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Veröffentlicht am 10.08.2023

Kleine sympathische Überraschung

Icebreaker
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Mit „Icebreaker“ habe ich doch länger gehadert, ob ich es lesen werde oder nicht. Das Cover erschien mir etwas kindlich. Dafür mag ich es bei Collegegeschichten aber eigentlich gerne, wenn es um Sport ...

Mit „Icebreaker“ habe ich doch länger gehadert, ob ich es lesen werde oder nicht. Das Cover erschien mir etwas kindlich. Dafür mag ich es bei Collegegeschichten aber eigentlich gerne, wenn es um Sport geht. Dann wiederum hat die Leseprobe verraten, dass die Sexszenen sicherlich nicht spärlich ausfallen, das kann ich in dem Genre doch schon länger erfahren, schon an einer gewissen Wortwahl rauslesen. Von den Büchern habe ich eigentlich mehr Abstand genommen, weil mir immer wichtiger geworden ist, dass die expliziten Szenen nicht nur die Seiten füllen, sondern dass mit ihnen nur ein wichtiger Teilaspekt, aber wahrlich nicht der Hauptaspekt erzählt wird. „Icebreaker“ war also ein gewisses Wagnis.

Insgesamt habe ich mich von „Icebreaker“ trotz der vielen Seitenzahlen gut unterhalten gefühlt. Solche Geschichten sind in der Tendenz auch oft leider zu oberflächlich, die Gefahr bestand hier eigentlich nicht. Ich fand auch, dass eine ganz schön ordentliche Zeit erzählt wurde und dennoch sind zwischendurch immer wichtige Meilensteine erreicht worden. Die ganzen ersten Male sind nicht dämlich in die Länge gezogen worden, sondern es hat einen guten Sog gegeben. Zudem wird die Geschichte auch in vielen Aspekten erzählt. Stassie und Nathan natürlich erstmal als Paar, aber auch jeweils in ihrem Leistungssport und auch jeweils privat, entweder durch Familie oder Freunde. Es war eine absolut gleichberechtigte Erzählung, wo keiner von beiden abgehangen wurde. Dazu haben sie sich eben auch immer beigestanden. Weiterer Pluspunkt, die beiden reden miteinander. Es gibt dennoch Streit, aber es gibt nahezu kaum Missverständnisse, weil sie einfach aneinander rasseln und dann eben miteinander reden, um eine Lösung zu finden. Obwohl man in genug Aspekten bemerkte, dass die Figuren jünger als ich selbst sind, so waren sie mir doch reif genug, dass ich nahezu kaum die Augen verdreht habe.

In diese Atmosphäre hinein wundert es dann auch wenig, dass ich viele Sympathien empfunden haben. Stassie und Nathan sind jede(r) für sich zwei wirklich liebenswerte Figuren, aber besonders zusammen haben sie natürliche tolle Seiten an sich hervorgebracht. Ich habe auch die Einbindung des Eishockeyteams sehr gemocht, es war dann nicht nur, wie Nathan den Laden führt, sondern auch wie Stassie die Truppe immer mehr als Familie lieben lernt, so dass sie auch als WG unzertrennlich sind. Natürlich gab es viele explizite Szenen, wirklich sehr viele und wie ich finde in der Darstellung auch übertrieben, aber dennoch konnte ich sie gut weglesen. Auch das eifersüchtige Verhalten, für mich schon ein starkes Red Flag, aber man muss zugute halten, dass das auch offensiv angesprochen wird, weil es eben wirklich genug Frauen gibt, die darauf wirklich so stehen und das will ich auch niemandem absprechen. Aber gerade wenn es so reflexiv angegangen wird, nimmt mir das ja auch den Wind aus den Segeln. „Icebreaker“ nimmt jetzt nicht besonders viele schwere Themen in den Fokus, aber besonders Stassies Essverhalten hat für mich gut gepasst sowie die ganze Darstellung von Aaron.

