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Veröffentlicht am 24.09.2017

Was wäre gewesen wenn.....

Die Melodie meines Lebens
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Laut Klappentext stellt sich Antoine Laurain in seinem neuen Roman die Frage, wie das Leben der ehemaligen Bandmitglieder der alternativen Achziger New Waveband "Les Hologrammes" gelaufen wäre, wenn die ...

Laut Klappentext stellt sich Antoine Laurain in seinem neuen Roman die Frage, wie das Leben der ehemaligen Bandmitglieder der alternativen Achziger New Waveband "Les Hologrammes" gelaufen wäre, wenn die Post die Zusage der Plattenfirma rechtzeitig und nicht nach 33 Jahren zugestellt hätte. Diese kurze Zusammenfassung fand ich sehr interessant, vor allem weil ich selbst in den Achziger Jahren meine Jugend verbracht und die Musik dieser Epoche liebe. Der Roman entwickelt sich jedoch in eine gänzlich andere Richtung. Der Autor versucht mit seinen Protagonisten, die er nacheinander mehr oder weniger vorstellt, der Gesellschaft von heute einen Spiegel vorzuhalten....

Der eher phlegmatische Alain ist nicht wirklich der Hauptprotagonist der Erzählung, doch dieser Brief, der 33 Jahre zu spät kommt, lässt sein Leben etwas aus den Fugen geraten. Gelangweilt in seinem Arztberuf und in der Ehe mit seiner Frau Véronique, beginnt er zu träumen was gewesen wäre.... Wäre er berühmt geworden, wenn dieser Brief damals pünktlich zugestellt worden wäre? Wie hätte sein Leben ausgesehen? Angetrieben von diesen Fragen versucht der damalige E-Gitarrist seine ehemaligen Bandkollegen zu kontaktieren, zu denen er keinerlei Kontakt mehr hat. Jeder ist nach der Auflösung der Band seine eigenen Wege gegangen. Das Demo-Tape von damals hat Alain vor ein paar Jahren entsorgt. Um die Lieder nochmals hören zu können und den Freunden von damals die Neuigkeit zu erzählen, versucht Alain diese ausfindig zu machen...

Die einzelnen Charaktere werden nun nacheinander und teilweise etwas überspitzt vorgestellt. Keiner der ehemaligen Bandmitglieder ist der Musik treu geblieben. Jeder hat sich in eine andere Richtung entwickelt, wobei einige doch sehr erfolgreich geworden sind.
Da ist zum Beispiel der rechtsradikale Sébastian Vaugan - damals ein begnadeter Bassist und heute Kandidat zur Präsidentschaftswahl. Auch der ehemalige Schlagzeuger Stanislas Lepelle hat Karriere gemacht. Er ist Künstler, exzentrisch und verbittert und genauso unsympathisch, wie sein rechtsradikaler ehemaliger Bandkollege. Wo Bérangère, die damalige Sängerin, in die alle verliebt waren, abgeblieben ist, weiß niemand. Der ehemalige Pianist Frédéric Lejeune lebt in Thailand. Die Brüder Pierre und Jean-Bernard (kurz JBM genannt) Mazart, die für Text und Produktion zuständig waren, sind ein verschrobener Kunsthändler und ein Computergenie. Letzter ist ungewollt zum Präsidentschaftskandidat aufgestiegen und ist gemeinsam mit seiner intelligenten Assistentin das einzige sympathische Gespann.
Alle Charaktere sind nicht wirklich Sympathieträger mit Ausnahme von JBM. Der Autor hat die Bandmitglieder teilweise mit sehr exzentrischen Eigenschaften erschaffen. Während JBM sehr viele Seiten gewidmet sind, werden andere Bandmitglieder nur kurz erwähnt. Das fand ich schade! Leider geht es hier auch kaum um Musik, was ich vermisst habe.

Zu Beginn hatte ich ein paar Probleme die Namen den richtigen Personen zuzuordnen. Wie schon bei "Der Hut des Präsidenten" wechseln die Charaktere und erst am Ende ergibt sich ein Ganzes, auch wenn es sich in Antoine Laurains neuem Roman nicht ganz so anfühlt. Mit jeder Figur, die er vorstellt, vermittelt er ein bestimmtes Thema und ist dabei ziemlich politisch unterwegs. Er wirft dabei immer wieder einen kritischen Blick auf die heutige Gesellschaft. Leider gibt es im Mittelteil einige Längen, auch wenn der Roman nur 256 Seiten.

