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Veröffentlicht am 15.09.2016

Altklug und charmant

Eine Therapie für Aristoteles
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Sie glauben vielleicht, es wäre ganz einfach, sich daran zu erinnern, warum man einen Roman schreibt, aber das ist es nicht. Diane sagt, es sei so ähnlich, wie sich daran zu erinnern, warum man seinen ...

Sie glauben vielleicht, es wäre ganz einfach, sich daran zu erinnern, warum man einen Roman schreibt, aber das ist es nicht. Diane sagt, es sei so ähnlich, wie sich daran zu erinnern, warum man seinen Partner geheiratet hat.
Zettel 1: Ich schreibe diesen Roman, um eine lästige und teure Therapie zu vermeiden.
Zettel 2: Ich schreibe diesen Roman, damit Diane in Rente gehen, Max ins Ferienlager fahren und ich chillen kann.
Zettel 3: Ich schreibe diesen Roman für den Fall, dass es mit Diane und Penn nicht klappt - vielleicht fällt sie einem anderen Mann auf.
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INHALT:
Die zwölfjährige Aristoteles, genannt Aris, hat es nicht einfach: Ihr Vater ist tot, ihre Mutter völlig überfordert mit der Erziehung von ihr und ihrem hyperaktiven jüngeren Bruder Max und Freund Billy meldet sich nach seinem Umzug nicht mehr - Aris fühlt sich ziemlich allein und bräuchte dringend eine Therapie. Da diese aber teuer ist, beschließt sie stattdessen, mithilfe eines Ratgebers in 30 Tagen ein Buch zu schreiben. Denn sollte sie einen Bestseller landen, wären alle Probleme auf einen Schlag gelöst...

MEINE MEINUNG:
Romane mit einem Kind als Erzähler scheinen seit einigen Jahren immer mehr im Trend zu liegen - sind sie in ihrer altklugen Art doch charmant und der naive Blick auf die Geschehnisse herrlich unverstellt. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit Melanie Sumners "Eine Therapie für Aristoteles", in dem die Hauptfigur durch ein selbst geschriebenes Buch ihre Geschichte erzählt. Der Stil ist dafür sehr erwachsen und daher teilweise durchaus ein wenig überzogen, nimmt durch die intelligente und unterhaltsame Stimme des jungen Mädchens aber dennoch mit.

Aris ist selbstverständlich, wie sich das für einen solchen Roman gehört, etwas sehr Besonderes: Reif für ihr Alter und schnell erwachsen geworden, weiß sie ziemlich genau, was sie will und was sie braucht: Einen neuen Vater und Ruhe, um sich endlich entfalten zu können. Das strebt sie mit ihrem eigenen Buch an, stiftet damit aber selbst wieder Chaos, was sie sehr sympathisch macht. Doch auch die anderen Figuren sind toll angelegt: Der arbeitslose und ein wenig scheue Penn, der die PMB (Positive männliche Bezugsperson) darstellt und den Aris mit ihrer Mutter verkuppeln will; Mutter Diane mit ihrer Überforderung und ihrer Aufmüpfigkeit gegenüber den Eltern, aber auch einer liebevollen Sorge um ihre Lieben; oder auch Dianes Student Charles, unaufdringlich religiös und in der Gefahr, zu Unrecht ins Gefängnis zu müssen. Am unterhaltsamsten sind aber wahrscheinlich die Großeltern mit ihrer skurrilen, komplett unterschiedlichen Art, die immer wieder für Lacher sorgen.

Keine Frage, das Werk lebt von dem Situationswitz und Aris' übertrieben klugen Aussagen und Gedankengängen. Dafür ist das Ganze aber ansonsten auch ziemlich ruhig. Das Familienleben ist chaotisch, aber ansonsten passiert nicht viel, was leider für die ein oder andere Länge sorgt. Und immer wieder eingeschobene Aufsätze oder Kurzgeschichten, die andere Figuren geschrieben haben, erscheinen manchmal wenig zielführend und wirken eher wie Lückenfüller. Zum Glück wird das aber durch teilweise sehr berührende Gespräche, einige Lebensweisheiten und wunderbar absurde Situationen oft wieder wett gemacht. Nur das Ende wirkt dann gehetzt: Wenig, für meinen Geschmack zu wenig, wird aufgelöst, sodass man als Leser ziemlich in der Luft hängen gelassen wird. Natürlich spielt das Leben nicht immer, wie man sich das wünscht, aber trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass der Schluss hier irgendwie noch mehr hätte sein können.

