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Veröffentlicht am 04.08.2023

Eines meiner Lesehighlights 2021!

Barbara stirbt nicht
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Walter Schmidt ist ein Mann, den man nicht zum Partner haben will. Vielleicht will man ihn auch ganz und gar nicht kennen. Bereits auf den ersten Seiten zeigt sich nämlich schon Walters mürrisches Gemüt, ...

Walter Schmidt ist ein Mann, den man nicht zum Partner haben will. Vielleicht will man ihn auch ganz und gar nicht kennen. Bereits auf den ersten Seiten zeigt sich nämlich schon Walters mürrisches Gemüt, als er aufstehen muss, um selbst Kaffee zu kochen. Das ist nämlich noch nie vorgekommen, dass die Barbara nicht vor ihm wach war, um den Kaffee zu kochen und schon mal das Frühstück zu bereiten. Barbara ist irgendwie krank, ständig müde, hat nicht mehr viel Kraft. Von einem auf den anderen Tag muss Walter Aufgaben übernehmen, die eigentlich Weiberkram sind. Im weiteren Verlauf der Geschichte zeigt sich Walter nicht nur immer säuerlicher, sondern bisweilen politisch sehr unkorrekt, wenn er nicht völlig ignorant ist. Nirgendwo wird das deutlicher als im Umgang mit seinen Kindern, die natürlich sehr besorgt sind um den Zustand ihrer Mutter. Das Verhältnis zwischen Walter und seinem Sohn ist distanziert und kühl. Und obwohl Walter gerade alle Hilfe gebrauchen könnte in der Bewältigung seines und Barbaras verändertem täglichen Lebens, wehrt er sich dagegen, dass ihm zu sehr in sein Leben gepfuscht wird. Er sieht es als seine Aufgabe Barbara wieder aufzupäppeln, dafür stellt er sich auch in die Küche. Da, wo es nicht klappt wie es soll, findet er auf unkonventionelle Weise Rat, damit die Barbara auch mal etwas Genießbares auf den Tisch bekommt. Denn wer gesund werden will, der muss genügend essen.

"Barbara stirbt nicht" ist eine Geschichte, die ambivalente Emotionen ausgelöst hat. Protagonist Walter ist ein ganz furchtbares Ekel und gleichzeitig ein liebender Ehemann - wobei mein Lachmuskel durchgehend immer mal wieder gekitzelt wurde. Walters Fürsorge drückt sich nicht in Worten aus, sondern in der Geste seine gewohnte Komfortzone zu verlassen. Man liest sich gleichermaßen durch die aktuelle Situation von Walter und Barbara Schmidt als auch durch frühere Episoden des Ehelebens. Gehört zu meinen persönlichen Lesehighlights 2021!

Veröffentlicht am 04.08.2023

Die Süße. Die Sanfte. Die Zarte.

Süß
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Ann-Kristin Tlusty erfindet das Rad in dieser feministischen Kritik gewiss nicht neu. Tlusty hinterfragt den Potenzfeminismus und warum es nicht einfach ausreicht sich zu „empowern“, denn eine gläserne ...

Ann-Kristin Tlusty erfindet das Rad in dieser feministischen Kritik gewiss nicht neu. Tlusty hinterfragt den Potenzfeminismus und warum es nicht einfach ausreicht sich zu „empowern“, denn eine gläserne Decke (und manchmal sogar Wände) verhindert, dass Frauen in höhere Sphären von gesellschaftlicher, ökonomischer und politischer Macht aufsteigen können. Ok, kennt man schon.

Neu und interessant war aber die eingeteilte Betrachtung von süßen, sanften und zarten Frauen. Die süße Frau passt sich auf Kosten ihrer eigenen Bedürfnisse denen ihrer Umwelt an aus Angst zu enttäuschen und lässt sich dabei zu Dingen verleiten und überreden, die nicht in ihrem persönlichen Sinne sind. Die sanfte Frau schultert die Sorgen und das Leid der übrigen Welt auf ihre Schultern und übernimmt den Großteil unbezahlter (teils ungewürdigter) Care-Arbeit zusätzlich zu einer bezahlten Tätigkeit. Die zarte Frau ist jene mit ambivalenten Seiten: Sie ist in feministischer Hinsicht durchaus gebildet und weist dennoch Rudimente einer veralteten Epoche auf, nach denen sie unschuldig, lieblich und damit harmlos und abhängig scheint.

Tlusty hat für jede dieser Seiten Beispiele, anhand derer sie differenziert aufzeigt, dass auch die größten Feministinnen immer wieder in erlernte Skripte davon zurückfallen, was gesellschaftlich als Frau-sein angesehen wird. Freitag.de artikelte dazu passend, „Warum also emanzipierte Frauen plötzlich flirty und süß auftreten, obwohl sie dies unangenehm finden“.

Tlusty argumentiert aber nicht mit der Abschaffung des Süßen, des Zarten und des Sanften, sondern plädiert für eine offenere Gesellschaft, in welcher diese Komponenten auch für Männer, Non-Binäre und alles dazwischen optional sind und sich niemand mehr in erwarteten Rollenbildern bewegen sollte.


Trotz des zuckrigen Titels schreibt Ann-Katrin Tlusty sehr sachlich; allzu viel Sarkasmus, wie in manchen anderen Büchern, die ich bisher gelesen habe, bin ich hier nicht begegnet. Es ist tatsächlich mehr eine Kritik und weniger eine Streitschrift, regt zum Reflektieren an und ist somit durchaus lesenswert.