Im letzten Viertel kommt der Roman ziemlich in Fahrt und das Ende konnte mich wirklich überraschen. Für mich leider zu spät! Zum Thema Brief hat der Autor noch eine sehr interessante Wendung eingebaut, die ich absolut gelungen fand.

Schreibstil:
Antoines Laurains Schreibstil ist charmant und manchmal etwas überspitzt. Französische Autoren schreiben meiner Meinung einfach anders und Laurain ist ein typischer Vertreter des Landes. Seine Figuren haben Ecken und Kanten und wirken trotz seiner Überzeichung lebendig und authentisch. Über jedes Kapitel hat der Autor einen passenden Satz zum nachfolgenden Inhalt gesetzt.

Fazit:
Der Roman lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Eigentlich hatte ich mir durch den Klappentext etwas anderes erwartet, aber die Geschichte hat auf ihre eigene Weise trotzdem Charme. Hauptsächlich legte der Autor sein Augenmerk auf die kritische Darstellung an der heutigen Gesellschaft, was mit dem Klappentext nicht wirklich viel zu tun hat. Das enttäuscht natürlich viele Leser und ist schade.....! Schlussendlich kann ich sagen, dass es vom Autor bessere Romane gibt.


Veröffentlicht am 30.08.2017

Starke Frauenfreundschaft

Die Stunde unserer Mütter
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Ich lese sehr gerne Bücher über den Zweiten Weltkrieg. Mit "Die Stunde unserer Mütter" befand sich wieder ein Roman, der dieses Zeitepoche beschreibt, auf meiner Wunschliste.
Im Gegensatz zum Klappentext, ...

Ich lese sehr gerne Bücher über den Zweiten Weltkrieg. Mit "Die Stunde unserer Mütter" befand sich wieder ein Roman, der dieses Zeitepoche beschreibt, auf meiner Wunschliste.
Im Gegensatz zum Klappentext, sind nicht nur Maria und Vivien hier die Hauptfiguren, sondern auch ihre Töchter Anna und Antonia. Diese sind zu Beginn des Romanes, der von 1940 - 1945 spielt, etwa vierzehn Jahre alt und am Ende des Romans junge Frauen.

Vivian, Marias Schwägerin und gebürtige Engländerin, wird gemeinsam mit ihrer Tochter Antonia von München aufs Land geschickt, da ihr Mann Philipp für den Widerstand arbeitet. In einer nicht näher genannten bayrischen Kleinstadt müssen Maria und Vivien eine Zweckgemeinschaft gründen, denn besonders sympathisch sind sie sich nicht. Auch Anna und Antonia sind von ihrem Wesen her ziemlich verschieden. Während Maria ihren Werner gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet hat, aber an ihrer Ehe zweifelt, liebt Vivian Marias Bruder Philipp von Herzen und vermisst ihn schrecklich. Doch der Krieg dauert an und während die Jahre vergehen, wandelt sich die anfängliche Zweckgemeinschaft zu einer wahren und tiefen Freundschaft zwischen den beiden Frauen.
Neben der Geschichte um Maria, Vivian und ihren Töchtern, bekommen wir noch Einblick in das Leben von Marias Eltern, Friedrich und Elsa. In diesem Handlungsstrang wird ausnahmsweise nicht auf Elsa, sondern auf Friedrich das Hauptaugenmerk gelegt und aus seiner Sicht erzählt. Diese Geschichte um ein Familiengeheimnis war zwar interessant, hat aber nicht wirklich etwas mit der eigentlichen Handlung zu tun.