FAZIT:
"Eine Therapie für Aristoteles" besitzt durch die altkluge Erzählstimme einen eigenen Charme und überzeugt mit den vielen besondere Figuren, die man gern begleitet. Es geschieht allerdings auch nicht viel und teilweise übertreibt Melanie Sumner es ein wenig mit der Gewitztheit der doch sehr jungen Protagonistin. Insgesamt gibt es von mir dafür 3,5 Punkte, abgerundet auf 3.

Veröffentlicht am 17.04.2018

Diversität um der Diversität willen

Artemis
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Ich stieß die Luke auf und stürzte hinein. Alles verschwamm mir vor den Augen, ich schnappte hektisch nach Luft. Mit einem Tritt verschloss ich die Luke, griff nach dem Notvorrat und riss den Sicherungsstift ...

Ich stieß die Luke auf und stürzte hinein. Alles verschwamm mir vor den Augen, ich schnappte hektisch nach Luft. Mit einem Tritt verschloss ich die Luke, griff nach dem Notvorrat und riss den Sicherungsstift heraus.
Der Verschluss flog weg, und die Luft strömte in die kleine Kammer. Es ging so schnell, dass die Hälfte kondensierte und als Dampf in der Schleuse schwebte, weil die rasche Ausdehnung mit einer starken Abkühlung einherging. Beinahe ohnmächtig sank ich zu Boden.
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INHALT:
Jazz Bashara lebt in der einzigen Stadt auf dem Mond, Artemis, und hält sich bei den teuren Lebensbedingungen einigermaßen über Wasser, indem sie kleinere kriminelle Tätigkeiten ausführt. Ihr Ziel ist es, mit den anderen EVA-Meistern Ausflüge auf der Mondoberfläche ausführen zu dürfen, aber dafür braucht sie Geld für einen anständigen Raumanzug. Als ihr für einen Coup eine Million geboten wird, scheinen alle Sorgen vergessen, und sie nimmt das Angebot ohne zu zögern an. Doch der Plan geht nicht auf: Sie wird entdeckt und ihr Auftraggeber ermordet. Und nun sind die Täter hinter ihr her...

MEINE MEINUNG:
Zuerst im Selbstverlag erschienen, 2014 von einem Verlag gekauft, zum Bestseller geworden und von Ridley Scott verfilmt - das ist die Erfolgsgeschichte von Andy Weirs Debüt "Der Marsianer". Nach langen Jahren des Wartens legt er nun mit "Artemis" einen neuen Science Fiction- Roman vor, der wieder auf einem fremden Planeten spielt, dieses Mal auf dem Mond. Es wird versucht, vieles anders zu machen: Statt einem Überlebenskampf in unwirtlicher Umgebung geht es nun um einen fehlgeschlagenen Coup, statt eines männlichen Protagonisten haben wir eine weibliche Hauptfigur, und wir begleiten eine Riege von diversen Charakteren. Und doch scheint der Autor sein bestimmtes Schema nicht ablegen zu können, was irgendwann sehr anstrengend wird.

Jazz Bashara ist Muslimin, sie ist intelligent und gewitzt - und sie ist definitiv eigentlich ein Mann. Es ist schön, dass männliche Autoren einen anderen Blickwinkel einnehmen wollen und dass ein Sci-Fi-Roman aus eben diesem erzählt wird, aber hier tritt wieder der klassische Fall davon ein, dass ein Mann meint, aus der Sicht einer Frau schreiben zu können und gnadenlos daneben liegt.Die pubertären Witze haben bei Mark Watney funktioniert, aber sie tun es nicht bei Jazz, ihre ewige Reduktion auf ihren ach so vielen Sex nervt, und kaum eine Frau würde von sich denken, dass sie im T-Shirt eines Mannes schon "sehr sexy" aussieht. Dementsprechend ist für weibliche Leser eine Identifikation definitivsehr schwierig. Auch der Rest der Figuren ist von Diversität geprägt, aber gefühlt eher um genau dieser Diversität willen - bei Dale zum Beispiel, der offen schwul ist, was man daran merkt, dass er immer und immer wieder darauf hinweist. Charaktere sind Andy Weirs Schwäche, und das wird hier sehr deutlich.

