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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.08.2023

Konfetti in der Tristesse

Die weiteren Aussichten
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Herbert lebt mit seiner Mutter im Haus an der Tankstelle am Rande des Dorfes, das den wirtschaftlichen Aufschwung knapp verpasst hat. Mit seiner Epilepsie quasi als „Behinderung“ eher gemieden, lebt der ...

Herbert lebt mit seiner Mutter im Haus an der Tankstelle am Rande des Dorfes, das den wirtschaftlichen Aufschwung knapp verpasst hat. Mit seiner Epilepsie quasi als „Behinderung“ eher gemieden, lebt der Sohn ein eher einsiedlerisches Leben. Der einzig dauerhafte Kontakt ist sowieso nur der zu Goldfisch Georg, dessen Ereignishorizont in seinem Fischglas fast sinnbildlich für das Leben der Dörfler ist in ihrem immergleichen Trott.
Eines Tages aber, als Herbert gerade den Grünstreifen unterm Tankstellenschild gießt, radelt eine dralle junge Frau mit einer formlosen Kurzhaarfrisur auf einem Klapprad mit Anhänger an ihm vorbei. Das Lächeln, das sie ihm schenkt, bleibt noch lange, als sie längst am Horizont verschwunden ist. Hilde heißt die Frau und arbeitet im hiesigen Hallenbad. Völlig verzaubert ist für Herbert klar, dass er sie kennenlernen muss, und trotz seiner sonderlichen Art gelingt es ihm sie für sich zu gewinnen. Herberts bisher ereignisloses und stetes Leben wird durch Hildes Anwesenheit völlig durcheinander geworfen, die Liebe hat ihn gepackt, und für die kämpft er auch gegen ganz aussichtslose Situationen.


Was für ein Buch! Es beginnt völlig trost- und aussichtslos und wird zum Ende hin so, ich kann es nicht anders sagen: Ein verrückter Roadmovie. Herbert und seiner Mutter genügt das bescheidene Leben, das sie führen, und als Herbert ein neu gewonnenes Glück findet, schwingt nebst allen Hindernissen auch immer Hoffnung mit aus einer völlig verqueren Situation wieder herauszukommen.

Die Protagonisten sind eigenbrötlerisch, seltsam, und doch möchte man sie weiter begleiten und wünscht ihnen nur Gutes. Der Erzählstil Seethalers mit dieser Prise österreichischer Sprache hat mir ausnehmend gut gefallen, wie er selbst in die Wortkargheit seiner Figuren noch eine Bedeutung und manchmal einen Witz legen kann.

Irgendetwas an diesem Buch hat mir sehr zugesagt. Ich ziehe keine Lebensweisheiten da raus, es hat mich nicht aufgeregt vom Hocker gehauen, ich habe mich einfach gerne bei den Charakteren in seinem Inneren aufgehalten. Ja, so ist das.

Veröffentlicht am 04.08.2023

Ich bin dann auch mal weg!

Ich bin dann mal weg
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Ich lese ja voll gern, war mir aber nie so sicher, ob Hörbücher das Richtige für mich sind. Ein Buch hören? Das sagt sich schon so seltsam daher. Aber ich wollte auch mal wieder puzzeln, und das war die ...

Ich lese ja voll gern, war mir aber nie so sicher, ob Hörbücher das Richtige für mich sind. Ein Buch hören? Das sagt sich schon so seltsam daher. Aber ich wollte auch mal wieder puzzeln, und das war die zweite Sache, bei der ich mir gar nicht so sicher war, ob das was für mich ist.

Ich denke, für mein erstes Hörbuch konnte Hape Kerkelings Beschreibung über seine Wanderung auf dem Jakobsweg keine bessere Wahl sein. Akustisch hat der Hape dann von der Bullenhitze und seinen schmerzgeplagten Füßen nicht nur beim Puzzeln erzählt sondern auch, wenn ich während eines Fresskomas auf dem Sofa vor mich hingedöst habe. Es macht einfach unglaublichen Spaß ihm dabei zuzuhören wie er einsam auf dem Compostela de Santiago vor sich hingegrummelt hat, weil er mal wieder kein Frühstück zu sich genommen hat oder welche ulkigen und manchmal sehr merkwürdigen Gestalten ihm sprichwörtlich und buchstäblich über den Weg gelaufen sind oder welche Begegnungen sich zu Freundschaften entwickelt haben.

Es heißt, die Jubiläumsausgabe mit ungekürzter Lesung von 2021 soll nicht so mitreißend gesprochen sein wie die ursprüngliche Hörbuchausgabe von 2006 – da ich letztere nicht kenne, kann ich dazu nichts sagen. Mir hat das, was ich gehört habe, gut gefallen. Ich erwähne dies abschließend nur, um auf die unterschiedlichen Versionen hinzuweisen.

Veröffentlicht am 04.08.2023

Spannendes Jugendbuch zum Thema Verschwörungstheorien!

Shelter
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Benny lebt noch nicht so lange in der neuen WG, ist noch neu in der Stadt und fühlt sich im Freundeskreis zwischen Liv, Nando, Till, Manuel und Darya ziemlich wohl. Während die Clique beim Feiern abends ...

