Ein mitreißender und vielseitiger Fantasy-Epos!
Fourth Wing – FlammengeküsstAufgrund des enormen Hypes um "Fourth Wing" in den letzten Wochen kommt man als Fantasy-Fan um diese neue Reihe ja kaum herum. Nach all den begeisterten Stimmen war meine Neugierde geweckt und ich habe ...
Aufgrund des enormen Hypes um "Fourth Wing" in den letzten Wochen kommt man als Fantasy-Fan um diese neue Reihe ja kaum herum. Nach all den begeisterten Stimmen war meine Neugierde geweckt und ich habe das Buch außerplanmäßig bei einem Besuch in der Buchhandlung gekauft. Drachen, Überlebenskampf in einem tödlichen Ausbildungszentrum, eine unerwartete Liebe und ein uralter Krieg, in dem nichts so ist wie es scheint - Rebecca Yarros erzählt in "Fourth Wing - Flammengeküsst" eine mitreißende und vielseitige Geschichte, die mich so gut unterhalten hat, wie die Themen und der Hype es vermuten ließen. Dennoch habe ich einige kleinere Kritikpunkte, die verhindern, dass das Buch ein völliges Highlight geworden ist...
Ich liebe die Gestaltung! Der dtv Verlag ist mit dem Hauptmotiv des Covers sehr nah am Original geblieben und zeigt ein rundes Emblem, Wolken und Drachensilhouetten auf einem goldglänzenden Untergrund. Damit greift die Gestaltung die wichtigsten Elemente der Geschichte auf und sieht dabei noch super edel aus. Unter dem Schutzumschlag der gebundenen Ausgabe wartet außerdem ein goldenes Drachenauge mit schwarzer schuppiger Augenpartie in Nahaufnahme umschwebt von einigen Feuerfunken auf uns. Darüber hinaus hält das Buch nicht nur eine detaillierte Weltkarte des Kontinents für uns bereit, sondern auch eine Darstellung des Geländes des Basgiath War Colleges. Die 39 Kapitel der Geschichte beginnen jeweils mit einem kurzen Zitat und einer Drachensilhouette.
Erster Satz: "Der Einberufungstag ist immer am tödlichsten."
Durch die einladende Gestaltung ist das Ankommen in Navarre - einem Land umgeben von einem magischen Schutzschild, der vor dem feindlichen Poromiel schützt, und genauer gesagt am Basgiath War College total leicht. Die Geschichte wird aus Violets Perspektive in der ersten Person erzählt und beginnt spannend und temporeich mit ihrer Aufnahmeprüfung in die Schule der Drachenreiter. Als sie es über das Aquädukt schafft, tritt sie damit in eine dreijährige Ausbildung ein, von der das erste Jahr durch diesen ersten Band abgedeckt wird. Trotz der Tatsache, dass die Geschichte 700 Seiten hat, hatte "Fourth Wing" für mich bemerkenswerterweise keine Längen. Egal ob Sparring-Kämpfe mit anderen Schülern, ein tödlicher Parcour, die Vorstellung vor den Drachen beim sogenannten "Dreschen" oder die taktischen "War Games" - durch die ständige Lebensgefahr, den roten Faden der Ausbildung und immer neuen Herausforderungen bleibt die Handlung zu jedem Zeitpunkt spannend und das erste Ausbildungsjahr fliegt auch aufgrund taktisch geschickter Zeitsprünge und des flüssigen Schreibstils der Autorin geradeso dahin.
"Nichts ist heiliger als die Archive. Selbst Tempel können wieder aufgebaut werden, aber Bücher können nicht neu geschrieben werden."
Dabei halten sich actionreiche Kampfszenen, der Ausbau des Worldbuildings und die Charakterentwicklung gut die Waage und sorgen dafür, dass keine Langeweile aufkommt. Im Gegenteil: an manchen Stellen hätte die Autorin für meinen Geschmack sogar noch mehr ausholen und ausführlicher hätte sein können. Besonders was das Worldbuilding angeht, hätten wir in 700 Seiten schon durchaus mehr erfahren können, sodass noch definitiv einige offene Fragen für die nächsten Teile verbleiben. Versteht mich nicht falsch, das Worldbuilding war schon vergleichsweise ordentlich und reflektiert den Kenntnisstand der Hauptfigur treffend, legt man High-Fantasy-Maßstäbe an die Geschichte an, erscheint der Detailreichtum im Aufbau der Welt aber eher noch etwas sparsam. Auch an anderen Stellen bemerkt man, dann es sich um den ersten Teil einer Reihe und auch um das Fantasy-Debüt der Autorin handelt: Die Infodumps an den seltsamsten Stellen (z.B. als Violet das Aquädukt überquert) hätten etwas eleganter mit der Handlung verbunden sein können und darüber hinaus ergeben sich bei genauerem Hinsehen einige offene Logiklücken im Aufbau ihrer Welt (beispielsweise ist mir nicht schlüssig, weshalb das War College die Kadetten so unnötig verheizt, wenn doch dringend Nachwuchs gebraucht wird - man hätte nicht so geeignete Kandidaten auch für die Infanterie ausmustern können).
"Toxisch. Gefährlich. Bereit, dich zu töten. Es ist egal. Mein Puls flattert trotzdem wie bei einem Teenager."