Seine Stärke, die technischen und wissenschaftlichen Informationen und Details nämlich, spielt er dafür wieder aus - die Erklärungen sind anschaulich, die sich daraus ergebenden Handlungsstränge größtenteils interessant. Wenn man mal von der recht langatmigen ersten Hälfte absieht, in der beinahe nichts passiert. Erst nach dem Mord wird es spannender, als Jazz um ihr Leben fürchten und daher einen guten neuen Plan aushecken muss. Trotzdem gibt es immer wieder Längen, denn dieser Plan hat sehr viel, und ich meine wirklich sehr viel, mit Schweißen zu tun. Wo im Debüt des Autors jedes Kapitel mit einem fiesen Cliffhanger endete, treibt einen hier nicht so wirklich viel zum Weiterlesen an, und das ändert sich leider auch zu selten. Dafür gibt es einfach zu wenige neue Elemente und zu wenige Charaktere, die man wirklich ins Herz schließt. Es bleibt zu hoffen, dass Weir sich in seinem nächsten Roman wieder an seine Stärken hält.

FAZIT:
In "Artemis" versucht Bestseller-Autor, löblicherweise mehr Diversität bei seinen Figuren unterzubringen, vergisst darüber aber das Innenleben eben dieser. Zudem hat die Geschichte so einige Längen, wodurch an vielen Stellen kein richtiges Lesevergnügen aufkommen mag. 2,5 Punkte dafür.

Veröffentlicht am 30.01.2018

Leider sehr langatmig

Das blutende Land
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"Ein anderer Wolf", sagte Corvis andächtig. "Mit dem habe ich nicht gerechnet. Wahrscheinlich die Gefährtin. Wir haben Glück, dass sie gleich abgezogen ist. Das wäre sonst ein harter Kampf geworden." ...

"Ein anderer Wolf", sagte Corvis andächtig. "Mit dem habe ich nicht gerechnet. Wahrscheinlich die Gefährtin. Wir haben Glück, dass sie gleich abgezogen ist. Das wäre sonst ein harter Kampf geworden." Er sah seinen Sohn an. "Was ist mit dir? Frierst du?"
"Nur die Erleichterung", log Sardev. "Es ist nichts, nur die Erleichterung nach dem Kampf. Ich bin froh, dass es vorüber ist."
Sein Vater musterte ihn, sagte aber kein Wort. Stumm ging er in die Knie und betastete den Kopf des toten Wolfs, griff mit den Fingern nach den Ohren. Sardev merkte, dass sein Vater ahnte, dass er ihn anlog. Und er wusste darüber hinaus, dass er auf einmal Angst hatte. Angst vor etwas, das er nicht erspüren konnte, von dem er aber glaubte, dass es irgendwie hinter den Hügeln auf ihn lauerte, in einer zottig-grauen Gestalt, die auf vier Pfoten lief und jetzt vor Verzweiflung und Wut die Monde anheulte.
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INHALT:
Patloren wird vom Imperium der Eskoher beherrscht. Der neue Verwalter Nesh-Tilan möchte die geltenden Gesetze noch härter anwenden und sich dabei selbst in eine gute Ausgangslage für den Aufstieg bringen - doch dafür braucht er einen Sündenbock. Der junge Sardev ist eigentlich ein ganz normaler Bauernsohn. Aber als er auf einem öffentlichen Marktplatz den Fehler begeht, einem unschuldigen Mann helfen zu wollen, wird er gefangen genommen und für ein Experiment benutzt: Sein Geist soll mit dem eines Wolfes verschmolzen werden, damit er den Eskohern als Waffe dienen kann. Doch der Magier, der diese Verwandlung durchführt, hat nicht den Frieden im Land im Sinne. Und er muss mit allen Mitteln bekämpft werden.

