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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.10.2023

Intelligente Spannung auf höchstem Niveau

Joe Country
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Mick Herrons Slow-Horses-Reihe ist für mich das Unterhaltsamste, was momentan auf dem Buchmarkt zur Verfügung steht. Warum? Zum einen sind es die schwarz-humorigen Dialoge und die ihnen innewohnenden entlarvenden ...

Mick Herrons Slow-Horses-Reihe ist für mich das Unterhaltsamste, was momentan auf dem Buchmarkt zur Verfügung steht. Warum? Zum einen sind es die schwarz-humorigen Dialoge und die ihnen innewohnenden entlarvenden Kommentare zum politischen Tagesgeschehen in Großbritannien, zum anderen ist es aber auch das Personenensemble der in Ungnade gefallenen Spione des MI5, auf man auf das Abstellgleis im Slough House verbannt hat. Und dann ist da noch deren unausstehlicher Doyen Jackson Lamb, ein Unsympath erster Güte mit schlechten Manieren, dessen Fürsorge für seine „Joes“ erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist.

Apropos Personen, in „Joe Country“, Band 6 der Reihe, wird bereits zu Beginn in einem Nebensatz erwähnt, dass drei der Beteiligten nicht überleben werden. Die Alarmglocken schrillen und man hofft, dass es keine/n der Stammbesetzung trifft. Aber bei Herron weiß man ja nie…

Okay, worum geht’s? Wie immer gibt sich Herron nicht mit einem Handlungsstrang zufrieden, sondern hält verschiedene Eisen ins Feuer. Wie immer beharken sich Peter Judd und Lady Di, letzere damit beschäftigt, nicht nur Emma Flyte sondern auch Lech Wicinski in Richtung Slough House zu entsorgen. Dann taucht bei der Beerdigung von David Cartwright Rivers verhasster Vater Frank Harkness auf, mit dem Lamb noch eine Rechnung offen hat. Und zu guter Letzt muss Louisa ihre Trauer um Min Harper zurückdrängen und sich auf eine lebensgefährliche Mission machen, um gemeinsam mit ihren Kollegen dessen verschwundenen Sohn in Wales ausfindig zu machen. Natürlich belässt es Herron nicht dabei, diese Fäden zu verknoten sondern wärmt damit in bewährter Art auch ein Thema auf, dass nicht nur in GB in jüngster Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt hat.

Kritisch, entlarvend und intelligent, eine spannende Reihe mit sympathischen und unsympathischen Protagonisten, die sich wohltuend von dem üblichen Krimi-Einerlei abhebt und die ich deshalb nachdrücklich empfehle.

Veröffentlicht am 18.09.2023

Liebeserklärung an meine Herzensstadt

London Shopfronts
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In den vergangenen dreißig Jahren war ich unzählige Male in London und habe mich abseits der Touristenströme durch die verschiedenen Stadtteile bewegt, denn es sind weder der Buckingham Palace noch Big ...

In den vergangenen dreißig Jahren war ich unzählige Male in London und habe mich abseits der Touristenströme durch die verschiedenen Stadtteile bewegt, denn es sind weder der Buckingham Palace noch Big Ben oder die Houses of Parliament, die dem Betrachter ein Gefühl für diese facettenreiche Metropole vermitteln. Es ist das Alltägliche, die Menschen, die Gerüche, die Geräusche und nicht zuletzt auch die überraschenden, unspektakulären Entdeckungen, die man beim ziellosen Herumstreifen entdeckt. Und oft braucht es dafür nur Neugier, offene Augen und die Bereitschaft, ausgetretene Pfade zu verlassen

Der amerikanische Illustrator Joel Holland nimmt uns in „London Shopfronts“ mit auf eine Tour durch Londons Prachtstraßen, aber auch in die weniger bekannten Ecken und zeigt anhand von farbenfrohen, ausgefallenen Schaufensterfronten die Vielfältigkeit und Kreativität dieser bunten und einzigartigen Stadt.

Untergliedert sind diese in Central, North, East, South und West, wobei die jeweilige Karte die entsprechenden Bezirke benennt, Tube-Stationen aufzeigt und die besprochenen Shopfronts aufführt, sodass man mit den benötigten Informationen versorgt ist und einem ausgiebigen Bummel nichts mehr im Wege steht.