Fazit: „Icebreaker“ ist nicht mehr unbedingt das, was ich im Genre New Adult am liebsten lese, aber dennoch war ich insgesamt positiv überrascht, weil es eine ausführliche ausgearbeitete Erzählung war, bei der beide Figuren sympathisch waren, wo beide gleich von Bedeutung waren und wo die Funken auch außerhalb des Betts gut stoben. Ein wirklich sympathischer Haufen, den ich gerne begleitet habe.

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Veröffentlicht am 26.07.2023

Interessante Trauermetapher

Was uns bleibt ist jetzt
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Meg Wolitzer ist in der Buchbranche keine Unbekannte und hat sich stets sehr wandelbar präsentiert, denn Jugendbücher kann sie genauso anbieten wie Romane. Dennoch habe ich bislang noch nie etwas von ihr ...

Meg Wolitzer ist in der Buchbranche keine Unbekannte und hat sich stets sehr wandelbar präsentiert, denn Jugendbücher kann sie genauso anbieten wie Romane. Dennoch habe ich bislang noch nie etwas von ihr gelesen, bis jetzt zu „Was uns bleibt ist jetzt“, das schon 2015 veröffentlicht wurde, was ich aber jetzt geschenkt bekommen habe. Jugendbücher sind zwar zuletzt für mich ein Genre geworden, wo viel zusammenkommen muss, damit ich mich gut unterhalten fühle und vor allem den Eindruck einer oberflächlichen Lektüre abschütteln kann (denn man wird eben älter), aber schon der Titel sowie der Klappentext ließen erahnen, dass es tiefsinniger wird.

Das Buch hat einen flotten Schreibstil anzubieten, was auch wirklich gut ist, denn als Leser wird man zunächst etwas verwirrt zurückgelassen, denn es wird bewusst offen gelassen, was Jam passiert ist, aber auch die anderen Jugendlichen, die mit ihr den besonderen Kurs an der neuen Schule besuchen, haben ein traumatisches Ereignis durchgemacht, was zunächst nicht ergründet wird. Inhaltlich hat das gepasst, denn es geht schließlich darum, dass Mrs. Q die fünf Schüler ausgewählt hat, weil sie eben noch in der absoluten Verdrängungsphase sind und dort sanft herausgeholt werden müssen. Dennoch sorgt das beim Lesen für Momente, wo man sich wünscht, dass man nun endlich zum Kern vordringt. Bei Jam bekommen wir durch die Perspektive die meisten Einblicke, was passiert ist und auch wenn es stilistisch manchmal verwirrend ist, wenn Jam vom neuen Alltag zu Reeve und der verlorenen Liebe abdriftet, so passt auch hier wieder die Stilistik, denn die Hauptfigur lebt eben nicht im Hier und Jetzt, sondern wird von der Vergangenheit angezogen.

Ein wichtiges Element sind schließlich die Tagebücher, die Mrs. Q ausgeteilt hat. Ich würde diese Tagebücher mal als übernatürliches Element einordnen. Natürlich ist „Was uns bleibt ist jetzt“ nicht auf einmal ein Fantasy-Jugendbuch, dafür ist das Tagebuch zu sehr eine Metapher für Verarbeitungsprozesse, aber dennoch hat mich die Idee erstmal skeptisch gemacht, denn ja, so ist es einfach nicht möglich. Ich konnte mich mit dem Verlauf des Buchs aber immer mehr auf die Idee einlassen, eben auch weil sie so konsequent aufgezeigt wurde und weil die Metapher wirklich passend war. Durch Verluste träumt man sich in die Vergangenheit herein, man kreiert einen vermeintlich perfekten Moment, um dann nach und nach zu merken, dass es vielleicht gar nicht so perfekt war und dann wiederum wird man auch damit konfrontiert, dass die Gegenwart nicht auf einen wartet und man zu sehr in der Vergangenheit verbringend verpasst, die Gegenwart zu lieben und neues Glück zu finden. Wir erleben zwar auch die Geschichten der anderen vier durch Erzählungen, doch bei Jam ist es natürlich am deutlichsten, wenn sie an Reeves Seite zurückkehrt, dann aber zunehmend merkt, dass sie die Grenzen des Moments nicht so sehr reizen, dass es ihr zu wenig ist, dass sie das volle Leben will. Wir bekommen auch ein gegenteiliges Beispiel geboten, wo die Vergangenheit zu sehr reizt und das fand ich auch wichtig, so ein Gegengewicht zu schaffen, denn nicht alle schaffen das weitermachen.

