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Veröffentlicht am 31.07.2023

Untergegangene Traditionen

Mattanza
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In erster Linie versteht man unter dem Begriff Mattanza eine Methode des traditionellen Fischfanges vor den Küsten Siziliens und Sardiniens. Welche Bedeutung diese Tradition aber für die Bewohner der Inseln ...

In erster Linie versteht man unter dem Begriff Mattanza eine Methode des traditionellen Fischfanges vor den Küsten Siziliens und Sardiniens. Welche Bedeutung diese Tradition aber für die Bewohner der Inseln und Küstendörfer darüber hinaus besitzt, beschreibt die Autorin Germana Fabiano in ihrem schmalen Buch sehr eindrücklich.

Nora wird als letzte Nachkommin des von allen geschätzten Rais 1960 auf der Insal Katria geboren. Von Anfang an ist ihre Rolle in der Familie und im Dorf festgelegt. Sie wird einmal ihren Großvater als Anführerin der Mattanza ablösen und damit das Schicksal aller Menschen auf der kleinen Mittelmeerinsel bestimmen.

Das klingt erst einmal pathetisch und etwas übernatürlich. Wie groß jedoch wirklich die Rolle des Fischfanges für alle im Dorf und auf der Insel früher einmal war und wie sehr alle von dieser Tradition abhingen, beschreibt die Autorin dicht gepackt auf gerade einmal 192 Seiten.

Wenn es sich anfangs noch wie ein idealer Sommerroman über das traditionsreiche Leben auf einer sonnigen Insel liest, verändert sich der Tenor von Kapitel zu Kapitel, wobei jedes Kapitel einer anderen Jahreszahl zugeordnet ist und man eine jahrzehntelange Entwicklung stark verdichtet miterlebt. Nach und nach treten immer ernstere Themen in den Vordergrund und man versteht so langsam die Existenzängste, die die in ihrer Tradition verankerten und gleichzeitig von ihrer Tradition abhängigen Menschen durchleben müssen.

"Mattanza" vermittelt zwischen den Generationen und weckt das Verständnis für Menschen, die von der Politik und den Medien übersehen und vergessen werden. Ein wirklich großartiges Buch, das ich jedem ans Herz legen möchte!

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Veröffentlicht am 12.06.2023

Spannendes Konzept

Der weiße Fels
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Wer hier einen fließenden Roman erwartet mit durchgehendem roten Faden, wird das Buch letzlich vermutlich enttäuscht zuklappen. Wer es mit experimentierfreude aufschlägt und sich unvoreingenommen hineinfallen ...

Wer hier einen fließenden Roman erwartet mit durchgehendem roten Faden, wird das Buch letzlich vermutlich enttäuscht zuklappen. Wer es mit experimentierfreude aufschlägt und sich unvoreingenommen hineinfallen lässt, könnte positiv überrascht werden.

Anna Hope betrachtet vier verschiedene Einzelschicksale, getrennt durch die Jahrzehnte bzw -hunderte, verbunden durch den Handlungsort. Sie alle werden von einem weißen Felsen vor der Küste Mexikos angezogen, für alle hat dieser eine vollkommen unterschiedliche Bedeutung.

Spannend fand ich, dass die Figuren weniger Persönlichkeiten als Leinwand für das jeweilige Schicksal darstellen. Unterstützt wird dieser Eindruck dadurch, dass die Figuren mehr oder weniger namenlos bleiben.

Dadurch werden ihre Erlebnisse aber umso eindrücklicher. Die Schirftstellerin, die mit einer Pandemie und der Angst um ihre Tochter kämpfen muss; der Sänger, der vor der Presse, seinen wild gewordenen Fans und dem Leben im Rampenlicht flüchtet; zwei junge Mädchen aus dem indigenen Stamm der Yoemem, die gefangen und deportiert werden sollen und zu guter Letzt der Kapitän, der mit seiner Rolle als Kolonialist hadert.

Jedes Einzelschicksal für sich liest sich schon sehr spannend und ergreifend, aber die Mischung ist es, die aus einem guten Roman ein herausragendes Leseerlebnis macht.

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Veröffentlicht am 11.04.2023

Ein ernstes Thema realistisch eingefangen

Fremde Federn
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Dieses Buch ist für alle, die sich schon einmal mit pflegebedürftigen Familienmitgliedern konfrontiert sahen, und für jene, die sich schon mal mit dem Gedanken anfreunden wollen, dass dieses Thema eventuell ...

Dieses Buch ist für alle, die sich schon einmal mit pflegebedürftigen Familienmitgliedern konfrontiert sahen, und für jene, die sich schon mal mit dem Gedanken anfreunden wollen, dass dieses Thema eventuell mal auf sie zukommen könnte. Ach, eigentlich ist es das perfekte Buch für alle! Denn man möchte sich ungern in derselben Situation wiederfinden wie Tom.

