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Veröffentlicht am 07.08.2023

Wenn in Europa das geglaube Glück wohnt...

Barfuß in Deutschland
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Nach dem Tod ihrer Mutter träumt Mutoni von einem Leben in Europa. In Ruanda hält sie nichts mehr, nachdem ihre Schwester überstürzt nach Dubai aufgebrochen ist, um ihrerseits ein besseres Leben zu finden.
Durch ...

Nach dem Tod ihrer Mutter träumt Mutoni von einem Leben in Europa. In Ruanda hält sie nichts mehr, nachdem ihre Schwester überstürzt nach Dubai aufgebrochen ist, um ihrerseits ein besseres Leben zu finden.
Durch eine frühere Freundin wird Mutoni ein Kontakt mit einem wohlhabenden Mann in Deutschland vermittelt. In dem Glauben, dass Sebastian ihr Freund wird und ihr ein gutes Leben ermöglichen wird, macht Mutoni sich in den deutschen Winter auf. Kälter als das Wetter ist die gewaltvolle und ausbeuterische Situation, die Mutoni erwartet.
Sie kann sich aus ihrer Zwangslage befreien, irrt barfuß durch Hamburg und findet wie durch ein Wunder eine unerwartete Hilfe. Nur weit weg von Hamburg will sie und die schlimmen Erlebnisse vergessen. Mit der Zeit kommt Mutoni in Deutschland an, lernt Menschen und Kultur kennen. Es sieht aus, als könnten ihre Wunden heilen. Allerdings erkennt Mutoni, dass die Leute gewisse Ressentiments gegen sie haben. Der jungen Frau, die in Ruanda studiert hat und als gebildet gilt, wird in Deutschland lediglich ein Pflegejob zugetraut. Mutoni kommt an den Punkt, an dem sie sich fragt, ob Europa wirklich das Paradies ist, für das sie es gehalten hat.

So richtig weiß ich nicht, was ich im Nachgang von diesem Buch halten soll, obwohl ich es schon gut fand. Für mich kommt Mutoni vom Regen in die Taufe, was daran liegt, dass sich sich Mutonis Vorsicht zu Naivität wandelt, je näher ihre Reise nach Europa rückt. Die helfenden Hände, denen sie sich anvertraut, wägen mal mehr, mal weniger offensichtlich immer auch die Investition für ihre Bemühungen ab. Aus der Gesamtsumme dessen, was Mutoni widerfährt, zieht sie das möglichst Positive, das sie nach der letzten Seite, dem Fokus der Leser:innen entrückt, hoffentlich glücklich macht.

Veröffentlicht am 07.08.2023

Dieses Buch ist so wichtig!

Wir doch nicht
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Mathilda lebt in einer Zeit neuer politischer Umbrüche in Hamburg. Eine aufstrebende Partei setzt sich für traditionelle Werte ein, die das Patriarchat neu stärkt. Als diese Partei an die Macht gelangt, ...

Mathilda lebt in einer Zeit neuer politischer Umbrüche in Hamburg. Eine aufstrebende Partei setzt sich für traditionelle Werte ein, die das Patriarchat neu stärkt. Als diese Partei an die Macht gelangt, ist eine der ersten Gesetzesänderungen auf ihrer Agenda, Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch per lebenslanger Haftstrafe zu verbieten.
Die Entscheidungsgewalt über ihren Körper versucht sich die Mittdreißigerin Mathilda im Badezimmer mit einem Kleiderbügel zurückzuholen. Sie weiß, dass sie für das, was sie tut, im Gefängnis landen kann, zumal sie auch schon unter besonderer Beobachtung der örtlichen Behörden steht – denn in ihrem Alter noch kein Kind zu haben steht den Werten der neuen Regierung gegenüber. Mathildas Mutter hat das Land längst verlassen, und mittlerweile wünscht Mathilda sich, sie hätte ihre Warnungen nicht achtlos beiseiteschieben sollen. Für ihren Mann Finn entwickelt Mathilda zunehmend Abscheu, denn er sieht in der Kontrolle der Frauen und Kinder, welche die neue Regierung anstrebt, eine Karrieremöglichkeit. Um seine beruflichen Ziele zu erreichen, steht ihm die Kinderlosigkeit allerdings im Weg. Doch dann entzünden sich Mathildas innere Verletzungen, und sie zieht ungewollte Aufmerksamkeit auf sich, die sie das Leben kosten kann.

In den USA ist am 25. Juni 2022 mit dem Kippen des Urteils Roe v. Wade das seit 1973 bestehende Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in vielen Bundesstaaten stark eingeschränkt worden. Aktueller könnte dieses Buch daher nicht sein. “Wir doch nicht” schreit in einer wichtigen literarische Sprache, denn Freiheit nutzt sich ab, wenn sie nicht genutzt wird – also lest dieses Buch und gebt es weiter!

Veröffentlicht am 06.08.2023

Getrennte Wege

Game - Lust ohne Liebe 05
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Sayo hat das Spiel beendet, denn Lust ohne Liebe gibt es für sie nicht mehr. Kiriyama und sie gehen getrennte Wege, denn für ihn kommt eine Beziehung nach wie vor nicht infrage. Dennoch begegnen sich beide ...