Am Ende hat die Geschichte auch einen richtigen Sog entwickelt, denn man wollte nun natürlich wissen, welche Erkenntnisse Jam für sich gewinnen kann, wie sie endgültig abschließen kann. Deswegen kam es wirklich aus dem Nichts, dass es noch einen Twist rund um Jam gibt. Das fand ich sehr gut gemacht, auch weil es nicht zu erahnen war. Die kleinen Hinweise, die vielleicht gestreut waren, die konnte man genauso auf den regulären Trauerprozess schieben. Das war echt das größte Highlight neben der generellen Thematik. Der Sog sorgt umgekehrt aber auch dafür, dass dieser befürchtete oberflächliche Eindruck sich an einigen Stellen doch noch einschleicht. Es wird ein halbes Jahr erzählt, das ist nicht wenig Zeit, aber massig viel ist es eben auch nicht, weswegen mir manche Beziehungen da etwas zu schnell geknüpft wurden. Sei es Jam mit Sierra oder mit Griffin. Bei ihm war es auch so, dass ich seine Geschichte etwas unfertig fand. Während ich bei den anderen einen Abschluss gesehen habe, so hat er vermeintlich auch einen gemacht, aber wirklich dabei war man nicht, weswegen Griffin auch meine persönliche Enttäuschung auf der Charakterebene darstellt. Das sind aber nur Kleinigkeiten, weil ich die Darstellung zu Trauma und Verarbeitung richtig stark fand.

Fazit: „Was uns bleibt ist jetzt“ ist ein sehr gut ausgearbeitetes Jugendbuch, das sich mit einer gewöhnungsbedürftigen, aber doch sehr passenden Metapher mit Verlust und Verarbeitung auseinandersetzt und dabei eine nachvollziehbare innere Reise abbildet. Ein toller Wendepunkt am Ende bildet ein gutes I-Tüpfelchen und merzt einige oberflächliche Eindrücke aus.

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Veröffentlicht am 19.07.2023

Thematisch schwerer Stoff

No Longer Alone - Mulberry Mansion
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Und so schnell heißt es wieder Abschied nehmen von der Mulberry Mansion, denn mit „No Longer Alone“ steht schon der letzte Teil von Merit Niemeitz an. Die Reihe spaltet die Leserschaft ja wirklich sehr. ...

Und so schnell heißt es wieder Abschied nehmen von der Mulberry Mansion, denn mit „No Longer Alone“ steht schon der letzte Teil von Merit Niemeitz an. Die Reihe spaltet die Leserschaft ja wirklich sehr. Während ich eine solche Spaltung eigentlich immer nur dann erlebe, wenn das Buch den einen zu oberflächlich und den anderen genau richtig ist, ist es hier genau umgekehrt. Niemeitz ist für mich einfach eine Wortkünstlerin und ich habe ihr über die drei Bücher sehr angemerkt, dass sie ihren Raum braucht, um all ihre Gedankengänge entfalten zu können. Während ich das sehr bewundere, wenn man sich so auf die eigene innere Stimme verlässt und sie einfach handeln lässt, finden das andere eben zu intensiv oder eben auch langweilig. Ich finde es toll, dass Niemeitz sich immer treu geblieben ist und bin jetzt schon gespannt, was von ihr noch kommt und wie wandelbar sie in ihrer Stilistik vielleicht auch ist.