Persönliche Familienerinnerungen, sowie die Feldpostbriefe ihres Vaters inspirierten Katja Maybach zu diesem sehr persönlichen Roman.
Die Autorin beschreibt die Rolle der Frau während der Kriegsjahre sehr lebendig, jedoch fand ich zum Beispiel "Die Nachtigall" von Kristina Hannah viel detaillierter und vorallem eindringlicher. Mir fehlte hier die Dichte und insbesonders ein Mehr an historischen Hintergründen. Außer den Denunzierungen durch die Bevölkerung und das Lager für Frauen in der nahen Umgebung hatte ich oftmals nicht wirklich das Gefühl ein Buch, das während des Zweiten weltkrieges spielt, zu lesen. Natürlich meine ich damit nicht, dass ich lieber nur über Kämpfe an der Front gelesen hätte, aber der Krieg wurde eher eine Rahmenhandlung. Im Vordergrund standen eindeutig die Gefühle der beiden Frauen. Gefallen hat mir aber der Einblick in die deutsche Gesellschaft und der Hinweis, dass nicht jeder Hitleranhänger war. Da spielt der Bäcker, der kleine Botschaften in seinen Brötchen versteckt, die Maria und Vivien ins Frauenlager bringen eine besondere Rolle oder auch Manfred, der sich zu Kriegsbeginn freiwillig gemeldet hat und seinem Vater, der ein SS-Mitglied ist nacheifern möchte, jedoch kurz vor Kriegsende desertiert.
Doch Männer sind in diesem Roman Randfiguren. Von Philipp und Werner bekommt man leider nur ein verschwommenes Bild vorgesetzt. Erster tritt überhaupt nie in Erscheinung und wird nur erwähnt, während man Werner bei einem kurzen Heimaturlaub kurz auf einigen Seiten kennenlernt. Die plötzliche Annäherung des Ehepaares, das sich schon vor dem Krieg entfremdet hat, kam mir jedoch zu unglaubwürdig vor. Ebenfalls erfuhr man auf den ganzen 320 Seiten leider nie, warum oder wodurch diese Entfremdung stattgefunden hat. Auch die große Liebe von Vivian und Philipp konnte ich nicht nachvollziehen. Philipp nahm die ganzen Kriegsjahre über keinerlei Kontakt zu seiner Frau und auch nicht zu seiner Tochter auf. Erst als sich Antonia, kurz vor der Kapitulation der Deutschen, überlegt in München zu studieren, erhält diese einen nichtssagenden Brief ihres Vaters.

Leider habe ich aber auch einige Logikfehler gefunden. Im Frühjahr 1941 bekamen Maria und Vivien vom Bauer frische Birnen und ebenso gingen sie die laubbedeckte Straße entlang. Entweder wurde bei der Kapitelüberschrift die falsche Jahreszeit genannt oder dem Lektorrat fiel nicht auf, dass es im Frühling wohl kaum laubbedeckte Straßen gibt, weil die Blätter auf den Bäumen erst wachsen müssen....

Emotional konnte mich der Roman leider nicht zu 100% überzeugen. Zu diesem Thema gibt es meiner Meinung nach eindringlichere Lektüre!
Dafür hat die Autorin die beiden Frauen sehr lebending dargestellt und vorallem den Unterschied zwischen Maria und Vivien gut vermittelt. Wie sie während der Jahre von einer anfangs eher distanzierten Zweckgemeinschaft zu einer tiefen Freundschaft finden, hat Katja Maybach sehr eindringlich und glaubhaft beschrieben. Hier konnte mich die Autorin absolut überzeugen. Ebenso bei der Erzählung von Antonias tragischer ersten Liebe, die mich sehr berührt hat. Ein paar Seiten mehr und etwas Detail-Liebe hätten dem Roman gut getan, dafür hätte man auch den Handlungsstrang rund um Marias Eltern weglassen können.

Das Ende fand ich allerdings wieder absolut gelungen. Es punktet durch eine sehr bedeutungsvolle und starke Szene zwischen den vier Frauen, die berührt und zeigt, dass man über sich selbst hinauswachsen kann. Ein toller Abschluss, der gleichzeitig ein Beginn eines neuen Lebensabschnittes für Maria, Vivian, Anna und Antonia ist.

Schreibstil:
Den Schreibstil der Autorin fand ich eher einfach. Zu Beginn hatte ich ein paar Probleme in die Geschichte hineinzufinden. Durch die Logikfehler, die ich bereits oben erwähnt habe, fand ich ebenfalls schwer Zugang zu den Charakteren und der Geschichte. Doch nach diesen anfänglichen Schwierigkeiten ließ sich der Roman gut lesen und ich fand Zugang zu den Figuren.

Fazit:
Eine sehr interessante Geschichte über eine Frauenfreundschaft, wie der Krieg das Leben beeinflusst und was wir daraus machen. Trotzdem hat mich der Roman nicht so gepackt, wie ich es mir gewünscht hätte. Meiner Meinung nach habe ich zu diesen Themen bereits bessere Romane gelesen. Bitte bildet euch aber selbst eine eigene Meinung, da der Roman begeisterte Rezensionen bekommen hat. Ich gehöre eben nicht dazu....aber Geschmäcker sind nun mal verschieden.

