshalb fühlte sich die Lektüre für mich wieder an wie heimkommen.

„Sie hörte [ihn] ein paar Mal ein- und wieder ausatmen, als wollte er etwas entgegnen und verlöre jedes Mal aufs Neue den Mut.“ E-Book, Position 2159

Eine feministische Analyse lässt mich ebenfalls sehr glücklich zurück. Es gibt viele Dinge, die ich an der #WirVerlorenen-Trilogie schätze, aber der unaufdringliche Feminismus (der die ganze Reihe durchzieht) gehört ohne Zweifel zu meinen absoluten Highlights. ❤️ Die Frauenrollen im Buch sind beispielsweise sehr vielfältig und modern angelegt - auf Geschlechterstereotype und unreflektierte toxische Männlichkeit wird verzichtet. Wir treffen im Buch auf viele starke, glaubwürdige weibliche Figuren: auf intelligente, mächtige Führungskräfte, auf knallharte Soldatinnen und sogar auf eiskalte Killerinnen. Die Männer im Buch dürfen im Gegenzug auch mal weinen, sie leiden unter Schuldgefühlen, sie sind positive Vorbilder und kümmern sich liebevoll um ihre leiblichen und adoptierten Kinder. In einer freundschaftlichen Beziehung auf Augenhöhe wird zudem die Familienarbeit gerecht aufgeteilt - da geht einer Feministin natürlich das Herz auf. Das alle passiert ganz ohne viel Aufregung, als wäre es selbstverständlich - was es zwar sein sollte, aber in unserer Welt/Gesellschaft leider noch lange nicht ist. Auch LGBTQ+-Personen kommen übrigens in der Geschichte vor - ganz selbstverständlich, unaufgeregt, ohne billige Klischees.

Näher eingehen möchte nun noch auf ein sehr negativ konnotiertes Gefühl: Wut - denn die ist im Buch vor allem weiblich, was etwas ganz Besonderes ist. Frauen wird ja oft (sowohl in Geschichten als auch im wahren Leben) nicht zugestanden, wütend zu sein - von klein auf lernen sie, dass das nicht "ladylike" ist und sich nicht gehört, sodass sie, wenn sie einmal wütend werden, dieses intensive Gefühl oft unterdrücken oder auf sich selbst richten. Nicht so im Buch. Autorin Jana Taysen beweist Mut und hat keine Angst davor, auch die Schwächen und Schattenseiten ihrer Protagonistin zu zeigen. Sie lässt Smilla die Kontrolle verlieren, schlechte Entscheidungen treffen, anderen Menschen wehtun - UND eben auch eine tiefe Wut empfinden, die sich dann so heftig in einem Streit entlädt, wie ich es selten zuvor in einem Buch gelesen habe. Dabei attackiert sie einen Mann, der sie eben NICHT schmunzelnd mit einer Hand zurückhält, weil es so süß ist, wie sie sich aufregt (oft gehört), sondern von der Situation und ihrer Kraft und ihrer unbändigen Wut überfordert ist und einige Spuren vom Kampf davonträgt. Mitten im Streit taucht übrigend plötzlich die Garde (Polizei/Militär in Brüssel) auf und nimmt ironischerweise an, dass Smilla das Opfer sei (Wut und körperliche Gewalt wird Frauen einfach nicht zugetraut) und sich nur in Notwehr verteidigt habe und schlägt ihr vor, den Typen anzuzeigen. Ich habe diese mutige Szene so geliebt!

„Wenn das Buch so viele Stärken hat, woran lag es dann, dass sie nicht auf ganzer Linie überzeugen konnte?“, fragt ihr euch nun bestimmt. Natürlich bleibe ich euch auch hier keine Antwort schuldig! Ich persönlich hätte mir mehr Tempo, Handlung und Spannung gewünscht - denn gerade die spannungsgeladenen, emotional berührenden, dramatischen, schockierenden Ereignisse des zweiten Bandes fand ich so toll! Ein paarmal konnte ich Smillas Verhalten außerdem nicht ganz nachvollziehen (da waren für mich Brüche erkennbar), gerade weil man sie ja nach 3 Bänden schon sehr gut kennt. Das Ende (das Anklänge an „Der Report der Magd“ enthält) kam mir zudem deutlich zu früh (gerade wurde es richtig spannend!) und war mir auch zu offen, aber das ist sicherlich Geschmackssache.