Kommen wir aber nun zu der eigentlichen Bewertung von „No Longer Alone“. Ich war auf das Buch wirklich sehr gespannt, weil Maxton und Willow die anderen beiden Bände auch schon deutlich sichtbar bevölkert haben, so dass ich auf ihre Freundschaft, die mehr ist, wirklich sehr gespannt war. Nun haben Maxton und Willow ein wenig das Problem, dass mir May und Wes im Band zuvor so gut gefallen haben, dass die beiden etwas schwerer haben. Charakterlich mag ich sie beide wirklich sehr, wobei ich einschränken muss, dass ich das Gefühl hatte, bei Maxton beraubt worden zu sein. Seine Perspektive war der von Willow deutlich untergeordnet, aber wirklich deutlich. Das fand ich wirklich schade, denn ich hatte den Eindruck, ihn durch Willows Augen so intensiv charakterisiert bekommen zu haben, dass ich davon aber nicht so viel durch ihn greifen konnte, weil es einfach zu wenig war. Das hat für mich die Lektüre etwas einseitig gemacht und dank der stolzen Seitenanzahl dann manchmal auch langatmig und wiederholend. Gleichzeitig ärgert es mich aber, dass ich überhaupt so denke, denn ich fand Willows Geschichte enorm wichtig und ich feiere auch, dass an ihr keine Wundergenesung gezeichnet wurde. Das ist nämlich immer ein wenig das Problem bei NA-AutorInnen, die sich sensiblen Themen annehmen, aber dann manchmal den Fehler begehen, dass ihre Figuren schnell ihre Lektionen lernen und über den Dingen stehen, so dass vermittelt wird, dass Traumata doch gar nicht so schlimm sind. Bei Willow kann ich diese Kritik nun gar nicht anbringen, zumal es am Ende kein klassisches Happyend gibt. Willow ist dann auf einem guten Weg und man kann erahnen, dass sie wirklich im Kopf die Kurve bekommen hat, dennoch braucht es Zeit und ich finde es löblich, dass Willow diese Zeit eingeräumt wird.

Dennoch ist eben der Blick durch Willows Augen manchmal zu intensiv, vielleicht habe ich manchmal auch zu sehr in ihr selbst wiedererkannt (zumindest in Teilen ihres Kopfkinos), so dass es vielleicht auch zu nah an mir selbst war, aber die Lektüre hatte dadurch viele sehr schwere Momente. Das hatten die anderen beiden Bände wahrlich auch, denn Niemeitz hat schon jedes Mal ordentlich zugelangt, aber dennoch fand ich es in diesem dritten Band am intensivsten. Wäre mehr Maxton im Spiel gewesen, ich weiß nicht, ob das was geändert hätte, denn ein Spaßvogel ist er nun auch nicht gerade, aber ich fand auf jeden Fall, dass seine Geschichte auf einer anderen Ebene von Belastung spielt. Ich hatte sogar manchmal durch die Verteilung den Eindruck, dass Maxtons Geschichte eher lächerlich ist und auch zu seiner Figur nicht so gepasst hat. Dennoch ist der ganze Handlungsverlauf gut und nachvollziehbar aufgebaut worden. Zumal eben auch die Geschichten der ersten beiden Bände immer noch reinspielen, so dass wir ein rundes Bild haben. „No Longer Alone“ zeigt mir auf jeden Fall wieder eine Autorin, die sich auf einem Niveau Gedanken macht, was mir sehr vertraut ist und wo ich vermittelt bekomme, würde ich Merit gegenüberstehen, wir würden sicherlich Freundinnen werden können und das ist immer schön, wenn beim Lesen so ein Gefühl entsteht.

Fazit: „No Longer Alone“ bringt die Reihe rund zu Ende und wieder habe ich eine sprachliche Gestaltung vorgefunden, die wirklich beeindruckend ist. Im Vergleich zu den anderen beiden Bänden hat der Abschlussband ein wenig Schwierigkeiten mit der Länge und es ist thematisch schon sehr heftig. Ich musste da wirklich mal mehr Zeit zum Durchatmen nehmen. Dennoch wirklich eine Reihe, die ich in extrem guter Erinnerung behalten werden.