Das sind nicht die einzigen kleineren Schwächen, die mir trotz der süchtigmachenden Wirkung der Geschichte aufgefallen sind. Bei genauerem Hinsehen fällt ebenfalls auf, dass viele Klischees der YA-Fantasy verbaut sind (die langsame Entfremdung vom Kindheitsfreund, eine gescheiterte Rebellion, vor der Hauptfigur verheimlichte Informationen, eine verräterische Verschwörung etc.) und die Geschichte trotz ihres modernen und spritzigen Aufzugs das Rad nicht neu erfindet. Damit waren für mich die zwei großen Wendungen am Ende der Geschichte leider auch vorhersehbar - einfach weil ich schon viele Geschichten gelesen habe, die in eine ähnliche Richtung gingen.
"Es existiert kein Ort, an dem ich dich nicht finden würde, Violence"
Die leichten Defizite hinsichtlich fehlender Originalität betreffen leider auch die Hauptfiguren. Zwar ist Violet in vielerlei Hinsicht eine großartige Heldin - sie ist endlich mal nicht insgeheim NICHT total perfekt und besiegt ihre Gegner eher mit Charakterstärke und Intelligenz als mit körperlicher Stärke oder Macht und sorgt mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Schlagfertigkeit für jede Menge Schwung in der Geschichte -, erreicht aber dennoch nicht ihr volles Potenzial. Das liegt nicht nur daran, dass sie sich mit der Zeit leider doch als "Super Special Snowflake" entpuppt, die nicht nur den größten Drachen, sondern auch noch einen seltenen Federschwanz bindet und eine besonders spezielle Siegelkraft entwickelt, sondern auch daran, dass wir viele emotionale Konflikte und Entwicklungen nur oberflächlich streifen. Klar, sie entwickelt sich mit der Zeit durch die Ausbildung und ihre neuen Erfahrungen stark weiter, viel davon passiert allerdings im Off zwischen den einzelnen Szenen. Um wirklich einen runden Eindruck von Violets Charakter zu erhalten hätte ich sie gerne die spezielle Dynamik mit ihrer Mutter weiter erkunden sehen, mehr über ihre Kindheit erfahren, ihr Bonding mit ihren Drachen näher verfolgt und dem Aufbau ihrer Beziehungen mehr Zeit eingeräumt. Außerdem habe ich die ganze Zeit darauf gewartet, dass aufgelöst wird, weshalb sie chronische Schmerzen hat, ihre Gelenke so schwach sind und ihre Haare silbern werden, aber das wurde bisher nie explizit aufgelöst (Wahrscheinlich hat Violet EDS wie die Autorin auch...?).
"Und während andere es eilig haben, sich vor mich zu stellen, steht er an meiner Seite, in dem Vertrauen, dass ich mich behaupten kann."
Das hohe Tempo beim Aufbau von zwischenmenschlichen Beziehungen lässt sich zum Beispiel an Violets Insta-Freundschaft mit Rhiannon erkennen, aber leider auch bei der Liebesgeschichte, deren Entwicklung mir viel zu schnell ging. Der Reiz des Enemies-to-Lovers-Trope wurde gar nicht richtig ausgekostet, da die beiden gefühlt nur 10 Minuten überhaupt als Feinde gelten können, bevor sie durch äußere Umstände genau wie durch eine große körperliche Anziehung aneinandergebunden sind. Und damit wären wir schon bei einem weiteren Kritikpunkt - über körperliche Anziehung hinaus kommen sich die beiden Hauptfiguren bisher noch nicht wirklich näher. Ich will mich definitiv nicht beschweren - die beiden haben eine großartige Chemie und die Sexszenen im späteren Verlauf der Geschichte sind gut geschrieben, ein wenig mehr emotionale Arbeit hätte mir aber noch gefehlt. Xaden an sich ist ein hervorragender Love Interest - geheimnisvoll, moralisch grau, attraktiv, gefährlich und dennoch respektvoll der Hauptfigur gegenüber. Auch er kann im weiteren Verlauf der Reihe allerdings noch mehr vertieft und vom Klischee des typischen dunkelhaarigen Bookboyfriends abgegrenzt werden.
"Du wirst den Moment spüren, wenn du weißt, dass es nichts mehr zu verlassen gibt. Und es mag dir vielleicht das Herz brechen, aber wenn du es spürst, flieg los. Versprich mir, du wirst losfliegen."
Neben Violet und Xaden hält "Fourth Wing - Flammengeküsst" auch jede Menge spannende Nebenfiguren bereit. Besonders gut gefallen haben mir Tairn, Andarna, Rhiannon, Liam, Mira und Ridoc, die mit der Zeit ein bisschen Found-Family-Vibes verströmen, von denen ich aber auch noch gerne mehr erfahren hätte. Besonders die Drachen kamen hier zu kurz. Was beschäftigt sie, weshalb binden sie sich überhaupt mit den Menschen, weshalb haben sie sich Violet ausgesucht...? Hier bleiben noch einige Fragen offen, die aber bestimmt in den Folgebänden geklärt werden. Generell bin ich nach dem Cliffhanger wahnsinnig gespannt auf die Fortsetzung und habe trotz der kleinen Schwächen das Gefühl, auf eine wirklich tolle Reihe mit großem Potenzial gestoßen zu sein!!!
Fazit:
Drachen, Überlebenskampf in einem tödlichen Ausbildungszentrum, eine unerwartete Liebe und ein uralter Krieg, in dem nichts so ist wie es scheint - Rebecca Yarros erzählt in "Fourth Wing - Flammengeküsst" einen mitreißenden und vielseitigen Fantasy-Epos, der mich so gut unterhalten hat, wie die vielversprechenden Themen und der Hype es vermuten ließen. Aufgrund kleinerer Kritikpunkte betreffend Worldbuilding, Klischees und Logiklücken habe ich einen halben Stern abgezogen.