Veröffentlicht am 02.08.2023

Dieses Buch ist ein richtiges Schmankerl!

Heinz und sein Herrl
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Heinz und sein Herrl leben ein zurückgezogenes Leben im Wiener Gemeindebau. Sie drehen ihre Runden um den Block und besuchen ihren Freund Hans (seine Freundin Nina meiden sie aber). Schnell wird dem Lesenden ...

Heinz und sein Herrl leben ein zurückgezogenes Leben im Wiener Gemeindebau. Sie drehen ihre Runden um den Block und besuchen ihren Freund Hans (seine Freundin Nina meiden sie aber). Schnell wird dem Lesenden klar, dass das Herrl von Heinz ein anders ist als andere Menschen.
Eines Tages wird das von Routinen bestimmte Leben reichlich durcheinandergeworfen, als es ein Missverständnis mit dem Nachbarn, der immer schon was gegen Heinz hatte gibt. Der Nachbar stürzt und stirbt kurz darauf im Spital. Das Herrl befürchtet daraufhin den Nachbarn umgebracht zu haben und wegen Mordes ins Gefängnis zu müssen. Heinz’ Herrl wissen sich nicht anders zu helfen als eine alte Bekannte zu kontaktierten, die zur Aussage mit aufs Revier kommt. Zeitgleich tritt ins Leben von Heinz’ Herrl eine Frau, für die er Gefühle entwickelt wie er sie schon lange nicht mehr hatte. Die steht aber auch gleich unter Verdacht, als das Herrl plötzlich Drohbriefe erhält. Warum muss das Leben nur so kompliziert sein?

Der Klappentext versprach ein amüsantes und gemütliches Leseerlebnis, für mich war das Buch aber so viel mehr: Beim Lesen habe ich festgestellt, dass mir die österreichische Sprache unglaublich gut gefällt. Da begegnen einem Wörter wie Tramway, Stiegenhaus, Ordination oder Sackerl, in meinem umgebungsbedingten Sprachgebrauch vollkommen ungewöhnlich. Ich mag ja Bücher, in denen schrullige und seltsame Männer drin vorkommen, die wirken, als wären sie irgendwie ein bisschen fehl am Platz in der Welt. Mich erinnerte dieses Buch ein bisschen an “Rudi” von Anne Herzig, “Agathe” von Anne Bomann oder “Barbara stirbt nicht” von Alina Bronsky.

Veröffentlicht am 02.08.2023

Ein Goth Girl mit Verbindung zu den Toten

Tote schweigen nie
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Cassie Raven ist Assistentin im Leichenhaus, hat aber auch mental eine besondere Beziehung zu den Toten. Sie spricht mit ihnen, und die Verstorbenen sprechen in einem letzten Aufflackern von Leben auch ...

Cassie Raven ist Assistentin im Leichenhaus, hat aber auch mental eine besondere Beziehung zu den Toten. Sie spricht mit ihnen, und die Verstorbenen sprechen in einem letzten Aufflackern von Leben auch mit ihr. Eines Tages landet Cassies ehemalige Lehrerin im Leichenhaus, mit der sie auch eine Freundschaft verbunden hat. Durch die letzte Zwiesprache mit ihr zweifelt Cassie an einer natürlichen Todesursache. Sie möchte ihrer einstigen Freundin einen letzten Dienst erweisen und versucht auf eigene Faust ihrem Gefühl nachzugehen, merkt aber schnell, dass sie ohne kommissarische Hilfe nur bedingt weiterkommt.

Das war mal wieder ein Thriller, den ich nicht aus der Hand legen konnte! Die ungewöhnliche Cassie und ihr komplexes Seelen- und Sozialleben in Kombination mit einem sehr spannenden Fall haben mich mitgerissen und bis zum Ende des Buches nicht mehr losgelassen. Ich hoffe sehr, dass Cassie Raven sich zu einer Reihe entwickeln wird, weil ich einfach riesengroße Lust habe diese Protagonistin weiter zu begleiten!

Veröffentlicht am 02.08.2023

Delikate Einblicke ins Sexgewerbe

Herbertstraße
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Auf der Reeperbahn nachts um halb eins... Nee, hier bleiben wir nicht, sondern gehen zwei Wegminuten weiter über St. Pauli durch zur Herbertstraße und erlauben uns einen Blick hinter jene Kulissen, die ...

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins... Nee, hier bleiben wir nicht, sondern gehen zwei Wegminuten weiter über St. Pauli durch zur Herbertstraße und erlauben uns einen Blick hinter jene Kulissen, die uns sonst verschlossen bleiben! “Herbertstraße” ist nicht nur die berühmte Sexmeile in Hamburg, es ist auch der Titel des Buches von Manuela Freitag. Manu fing schon früh mit der Prostitution an, wurde eine Frau des Gewerbes und machte sich einen Namen als sogenannte Stiefelfrau. Ihr Buch hat sie nach dem Arbeitsort benannt, an dem sie so viele Jahre verbracht hat, es bietet Einblicke in die Person hinter der unnahbaren Domina, die Neugier auf die Perversionen der menschlichen Sexualität wird aber auch gestillt. Ein intimes, ein delikates Buch!