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Veröffentlicht am 13.07.2023

Verbessert durch hohe Authentizität

Stay Here - New England School of Ballet
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Den ersten Band der Reihe von Anna Savas an der New England School of Ballet habe ich in einer Leserunde kennenlernen dürfen und da waren wir uns doch allgemein einig, dass es zu wenig Thematik Tanzschule ...

Den ersten Band der Reihe von Anna Savas an der New England School of Ballet habe ich in einer Leserunde kennenlernen dürfen und da waren wir uns doch allgemein einig, dass es zu wenig Thematik Tanzschule und Tanzen waren. Dementsprechend war ich gespannt, was nun in Band 2 passiert und man muss sagen, Savas hat ein Muster. Sie schafft ein interessantes Setting, hält sich aber lieber außerhalb davon auf. Ich bin absolut für kreative Freiheiten und dass man als Autor und Autorin dahin die Gedanken leiten muss, wo sie selbst hinwollen und nicht wo sie hinsollen. Wenn man so eine Reihe aber eine Thematik mitgibt und auch die Cover in dieser Stilistik hält, die unweigerlich an das Ballett erinnert, dann ist das ein Spiel mit den Erwartungen, wo man nur verlieren kann.

Dennoch fand ich „Stay Here“ besser als den Auftakt, weil ich mich an den Themen und der Sensibilität der Umsetzung nicht gestört habe. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass es eine höchst authentische Geschichte war, die speziell Raynes Trauerprozess und ihre und Eastons Selbstzweifel sehr intensiv und nachvollziehbar in Szene gesetzt hat. Ich habe mich auf jeden Fall beiden Figuren sehr verbunden gefühlt und ich habe auch von Anfang an den Eindruck vermittelt bekommen, dass zwischen ihnen wirklich etwas Besonderes entsteht und die Liebe sehr intensiv ist. Dennoch war es schon sehr ironisch, dass eben in Band 1 die Kritik da war, dass es zu wenig Ballett war und jetzt war es sogar noch weniger, weil es eben nicht Raynes Traum ist und sie sich über die Schule nur ihrer Mutter nah fühlen wollte. Auch wenn die Thematik also wieder marginal da war, so ist Raynes Bezug zum Sport nachvollziehbar gewesen. Sie hat zeitlebens mit ihrem Vater die Liebe zur Musik geteilt und ihre Mutter aus ihrer Perspektive dabei ein wenig im Stich gelassen und will das nun nachholen, weil sie mehr Angst hat, sie zu vergessen. Aber eine Leidenschaft lässt sich eben nicht erzwingen. Deswegen fand ich es sinnbildlich, dass letztlich der Contemporary in Rayne so viel ausgelöst hat, weil es dort eben nicht um Perfektion und schön aussehen geht, sondern um Gefühle und diese frei zu vertanzen. Es war eine schöne Symbolik und die Idee mit dem Musikvideo war eine echt tolle Idee.

Die Musik als zweites Thema war natürlich so oder so nicht abwegig, denn ohne Musik kein Ballett, so einfach ist das. Dementsprechend hat Savas eine passende Verbindung gesucht und gefunden. Dennoch fiel mir wieder auf, dass ein wenig die Konsequenz in der Darstellung der Themen fehlte. Ich hätte die Choreographie zu dem Musikvideo gerne mit mehr Bildern angereicht gehabt, umgekehrt hätte ich mich auch nicht beschwert, wenn der Schreibprozess des Songs intensiver gewesen wäre. Das fehlt mir immer besonders auf, wenn ich eben merke, dass diese Prozesse die Figuren sehr gut einfangen würden. Zwar habe ich Rayne und Easton als Figuren wirklich gut verstanden, aber das wurde eben meist alles über die Gespräche zusammen abgefangen und gemeinsame Tätigkeiten wären eine schöne Ergänzung gewesen. Bei Easton und seiner Band sowie dann auch die Involvierung von Rayne, ich musste irgendwie an „Daisy Jones & The Six“ denken. Das hatte viele ähnliche Vibes und das ist als Kompliment gemerkt. Gerade die Dynamik der Jungs untereinander, das kam toll rüber, aber auch wie selbstverständlich Rayne dann mit ein paar Neckereien eingebunden wurde. Das war einfach ein sehr sympathischer Haufen.