Tom wurde befördert und darf nun eine leitende Position in einer der Außenstellen seiner Firma einnehmen. Dafür zieht er zurück in seinen Heimatort und ins Haus seiner Großmutter. Er spart Mietkosten und Rosmarie bekommt eine kleine Unterstützung im Haushalt. Mit dem Alter und nachdem ihr Mann gestorben ist, fällt es ihr immer schwerer, sich alleine um das große Haus zu kümmern. Dass sie immer vergesslicher wird, fällt anfangs kaum auf. Doch nach einem verhängnisvollen Unfall kann sich Tom nicht mehr alleine um sie kümmern und beide sind auf eine 24h-Pflege angewiesen.

Es ist einerseits spannend zu beobachten, wie Tom den Spagat zwischen Vollzeitjob in leitender Position und Pflege seiner Großmutter versucht und zwangsläufig daran scheitern muss.

Andereseits fängt Alina Lindermuth auf wirklich authentische Art und Weise die vielen Hürden und Rückschläge ein, die mit einer pflegebedürftige Person einhergehen. Da sind zum einen die organisatorischen Grenzen und Zwänge, die auf die Angehörigen einprasseln. Viel mehr ist es aber auch die psychische Belastung, die permanent im Hintergrund droht. Die Hilflosigkeit und Machtlosigkeit, ebenso wie der schwindende Kontakt zu seinem Vertrauten.

Die Autorin schafft es, dieses ernste Thema zum einen realistisch darzustellen und trotzdem die Leichtigkeit im Schreiben und Erzählen nicht zu verlieren. Für mich ein absolutes Highlight!

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Veröffentlicht am 15.01.2023

wow-wow

Die Meerjungfrau von Black Conch
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Ich weiß nicht genau, was ich mir von diesem Buch erhofft habe (um ehrlich zu sein, war es mehr oder weniger ein Cover-Kauf), aber ich bin so sehr davon überrascht worden!

Die Autorin entführt uns in ...

Ich weiß nicht genau, was ich mir von diesem Buch erhofft habe (um ehrlich zu sein, war es mehr oder weniger ein Cover-Kauf), aber ich bin so sehr davon überrascht worden!

Die Autorin entführt uns in die (fiktive) Bucht von Black Conch, wo der junge Fischer David auf eine Meerfrau trifft. Als sie von Hobbyfischern an Land gezerrt wird, kann er sie in letzter Minute retten und versteckt sie in seiner Hütte. Nach und nach scheint sie sich in eine Frau zurückzuverwandeln und knüpft dabei zarte Bande zu ihm.

Die Erzählung liest sich wie eine Naturgewalt- überwältigend, fesselnd und doch roh und hart.

Allein was Gesine Schröder hier an Übersetzungsarbeit geleistet hat, ist umwerfend. Die Sprachwelten der Karibik, die Sprache der Unterdrücker auf der einen, die der Unterdrückten auf der anderen Seiten, mti all ihren Unterschieden und Feinheiten ins Deutsche zu übertragen, muss unheimlich schwer gewesen sein. Und doch hat sie die Grenzen sehr gut gezeichnet.

So entsteht eine Erzählung, die von Unterdrückung, über Generationen gezogenen Gräben zwischen den einzelnen Gesellschaftsschichten, aber auch zwischen den Geschlechtern berichtet.

Ein großartiges, wenn auch kompaktes Drama!

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Veröffentlicht am 24.11.2022

Tragisches Zeitzeugnis

Isidor
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Bücher wie "Isidor" sind unheimlich wichtig, um uns zu zeigen, welche Fehler wir auf keinen Fall wiederholen dürfen.

Shelly Kupferberg arbeitet in diesem Buch das Schicksal ihrer Familie auf, im Mittelpunkt ...

Bücher wie "Isidor" sind unheimlich wichtig, um uns zu zeigen, welche Fehler wir auf keinen Fall wiederholen dürfen.

Shelly Kupferberg arbeitet in diesem Buch das Schicksal ihrer Familie auf, im Mittelpunkt steht dabei ihr schillernder Großonkel Isidor.

Anhand von alten Briefen und Fotos, die dank ihres Großvaters in Isreal überebt haben, und mithilfe einer mühsamen Suche nach alten Dokumenten, die in den verschiedenen Staatsarchiven verwahrt sind, schildert sie die Erlebnisse zwischen den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts und 1938, dem Sterbejahr ihres Verwandten (und so vieler anderer Juden).

Die Erzählung beginnt mit glücklichen Erinnerungen und schildert die Erfolge der Geschwister Geller, ehe der harte Bruch durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Wien eingeleitet wird.

Nicht nur durch die darauf folgenden Schilderungen wird das Buch zu einer harten Lektüre. Auf jeder Seite merkt man am Beispiel dieser Familie, wie durch das rigorose Umsetzen der damaligen Maßgaben ganze Familiengeschichten ausgelöscht wurden. Meist blieb niemand zurück, der von seinen Vorfahren erzählen oder sich noch an sie erinnern kann. Rekonstruieren lassen sich ihre Geschichten nur noch über behördliche Dokumente. Und immer wieder im Laufe der Handlung wird einem bewusst, dass dies keine Einzelschicksale waren und hier eine ganze Kultur ausgelöscht werden sollte und beinahe auch wurde.

Ein unheimlich wichtiges Buch, das mich sehr bewegt hat.

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