Ergänzt werden Hollands wunderbare Illustrationen durch die fachkundigen Insider-Beschreibungen von Rosie Hewitson, Journalistin des Londoner Stadtmagazins „Time Out“, die nicht nur Hintergrundinformationen(aktuell und historisch) zu den porträtierten Läden, Clubs, Kneipen, Restaurants, Kinos etc. sondern auch zu den Besonderheiten der Bezirke gibt, in denen sich diese befinden.

Eine Liebeserklärung an meine Herzensstadt, ein Erinnerungsbuch, das sentimental werden lässt, ein alternativer Reiseführer, der neue Wege aufzeigt, und das ideale Geschenk für all diejenigen, die auch dem Charme dieser Metropole erlegen sind und London mit all seinen Gegensätzen lieben.

Veröffentlicht am 16.09.2023

Gut gemacht!

Tief im Schatten
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Viveca Sten nimmt uns auch in „Tief im Schatten“, dem zweiten Band der Ahlander/Lindskog-Reihe, mit in den verschneiten Skiort Åre im hohen Norden Schwedens.

Ein ehemals erfolgreicher Skiläufer, der nach ...

Viveca Sten nimmt uns auch in „Tief im Schatten“, dem zweiten Band der Ahlander/Lindskog-Reihe, mit in den verschneiten Skiort Åre im hohen Norden Schwedens.

Ein ehemals erfolgreicher Skiläufer, der nach einer schweren Verletzung seine Karriere beenden musste, wird schwer misshandelt und mit eingeschlagenem Schädel in einem verschneiten Birkenwäldchen aufgefunden. Aber wer könnte ein Interesse daran haben, Johan Andersson, der von allen als umgänglich und freundlich beschrieben wird, zu ermorden?

Die Autorin baut ihre Story langsam, fast schon über die Maßen akkurat auf, gibt den Charakteren einen ausgefeilten persönlichen Background, der ihre Aktionen, die nicht immer der Norm entsprechen, verständlich werden lässt.

Sie arbeitet mit alternierenden Kapiteln, was nicht nur den Lesefluss anheizt sondern auch die Spannung vorantreibt, weil der Leser/die Leserin immer einen gewissen Informationsvorsprung hat und eigene Vermutungen anstellen kann. Zum einen beschreibt sie aus Sicht der Ermittler die kleinteilige Polizeiarbeit, zum anderen erzählt sie die Geschichte einer toxischen Beziehung und wirft einen höchst kritischen Blick auf die in Schweden weitverbreiteten freikirchlichen Organisationen sowie deren rigide Auslegung der Bibel im zwischenmenschlichen Bereich. Und natürlich dürfen auch die Beschreibungen der winterlichen Landschaft Jämtlands nicht fehlen, die der Handlung eine ganz besondere Atmosphäre verleihen. Dies alles im richtigen Maß, sodass der eigentliche Fall nicht in den Hintergrund tritt.

Btw, das Buch ist 2021 im Original erschienen, also während der Zeit, in der Corona die Welt im Griff hatte. Aber glücklicherweise spielt das keine Rolle und wird von Viveca Sten lediglich in zwei Nebensätzen kurz erwähnt. Gut gemacht!

Veröffentlicht am 03.09.2023

Volle Punktzahl. Ohne Wenn und Aber.

Funkloch
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Garry Disher ist ein mit unzähligen Preisen ausgezeichneter Autor, der IMMER auf hohem Niveau schreibt. Ganz gleich, ob es sich um die Hirschhausen-, die Challis/Destry-, die Wyatt-Reihe oder einen seiner ...

Garry Disher ist ein mit unzähligen Preisen ausgezeichneter Autor, der IMMER auf hohem Niveau schreibt. Ganz gleich, ob es sich um die Hirschhausen-, die Challis/Destry-, die Wyatt-Reihe oder einen seiner Stand alones handelt, bisher hat mich noch keiner seiner Romane enttäuscht. Brillant!°

In „Funkloch“ (Challis/Destry-Reihe, Bd. 7) sind wir mit Chief Detective Hal Challis auf der Mornington Peninsula unterwegs, einer Halbinsel, die zu den Randbezirken von Melbourne gehört und mit ihren 190 km Strand nicht nur ein beliebtes Ziel für Wassersportler ist, sondern auch vermehrt solvente Städter anzieht, die ein Auge auf die Grundstücke am Meer geworfen haben. Aber die zunehmende Gentrifizierung schafft zahlreiche Probleme für die dünne Personaldecke der Polizei, wovon der unzureichende Handyempfang noch das Kleinste ist. Auf der einen Seite die Reichen und Schönen, auf der anderen Seite Familien, die nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Und natürlich auch jede Menge zwielichtige Gestalten, die das abgelegene Landesinnere für ihre krummen Geschäfte nutzen.