Mein Fazit

Auch wenn mich das Finale nicht ganz so begeistert und umgehauen hat, wie ich mir das erhofft habe, macht auch „Wir Verratenen“ wieder viel richtig – besonders was die Figurenzeichnung, den Schreibstil und den Feminismus betrifft. Die „Wir Verlorenen“-Reihe wird jedenfalls weiterhin einen Ehrenplatz in meinem Regal haben und mir als emotional mitreißende, fesselnde, spannende, berührende, tiefgründige Dystopie voller glaubwürdiger, toller Figuren in Erinnerung bleiben. Danke an Jana Taysen für die vielen schönen Lesestunden und eine der besten deutschen Dystopien, die derzeit auf dem Markt sind! Für mich heißt es nun Abschied nehmen, was mir alles andere als leichtfallen wird – aber für die Glücklichen unter euch, die auf mich gehört haben und bei denen Band 1 jetzt schon im Regal steht (oder bald im Regal stehen wird) 😉, fängt die Geschichte gerade erst an! Ich wünsche gute Unterhaltung!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3,5 Sterne
Einstieg: 4 Stern
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 3 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.09.2022

Hochinteressante Grundidee, aber sehr gewöhnungsbedürftiger Schreibstil!

Der letzte weiße Mann
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Es ist ein Morgen wie jeder andere – und doch verändert er alles, denn der eigentlich weiße Fitnesstrainer Anders wacht mit dunkler Hautfarbe auf. Immer mehr Menschen ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Es ist ein Morgen wie jeder andere – und doch verändert er alles, denn der eigentlich weiße Fitnesstrainer Anders wacht mit dunkler Hautfarbe auf. Immer mehr Menschen verwandeln sich, die weiße Mehrheit im Land wird langsam zur Minderheit. Militante Gruppen wollen das aber nicht akzeptieren, es kommt zu Aufständen, bürgerkriegsähnlichen Zuständen und Ermordungen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive im Wechsel
Kapitellänge: kurz

Tiere im Buch: +/- Kaulquappen werden unabsichtlich von Kindern getötet, ansonsten werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Content Note / Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Rassismus, Diskriminierung, Hassverbrechen, Gewalt (auch gegen Kinder), Krankheit, Trauer, Suizidgedanken, Erbrechen, Drogen,
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Rezension

„Eines Morgens wachte Anders, ein weißer Mann, auf und stellte fest, dass seine Haut sich unleugbar tiefbraun gefärbt hatte.“ E-Book, Position 40

Bei diesem Buch haben mich die positiven Rezensionen der Kritiker·innen im englischsprachigen Raum und die erfrischende, spannende Grundidee (ich liebe ja sowieso Dystopien / Utopien! ♥) neugierig gemacht. Außerdem war der Autor schon zweimal für den britischen Booker Prize nominiert – auch das weckte mein Interesse.

Kurz: Habe ich das großartige Buch bekommen, das ich erwartet hatte? Nicht ganz! Aber habe ich diesen Roman trotzdem gerne gelesen und konnte ich von der Lektüre etwas für mich mitnehmen? Ja, definitiv! Dabei fiel mir der Einstieg alles andere als leicht, weil ich große Schwierigkeiten mit dem ungewöhnlichen Schreibstil hatte. Mein Problem: Mohsin Hamid weigert sich schlicht, Punkte zu setzen! Seine Sätze gehen deshalb alle (fast ausnahmslos!) über mindestens einen Absatz, wenn nicht sogar über eine ganze Seite, was ich beim Lesen sehr mühsam und anstrengend fand. Dabei habe ich überhaupt nichts gegen lange, verschachtelte Sätze, WENN die Komplexität der Gedanken diese erfordert. Das war aber hier überhaupt nicht der Fall, hier werden meist ohne jede Notwendigkeit in einfachem Vokabular verfasste Hauptsätze bandwurmartig aneinandergereiht. Da hätte man (als Service für Leser·innen) ganz einfach Punkte setzen können – und es auch sollen. Hätte das Buch nicht nur 160, sondern 300 Seiten oder noch mehr gehabt, hätte ich es mit Sicherheit abgebrochen, aber so konnte ich es aushalten.

Mit der Zeit habe ich mich dann zum Glück an die Sprache gewöhnt und ich bin auf einige sehr schöne, tiefgründige, fast schon weise Zitate und treffende, berührende Beobachtungen menschlichen Verhaltens gestoßen, was mir sehr gut gefallen hat. Man könnte sagen, mir ist das Buch schlussendlich doch noch ein bisschen ans Herz gewachsen und ich kann nun zumindest verstehen, warum der Autor mit seinen Texten schon für Preise nominiert war.