Veröffentlicht am 22.08.2017

Kann man zwei Menschen aufeinmal lieben?

Die Endlichkeit des Augenblicks
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Viele von euch haben die Danny-Trilogie der Autorin oder so wie ich zumindest den ersten Band der Reihe "Dem Horizont so nah" gelesen. Dieser hat mich ja wirklich begeistert und sehr berührt. Deswegen ...

Viele von euch haben die Danny-Trilogie der Autorin oder so wie ich zumindest den ersten Band der Reihe "Dem Horizont so nah" gelesen. Dieser hat mich ja wirklich begeistert und sehr berührt. Deswegen war ich schon sehr auf Jessica Kochs neuen Roman gespannt, der heute, am 18. August 2017 bei Rowohlt erscheinen wird (Coverabbildung)
Ich habe über LB ein eBook gewonnen, obwohl ich mich für das Taschenbuch beworben hatte und welches ich ohne Reader natürlich nicht lesen konnte. So habe ich mir das Buch gekauft, welches kurze Zeit auf Amazon direkt von der Autorin als selfpublishing erhältlich war.

Auch der neue Roman von Jessica Koch ist wieder sehr bewegend. Durch den Tod meiner Mutter musste ich das Buch allerdings einige Zeit zur Seite legen und unterbrechen, denn ich brauchte zu dieser Zeit eher leichtere und humorvolle Kost oder etwas Spannendes, aber kein Buch, das sehr emotional, problembeladen und eher bedrückend ist. Und das war "Die Endlichkeit des Augenblicks" letztendlich....

Es gibt einige Passagen, die mich an "Dem Horizont so nah" erinnerten. Die sehr bedrückende Stimmung findet man ebenfalls in beiden Romanen vor. Hier geht es jedoch um zwei Jungen, Basti und Josh, beste Freunde seit Kindestagen, deren Leben seit einer Mutprobe mit tragischen Ausgang nicht mehr daselbe ist. Basti sitzt seitdem im Rollstuhl und Joshua gibt sich die Schuld daran. Er leidet ebenfalls unter dem Tod seiner Mutter und an schweren Depressionen, außerdem hat er bereits einige Selbstmordversuche hinter sich. Josh hat außer Basti keine Freunde und als Samantha in ihr beider Leben tritt, ist er zwar von ihr fasziniert, aber gleichzeitig fürchtet er um die Freundschaft mit Basti.

Sebastian hat sich mit seinem Leben im Rollstuhl abgefunden, obwohl er zuvor ein richtiger Draufgängertyp und Mädchenschwarm war. Er hat auch die finanzielle Unterstützung seiner Familie und seine Wohnung ist nicht nur behindertengerecht ausgebaut, sondern besitzt so einige technische Spielereien, die ihm sein Leben erleichtern sollen. Beide Jungs fühlen sich für den Anderen verantwortlich. Seit seinem Unfall hatte Basti auch keine Beziehung mehr, bis die beiden Samantha kennenlernen, die keine Hemmungen gegenüber "Behinderten" zeigt, denn ihre kleine Schwester Melanie ist Autistin. Während Basti anfangs voller Lebensfreude ist, ist Josh total negativ und depressiv und trotzdem verliebt sich Samantha in beide Jungs.

Mit Joshua wurde ich lange Zeit nicht wirklich warm und ich konnte auch seine Handlungen (besonders eine) kaum nachvollziehen und akzeptieren. Er stalkt Sam zu Beginn regelrecht und obwohl Basti sich für ihn verantwortlich fühlt, möchte Josh, dass die Beziehung der Beiden zerbricht. Die beiden Jungen sind auf eine bestimmte Art voneinander abhängig, die der Freundschaft letztendlich nicht wirklich gut tut.
Auch Sams Handlungen konnte ich teilweise nicht verstehen. Ihre überzogene Reaktion, als Basti im Urlaub ist und sich nicht jeden Tag bei ihr meldet, war mir zu kindisch. Als ein Unglück geschieht wird ihr die Wahl zwischen den beiden Männern abgenommen....

