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Veröffentlicht am 23.08.2023

Die Suche nach dem Vater oder Billies Traum vom Meer

Paradise Garden
2

Die 14jährige Billie und ihre Mutter haben ein sehr inniges Verhältnis. Es ist zwar nicht viel Geld da, ihr Sofa ist vom Sperrmüll, die Wohnung eher zusammengewürfelt und doch sind sie glücklich, sie haben ...

Die 14jährige Billie und ihre Mutter haben ein sehr inniges Verhältnis. Es ist zwar nicht viel Geld da, ihr Sofa ist vom Sperrmüll, die Wohnung eher zusammengewürfelt und doch sind sie glücklich, sie haben ja sich. Ein gemeinsamer Tag im Möbelhaus ist mehr wert als die schönste Reise, auch wenn das Muttersein für Marika manchmal verdammt anstrengend ist. Am Monatsanfang essen sie ab und zu einen üppigen Eisbecher, den Paradise Garden, am Monatsende sind es dann eher Spaghetti mit Tomatensoße. Eines Tages erscheint Billies ungarische Großmutter, für die sie ihr Zimmer räumen muss. Wäre es nicht schön, wenn sie ihre Großmutter verschwinden lassen könnte – einfach so, wie der Zauberer das Kaninchen wegzaubert? Und auch deshalb, weil das angespannte Verhältnis von Marika zu ihrer Mutter nur zu deutlich spürbar ist? Als dann bei einem Streit Marika unglücklich stürzt und kurz danach stirbt, steht für Billie fest, dass sie nicht hierbleiben kann, sie macht sich auf die Suche nach ihrem unbekannten Vater. „Am Tag, als meine Mutter starb, fiel ich auseinander.“

Billie und ihre Mutter waren mir sofort nahe, es ist eine ganz besondere Mutter-Tochter-Geschichte. Trotz zweier Jobs reicht das Geld nicht und doch sind sie zufrieden. Es sind ihre ganz besonderen Momente, die sie zelebrieren, die ihnen keiner nehmen kann. In der maroden Hochhaussiedlung haben sie Nachbarn in ähnlicher Situation und doch spürt man den Zusammenhalt. Jeder ist für den anderen da, keiner wird im Stich gelassen. Die Schulfreundin mitsamt ihrem reichen Elternhaus kann da nicht mithalten, wenngleich sie sich oberflächlich um Großherzigkeit bemühen, ist doch der Klassismus schmerzhaft spürbar.

Auf eher unkonventionelle Art ist Billie von ihrer Mutter auf das Leben vorbereitet worden, was ihr jetzt zugute kommt. Mutig geht sie ihrem Ziel entgegen, sie entwickelt sich weiter, erweitert ihre persönlichen Grenzen, überschreitet sie. Mit ihren vierzehn Jahren ist Billie weder Kind noch Erwachsener, sie ist irgendwo dazwischen.

Die behutsame Erzählweise und die zu Herzen gehende Geschichte macht das Buch zu einem ganz besonderen Buch. Jeder einzelne Charakter ist authentisch, die gesellschaftliche Diskrepanz wird auch ohne erhobenen Zeigefinger deutlich. Billies Schicksal hat mich nicht mehr losgelassen, es war für sie auch ein Trip hin zu sich selbst.

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Gelungener erster Teil

Die Fabrik der süßen Dinge – Helenes Hoffnung
2

Bitte einzutreten – schon das Cover lädt ein, von all den süßen Dingen zu kosten. Wir befinden uns in Köln im Jahre 1927, die Süßwarenmanufaktur der Familie Ratschek wird von Theodor geleitet, seine beiden ...

Bitte einzutreten – schon das Cover lädt ein, von all den süßen Dingen zu kosten. Wir befinden uns in Köln im Jahre 1927, die Süßwarenmanufaktur der Familie Ratschek wird von Theodor geleitet, seine beiden Söhne Alfred und Henri werden nach seinem Ausscheiden die Firmenleitung übernehmen. Für seine einzige Tochter Helene ist da kein Platz, auch wenn sie es ist, die mit Leidenschaft neue Rezepte kreiert, denn ihre Brüder haben dahingehend eher wenig Interesse. Ihr Vater hält an Altbewährtem fest, er ist der Patriarch und alle haben sich seinen Anweisungen zu fügen. Auch Helene, für die er einen geeigneten Ehemann auswählt. Er ist das, was man eine gute Partie nennt, sein nicht unbeträchtliches Vermögen wäre eine willkommene Finanzspritze. Soweit, so wohl bekannt. Von Helene wird erwartet, dass sie sich fügt, auch wenn der Auserwählte neben den monetären Vorzügen ansonsten nichts zu bieten hat.