Zwei Bände stehen in der Reihe nun noch aus und die große Frage ist wirklich, wird es wirklich noch eine Ballettreihe? Wird das Tanzen so in den Mittelpunkt gerückt, dass es dann auch einer meiner ersten Gedanken ist, wenn ich anschließend noch dran denke? Bei Lia könnte ich es mir auf jeden Fall wirklich gut vorstellen, da sie eine typische Primaballerina zu sein scheint, die auch meisten mit dem Erwartungsdruck zu kämpfen hat. In diesem Band bekommen wir aber mehr Vorarbeit in Richtung Skye geleistet und ich bin schon sehr gespannt. Zwar kann man bei ihr erahnen, dass die Thematik auch wegführen könnte, aber es ist ersichtlich, dass es bei ihr noch viel zu entdecken gibt. Ich bleibe also an der Reihe dran, aber meine Erwartungen sind inzwischen ganz andere als anfangs.

Fazit: „Stay Here“ spielt ein bisschen alibimäßig an der New England School of Ballet, aber eigentlich ist das vorherrschende Thema diesmal Musik und Trauer sowie Selbstzweifel. Ich habe mich inhaltlich absolut abgeholt gefühlt und eine sehr authentische Darstellung mit hohem Wiederkennungsfaktor bekommen, aber Ballett war wieder nicht viel. Gut, dass Anna Savas eine gute Erzählerin ist, die diesmal mit ihrer Geschichte auch alles besser auffangen kann.

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Veröffentlicht am 03.07.2023

Nun auch vom Saum infiziert

Vergissmeinnicht - Was bisher verloren war
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Nachdem 2021 von Kerstin Gier nach langer Wartezeit der Auftakt zur „Vergissmeinnicht“-Geschichte erschien, war meine Freude groß. Tatsächlich hat mich der erste Band dann aber nicht gut überzeugen können. ...

Nachdem 2021 von Kerstin Gier nach langer Wartezeit der Auftakt zur „Vergissmeinnicht“-Geschichte erschien, war meine Freude groß. Tatsächlich hat mich der erste Band dann aber nicht gut überzeugen können. Kritisiert hatte ich eine zu freigiebig erzählte Welt, die keine Grenzen zu haben scheint, keine klare Linie, wohin die Geschichte will und einen etwas chaotischen Schreibstil. Ja, ich finde es zwei Jahre später auch unglaublich, dass ich all das mal zusammen zu einem Buch von Kerstin Gier untergebracht habe. Band 2 mit dem Untertitel „Was bisher verloren war“ habe ich dennoch lesen wollen.

Die gute Nachricht ist, ich bin wirklich galaktisch viel besser mit der Welt des Saums klarkommen und erkenne inzwischen einen deutlich roteren Faden. Zwar ist für mich immer noch nicht recht zu erkennen, ob es einen finalen dritten Band gibt, oder ob die Pläne noch viel weiter reichen. Das spricht immer noch dafür, dass es für mich vermittelt keinen klaren Schluss gibt. Dennoch hat mich das beim Lesen diesmal nicht so gestört, denn es klappt im Hier und Jetzt diesmal zu gut, als dass meine Gedanken da einen kritischen Ausflug tätigen wollten. Aber ich gehe dennoch davon aus, dass nach einem dritten Band Schluss sein wird. Sollte sich Gier auch für diesen nochmal bessern, dann kommt das Beste einfach ganz am Ende. Aber zurück zum zweiten Band: wir lernen zwar noch einige neue Charaktere kennen und zwar die Organisation, zu der Quinns verstorbener Vater Yuri angehörte, aber dennoch merkt man ansonsten, dass die Handlung sich jetzt gesetzt hat und dass es vor allem darum geht, zu den bekannten Figuren mehr herauszufinden und dann im Saum noch spezielle übernatürliche Wesen kennenzulernen, die dann unterschiedliche Gefahrenstellen darstellen. So ergibt sich aber ein gut strukturierter Handlungsbogen, der gerade am Ende auch eine tolle Spannung aufbaut.