Vieles fand ich zu melodramatisch und kaum ist eine herzzerreißende Situation beendet, stolpert man schon in die Nächste. Manche Handlungen waren für mich schwer nachvollziehbar. Mit Samantha hatte ich ein paar Schwierigkeiten. Sie ist zwar ein liebenswertes Mädchen, aber manche Handlungen konnte ich nicht verstehen. Mit Josh wurde ich nicht wirklich warm, nur Basti war mir wirklich sympathisch.
Vielleicht hatte ich einfach zu große Erwartungen nachdem ich von "Dem Horizont so nah" so begeistert war oder es war der falsche Zeitpunkt für mich, obwohl ich mir extra etwas Zeit damit gelassen habe.

Schreibstil:
Jessica Koch kann definitiv schreiben und auch ihre Leser mitreißen. Der Roman ist eine emotionale Achterbahnfahrt, wie wir es schon von der Autorin gewohnt sind. Man versinkt in ihren Romanen und leidet mit den Protagonisten mit. Wunderschön fand ich einzelne Gedichte und Gedanken, die Josh's Mutter in ihrem Tagebuch festggehalten hat. Ich habe mir unzählige Aussprüche notiert.
Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht von Sam (aus der Ich-Perspektive), Basti und Josh geschildert. Über jedem Kapitel steht jeweils der Name der erzählenden Person.

Fazit:
Ein weiterer sehr emotionaler und bewegender Roman der Autorin, den man vielleicht nur lesen sollte, wenn es einem selbst gut geht. Mir war einiges zu melodramatisch und ich wurde nicht mit allen Charakteren wirklich warm. Trotzdem hat Jesica Koch wieder eine berührende Geschichte geschrieben, die sicherlich in Erinnerung bleiben wird. An "Dem Horizont so nah" kommt aber "Die Endlichkeit des Augenblicks" meiner Meinung nach nicht heran.

Veröffentlicht am 22.08.2017

Stimmungsvoller Familienroman im Herzen Andalusiens

Ein Haus voller Träume
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Hope, die Mutter unserer drei Hauptprotaginisten Tom, Jo und Lucy, war ein Kind der wilden Siebziger. Ein lebensfroher Freigeist, die nach ihrem viel zu frühen Tod drei Kinder von drei verschiedenen Vätern ...

Hope, die Mutter unserer drei Hauptprotaginisten Tom, Jo und Lucy, war ein Kind der wilden Siebziger. Ein lebensfroher Freigeist, die nach ihrem viel zu frühen Tod drei Kinder von drei verschiedenen Vätern hinterlässt. Diese kommen nun gemeinsam mit Hopes Freunden und weiteren Verwandten ins Haus ihrer Kindheit zusammen, um gemeinsam Abschied zu nehmen. In der "Casa de Suenos", Hopes Haus in Andalusien, soll statt den Begräbnisfeierlichkeiten eine Party gefeiert und anschließend Hopes Asche im nahegelegenen Wald vertreut werden. Danach soll das Haus, das für sie und ihre Kinder stets ein Domizil zum Träumen und Entspannen war, verkauft werden. Die Geschwister treffen nacheinander aus England, ihrer Heimat, wo auch Hope zuletzt von ihrer jüngsten Tochter Lucy gepflegt wurde, zur Hausstandauflösung ein. Nur Hope selbst, deren Urne Jo in ihrem Koffer gepackt hatte, ist am falschen Flughafen gelandet. Ob sie es noch rechtzeitig zu ihrer eigenen Abschiedsparty schaffen wird?

Nach und nach lernen wir Tom, Jo und Lucy näher kennen, die von der Autorin sehr liebevoll und authentisch gezeichnet wurden. Tom, dem der Lebensstil seiner Mutter immer ein Gräuel war und sein Leben gerne strukturiert hat, ist mit Belle verheiratet und hat zwei Söhne, Alex und Ethan. Belle ist eine nach außen hin sehr kontrolllierte Frau, die nicht wirklich herzlich zu sein scheint und der es sehr wichtig ist, die Fassade nach außen hin aufrecht zu erhalten.
Jo, die Zweitälteste, ist eine erfolgreiche, etwas chaotische alleinerziehende Mutter. Sie bedrückt schon immer, dass ihre Mutter ihr nie den Namen ihres leiblichen Vaters verraten hat und erhofft sich nun endlich Antworten. Ivy, ihre vierjährige Tochter, hat nicht nur das Herz ihrer Tante Lucy, sondern auch mein Herz sofort erobert.
Lucy ist der Nachzügler und stand ihrer Mutter besonders nahe. Sie hat auch die größte Bindung zur Casa de Suenos, wo sie den Großteil ihres Lebens verbracht hat. Ihre Ehe mit Art steht gerade an einem Wendepunkt. Die ungewollte Kinderlosigkeit und die gegensätzlichen Lebensverläufe (Art beginnt als Schauspieler gerade Karriere zu machen, während Lucy ihr Partyservice zugunsten der Pflege ihrer Mutter immer mehr vernachlässigt hat) hat die Beiden von einander entfernt.
Neben den drei Geschwistern und deren Ehepartnern gibt es jede Menge Nebencharaktere, die ich lange Zeit sehr schwer zuordnen konnte. Auch meinen Mitlesern in der Leserunde ging es ähnlich. Trotz der vielen Figuren ist der Roman nicht zu voll gepackt.