MEINE MEINUNG:
"Das blutende Land" ist Dark Fantasy, die dem Genre-Namen alle Ehre macht: Von Anfang an düster, schmutzig und ungeschönt wird eine Geschichte erzählt, die so humorlos wie episch daher kommt. Autor Klaus N. Frick, bekannt als Chefredakteur der Perry Rhodan-Serie, hat altbekannte wie spannende neue Ideen verarbeitet - sein Schreibstil ist für meinen Geschmack trotz anschaulicher Beschreibungen aber viel zu ausschweifend und langatmig. Erzählt wird die Geschichte aus vier Sichten, wobei aber insbesondere die des eigentlichen Protagonisten Sardev viel zu kurz kommt.

Dieser ist nämlich - als einziger der Charaktere - durchaus einigermaßen sympathisch, weil er für sich selbst und für andere einsteht und nicht auf den Kopf gefallen ist. So richtig in den Vordergrund tritt er aber erst nach über der Hälfte des Romans und dann ist er bereits vom Wolf besessen, es ist also schwierig, seinen eigentlichen Charakter auszumachen. Die restlichen Figuren sind alle durchweg unsympathisch und auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Das ist prinzipiell sehr interessant, weil man bei ihrem ambivalenten Verhalten selten sicher sein kann, was sie als nächstes vorhaben. Gleichzeitig wird einem aber auch niemand zur Indentifikation geboten. Sie alle ziehen ihr Ding durch, befolgen oder geben Befehle und versuchen ihre Ziele zu erreichen. Insbesondere die Kämpferin Zarg-Nolesa - eigentlich eine starke Frau - wird sehr darauf reduziert, die Anweisungen des Hohen Rates zu befolgen, eigene Ambitionen hat sie eher keine. Das ist schade und führt nicht dazu, dass man die Charaktere gern begleitet.

Eventuell liegt es daran, dass man nach dem stimmungsvollen Prolog erst einmal für mehr als 200 Seiten das Gefühl hat, dass nichts passiert. Erst nach fast der Hälfte des Romans kommt es überhaupt zu dem im Klappentext erwähnten Experiment - davor folgt man den Figuren hauptsächlich dabei, wie sie von einem Ort zum anderen reisen und Befehle ausführen. Sardev kommt viel seltener zu Wort als die restlichen Figuren und das wird erst besser, nachdem seine Seele mit der des Wolfes verschmolzen wurde. Danach ist sein Kampf um die Vorherrschaft über seinen Körper interessant anzusehen und auch die actionreichen Szenen nehmen wieder zu. Trotzdem fehlte mir das gewisse Etwas - und sei es auch nur ein wenig Humor zur Auflockerung der düsteren Szenerie und deren sehr oft erwähnten unangenehmen Gerüche. In der Zwischenzeit hatte mich die langatmige Erzählweise schon zu sehr verloren, als dass mich die Geschichte im Finale noch richtig hätte packen können. Immerhin werden alle offenen Stränge noch knapp zusammen geführt, sodass der Roman - für das Genre ungewöhnlich - einen runden Einzelband abgibt. Ob einem das reicht, muss jeder für sich entscheiden.

FAZIT:
High Fantasy ist eines meiner liebsten Genres - hier noch etwas Neues zu finden, wird da mitunter schon schwierig. Klaus N. Frick wartet in "Das blutende Land" tatsächlich mit frischen Ideen auf, mit seinem ausschweifendem Schreibstil und den sehr ambivalenten Figuren konnte ich aber nur wenig anfangen. So sprang der Funke leider nie auf mich über. Knappe 2,5 Punkte.

Veröffentlicht am 29.08.2017

Viel zu gehetzt und oberflächlich

Amrita
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Auf ein Nicken meines Vaters trat ich vor, griff nach dem Riegel auf dem Deckel und öffnete ihn.
In der Kiste bewegte sich etwas. Erschrocken wich ich zurück. Sikander konnte kaum mehr an sich halten, ...