Von den Romanen des Autors wissen wir, dass er sich nicht einem Fall zufrieden gibt. Der Tod von zwei Auftragsmördern in einem Buschfeuer ist nur der Anfang, der im Verlauf der Handlung immer weitere Kreise zieht. Neben einer ausgebrannten Meth-Küche, dem organisierten Diebstahl von Landmaschinen, einem vermissten Kind und der Suche nach einem Serienvergewaltiger, den Ellen Destry, Challis‘ Freundin und mittlerweile Leiterin der Abteilung für Sexualverbrechen, im Visier hat, gibt es natürlich auch zwischenmenschliche Konflikte unter Kollegen, persönliche Dramen sowie Fehlverhalten innerhalb der Truppe. Alles mit leichter Hand in einer großartigen Geschichte verwoben, die mit der gewohnten Empathie von Disher erzählt wird.

Volle Punktzahl. Ohne Wenn und Aber!

Veröffentlicht am 11.08.2023

Gelungener Abschluss

Nebelblau
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„Nebelblau“, nach „Sturmrot“ und „Erdschwarz“ der abschließende Band von Tove Alsterdals Eira-Sjödin-Trilogie, beginnt mit einer überraschenden Entdeckung, die Meeresarchäologen bei einem Tauchgang im ...

„Nebelblau“, nach „Sturmrot“ und „Erdschwarz“ der abschließende Band von Tove Alsterdals Eira-Sjödin-Trilogie, beginnt mit einer überraschenden Entdeckung, die Meeresarchäologen bei einem Tauchgang im Wrack eines vor langer Zeit gesunkenen Schiffes machen. Das Teilskelett, das sie finden, gibt Anlass zu Spekulationen und ruft die Ermittler rund um Eira Sjödin auf den Plan. Handelt es sich um eine vor Jahren verschwundene Frau oder um ein ehemaliges Besatzungsmitglied des Schiffes oder schlicht um ein bisher unbekanntes Mordopfer? Noch ahnt keine/r der Beteiligten, dass jede neu gewonnene Erkenntnis neue Fragen aufwerfen und sie schließlich zu einer Protestbewegung, die in den sechziger Jahren in Ådalen aktiv war, führen wird.

Wie bereits in den Vorgängern ist es Tove Alsterdal gelungen, reale Ereignisse nicht nur aus der schwedischen sondern auch aus der internationalen Vergangenheit in einen spannenden Kriminalfall zu packen und aufzuzeigen, welche Auswirkungen dennoch lang Vergangenes auf das Leben der Menschen in der Gegenwart haben kann. Dazu richtet sie den Blick auf eine verbürgte CIA-Aktion, die „Operation Chaos“, in der der Geheimdienst eine Gruppe von amerikanischen Wehrdienstverweigerern und Vietnam-Deserteuren, die nach Schweden geflüchtet sind, infiltriert und mit Hilfe gekaufter Unterstützer von innen heraus zerschlagen will.

Aber natürlich kommen auch die in den beiden vorherigen Bänden rund um Eira und ihr Privatleben gesponnenen Handlungsfäden nicht zu kurz. Da ist das Kind, das sie erwartet und von dem sie nicht weiß, wer der Vater ist. Die Mutter, die mittlerweile wegen ihrer fortgeschrittenen Demenz in einem Pflegeheim lebt. Der Bruder, der wegen eines Verbrechens, das er nicht begangen aber auf sich genommen hat, im Gefängnis sitzt.

Alles ohne Logikfehler verwoben und im richtigen Verhältnis gut ausbalanciert, sodass keine Fragen offenbleiben und man am Ende das Buch zufrieden zuklappen kann.