Für Hope, die man aus immer wieder eingestreuten Erzählungen kennenlernt, konnte ich keine Sympathie empfinden. Zu sehr stellt sie sich selbst immer wieder in den Mittelpunkt, lebt ihr Leben und ist keine echte Mutter für ihre Kinder. Auch verschwieg sie meiner Meinung vorallem Tom und Jo sehr wichtige Dinge, die einschneidend sind und Auswirkungen auf ihr weiteres Leben haben. Allen ihren Kindern fehlte die Stabilität im Leben. Vorallem Tom sehnt sich danach und kompensiert diesen Wunsch mit seinem geregelten und durchgeplanten Tagesablauf und dem nach außen hin perfekten Familienleben.

Obwohl Hope immer gerne im Mittelpunkt stand und für "ihre Party" einige Überraschungen für ihre Kinder bereithält, werden in diesem Roman keine brisanten und dramatischen Geheimnisse gelüftet, wie es oft in diversen Familiensagen passiert. Es geht eher um das Abschied nehmen und um den Familienzusammenhalt. Trotzdem gibt es einige verblüffende Wendungen und für den einen oder anderen Gast eine doch noch größere Überraschung.

Die Geschichte ist eher ruhig und warmherzig. Sie lebt vorallem von der Charakterstudie und der tollen Atmosphäre. In der Mitte kommt es jedoch zu einigen Längen. Obwohl sich die Handlung nur über vier Tage erstreckt, erlebt man ein intensives Wochenende, bei dem jede Menge Konflikte ausbrechen.
Am Ende hat man allerdings das Gefühl, dass nur wenige davon gelöst wurden und einige Handlungsstränge offen bleiben.

Schreibstil:
Der sehr atmosphärische Schreibstil, von der mir noch unbekannten Autorin Fanny Blake, hat mir sehr gut gefallen. Die andalusische Landschaft wird sehr bildhaft dargestellt. Auch die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und sind sehr lebensecht mit ihren Ecken und Kanten. Die Atmosphäre und die Beschreibung der Casa de Suenos, dem Haus voller Träume, sind lebendig und voller Flair.
Die Kapitel erzählen abwechselnd von Tom, Jo oder Lucy und deren Erlebnissen und Gefühlen.


Fazit:
Ein leiser Roman mit viel Atmosphäre, der innehalten und das eigene Familienleben reflektieren lässt. Die Längen in der Mitte haben das Leseerlebnis leider etwas getrübt. Ansonsten ein sehr stimmungsvoller Roman, der noch ein bisschen Potential gehabt hätte.

Veröffentlicht am 12.07.2017

Ein Food Truck namens Nancy

Sommer in der kleinen Bäckerei am Strandweg
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Nach fast einem Jahr durfte ich wieder auf die Gezeiteninsel nach Mount Polbearne reisen und mit Polly, Huckle und meinem Lieblingsvogel Neil Zeit verbringen.
Schnell tauchte ich wieder in der Geschichte ...

Nach fast einem Jahr durfte ich wieder auf die Gezeiteninsel nach Mount Polbearne reisen und mit Polly, Huckle und meinem Lieblingsvogel Neil Zeit verbringen.
Schnell tauchte ich wieder in der Geschichte ein, doch obwohl mich der Schreibstil von Jenny Colgan schon im ersten Buch überzeugen konnte, sprang der Funken diesmal nicht ganz über.