Vor hundert Jahren war die Welt der Frau noch eine ganz andere. Die Männer hatten das Sagen, die Frauen mussten sich fügen, ihre Rolle war vorgegeben, das Korsett eng geschnürt. Auch Helene bekommt dieses althergebrachte Rollenbild zu spüren. Ihr Bruder Alfred ist von sich eingenommen, er gleicht in vielem seinem Vater. Die Frage, ob er für die Firmenleitung geeignet ist, stellt sich nicht. Und Henri geht mit Leidenschaft seinem Kunststudium nach, einzig Helene zeigt nicht nur Interesse, sie bringt sich ein, mit Lakritz und Weingummi zaubert sie die verführerischsten Kreationen. Und doch hat sie hier in Köln keine Chance. Nach wiederholten Zwistigkeiten flieht sie nach Hamburg, das Schicksal nimmt seinen Lauf…

„Die Fabrik der süßen Dinge - Helenes Hoffnung“ aus der Feder von Claudia Romes ist der unterhaltsame erste Teil um die fiktive Familie der Kölner Süßwarenhersteller von Ratschek. Der Autorin ist es bestens gelungen, ihre Charaktere lebensnah, lebendig und facettenreich darzustellen, sie sind authentisch, haben Ecken und Kanten und manchmal auch sehr viel mehr. Im Mittelpunkt steht Helene, eine Frau, die nach vielen Enttäuschungen ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt, die sich mehr und mehr emanzipiert. Neben all den verführerischen Süßigkeiten, deren Duft mir bei so mach unwiderstehlichen Beschreibung entgegenströmt, lese ich von Freundschaft und Vertrauen, von Verrat und Hinterhältigkeit, aber auch von Liebe und Leidenschaft. Das Leben verläuft nicht geradlinig, für niemanden. Irgendwann muss auch Helene sich entscheiden und sie hat sich entschieden. Wehmütig klappe ich das Buch zu und freue mich auf den zweiten Band, auf „Helenes Träume.“

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Veröffentlicht am 10.08.2023

Der Iran inmitten unruhiger Zeiten

Zum Schweigen verdammt
2

„Zum Schweigen verdammt“ ist der lesenswerte vierte Band der Leise-Helden-Reihe aus der Feder von Melanie Metzenthin. Schon die Vorgängerbände haben mich tief berührt, jeder behandelt ein interessantes ...

„Zum Schweigen verdammt“ ist der lesenswerte vierte Band der Leise-Helden-Reihe aus der Feder von Melanie Metzenthin. Schon die Vorgängerbände haben mich tief berührt, jeder behandelt ein interessantes Thema. Nun führt sie ihre Leser in den Iran, zurück ins Jahr 1953, direkt hinein in eine turbulente Zeit.

Es ist auch die fiktive Geschichte um Eddy und Bruno - ersterer ist Journalist, der andere Fotograf -, die sich mit ihrem ausgebauten VW-Bus auf eine abenteuerliche Reise in den Iran machen. Ihre Reisereportage für die BBC führt sie mitten hinein in die Unruhen, die zum Sturz des Premierministers Mohammad Mossadegh führen, bei dem die Geheimdienste eine wesentliche Rolle spielen. Die historischen Ereignisse vor dem Hintergrund der Ölförderung, die in britischer Hand lag und von Mossadegh verstaatlicht wurde, fügt die Autorin gut verständlich ein in ihre unterhaltsame Geschichte um die Freundschaft zweier Männer, die ihre Beziehung zueinander im Verborgenen leben. Die Zeit ist noch lange nicht reif, um sich zu outen. Sie hat mir auch das Parteiensystem und den Einfluss der Sowjets und der Amis mitsamt ihrer Geheimdienste nähergebracht, hat mir Einblicke in die persische Gastfreundschaft und das gesellschaftliche Miteinander gewährt und natürlich auch die Rolle der Geistlichkeit und des Schahs Mohammad Reza Pahlavi, Mossadeghs Gegenspieler, verdeutlicht.

Viel Historisches habe ich über ein Land erfahren, das sich heute verschlossener denn je präsentiert. Die Demonstrationen werden brutal niedergeschlagen, die Sittenpolizei kennt keine Gnade.

Eine Reisereportage sollte es für Eddy und Bruno werden, ein eindrucksvoller Roman, ein interessantes Stück Zeitgeschichte ist daraus entstanden. Die fiktiven Charaktere sind geschickt mit der politisch aufgeheizten Stimmung verwoben. Tief bin ich eingetaucht in die geheimnisvolle Welt des Irans, es waren kurzweilige, spannende Lesestunden.

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Veröffentlicht am 03.08.2023

„Trip to yourself“

Mit dir den Himmel berühren
2

Mit der Architekturstudentin Line, die sich in Köln wohl fühlt, hat es mich direkt auf die Bergalm in Oberstdorf verschlagen. Lines Schwester Paula ist hochschwanger und schafft den täglichen Andrang auf ...