Auf ein Nicken meines Vaters trat ich vor, griff nach dem Riegel auf dem Deckel und öffnete ihn.
In der Kiste bewegte sich etwas. Erschrocken wich ich zurück. Sikander konnte kaum mehr an sich halten, so viel Spaß bereitete ihm das Ganze.
Vorsichtig trat ich wieder näher. Die Kreatur in der Kiste wand sich. Haut, Haare, Fingernägel, ein Mund - es war ein Mensch! Erst als sie zu mir heraufblinzelte, bemerkte ich, dass es ein Mädchen war. Ein Mädchen in meinem Alter.
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INHALT:
Die 16-jährige Amrita ist die Prinzessin des Königreiches Shalingar und führt ein ruhiges, sorgenfreies Leben - bis eines Tages der Kaiser von Makadon, ein unbarmherziger Eroberer namens Sikander, mit seiner Delegation anreist. Amrita ist ihm versprochen, doch schnell ist ihr klar, dass sie diesen grausamen Mann niemals heiraten kann. Schreckliche Dinge geschehen und sie sieht nur einen Ausweg: Flucht. Gemeinsam mit der Seherin Thala macht sie sich auf die Suche nach der Bibliothek des Seins, um ihr Schicksal zu verändern. Dabei begegnet sie nicht nur einigen Gefahren - sie findet auch sich selbst.


MEINE MEINUNG:
Orientalisch angehauchte High Fantasy, eine selbstbestimmte Protagonistin und die Suche nach einer geheimnisvollen Bibliothek, mit deren Hilfe man Leben umschreiben kann - was kann es Besseres geben? "Amrita" sollte all das und noch mehr vereinen und tatsächlich hat Aditi Khorana einen dazu passenden sehr bildlichen, teilweise metaphorischen und vor allem atmosphärischen Schreibstil. Nur sind 320 Seiten für einen solchen Roman einfach viel zu wenig, sodass so gut wie gar keine Tiefe aufkommt.

Amrita ist leider auch keine besonders starke Protagonistin. Sie weint und jammert viel und sie versteht die einfachsten Dinge nicht - zum Beispiel, als sie bemerkt, dass ihr Dolch ein Schlüssel ist, obwohl ihr zuvor explizit gesagt wurde, dass der Dolch ein Schlüssel ist. Die Seherin Thala ist da schon deutlich interessanter: Abhängig von der Droge Chamak und gebrochen durch die jahrelange Gefangenschaft in Makadon ist sie verständlicherweise wütend - aber nichtsdestotrotz kümmert sie sich immer um Amrita, was diese immerhin zum Ende hin auch erwidert. Sikander ist ein sehr klischeehafter Bösewicht: Eher schmächtig und hässlich versucht er seine Komplexe durch Macht wett zu machen. Zum Ende hin erhält er ein paar mehr Facetten, aber kaum neue Tiefe. Ganz schwach charakterisiert sind allerdings insbesondere die beiden Jungen des Liebes-Dreiecks. Die Romantik spielt keine so große Rolle wie befürchtet, aber dafür, dass sich Amrita zu beiden hingezogen fühlt, dem einen sogar die Liebe erklärt, sind beide ausnehmend blass und zeichnen sich insbesondere durch schwülstige Aussagen aus.

Obwohl sich mit dem Setting und den Ideen so viele Möglichkeiten bieten, hetzt die Autorin durch die Seiten, als hätte sie schnell fertig werden wollen. Es bleibt kaum Zeit dafür, dass Amrita nach der Flucht aus dem Palast ihrer "großen Liebe" nachtrauert, bevor sie auch schon dem nächsten jungen Mann begegnet, ihre wahre Identität nimmt sie relativ problemlos an und jede potenziell gefährliche Situation wird mit ein bisschen Dialog abgehandelt. So kommt überhaupt keine Spannung auf, denn man muss sich um die Figuren ja keine Sorgen machen - sie schaffen sowieso alles mit Leichtigkeit. Erst auf den letzten knapp 100 Seiten wird es interessanter, weil sich die Geschichte ab diesem Punkt anders entwickelt als zu Beginn erwartet. Überraschungen bleiben dennoch aus, bis zum Schluss ist fast alles vorherzusehen. Da hätte viel mehr herausgeholt werden können.

FAZIT:
"Amrita" vereint viele tolle Ideen und besitzt ein wunderschönes, farbenfrohes Setting. Aditi Khorana hetzt allerdings so stark durch ihre Geschichte, dass kaum Zeit für die Figuren und so etwas wie Tiefe bleibt. Die Protagonistin hat mich genervt und die Liebesgeschichte ist unglaubwürdig, sodass nur wenig Positives überbleibt. Dafür gibt es von mir nur ganz knappe 2,5 Punkte.

