Lauere ich angesichts des (sich nie von 82 Jahren fortbewegenden) Alters der Online-Omi regelrecht darauf, dass es in einem ihrer Bücher mal um eine Beerdigung gehen wird, wird nach der noch nicht allzu lang zurückliegenden Organisation einer Hochzeit im fortgeschrittenen Alter („Man muss sich nur trauen“) nun also zur Schule gegangen und den dortigen Lehrkräften als Assistenz zugearbeitet. Inzwischen zig erschienene Bände der Online-Omi-Reihe haben Renate Bergmanns Kult-Faktor regelrecht zementiert, wozu meiner Meinung auch die kongenial vorgetragenen Hörbücher beitrugen und nach wie vor beitragen: Die Stimme von Carmen-Maja Antoni und ihre Lesart SIND einfach die Online-Omi. Ich würde auch in diesem Fall wiederum raten, sich eher das Hörbuch zu Gemüte zu führen als selbst zu lesen; ich versuche es zwar auch immer wieder, aber ohne Antonis Stimme fehlt Renate Bergmann meiner Meinung nach einfach etwas ganz Wesentliches.
Im Falle von „Nicht, dass noch einer sitzenbleibt“ fehlte mir aber nun noch etwas ganz Anderes: die Bergmann-Bücher drehen sich in der Regel doch längst immer um ein bestimmtes Geschehnis, welches hernach abgeschlossen ist (Hochzeit, Camping-Urlaub, Kreuzfahrt, Krönung…), und hier ist bereits im Vorfeld klar, dass die kleine Lisbeth nun definitiv noch sehr viel länger zur Schule gehen wird als die Online-Omi dort tätig sein würde und dass es der Online-Omi auch nicht gelingen wird, die Schullandschaft zu reformieren. Es gab da einfach keinen klaren Dreh- und Angelpunkt wie z.B. eine Schulaufführung (ähnlich des Krippenspiels aus einem anderen Bergmann-Buch) oder ein Schulfest. Stattdessen besteht dieser Titel hauptsächlich aus Beobachtungen des heutigen Schulalltags und dessen Be- bis Verurteilung durch die Online-Omi; da war nun schon sehr viel Gesellschaftskritik und Sozialstudie enthalten. Aber abgesehen davon, dass der Inhalt hier meiner Meinung nach ein wenig aus dem typischen Rahmen fiel, hatte ich auch häufig das Gefühl, die Online-Omi würde sich sehr unentschlossen zwischen „früher lief das alles besser“, „gut, dass sich dies und das geändert hat“ und „ich bin allem gegenüber absolut aufgeschlossen“ bewegen; da dachte ich doch so manches Mal: „Möchte sie jetzt eine eher konservative oder doch eher progressive Figur sein?“
Andererseits war es durchaus interessant, so diverse Generationsunterschiede nochmals deutlich gemacht zu bekommen, aber außer einem diffusen „irgendwas muss sich ändern“; und dass es im Lande Schulsystem seit geraumer Zeit absolut nicht rundläuft, sollte dabei längst klar sein; wurde hier nur wenig an Essenz und sehr viel Verwünschung der gegenwärtigen Verhältnisse (wobei massiver Unterrichtsausfall bei uns auch vor 20 Jahren bereits zum Thema wurde; wenn auch nicht wegen direkten Mangels an Lehrkräften, sondern weil der Etat schon damals einfach keine weiteren Einstellungen vorsah) geboten. Nach einem Bergmann-Titel eher ratlos dazusitzen, ist allerdings auch mal etwas ganz Neues. Allerdings positiv, dass durch dieses etwas andere Renate-Bergmann-Buch ebenfalls das Publikum einen durchaus authentischen Einblick in die Schullandschaft der letzten Jahr(zehnt)e erhält, das womöglich längst sehr viel weiter weg von diesem System ist.
Ansonsten ist die leicht verschrobene Online-Omi in diesem Buch wiederum charmant wie eh und je; ihrem Kultfaktor wird „Nicht, dass noch einer sitzenbleibt“ wohl nix anhaben können, aber meiner Meinung nach wird er durch diesen Titel auch nicht weiter befeuert. Ein schlechtes Buch ist es nicht, halt ungewöhnlich für die Reihe, und wie gesagt: mir fehlte einfach ein großer Zielpunkt inmitten des ganzen Schwadronierens, Philosophierens und Reflektierens.