Mit der Architekturstudentin Line, die sich in Köln wohl fühlt, hat es mich direkt auf die Bergalm in Oberstdorf verschlagen. Lines Schwester Paula ist hochschwanger und schafft den täglichen Andrang auf der Hütte nicht mehr, zwei ihrer Mitarbeiterinnen sind ausgefallen und nun ist sie für die schwesterliche Hilfe dankbar. Der Bergführer Simon kehrt mit seinen Wandergruppen öfter in der Hütte ein und so bleibt es nicht aus, dass Line und er sich näher kommen.

Josefine Weiss beschreibt den Alltag auf der Hütte und die wenige Freizeit so anschaulich, dass ich mich direkt vor Ort wähne. Paula und ihr Martin mit den Kindern samt Schwiegermutter sind ein eingeschworenes Team, sie halten zusammen, wollen für jeden nur das Beste. Und natürlich will auch Paula, dass ihre kleine Schwester nicht auf einen Herzensbrecher hereinfällt. Doch gegen die Liebe, die unbändige Anziehungskraft, ist auch sie machtlos, wenngleich Line zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt alle Gefühlsregungen durchlebt. Mit Simon ist sie mutig, mit ihm möchte sie den Himmel berühren.

Es ist eine Liebesgeschichte, es ist aber noch viel mehr. Das ländliche Leben ist anschaulich geschildert, alle Charaktere sind facettenreich und glaubhaft gezeichnet. Simon ist zunächst der umschwärmte Guide, der jedes Herz zum Schmelzen bringt. Doch je tiefer der Blick in seine blauen Augen geht, desto mehr kommt der wahre Simon zum Vorschein.

Zum Schluss habe ich dann noch einige Tränchen verdrückt, es waren unterhaltsame Lesestunden.

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Veröffentlicht am 30.07.2023

Behutsam erzählt, bestens recherchiert

Zwischen den Sommern
2

Der zweite Band der Heimkehr-Trilogie hallt noch nach. Schon „Die karierten Mädchen“ haben mich innehalten lassen, „Zwischen den Sommern“ hat mich zurückversetzt in eine dunkle Zeit, in der der Größenwahn ...

Der zweite Band der Heimkehr-Trilogie hallt noch nach. Schon „Die karierten Mädchen“ haben mich innehalten lassen, „Zwischen den Sommern“ hat mich zurückversetzt in eine dunkle Zeit, in der der Größenwahn eines Mannes zu spüren war. Einer, der von der Weltherrschaft geträumt und dabei so viel Leid und Elend angerichtet hat. Nicht nur einmal ist mir schwer ums Herz geworden. Die Verzweiflung, die Hilflosigkeit angesichts der Grausamkeiten des Regimes und des Krieges war nur zu deutlich spürbar.

Alexa Hennig von Lange hat nach dem Tod ihrer Großmutter, die in ihren letzten Jahren mehr als 130 Tonbandkassetten besprochen hat, diese gehört und aus deren Erinnerungen vieles in ihre Heimkehr-Trilogie einfließen lassen. Das zweite Buch erzählt vom Nationalsozialismus und den Schrecken des Zweiten Weltkrieges aus der Sicht von Klara. In diese fiktive Figur hat sie viel von ihrer Großmutter mit einfließen lassen, sie hat viel recherchiert, hat die Dramatik der damaligen Zeit mit den Schilderungen auf den Kassetten verwoben, hat Fiktion und Wirklichkeit zu einem homogenen Ganzen vermengt.

Klara leitet das Frauenbildungsheim, das ab 1939 eine nationalsozialistische Erziehungsanstalt war, in der junge Mädchen nach den Richtlinien des Regimes erzogen und ausgebildet wurden. Sie schliddert wie so viele in diese Ideologie, es war zunehmend ein Spagat zwischen der eigenen Überzeugung und den vorgegebenen Zielen. Nicht alle waren überzeugte Nationalsozialisten. Um überleben zu können, waren sie gezwungen, über vieles hinwegzusehen, sie mussten sich stets im Griff haben. Als der Krieg ausbricht, ist sie verheiratet und auch ihr Ehemann wird eingezogen.

Das Schicksal der Mädchen im Heim und deren Angehöriger wird anschaulich geschildert, für so manchen bricht ihre kleine Welt entzwei. Klaras Geschichte hat mich innehalten lassen, die menschlichen Tragödien überschatten immer wieder das Leben so vieler unschuldiger Menschen. Trotz der ganzen Dramatik ist es der Autorin mit ihrem behutsamen, ihrem so fesselnden Erzählstil gelungen, nicht anzuklagen und doch all diese Grausamkeiten deutlich zu machen.

Und nun hoffe ich, dass der finale dritte Band nicht allzu lange auf sich warten lässt. "Zwischen den Sommern" empfehle ich uneingeschränkt weiter, das Buch gibt einen tiefen Einblick in unsere allzu schreckliche Vergangenheit, die wir und unsere Nachfahren so hoffentlich nie mehr erleben müssen.

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