Benny lebt noch nicht so lange in der neuen WG, ist noch neu in der Stadt und fühlt sich im Freundeskreis zwischen Liv, Nando, Till, Manuel und Darya ziemlich wohl. Während die Clique beim Feiern abends beisammen sitzt und sich an einen ehemaligen Kumpel erinnert, der durch seine neue Freundin mittlerweile in Verschwörungskreisen unterwegs ist, kommen einigen Freunden die Idee selbst mal eine Verschwörungstheorie in die Welt zu setzen. Liv, die sich kurz vor Abschluss ihres Psychologiestudiums befindet, nimmt die Idee begeistert als Projekt für ihre Bachelorarbeit auf. Heiter zieht die Gruppe spät in der Nacht los und pflastert die Stadt mit einem ausgedachten Erkennungszeichen, das schon bald in den sozialen Medien geteilt wird. Mit ein paar Fake-Accounts streut die Clique eine Verschwörungsgeschichte aus einem Kampf zwischen guten und bösen Aliens in Menschenkörpern ins Netz, die sich schon bald verselbstständigt.

Benny, der schon während der Aktion nicht wohl beim vorsätzlichen Täuschen anderer Menschen war, sieht sich in einem Netzwerk jemandem gegenüber, der sich die ausgedachte Verschwörungsgeschichte zu eigen macht und als eine Art Guru auftritt. Er versucht die Geschichte aufzuklären, stößt aber auf heftige Gegenwehr bei den Anhängern des Gurus. Als dann einzelne Freunde der Clique auf der Straße offen angegriffen werden, ist Benny derjenige, der am meisten darunter zu leiden hat – mental und körperlich.

Mehr darf ich an dieser Stelle eigentlich gar nicht verraten, um nicht zu spoilern. Wer Ursula Poznanski kennt, der weiß, dass sie ein wahnsinniges Talent dafür hat Spannung zu erzeugen, der man sich nicht entziehen kann. Man will einfach unbedingt wissen wie es sich auflöst, und das letzte Viertel von Shelter habe ich vor dem Schlafengehen innerhalb von drei Stunden durchgesuchtet. Und am Ende, auch das kennt man von Poznanski, lässt sie eine Bombe von solch einer Überraschung platzen, dass man die Worte gar nicht schnell genug lesen kann vor lauter Neugier! Erinnerte mich ein wenig an Morton Rhues „Die Welle“. Das war mal wieder Jugendthriller vom feinsten!

Veröffentlicht am 04.08.2023

Wenn ich ehrlich bin, ist dieses Buch für uns alle notwendig

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche
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Ich habe in diesem Buch der britischen Autorin Reni Eddo-Lodge einige neue Dinge erfahren, vor allem über Hautfarbe und Großbritannien. Ihr Buch ist aus einem Blogbeitrag von 2014 heraus entstanden, in ...

Ich habe in diesem Buch der britischen Autorin Reni Eddo-Lodge einige neue Dinge erfahren, vor allem über Hautfarbe und Großbritannien. Ihr Buch ist aus einem Blogbeitrag von 2014 heraus entstanden, in dem sie kritisiert hat wie sehr viele (nicht alle) weiße Menschen noch immer die Existenz (und damit gelebte Alltagsrealität vieler PoC) von strukturellen Rassismus und seiner Symptome leugnen. Eddo-Lodge konnte und wollte sich nicht mehr emotional und intellektuell damit verausgaben, Menschen von etwas zu überzeugen, die gar nicht willens sind zuzuhören. Dieser Blogbeitrag hat eine Welle des Zuspruchs für Eddo-Lodge ausgelöst und es kamen sogar die Bitten von weißen Leser:innen, sie möge ihre Überzeugungsarbeit nicht aufgeben, ihre Stimme wäre notwendig.
Und so schrieb sie weiter.

In dem Kapitel "Geschichte" konnte mir das Buch neues Wissen vermitteln, z.B. im Hinblick auf die Auswirkungen des Sklavenhandels oder auch die Beteiligung der Commonwealth Nations (insb. Jamaika, Indien, Karibik) am 2. Weltkrieg. Amerika hat eine gut dokumentierte Geschichte seiner Kultur, und über Großbritannien (immerhin bis in die 1940er hinein noch immer Kolonialmacht) wusste ich bisher so gut wie nichts.

Über einen sehr wichtigen Punkt im Kapitel "White Priviledge" habe ich mir nie Gedanken gemacht. Interethnische Kinder (ein weißes und ein schwarzes Elternteil) sind Teil der Vielfalt des Schwarzseins, die oftmals weniger bedacht wird. Die feglende Erfahrung weißer Elternteile mit Rassismus macht diese blind für die Schwierigkeiten des Kindes, das sich mit den Vorurteilen der Welt in Bezug auf seine Hautfarbe allein und ohne die Hilfe der Eltern auseinandersetzen muss.
Hier wurde ich mir sehr klar meines weißen Privilegs bewusst, dass mir dieser Gedanke darum nie gekommen ist.
Wenn man über strukturellen Rassismus spricht, kommt man um Intersektionalität und Feminismus nicht herum, und auch zu diesen Themen hat Eddo-Lodge wichtige Dinge zu sagen.