Sayo hat das Spiel beendet, denn Lust ohne Liebe gibt es für sie nicht mehr. Kiriyama und sie gehen getrennte Wege, denn für ihn kommt eine Beziehung nach wie vor nicht infrage. Dennoch begegnen sich beide natürlich weiterhin auf der Arbeit, wo sie sich mit distanzierter Höflichkeit begegnen. Aber auch dort kommen sie um gewisse Berührungspunkte nicht herum. Eine Arbeitskollegin will eine Singleparty veranstalten, zu der Sayo hingeht und mit ihrem für sie ungewöhnlichen Dresscode einem Kollegen den Kopf verdreht, dass er sich in Sayo verliebt.
Kiriyama nutzt eine Gelegenheit, um die Lücke, die Sayo hinterlassen hat, anderweitig zu füllen. Es gelingt ihm nicht wirklich, doch er scheint nicht bereit sich einzugestehen, dass Sayo ihm ebenfalls fehlt.
Wie wird es wohl weitergehen mit den beiden?


Der lang ersehnte 5. Band der Reihe ist für mich bisher der Schwächste. Ein wenig ist es nachvollziehbar, denn die Story lebt einfach von der erotischen Interaktion zwischen Sayo und Kiriyama. Kiriyamas „Substitut“ konnte mich nicht überzeugen. Dennoch, ich bin gespannt, wann mit einem Folgeband zu rechnen ist und ob dieser mich wieder in die ursprüngliche Begeisterung für sich ziehen kann.

Veröffentlicht am 06.08.2023

Acht Frauen an Stationen ihres Lebens

Miss Kim weiß Bescheid
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„Miss Kim weiß Bescheid“ thematisiert die Geschichten verschiedener Frauen an unterschiedlichen Stationen ihres Lebens. Das Buch vereint aktuelle Themen wie Hasskommentare im Netz, Kontakte während der ...

„Miss Kim weiß Bescheid“ thematisiert die Geschichten verschiedener Frauen an unterschiedlichen Stationen ihres Lebens. Das Buch vereint aktuelle Themen wie Hasskommentare im Netz, Kontakte während der Covid-Pandemie, Wünsche und Fremdbestimmung im Alter, Gaslighting und noch einige mehr. Manche dieser Geschichten fand ich typisch asiatisch, wie bestimmte Aspekte in der Erzählung über einen Jungen , der in der Schule einem Mädchen unter den Rock fotografiert. Andere der Kurzgeschichten sind generell, wie jene über den Vater, welcher von heute auf morgen das Sparkonto leerräumt und die Familie verlässt; diejenige über eine Schriftstellerin, die Hasskommentare im Netz regelmäßig anzeigt oder eine Liebe zwischen einer Schülerin und einem Schüler mitten im Lockdown, die aufgrund sozialer Ungleichheiten nicht die Möglichkeit haben weiterhin Kontakt zu halten.
Die einzelnen Geschichten lassen sich zügig weglesen, was Cho Nam-Joos Stil zu verdanken ist, in den man sich problemlos einfindet. Besonderen Eindruck haben auf mich zwei Stories gemacht. Ein in Briefform gestalteter Abschied einer jungen Frau auf den Heiratsantrag ihres Freundes, dem sie psychische Manipulation, Einschüchterung und ständiges „Kleinmachen“ ihres Charakters vorwirft. Die andere Kurzgeschichte, die ich besonders lesenswert fand, handelte vom Wunsch einer älteren Frau, ihren eigenen Bedürfnissen zu folgen und sich nicht für die Betreuung ihres kleinen Enkelsohns von der Tochter einspannen zu lassen.
So unterschiedlich die einzelnen Geschichten sind, ist ihnen gemein, eine Art von Bedauern in ihnen vereint zu haben.

Das Buch ist durchaus lesenswert, steht für mich aber hinter Cho Nam-Joos Knallerwerk „Kim Jiyoung, geboren 1982“ zurück, das auf mich einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, an den ihr Zweitwerk nicht anknüpfen kann (was aber auch der Tatsache geschuldet sein mag, dass ich eigentlich keine Liebhaberin von Kurzgeschichten bin).

Veröffentlicht am 06.08.2023

Den Büchern verfallen

Bibliomanie
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In Barcelona lebt ein Buchhändler namens Giacomo. Ein normaler Buchhändler ist er nicht, denn er handelt nicht einfach mit raren Büchern, er ist schlichtweg besessen von ihnen. Nichts stellt seine Bibliomanie ...

In Barcelona lebt ein Buchhändler namens Giacomo. Ein normaler Buchhändler ist er nicht, denn er handelt nicht einfach mit raren Büchern, er ist schlichtweg besessen von ihnen. Nichts stellt seine Bibliomanie so sehr unter Beweis wie das Auftauchen eines wohlhabenden Studenten, der Giacomo seinen wertvollsten Besitz abkaufen will. Der fantatische Buchhändler ist nicht gewillt sich von der seltenen Handschrift zu trennen, die er oft betrachtet, den Buchschnitt bewundert, den Einband streichelt und den ehrwürdigen Geruch einatmet. Doch durch einen Trick gelingt es dem Studenten Giacomo zum Verkauf zu bewegen, denn er stellt ihm das Wissen um den Fundort einer noch größeren Rarität in Aussicht. Giacomo verliert sich immer mehr in der Jagd um das seltenste Buch, um am Ende nicht nur alles zu verlieren, sondern darum zu betteln sein Leben zu verlieren. Da er den größten Schatz nicht haben kann, ist ihm auch sein Leben nichts mehr wert.

Seltsames kleines Buch, das laut Anhang die erste Publikation von Gustave Flaubert ist und aus dem Jahre 1837 stammt. Es offenbart sich im Laufe der kurzen Geschichte, dass der Buchhändler Giacomo ein Stümper ist, der keine antiquarischen Qualitäten besitzt, nicht mal des Lesens mächtig ist und die begehrlichen, raren Bücher ausschließlich nach äußeren Kriterien bemisst. Da zieht man unweigerlich Parallelen dazu, wie Frauen häufig auch heute noch bewertet werden. Zum Glück war das nur ein kurzer Ausflug in den Wahnsinn.