„Anders‘ Straße war stockdunkel, und auch auf den Hauptstraßen war die Beleuchtung lückenhaft, als fehlten ihr Zähne.“ E-Book, Position 172

Die Grundidee ist natürlich erfrischend anders und hochinteressant. Mohin Hamid wagt in seinem Roman (der am Anfang etwas an Kafkas „Verwandlung“ erinnert) ein Gedankenexperiment: Was würde passieren, wenn weiße Menschen sich plötzlich verwandeln würden und eine dunkle Haut bekämen? Was würde das mit der Gesellschaft machen? Wäre so eine Zukunft utopisch oder doch dystopisch? Wäre eine Welt ohne unterschiedliche Hautfarben eine bessere, friedlichere? Im Mittelpunkt stehen hier Themen wie Rassismus (der alle Bereiche des Lebens durchdringt), das Leben als Schwarze Person in einer weißen Mehrheitsgesellschaft, Identität, Verschwörungstheorien, menschliches Zusammenleben, Angst und Hoffnung.

„[…] sagte Anders, er sei nicht sicher, ob er noch derselbe Mensch sei, anfangs hatte er das Gefühl gehabt […], aber so einfach war das nicht, wie die Menschen um einen herum sich verhielten, beeinflusste ja auch, wie man war, wer man war […]“ E-Book, Position 430

Dabei liefert Mohsin Hamid keine einfachen Antworten, sondern lässt vieles offen und seine Leser·innen eigene Schlussfolgerungen treffen. Einerseits mochte ich das, andererseits wurden mir aber rassistische Denkweisen und Äußerungen nicht immer klar genug benannt und kritisiert, sodass ich glaube, dass sie manchen (nicht dafür sensibilisierten Menschen) vielleicht entgehen könnten. An manchen Stellen hätte ich mir außerdem einfach noch MEHR gewünscht: mehr Tiefe, mehr Emotionen, mehr Atmosphäre, mehr Spannung, mehr Details (zum Beispiel darüber, was auf den Straßen genau passiert). So konnte sie mich leider emotional nicht immer so erreichen, wie ich mir das erhofft hatte.

Die Figuren überzeugten mich dafür mit jeder Seite mehr. Am Anfang war mir besonders Oona noch unsympathisch; sie wirkte sehr distanziert, aber nach und nach taut sie auf und man beginnt, sie und Anders (auch zusammen als Liebespaar) zu mögen. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass die Hauptfiguren noch eine Spur greifbarer gewesen wären, dass sie einen noch ein wenig näher an sich herangelassen hätten, dass ich noch ein bisschen mehr mit ihnen mitfühlen hätte können.

Aus feministischer Sicht gibt es bei diesem Buch allerdings gar keine Beschwerden, denn es verzichtet auf gegenderte Beleidigungen und Sexismus und präsentiert uns stattdessen eine starke weibliche Hauptfigur und eine einvernehmliche Beziehung auf Augenhöhe. Zum Glück verzichtet der Autor hier auch auf den sexualisierenden und objektifizierenden Male Gaze (= männlichen Blick) und beschreibt seine weiblichen Figuren (genauso wie die männlichen) einfach als das, was sie sind: Menschen mit Persönlichkeit. Leider ist das bei männlichen Autoren auch im Jahr 2022 immer noch nicht selbstverständlich (looking at you, Chris Whitaker!), deshalb gibt es von mir dafür ein Lob!

Mein Fazit

Nach einem schwierigen Einstieg habe ich doch noch begonnen, „Der letzte weiße Mann“ zu mögen. Das lag an der hochinteressanten Grundidee, an den spannenden Fragen, die der Autor stellt, an den schönen Zitaten und den Figuren, die mir langsam doch ein wenig ans Herz gewachsen sind. Auf ganzer Linie überzeugen konnte mich dieser utopische / dystopische Roman dennoch nicht; ich hätte mir noch etwas mehr Tiefe, mehr Emotionen und vor allem mehr Punkte (= kürzere Sätze) gewünscht. Von mir gibt es trotzdem eine Empfehlung, aber keine uneingeschränkte: Schaut euch vor der Lektüre unbedingt die Leseprobe an! Wenn sie euch überzeugt, steht ein paar interessanten Lesestunden, die auch euch sicherlich zum Nachdenken bringen werden, nichts mehr im Wege!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 3 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Figuren: 3,5 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 2 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Sterne!

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