Wem die Befremdung und das Gefühl der Unzugehörigkeit in "Die Ladenhüterin" von Sayaka Murata gefallen hat, der sollte sich in diesem Buch auf eine Steigerung von schätzungsweise 200% einstellen. Dieses Buch sollte mit einer Triggerwarnung versehen werden:"Kann deutliche Spuren von Misshandlung, sexuellem Missbrauch und Inzest enthalten." Es ist wie ein furchtbarer Autounfall, bei dem man einfach nicht wegschauen kann.
Dies ist die Geschichte der jungen Außenseiterin Natsuki, deren einziger Lichtblick des Jahres Obon, das Ahnenfest, ist. In ihrem Leben gibt es nichts, auf das sie sich mehr freut, denn aus den Freundinnen in der Schule und ihrer Familie zieht sie keine guten Gefühle. Mit ihrem passiven Vater, ihrer herrischen Mutter und ihrer manipulativen Schwester besucht sie die Großeltern in den Bergen, wo die gesamte Familie mit allen Cousinen, Neffen, Onkeln, Tanten usw. zusammenkommt. Yu ist ihr Cousin, und seit sie denken kann, sind die Kinder einander innig verbunden und teilen eine skurrile Sicht auf die Welt, weshalb sie sich auf diese Zeit des Jahres freut, wenn das Wiedersehen ansteht.
Als der Großvater eines Tages stirbt, kommen die Familien außerhalb von Obon wieder zusammen, so dass die Kinder sich bereits dann sehnsüchtig wiedersehen. Natsuki, die im vergangenen Jahr so viel mehr Schlimmes mitgemacht hat als in ihrem ganzen bisherigen Leben, will mit Tabletten Suizid begehen, was Yu allerdings verhindern kann. Die Kinder geben einander den Schwur auf jeden Fall zu überleben füreinander, was für Nasuki alles andere als leicht ist, wie die folgenden Jahre beweisen werden. Als sie eines Tages mit einer Begleitperson zurück zum Haus der seit einer Weile verstorbenen Großeltern zurückkehrt, in das Yu sich zurückgezogen hat, holen die Ereignisse Natsuki endgültig ein...
Der Klappentext des Buches gibt nicht im Ansatz wieder, was man hier zu lesen bekommt. In der Geschichte von Natsuki stecken so viele Traumata, die ihre junge Seele mit grotesken Erklärungsversuchen und Auswegen zu bewältigen versucht. Dass die von Traumata gezeichnete Natsuki solange an der sie umgebenden Gesellschaft scheitert, bis sie ihresgleichen findet, scheint nachvollziehbar, aber man fragt sich immer wieder, ist ob es in ihrem Umfeld überhaupt rationale Menschen gibt, denn diejenigen, die nicht aktiv negativ handeln, scheinen in der Geschichte passiv bis nicht existent zu sein.
Mitten im Buch kommen einem immer mal wieder Gedanken darüber, dass die Begebenheiten eigentlich nicht mehr steigerbar sind, da sollte man sich auf einige Überraschungen gefasst machen: Das Buch bleibt bis zum Ende hin in seiner Bizarrheit unglaublich.