Profilbild von Paperboat

Paperboat

Lesejury Star
offline

Paperboat ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Paperboat über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.07.2023

Büchermenschen geht das Herz auf!

Sunwise Turn
0

Madge Jenison und Mary Mowbray-Clark, beide in künstlerisch-intellektuellen Kreisen beheimatet, wagen es kurz vor den Wirren des Ersten Weltkrieges eine Buchhandlung in New York zu eröffnen. The „Sunwise ...

Madge Jenison und Mary Mowbray-Clark, beide in künstlerisch-intellektuellen Kreisen beheimatet, wagen es kurz vor den Wirren des Ersten Weltkrieges eine Buchhandlung in New York zu eröffnen. The „Sunwise Turn“ ist geboren. Beide sind keine gelernten Buchhändlerinnen und haben wenig Geschäftssinn, dafür ein unglaublichen Vorrat an Liebe zu Büchern, Enthusiasmus und Ideen. Die meistgehandelte Ware, sagen sie, ist in ihrer Buchhandlung das Gespräch, und so gestatet sich auch ihr Arbeitsalltag alles andere als konventionell. Schon bald ist Sunwise Turn über die Grenzen des Viertels und irgendwann auch über New Yorker Stadtgrenzen hinaus bekannt, und Frauen aus gehobenen Gesellschaftsschichten volontieren (häufig sogar) unentgeltlich, liefern Bestellungen aus, verkaufen Bücher im Laden usw. Es ist alles andere als eine gewöhnliche Buchhandlung, und Madge Jenison gibt in „Sunwise Turn“ nicht nur wie im Untertitel angegeben eine Liebeserklärung an die Welt der Bücher, sondern auch einen Einblick in den Beruf des Buchhändlers in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Für mich als angehende Buchhändlerin ist dieses Buch eine Inspiration, auch wenn vieles sich vereinfacht und verändert hat und längst nicht mehr so gehandhabt wird wie vor 100 Jahren.
Ein faszinierendes Portrait ist dieses kleine Buch, das in meinem Bücherregal einen besonderen Platz bekommen wird!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Phantastische Story mit einem Ausdruck zwischen Melodie und Parodie

Der kleinste Kuss der Welt
0

Einem depressiven Erfinder rutscht bei einem Theaterbesuch ein Kuss von den Lippen. Die Frau, die dieser Kuss erreicht, verschwindet daraufhin – aber nicht einfach so, sie wird nämlich unsichtbar. Jener ...

Einem depressiven Erfinder rutscht bei einem Theaterbesuch ein Kuss von den Lippen. Die Frau, die dieser Kuss erreicht, verschwindet daraufhin – aber nicht einfach so, sie wird nämlich unsichtbar. Jener Erfinder versucht nach dieser Nacht fieberhaft die unsichtbare Frau wiederzufinden. Ihm, dem das Herz zuvor gebrochen wurde, erblüht es nun wieder vor Sehnsucht die Frau dieses so wohlschmeckenden Kusses ausfindig zu machen. Dafür sucht er einen Detektiv auf, der ihm seinen Papagei ausleiht, der dem Erfinder dabei hilft die unsichtbare Frau ausfindig zu machen. Um den Vogel auf die Fährte zu bringen, kreiert der Erfinder eine Praline, in der er den Geschmack des Kusses eingefangen hat. Es gelingt dem Erfinder tatsächlich seine verschwundene Liebe zu finden, die jedoch nicht wieder sichtbar wird. Als die einstige Liebe, die dem Erfinder das Herz gebrochen hat, zurück in sein Leben tritt, sieht er sich vor eine Entscheidung gestellt, die auch seine unsichtbare Liebe treffen und ihren ganzen Mut zusammen nehmen muss...

Was für ein wundervolles Buch Mathias Malzieu mit „Der kleinste Kuss der Welt“ geschaffen hat! Auch ich bin – wie viele andere sicher – durch Benjamin Lacombes Covergestaltung auf das Buch aufmerksam geworden. Poetisch, einfallsreich, hinreißend, ungewöhnlich, aber vor allem hat diese kurze Geschichte es zu jeder Zeit geschafft ein inneres Wohlgefühl in mir zu erzeugen, das ich gar nicht genau beschreiben kann. Inhalt und Stil sind teilweise skurril für den Leser, fügen sich aber in einem natürlichen Fluss in die Geschichte ein. Die Geschichte ist nicht nur hübsch zu lesen, sie vermittelt auch einige Denkanstöße während und nach dem Lesen.
Mein Fazit: Ich bin hin ausnehmend entzückt und werde mir seine anderen Werke ebenfalls gönnen!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Im Bann dieses Buches

Stranded - Im Bann des Sees
0

Mellie ist eine Wandlerin, an Land hat sie Beine, im Wasser Flossen. Zusammen mit ihrem Partner Rynn gehört sie einer Einheit an, die durch regelmäßige Patroullien sicherstellen, dass die Unterwasserstadt ...

Mellie ist eine Wandlerin, an Land hat sie Beine, im Wasser Flossen. Zusammen mit ihrem Partner Rynn gehört sie einer Einheit an, die durch regelmäßige Patroullien sicherstellen, dass die Unterwasserstadt im See nicht von Menschen entdeckt und angegriffen wird. Wer jedoch nach Sonnenuntergang an Land strandet, kehrt nicht zurück.
Eines Tages passiert es, dass Mellie auf die gefährliche Spezies der Menschen trifft, von denen sie angegriffen wird und es nicht rechtzeitig zurück in den See schafft. Caleb, der sie gerettet hat, nimmt sich ihrer an, doch Mellie misstraut dem Landbewohner zutiefst. Verzweifelt versucht sie einen Weg zu finden wieder nach Hause zurückzukehren. Die Zeit drängt, denn Mellie wird krank und droht zu sterben.

Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, um euch den Lesespaß nicht zu trüben. „Stranded“ von Kate Dylan fand ich richtig toll! Ich glaube, jeder, der Meerjungfrauen mag, wird an dieser Geschichte gefallen finden. Es gibt natürlich noch einige überraschende Wendungen während Mellies Abenteuer. Da es auch schon einen zweiten Band gibt, der die Geschichte um die Wandlerin Mellie zu einem Ende führen soll, muss man auch nicht lange warten, wenn man wissen möchte wie es weitergeht – ich jedenfalls werde schon bald weiterlesen!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Eine Geschichte, so kompakt und doch so schwer...

Ein gutes Verbrechen
0

Tara ist allein. Die Mutter hat ein gutes Verbrechen begangen. Sie hat ihre Tochter verlassen, da war sie noch eine Jugendliche. Bevor man nämlich keine gute Mutter ist, ist man besser gar keine Mutter. ...

Tara ist allein. Die Mutter hat ein gutes Verbrechen begangen. Sie hat ihre Tochter verlassen, da war sie noch eine Jugendliche. Bevor man nämlich keine gute Mutter ist, ist man besser gar keine Mutter. Aber Geld schickt sie Tara noch, wovon sie leben kann. Der Vater ist auch nicht da, der ist nämlich beim Militär. Kümmern tut der sich um Tara allerdings auch nicht. Tara ist ganz allein und findet auch bei den kurzen Liebschaften kein inneres Zuhause. Lediglich der Milchmann erzeugt in ihr den Hauch von Geborgenheit. Doch der Verlust der Mutter wiegt in einer Schwere, der es nichts entgegenzusetzen gibt.

„Ein gutes Verbrechen“ ist kurz. Gerade 118 Seiten lang. Das Buch könnte man in gut zwei Stunden durchlesen, aber ich wollte es dosieren, auf mich wirken lassen. Magdalena Jagelke hat in ihre Worte eine kaum zu beschreibende Kraft gelegt. Ich könnte wirklich nicht sagen, was mich an ihrem Stil so fasziniert hat, und wenn mein Leben davon abhinge – aber diese Geschichte hat mich Taras Alleinsein, nein, Einsamkeit spüren lassen.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Ein mutiges Statement

Ich habe einen Namen
0

„Ich habe einen Namen“, mit diesen Worten holt sich Chanel Miller aka. Emily Doe ihre Identität wieder. Es ist eine Identität, die über monatelange Berichterstattung auf eine Opferrolle reduziert wurde, ...

„Ich habe einen Namen“, mit diesen Worten holt sich Chanel Miller aka. Emily Doe ihre Identität wieder. Es ist eine Identität, die über monatelange Berichterstattung auf eine Opferrolle reduziert wurde, eine Frau, die auf einer Party zu viel getrunken hat und vergewaltigt wurde. Ich denke, dieses Buch ist ein großer Teil der Heilung dieser jungen Frau.

Chanel ist 22 Jahre alt, als sie mit ihrer Schwester Tiffany auf eine Party an der Stanford University geht. Sie trinkt Alkohol, bekommt einen Filmriss, und das nächste, woran sie sich erinnert, ist dass sie im Krankenhaus aufwacht. Sie wird untersucht und erhält die Info, sie sei angegriffen worden. Sie befindet sich noch inmitten ihres Schockzustandes, als ihre Schwester sie aus dem Krankenhaus nach Hause bringt. Erst in den nächsten Tagen erhält sie ein genaueres Bild dessen, was mit ihr passiert ist. Sie wurde von dem 19-jährigen Brock Turner hinter einem Müllcontainer fast vollständig ausgezogen, und er führte seine Finger in die bewusstlose Frau ein. Gerettet wurde sie von zwei schwedischen Studenten, die auf Fahrrädern vorbeifuhrend die Tat beobachteten und den Täter festhielten.

Erst langsam setzt sich für Chanel ein Bild des Tathergangs zusammen. Sie muss vor Gericht aussagen und diese Momente noch einmal erleben. Im weiteren Verlauf ihres Buches beschreibt sie das, was in ihr vorgeht, und was keine Berichterstattung wiedergibt, denn Chanel bleibt als Emily Doe anonym. Sie beschreibt Panikattacken, Weinkrämpfe und tiefgreifende Enttäuschungen darüber wie sie als Opfer und damit ihr Privatleben auseinandergenommen und ausschließlich bruchstückhaft beleuchtet wird. Ihre Geschichte ist aber auch die Chronik ihrer Gesundung, an deren Ende sie womöglich noch nicht angekommen ist. Aus Emily wurde wieder Chanel, sie hat sich ihren Namen zurückerobert und mit ihm Zuversicht und Selbstbestimmung.

Am Schluss der Geschichte ihres Übergriffs und aller weiterer Folgen ist das Statement abgedruckt, das sie am Ende ihrer Gerichtsverhandlung gelesen hat. Dieses Statement rührt zu Tränen.

Ich kann für dieses Buch gar keine Empfehlung aussprechen, weil jeder selbst wissen muss, ob er sich dieser Geschichte und dieses Themas annehmen will. Ich spreche für mich persönlich, wenn ich sage, dass mich Chanels Geschichte, ihr Durchhaltevermögen und ihr Mut in vieler Hinsicht bereichert hat.