Auch der Schreibstil zeigt sich deutlich verbessert. Ich hatte auch den Eindruck, dass Gier es diesmal alles etwas cleverer gelöst hat. Die Handlung basiert nicht mehr so sehr auf berichteten Erlebnissen, sondern man ist immer live dabei, was einfach viel spannender ist. Zwar gibt es immer noch das Element, dass wir zeitlich nochmal zurückspringen, aber das ist dann so geschickt gelöst, dass es wie ein herausforderndes Puzzle wirkt, wo man begeistert mitknobelt. Das funktioniert diesmal aber auch besser, weil nicht nur Quinn die Abenteuer erlebt, sondern weil Matilda zunehmend gleichberechtigt wird. Ich hatte zwar nicht das Gefühl, dass sie im ersten Band auf dem Abstellgleis war, aber dadurch, dass sie an die uns bekannte Realität gebunden war, war ihr Aktionsradius einfach etwas kleiner und im Vergleich hat Quinn dann einfach mehr erlebt. Diesmal wird es ausgleichender, weil erstens die Spannungsmomente wieder in unsere Welt geholt werden und weil dann zweitens Matilda ihren Weg in den Saum findet. Das ist wirklich das Beste, was der Geschichte passieren konnte. Wir haben nun höchst unterschiedliche Wege, die wir kennen, wobei Quinn und Matilda noch die harmlosesten Wege haben, aber es wird sehr spannend, wie sich das alles im dritten Band ausspielt, weil da nun wohl alle Möglichkeiten auf dem Tisch sind.

Ich fand es auch diesmal sehr angenehm, dass Quinn und Matilda nach einer raschen Versöhnung zwar süß verliebt sein dürfen, dass die Geschichte aber ansonsten doch sehr erwachsen wirkt. Sie sorgen sich jeweils umeinander und das ist wohl völlig normal, aber es wird nicht noch künstliches Drama aus den Händen gesaugt (Eifersucht etc.), sondern es wird mehr an einem Strang gezogen. Zumal die beiden Figuren dann auch so ergänzend sind. Matilda ist eben eher die Wissenschaftlerin, die, die richtigen Fragen stellt und die mehr eine Kombinationsgabe hat. Quinn ist wirklich eher der impulsive Abenteurer, weswegen es nun umso besser ist, dass beide im Saum wirken können, selbst wenn Quinn von Matildas Art und Weise noch nicht wirklich weiß. Neben den beiden ist aber auch Jeanne ein großer Gewinn für die Geschichte. Sie wird mehr beleuchtet und sie zeigt sich dadurch als Figur, die immer unberechenbar bleiben wird, die als Verbündete aber immer der Ass im Ärmel sein kann. Auch ansonsten zeichnet sich immer deutlicher ab, welche Figuren wichtig sind und die werden intensiver beleuchtet. Das ist sehr angenehm, denn je mehr man in die Geschichten und die Figuren investiert ist, desto mehr gebunden ist man alles. Nach diesem Band will ich auf jeden Fall weiterlesen und ich finde auch, dass dazu ein vorzüglicher Epilog beiträgt!

Fazit: „Vergissmeinnicht – Was bisher verloren war“ ist für mich eine klare Steigerung in der Geschichte von Kerstin Gier rund um den Saum und seine Figuren und Gestalten. Zwar scheint es immer noch kein absehbares Endziel zu geben, aber an Spannung, an Tiefe, an Relevanz und an Begeisterung gab es so viele Verbesserungen, dass ich diesmal ungerne aus der Geschichte gegangen bin. Ich freue mich auf Band 3!

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