Veröffentlicht am 04.09.2018

Ohne Überraschungen

The House - Du warst nie wirklich sicher
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Als ich den Blick vom Fenster löste, steckte Elsie gerade ihren Schlüssel ins Schloss. Sie hielt kurz inne, und ich fragte mich, ob sie die Bewegung über sich auch wahrgenommen hatte. Doch dann drehte ...

Als ich den Blick vom Fenster löste, steckte Elsie gerade ihren Schlüssel ins Schloss. Sie hielt kurz inne, und ich fragte mich, ob sie die Bewegung über sich auch wahrgenommen hatte. Doch dann drehte sie sich um und schaute mich direkt an. Da wurde mir klar, dass sie die ganze Zeit gewusst haben musste, dass ich ihr folgte. Sie lächelte. War das ein Lächeln? Sogar jetzt bin ich mir nicht ganz sicher. Es war auf jeden Fall etwas, irgendeine Art von Bestätigung. Es wirkte schüchtern, beinahe wehmütig. Es war derselbe Ausdruck, den ich zwei Monate später auf ihrem Gesicht sehen sollte, als wir uns auf dem Bahnsteig unseres Lokalbahnhofs begegneten und ich dastand und beobachtete, wie sie sich hinunterstürzte.
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INHALT:
Sydney und Jack haben sich endlich den Traum von einem eigenen Haus erfüllt und könnten glücklicher eigentlich kaum sein - müssten sie nicht das gesamte Haus ausräumen, weil der vormalige Besitzer alles zurückgelassen hat. Und würden nicht seltsame, erschreckende Dinge geschehen: Nächtliche Geräusche, unangenehme Gerüche, ein totes Tier auf dem Dachboden...und dann wird einer ihrer Nachbarn auch noch tot in einer Gasse hinter dem Haus aufgefunden. Sydney und Jack ahnen, dass ihnen jemand etwas Böses will. Doch wer? Und weshalb?

MEINE MEINUNG:
Ein Haus, in dem scheinbar unerklärliche Dinge vor sich gehen, eine Leiche in der Gasse dahinter, und Protagonisten, die ihre Geheimnisse voreinander verbergen...Das klingt nach einem mysteriösen, leicht schaurigen Thriller voller Plot-Twists. Tatsächlich hat diese Erwartungshaltung aber wenig mit dem letztendlichen Ergebnis zu tun. Eher ist dieses eine Erzählung über eine schwere Kindheit, Kindesmisshandlung und die Gefahr einer Vergangenheit, die sich nicht begraben lässt. Daher ist auch der Titel, "The House", irreführend - Autor Simon Lelic konzentriert sich bereits vor Ende der ersten Hälfte mehr auf die traumatischen Ereignisse. Falsche Erwartungen werden insbesondere auch geweckt, da die Hauptfiguren zuerst eine Art Tagebuch voller kryptischer Andeutungen schreiben, die dann zu früh aufgelöst werden.

Mit Sydney und Jack wurden zwei relativ irrational handelnde Charaktere geschaffen, die sich immer wieder in ihre Unwahrheiten und Geheimnisse verstricken. Beide bleiben sie trotz ihrer Familiengeschichten ein wenig blass. Dennoch ist es anfangs durchaus spannend, ihnen in ihren Erlebnissen zu folgen und zu erfahren, welche Entdeckungen sie im Haus gemacht haben. Gefühlt hat der Autor diese Idee aber irgendwann einfach verworfen - bevor zwei Drittel des Buches vorbei sind, kennt man bereits den Strippenzieher und kann sich auch recht bald denken, wer für die Leiche verantwortlich ist: Überraschungen gibt es also keine. Ohne Zweifel, Kindesmisshandlung ist ein Thema, das angesprochen werden muss - aber nicht so wie hier, wo der Aspekt eher ein Mittel zum Zweck ist und viel zu gering ausgebaut wird. So bleibt zum Schluss nur das Gefühl, dass die gesamte Geschichte nichts Halbes und nichts Ganzes ist.

FAZIT:
Simon Lelics "The House" dreht sich nicht so sehr um ein mysteriöses Haus wie man glauben könnte. Stattdessen wird relativ früh offenbart, wer hinter allem steckt, und auf die großen Twists wie man sie sich bei Thrillern erhofft, wartet man vergeblich. Insgesamt eher unbefriedigend. 2 Punkte.

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