Alles in allem hat mich das Lesen der Inhalte schon sehr bereichert. Kann ich mich von Rassismus freisprechen? - Ich denke nicht. Wie der Klappentext schreibt, liegt der Rassismus vor allem im Herzen der achtbaren Gesellschaft. Solange Menschen anderer Hautfarben und Kulturen benachteiligt und offen angegriffen werden, solange wird es für weiße privilegierte Menschen wie mich notwendig sein Bücher wie dieses zu lesen.

Veröffentlicht am 04.08.2023

Lest mehr Gedichte!

Feine Pflänzchen
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𝐅𝐫𝐞𝐦𝐝𝐥ä𝐧𝐝𝐢𝐬𝐜𝐡 𝐝𝐮𝐟𝐭𝐞𝐭 𝐝𝐞𝐫 𝐉𝐚𝐬𝐦𝐢𝐧,
𝐃𝐨𝐜𝐡 𝐛𝐥ü𝐡𝐭 𝐞𝐫 𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐢𝐧 𝐆𝐫𝐨ß-𝐁𝐞𝐫𝐥𝐢𝐧.
𝐖𝐞𝐫 𝐎𝐫𝐜𝐡𝐢𝐝𝐞𝐞𝐧 𝐳ü𝐜𝐡𝐭𝐞𝐭 𝐢𝐬𝐭,
𝐄𝐢𝐧 𝐎𝐫𝐜𝐡𝐢𝐝𝐞𝐚𝐥𝐢𝐬𝐭.

Ab und zu mal ein Gedicht, das erheitert den Geist. Da ich noch nie was von Mascha Kaléko ...

𝐅𝐫𝐞𝐦𝐝𝐥ä𝐧𝐝𝐢𝐬𝐜𝐡 𝐝𝐮𝐟𝐭𝐞𝐭 𝐝𝐞𝐫 𝐉𝐚𝐬𝐦𝐢𝐧,
𝐃𝐨𝐜𝐡 𝐛𝐥ü𝐡𝐭 𝐞𝐫 𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐢𝐧 𝐆𝐫𝐨ß-𝐁𝐞𝐫𝐥𝐢𝐧.
𝐖𝐞𝐫 𝐎𝐫𝐜𝐡𝐢𝐝𝐞𝐞𝐧 𝐳ü𝐜𝐡𝐭𝐞𝐭 𝐢𝐬𝐭,
𝐄𝐢𝐧 𝐎𝐫𝐜𝐡𝐢𝐝𝐞𝐚𝐥𝐢𝐬𝐭.

Ab und zu mal ein Gedicht, das erheitert den Geist. Da ich noch nie was von Mascha Kaléko gelesen habe und mich jetzt so langsam mal nach dem Frühling sehne, schien mir "Feine Pflänzchen" genau richtig.
Die Gedichte sind kurz, manchmal nur zwei Zeilen lang, und doch steckt trotz der Knappheit immer etwas Neckisches darin. Die Illustrationen in dieser Ausgabe von dtv tragen ihren Teil dazu bei! Ein nettes kleines Bändchen!

»𝐍𝐞𝐢𝐧, 𝐌ö𝐡𝐫𝐞𝐧 𝐬𝐢𝐧𝐝 𝐳𝐮 𝐨𝐫𝐝𝐢𝐧ä𝐫,
𝐅𝐞𝐢𝐧 𝐢𝐬𝐭 𝐧𝐮𝐫 𝐝𝐢𝐞 𝐊𝐚𝐫𝐨𝐭𝐭𝐞!«
𝐒𝐨 𝐬𝐩𝐫𝐚𝐜𝐡 𝐌𝐚𝐝𝐚𝐦𝐞 𝐝𝐞 𝐏𝐨𝐦𝐩𝐚𝐝𝐨𝐮𝐫,
𝐃𝐢𝐞 𝐊𝐨𝐤𝐨𝐤𝐨𝐤𝐨𝐤𝐨𝐭𝐭𝐞.

𝐊𝐚𝐫𝐨𝐭𝐭𝐞𝐧 𝐠𝐚𝐛 𝐞𝐬 𝐢𝐧 𝐕𝐞𝐫𝐬𝐚𝐢𝐥𝐥𝐞𝐬
𝐒𝐨𝐠𝐚𝐫 𝐳𝐮𝐦 »𝐋𝐞𝐢𝐩𝐳𝐠𝐞𝐫 𝐀𝐥𝐥𝐞𝐫𝐥𝐚𝐢𝐥𝐥𝐞«.
- 𝐃𝐨𝐜𝐡 𝐝𝐢𝐞 𝐠𝐞𝐦𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐌ö𝐡𝐫𝐞𝐧
𝐓𝐚𝐭 𝐝𝐚𝐬 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐰𝐞𝐢𝐭𝐞𝐫 𝐬𝐭ö𝐫𝐞𝐧.