Polly hat sich in Mount Polbearne gut eingelebt und ist mit Huckle und Neil in den Leuchtturm eingezogen. Alles scheint perfekt zu laufen bis Mrs Manse, die Vermieterin der Bäckerei, stirbt. Nachfolger wird ihr Neffe Malcolm, der Pollys Ideen von gutem Backwerk nicht teilt und stattdessen effizient und billig arbeiten möchte. In Plastik verpackte Eclairs und Brötchen mit Ablaufdatum bis zum Nimmerleinstag sind da nur einige Ideen, die er umsetzten will. Es dauert nicht lange bis sich Malcolm und Polly in die Haare kriegen und sie schlussendlich kündigt. Bald sind Pollys Geldreserven aufgebraucht, der Leuchtturm gehört saniert und der Kauf eines Food Trucks verschlingt das letzte Pfund. Huckle will Polly helfen und geht zurück in die Staaten, um mehr Geld zu verdienen und sie zu unterstützen. Er versucht der Freundin seines Bruders Dubose auf der Farm unter die Arme zu greifen, die sein kleiner Bruder mit der ganzen Arbeit einfach hängen gelassen hat und stattdessen in der Weltgeschichte herumfährt. Zu guter Letzt taucht auch noch die Witwe von Tarnie in Mount Polbearne auf....

Polly war mir im ersten Buch sehr sympathisch. Leider konnte ich in diesem Band keine großartige Entwicklung bei ihr feststellen - im Gegenteil! Nachdem sie von Malcolm nur schikaniert wird und er alles versucht, dass sie mit ihren Backwaren keinen Fuß mehr auf die Insel setzen kann, wirkt Polly hilflos und verschüchtert. Wo bleibt die starke Frau aus dem ersten Band?
Polly kam mir im ersten Teil stärker vor und hatte mehr Durchsetzungsvermögen. Gegenüber von Malcolm ist sie so eingeschüchtert, dass es sogar mir, die sich auch nur schwer durchsetzen kann, zu bunt wurde. Sooo nett kann man doch gar nicht sein, dass man sich all diese Schikanen gefallen lässt! Polly versinkt in Selbstmitleid. Sie vermisst Huckle und Neil, den sie auf Anraten von Tierarzt Patrik wieder in die Papageienkolonie gebracht hat. Bis sie aus ihrer Lethargie erwacht, haben sich einige Längen in die Geschichte eingeschlichen.
Leider verliert auch Huckle an Sympathie. Er ist eigentlich ein netter Typ, doch die Beweggründe noch länger in seiner Heimat zu bleiben, konnten mich nicht wirklich überzeugen. Nicht nur die Entfernung, sondern auch die Unvernunft der Beiden, alles zu beschönigen und die Probleme nicht anzusprechen, beginnt sie immer weiter auseinander zu bringen. Der Kitschfaktor, der im ersten Band fehlte, kommt diesmal doch ein bisschen zum tragen.

Der Charme des ersten Teiles kann sich leider nur teilweise durchsetzen. Die Geschichte wirkt manchmal etwas plump und einige Dinge kennen wir schon aus Band Eins. Trotzdem kommt gerade an diesem Punkt, wo sich Pollys Schicksal wiederholt, wieder mehr Schwung in die Handlung. Einige unvorhersehbare Wendungen und die tolle Beschreibung des Lebens auf der Gezeiteninsel konnten ebenfalls punkten.
Ich werde sicherlich auch noch den dritten Band der Reihe rund um Polly, Huckle und Neil lesen, der in der Weihnachtszeit spielen wird.

Noch ein Tipp:
Man sollte zuerst "Die kleine Bäckerei am Strandweg" lesen, sonst könnte man mit den vielen Personen und deren Schicksale etwas überfordert sein!

Schreibstil:
Auch schon in Band 1 konnte mich Jenny Colgans flüssiger und sehr bildhafter Schreibstil überzeugen. Die Geschichte wird in der dritten Person erzählt und zu Beginn jedes Kapitels ist ein Leuchtturm abgebildet.
Die vielen facettenreichen Nebencharaktere bereichern den Roman und natürlich ist Neil, der Papageientaucher, wieder der Liebling aller, auch wenn er diesmal nicht so

Fazit:
Leider reicht Band 2 nicht an die süße Geschichte aus dem Vorjahr heran. Sie wirkt diesmal etwas plumper und kitschiger, aber für alle Freunde von Polly, Huckle und Neil liest sich auch "Sommer in der kleinen Bäckerei am Strandweg" nett und lädt zum Entspannen ein.